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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.06.1994
Aktenzeichen: C-298/93 P
Rechtsgebiete: EGKS- und EAG-Satzung


Vorschriften:

EGKS- und EAG-Satzung Art. 31
EGKS- und EAG-Satzung Art. 32 Abs. 2
EGKS- und EAG-Satzung Art. 54 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Bereich der Einstufung in die Besoldungsgruppe und die Dienstaltersstufe bei der Einstellung verfügt die Anstellungsbehörde über einen weiten Ermessensspielraum in dem durch die Artikel 31 und 32 Absatz 2 des Statuts gezogenen Rahmen. Bei der Ausübung dieses Ermessens hat sie nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch die Berufserfahrung des Betroffenen zu berücksichtigen.

Im Falle eines so weiten Ermessensspielraums kann die gerichtliche Nachprüfung nicht an die Stelle der Würdigung durch die Anstellungsbehörde treten, sondern muß sich auf die Frage beschränken, ob die Anstellungsbehörde ihr Ermessen offensichtlich fehlerhaft ausgeuebt hat. Dies ist nicht der Fall, wenn die Anstellungsbehörde zwar der Ansicht war, sie könne die Berufserfahrung des Betroffenen zusammen mit anderen Gesichtspunkten berücksichtigen, jedoch unter Berücksichtigung aller erheblichen Gesichtspunkte in Ausübung ihres Ermessens zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Betroffene nicht in die höhere Besoldungsgruppe der Laufbahn einzustufen sei.

2. Hat das Gericht die Bedeutung eines der Klagegründe mißverstanden und diesen Klagegrund deshalb zu Unrecht für unzulässig erklärt oder einen anderen als den tatsächlich vorgebrachten Klagegrund als nicht stichhaltig zurückgewiesen, so ist das Rechtsmittel begründet, und das angefochtene Urteil oder der mit diesem Fehler behaftete Teil dieses Urteils ist aufzuheben.

3. Die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten spiegelt das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten wider, das das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und dem Beamten geschaffen hat. Dieses Gleichgewicht erfordert insbesondere, daß die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten alle Gesichtspunkte berücksichtigt, die geeignet sind, sie in ihrer Entscheidung zu leiten, und dabei nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Beamten berücksichtigt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 29. JUNI 1994. - ULRICH KLINKE GEGEN GERICHTSHOF DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - ANTRAG AUF ERNENNUNG IN DER HOEHEREN BESOLDUNGSGRUPPE DER LAUFBAHN A 7/A 6. - RECHTSSACHE C-298/93 P.

Entscheidungsgründe:

1 Der Kläger und Rechtsmittelführer (im folgenden: Kläger) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 27. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EWG-Satzung und der entsprechenden Vorschrift der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 30. März 1993 in der Rechtssache T-30/92 (Klinke/Gerichtshof, Slg. 1993, II-375) eingelegt. Mit diesem Urteil hat das Gericht seine Klage abgewiesen, die darauf gerichtet war, die Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofes als Anstellungsbehörde, den Kläger zum Verwaltungsrat im Informationsdienst zu ernennen, aufzuheben, soweit er mit dieser Entscheidung in die Besoldungsgruppe A 7, Dienstaltersstufe 3, eingestuft worden war, die Entscheidung des Verwaltungsausschusses aufzuheben, mit der seine Ernennung in dieser Besoldungsgruppe bestätigt wurde, und festzustellen, daß er Anspruch auf Ernennung in der Besoldungsgruppe A 6 hat.

2 Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, trat der Kläger am 1. April 1982 als Jurist-Übersetzer in der deutschen Übersetzungsabteilung und Bediensteter auf Zeit in den Dienst des Gerichtshofes. Er wurde am 1. Oktober 1983 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt und in die Besoldungsgruppe LA 6 eingestuft.

3 Mit Wirkung vom 1. Juni 1985 wurde der Kläger dem Informationsdienst des Gerichtshofes zur Verfügung gestellt. Mit Verfügung der Anstellungsbehörde vom 1. Juli 1991 wurde er dort zum Verwaltungsrat ernannt und in die Besoldungsgruppe A 7, Dienstaltersstufe 3, eingestuft, nachdem er das interne Auswahlverfahren Nr. CJ 115/89 erfolgreich durchlaufen hatte.

4 Der Kläger legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, soweit er mit ihr in die Besoldungsgruppe A 7 eingestuft wurde, und beantragte seine Neueinstufung in die Besoldungsgruppe A 6. Der Verwaltungsausschuß wies diese Beschwerde mit Entscheidung vom 20. Januar 1992 zurück. Der Ausschuß stellte fest, daß die beanstandete Einstufung "in Übereinstimmung mit der ständigen, in der Verwaltungssitzung vom 11. Juli 1979 im Einklang mit der Rechtsprechung beschlossenen Praxis des Gerichtshofes" verfügt worden sei.

5 In der Entscheidung des Verwaltungsausschusses heisst es weiter:

"Nach der Rechtsprechung erfolgt die Ernennung eines Beamten nur ausnahmsweise in der höheren Besoldungsgruppe der Eingangslaufbahnen oder der Zwischenlaufbahnen und liegt in jedem Fall im Ermessen der Verwaltung.

In Ausübung dieses Ermessens hat der Gerichtshof mit seiner oben genannten Entscheidung vom 11. Juli 1979 in seinem Bemühen um Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Einstellung von Beamten die Grundsatzentscheidung getroffen, die Beamten, die aus dem Sprachendienst kommen, in der Besoldungsgruppe A 7 einzustellen.

Angesichts der vorliegenden Umstände hat der Verwaltungsausschuß entschieden, daß die Verwaltung bei der Anwendung dieser Grundsatzentscheidung auf Sie keine fehlerhafte Tatsachenwürdigung vorgenommmen hat und Sie im Verhältnis zu anderen Beamten, die mit der Ausführung entsprechender Aufgaben betraut sind, nicht ungleich behandelt hat."

6 Der Verwaltungsausschuß fügte hinzu, daß sich an dieser Entscheidung auch dadurch nichts ändere, daß der Kläger etwa sechs Jahre lang dem Informationsdienst zur Verfügung gestellt gewesen sei, da er mit dieser Lage einverstanden gewesen sei und diese seinem persönlichen Wunsch entsprochen habe, und daß die vom Kläger in Ausübung der Tätigkeit beim Informationsdienst erworbene Berufserfahrung innerhalb der nach Artikel 32 des Statuts zulässigen Grenzen bei der Einstufung in die Dienstaltersstufe seiner neuen Besoldungsgruppe berücksichtigt worden sei.

7 In seiner Verwaltungssitzung vom 11. Juli 1979 hatte der Gerichtshof eine wie folgt lautende Grundsatzentscheidung getroffen:

"Beamte der Laufbahngruppe LA, die bereits in die Besoldungsgruppe LA 6 ihrer Laufbahngruppe eingestuft sind, haben keinen Anspruch auf eine automatische Ernennung in der Besoldungsgruppe A 6. Artikel 31 des Statuts sieht nämlich vor, daß die Beamten in der Eingangsbesoldungsgruppe ihrer Laufbahn ernannt werden. Ausserdem hätte die Umstellung von LA 6 auf A 6 angesichts der begrenzten Zahl freier Planstellen in der höheren Besoldungsgruppe der Laufbahn A 7/A 6 zur Folge, daß die Beamten der Besoldungsgruppe A 7 in dieser Besoldungsgruppe blockiert und so die Möglichkeiten für ihre Beförderung in die höhere Besoldungsgruppe der Laufbahn geschmälert würden."

8 Artikel 31 des Statuts lautet:

"(1) Die auf diese Weise ausgewählten Bewerber werden wie folgt zu Beamten ernannt:

° Beamte der Laufbahngruppe A oder der Sonderlaufbahn Sprachendienst:

in der Eingangsbesoldungsgruppe ihrer Laufbahngruppe oder ihrer Sonderlaufbahn:

° Beamte der anderen Laufbahngruppen:

in der Eingangsbesoldungsgruppe, die dem Dienstposten entspricht, für den sie eingestellt worden sind.

(2) Die Anstellungsbehörde kann jedoch innerhalb folgender Grenzen von Absatz 1 abweichen:

a) in den Besoldungsgruppen A 1, A 2, A 3 und L/A 3:

° bei der Hälfte der Ernennungen, wenn es sich um frei gewordene Planstellen handelt;

° bei zwei Dritteln der Ernennungen, wenn es sich um neu geschaffene Planstellen handelt;

b) in den anderen Besoldungsgruppen:

° bei einem Drittel der Ernennungen, wenn es sich um frei gewordene Planstellen handelt;

° bei der Hälfte der Ernennungen, wenn es sich um neu geschaffene Planstellen handelt;

Dies gilt ° ausser bei der Besoldungsgruppe L/A 3 ° für jeweils sechs innerhalb jeder Besoldungsgruppe zu besetzende Dienstposten."

9 Der Kläger stützte seine Klage auf vier Klagegründe, die in dem angefochtenen Urteil sämtlich zurückgewiesen wurden. Mit seinem Rechtsmittel ficht der Kläger die Abschnitte des Urteils an, in denen das Gericht drei dieser Klagegründe zurückgewiesen hat.

Erster Rechtsmittelgrund

10 Das Gericht hat entschieden, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 6. Juni 1985 in der Rechtssache 146/84, De Santis/Rechnungshof, Slg. 1985, 1723) Ernennungen in der höheren Besoldungsgruppe einer Laufbahn nur dann ausnahmsweise zulässig seien, wenn die Anwendung des Artikels 31 Absatz 2 durch spezifische dienstliche Erfordernisse gerechtfertigt sei, die die Einstellung eines besonders qualifizierten Beamten notwendig machten (Randnr. 25 des angefochtenen Urteils).

11 So solle im Unterschied zu Artikel 32 Absatz 2 des Statuts, der der Anstellungsbehörde gestatte, dem erfolgreichen Absolventen eines Auswahlverfahrens mit Rücksicht auf seine Ausbildung und seine besondere Berufserfahrung Verbesserungen hinsichtlich der Dienstaltersstufe zu gewähren, "Artikel 31 Absatz 2 es... der Anstellungsbehörde erlauben, den besonderen Erfordernissen einer bestimmten Dienststelle dadurch zu entsprechen, daß attraktive Bedingungen angeboten werden, um besonders qualifizierte Bewerber zu gewinnen" (Randnr. 26).

12 Das Gericht hat sodann festgestellt, "daß der Kläger keinerlei Anhaltspunkt, der sich insbesondere aus der Stellenausschreibung ergeben könnte, dafür vorgebracht hat, daß im vorliegenden Fall die Erfordernisse des Informationsdienstes die Einstellung eines besonders qualifizierten Beamten notwendig gemacht hätten" (Randnr. 27); es hat hieraus gefolgert, "daß die Eignung des Klägers für die Einstufung in die Besoldungsgruppe bei seiner Ernennung unerheblich war. Wenn der Kläger für die Besetzung der Stelle, für die er in A 7 ernannt wurde und die er zur allgemeinen Zufriedenheit innehat, hervorragend geeignet war, bedeutet dies nicht, daß für die Besetzung dieser Stelle eine aussergewöhnliche Eignung erforderlich gewesen wäre" (Randnr. 28).

13 Der Kläger wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen diese Auslegung. Er macht geltend, Artikel 31 Absatz 2 des Statuts enthalte keine Kriterien für seine Anwendung und schließe demnach nicht die Möglichkeit aus, die Qualifikationen des Betroffenen zu berücksichtigen. Im übrigen ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß zur Besetzung einer freien Stelle neben den abstrakten dienstlichen Erfordernissen auch die Interessen der zu ernennenden Person zu berücksichtigen seien, d. h. ihre besonderen Qualifikationen und ihre persönliche Lage (Urteile vom 1. Dezember 1983 in der Rechtssache 343/82, Michäl/Kommission, Slg. 1983, 4023, und vom 5. Oktober 1988 in den verbundenen Rechtssachen 314/86 und 315/86, De Szy-Tarisse und Feyärts/Kommission, Slg. 1988, 6013).

14 Dieser Rechtsmittelgrund greift durch. Zwar ermächtigt Artikel 31 Absatz 2 des Statuts nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 28. März 1968 in der Rechtssache 33/67, Kurrer/Rat, Slg. 1968, 187) die Anstellungsbehörde in Abweichung von Artikel 31 Absatz 1 und ausnahmsweise eine Stelle in einer höheren Besoldungsgruppe als der Eingangsbesoldungsgruppe einer Laufbahn auszuschreiben, um spezifische Erfordernisse einer Dienststelle zu berücksichtigen, und ein Auswahlverfahren für die Einstellung unmittelbar in dieser Besoldungsgruppe zu veranstalten, doch bedeutet dies nicht, daß der Anstellungsbehörde diese Abweichungsmöglichkeit durch die in Rede stehende Vorschrift nur für die Ausschreibung einer freien Stelle und die Veranstaltung des Verfahrens zu ihrer Besetzung eingeräumt wäre.

15 Artikel 31 Absatz 2 enthält keine Kriterien für die Anwendung der Abweichung von dem in Absatz 1 aufgestellten Grundsatz. Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Anstellungsbehörde jedoch insoweit über einen weiten Ermessensspielraum (vgl. etwa Urteile Michäl/Kommission und De Szy-Tarisse und Feyärts/Kommission, a. a. O., und Urteil vom 21. Januar 1987 in der Rechtssache 219/84, Powell/Kommission, Slg. 1987, 339); im Rahmen der betreffenden Bestimmung wie auch in dem von Artikel 32 Absatz 2 des Statuts verfügt die Anstellungsbehörde über dieses Ermessen auch bei der Beurteilung der Berufserfahrung der Betroffenen im Hinblick auf ihre Einstufung in die Besoldungsgruppe (vgl. Urteile Michäl/Kommission, Randnr. 19, und De Szy-Tarisse und Feyärts/Kommission, Randnr. 26).

16 Indem das Gericht Artikel 31 so ausgelegt hat, daß er als einziges Einstufungskriterium das dienstliche Interesse enthalte, und demgemäß entschieden hat, daß "die Qualifikationen des Klägers für die Einstufung in die Besoldungsgruppe bei seiner Ernennung unerheblich waren", hat es somit einen Rechtsfehler begangen. Dieser Teil des angefochtenen Urteils ist daher aufzuheben.

Zweiter Rechtsmittelgrund

17 Dem angefochtenen Urteil zufolge hatte der Kläger geltend gemacht, daß das interne Auswahlverfahren Nr. CJ 115/89 seinem Titel nach die Ernennung von Verwaltungsräten in den Besoldungsgruppen A 6 und A 7 zum Gegenstand gehabt habe. Da die Anstellungsbehörde vorab entschieden habe, daß LA-6-Beamte nicht in die Besoldungsgruppe A 6 gelangen könnten, lasse dies den Schluß zu, daß nur A-7-Beamte durch dieses Auswahlverfahren in die Besoldungsgruppe A 6 hätten gelangen können; dies stelle eine Bevorzugung der A-7-Beamten dar. Damit sei ausser acht gelassen worden, daß der Kläger mehr als sechs Jahre lang tatsächlich die Aufgaben eines Verwaltungsrats im Informationsdienst wahrgenommen habe; er sei somit gegenüber den Beamten der Besoldungsgruppe A 7 diskriminiert.

18 Das Gericht hat dieses Vorbringen in den Randnummern 35 bis 37 des angefochtenen Urteils wie folgt zurückgewiesen:

"35 Jedenfalls muß die vom Kläger behauptete Diskriminierung anhand des Zwecks der Vorschrift geprüft werden, bei deren Anwendung er nach seinem Vorbringen diskriminiert worden ist, wie dieser im Urteil De Santis/Rechnungshof, a. a. O., bestimmt wurde.

36 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß es für den Vergleich weder auf die Laufbahngruppe oder auf die Sonderlaufbahn, aus der die ernannten Beamten kommen, noch auf deren Eignung ankommt, sondern auf die besonderen Erfordernisse der zu besetzenden Planstellen.

37 Das Gericht hat in der Sitzung davon Kenntnis genommen, daß seit der Bekanntgabe der Entscheidung vom 11. Juli 1979 an das betroffene Personal kein Beamter, der aus der Sonderlaufbahn LA in die Laufbahngruppe A übergegangen ist, in einer anderen als der Besoldungsgruppe A 7 eingestellt worden ist. Unter diesen Umständen kann der Kläger nicht behaupten, daß Planstellen, die mit seiner vergleichbar sind, in der Besoldungsgruppe A 6 besetzt worden seien."

19 Der Kläger macht mit seinem Rechtsmittel geltend, das Gericht habe sich auf einen von ihm nicht angeführten Vergleichsgesichtspunkt gestützt, nämlich die "besonderen Erfordernisse der zu besetzenden Planstellen". Der vom Kläger angeführte Vergleichsgesichtspunkt zur Beurteilung der Frage, ob er diskriminiert sei, könne nur "die individuelle Lage der ° im vorliegenden Fall theoretischen ° Konkurrenten sein, die erfolgreich am Auswahlverfahren für diese Stelle teilgenommen" hätten. Die Lage des Klägers unterscheide sich aber von der aller potentiellen Konkurrenten, weil er diesen Dienstposten bereits seit mehr als sechs Jahren tatsächlich innegehabt habe.

20 Auch dieser Rechtsmittelgrund greift durch. Wie sich nämlich aus den vorstehend wiedergegebenen Teilen des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Gericht nicht über den vom Kläger auf die angeführte Diskriminierung gestützten Klagegrund, sondern über einen anderen Klagegrund entschieden, der auf eine Diskriminierung gestützt war, die der Kläger nicht geltend gemacht hatte. Dieser Teil des angefochtenen Urteils ist daher ebenfalls aufzuheben.

Dritter Rechtsmittelgrund

21 Der Kläger hatte mit seiner Klage geltend gemacht, die Anstellungsbehörde habe seine Laufbahn gefährdet, indem sie ihn dem Informationsdienst zur Verfügung gestellt habe, was im Statut nicht vorgesehen sei. Die Anstellungsbehörde habe dadurch, daß sie mit der angefochtenen Handlung entschieden habe, den Kläger nicht in die Besoldungsgruppe A 6 einzustufen, die nachteiligen Auswirkungen dieser rechtswidrigen Situation aufrechterhalten und damit ihre Beistandspflicht gegenüber dem Beamten nach Artikel 24 des Statuts verletzt.

22 Das Gericht hat ausgeführt (Randnrn. 41 bis 43 des angefochtenen Urteils), daß der Kläger mit diesem Klagegrund die Rechtmässigkeit seiner Zurverfügungstellung in Zweifel ziehe, daß die Frist des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts für die Beanstandung einer solchen Handlung seit langem abgelaufen sei und daß dieser Klagegrund daher unzulässig sei.

23 Der Kläger führt im Rechtsmittelverfahren aus, seine Rüge der Verletzung der Beistandspflicht durch die Verwaltung sei nicht darauf gerichtet gewesen, die Rechtmässigkeit der Entscheidung, ihn dem Informationsdienst zur Verfügung zu stellen, sechs Jahre später in Frage zu stellen. Das Gericht habe daher den Sinn dieser Rüge völlig verkannt, bei der es um folgendes gehe: Die zunehmende Fortdauer einer kaum dem Statut entsprechenden Situation habe den Betroffenen in zweifacher Hinsicht benachteiligt, da er rechtlich von jeder Möglichkeit einer Beförderung innerhalb des Informationsdienstes sowie tatsächlich und rechtlich von der Möglichkeit einer Beförderung innerhalb des Sprachendienstes ausgeschlossen sei. Die Beistandspflicht der Anstellungsbehörde nach Artikel 24 des Statuts verlange daher, daß diese Maßnahmen treffe, um die nachteiligen Folgen dieser Situation zu beenden.

24 Auch dieser Rechtsmittelgrund greift durch. Mit dem betreffenden Klagegrund wurde nämlich nicht die Rechtmässigkeit der Entscheidung, den Kläger dem Informationsdienst zur Verfügung zu stellen, nach sechsjähriger Anwendung in Frage gestellt. Der Sinn dieses Klagegrunds bestand darin, daß die Anstellungsbehörde auf der Grundlage ihrer Fürsorgepflicht nach Artikel 24 des Statuts hätte berücksichtigen müssen, daß der Kläger sechs Jahre lang im Informationsdienst in einer kaum dem Statut entsprechenden dienstrechtlichen Stellung tätig gewesen sei, die der normalen Entwicklung seiner Laufbahn abträglich sei. Nach Ansicht des Klägers hätte die Anstellungsbehörde diesem Umstand nur dadurch Rechnung tragen und die Situation gemäß ihrer Fürsorgepflicht nur dadurch bereinigen können, daß sie ihn bei der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit in die Besoldungsgruppe A 6 eingestuft hätte.

25 Daher ist festzustellen, daß dieser Klagegrund nicht unzulässig war und daß das Gericht hätte prüfen müssen, ob er begründet ist.

26 Demgemäß ist das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es die drei vorstehend wiedergegebenen Klagegründe zurückweist.

27 Nach Artikel 54 Absatz 1 der EWG-Satzung des Gerichtshofes hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Da der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, ist über die drei vom Gericht in den aufgehobenen Teilen des Urteils zurückgewiesenen Klagegründe endgültig zu entscheiden.

Zur Klage

28 Mit seinem ersten Klagegrund hat der Kläger geltend gemacht, die vom Gerichtshof am 11. Juli 1979 getroffene Grundsatzentscheidung lasse der Anstellungsbehörde letztlich die Möglichkeit, in Ausnahmefällen Beamte der Besoldungsgruppe LA 6 der Sonderlaufbahn Sprachendienst in der Besoldungsgruppe A 6 einzustellen. Die strikte Anwendung des in dieser Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Grundsatzes sei zwar verständlich gegenüber Beamten der Sonderlaufbahn Sprachendienst, die auf ihrem neuen Dienstposten erstmals die Tätigkeit eines Verwaltungsrats ausübten, doch sei sie nicht gerechtfertigt gegenüber einem LA-6-Beamten, der wie der Kläger bereits eine beträchtliche Erfahrung auf dem Dienstposten der Laufbahngruppe A erworben habe, auf den er dann eingestellt worden sei. Somit habe die Anstellungsbehörde nicht ohne offensichtlichen Fehler in der Tatsachenwürdigung zu der Auffassung gelangen können, daß die Lage des Klägers seine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 6 nicht rechtfertige.

29 Diese Auffassung ist nicht begründet. Wie sich aus den Akten und insbesondere aus der Entscheidung des Verwaltungsausschusses vom 20. Januar 1992 ergibt, hat sich die Anstellungsbehörde bei der Prüfung der Lage des Klägers auf eine zutreffende Auslegung von Artikel 31 Absatz 2 des Statuts gestützt. Sie war nämlich der Ansicht, sie könne die Berufserfahrung des Klägers zusammen mit anderen Gesichtspunkten auch für dessen Einstufung in die Besoldungsgruppe berücksichtigen, und gelangte unter Berücksichtigung aller erheblichen Gesichtspunkte in Ausübung ihres Ermessens zu dem Ergebnis, daß der Kläger nicht in die Besoldungsgruppe A 6 einzustufen sei.

30 Die Auffassung des Klägers läuft auf das Vorbringen hinaus, daß die Anstellungsbehörde ihr Ermessen im vorliegenden Fall nur durch seine Ernennung in der höheren Besoldungsgruppe der betreffenden Laufbahn hätte ausüben können, als ob eine bestimmte Berufserfahrung dem, der sie besitzt, einen Anspruch auf Ernennung in dieser Besoldungsgruppe verleihen könne.

31 Trifft die Anstellungsbehörde in Ausübung eines so weiten Ermessens, wie es ihr auf dem hier in Rede stehenden Gebiet zusteht, eine Entscheidung, so kann die gerichtliche Nachprüfung nicht an die Stelle der Würdigung durch die Anstellungsbehörde treten, sondern muß sich auf die Frage beschränken, ob die Anstellungsbehörde ihr Ermessen offensichtlich fehlerhaft ausgeuebt hat (vgl. Urteil vom 17. Januar 1992 in der Rechtssache C-107/90 P, Hochbaum/Kommission, Slg. 1992, I-157). Es ist nicht nachgewiesen worden, daß dies hier der Fall war. Dieser Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

32 Mit dem Klagegrund der Verletzung des Diskriminierungsverbots hat der Kläger im Kern geltend gemacht, daß er, da er aus der Sonderlaufbahn Sprachendienst gekommen sei und von der Anstellungsbehörde auf der Grundlage einer fehlerhaften Auslegung der Entscheidung des Gerichtshofes vom 11. Juli 1979 von vornherein von der Besoldungsgruppe 6 der Laufbahngruppe A ausgeschlossen worden sei, gegenüber den Beamten der Besoldungsgruppe A 7 diskriminiert sei, die die einzigen gewesen seien, denen die durch das interne Auswahlverfahren Nr. CJ 115/89 gebotene Möglichkeit hätte zugute kommen und die somit in die Besoldungsgruppe A 6 hätten gelangen können. Er sei ferner dadurch diskriminiert, daß er wie jeder andere Beamte der Sonderlaufbahn Sprachendienst behandelt worden sei, der sich in dem Auswahlverfahren Nr. CJ 115/89 ohne jede Erfahrung als Verwaltungsrat beworben hätte.

33 Der erste Teil dieses Klagegrunds beruht auf der Annahme, daß die Anstellungsbehörde die vom Gerichtshof am 1. Juli 1979 erlassene Grundsatzentscheidung im Rahmen des ihr durch Artikel 31 Absatz 2 des Statuts eingeräumten Ermessens falsch ausgelegt habe. Diese Annahme ist unzutreffend. Wie sich aus den Akten ergibt, hat die Anstellungsbehörde diese Entscheidung zutreffend dahin ausgelegt, daß sie ihr Ermessen in diesem Bereich unberührt lässt; von diesem Ermessen hat die Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht.

34 Zum zweiten Teil dieses Klagegrunds ergibt sich aus den Akten, daß die Berufserfahrung des Klägers einer der Gesichtspunkte war, die die Anstellungsbehörde berücksichtigen musste und die sie auch tatsächlich berücksichtigt hat. Sie war jedoch nicht der Auffassung, daß dieser Gesichtspunkt sie verpflichten könne, ihr Ermessen in dem vom Kläger gewünschten Sinne auszuüben. Der Gerichtshof erkennt an, daß die beruflichen Qualifikationen des Klägers beachtlich sind, er kann jedoch im Wege der gerichtlichen Nachprüfung nur feststellen, daß die Anstellungsbehörde mit dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung ihr Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeuebt hat.

35 Der Klagegrund der Verletzung des Diskriminierungsverbots ist daher zurückzuweisen.

36 Mit dem Klagegrund der Verletzung der Beistandspflicht der Verwaltung, wie er in Randnummer 21 dieses Urteils wiedergegeben und in Randnummer 23 erläutert worden ist, macht der Kläger geltend, die Tatsache, daß er dem Informationsdienst von der Verwaltung in rechtswidriger Weise und mit für ihn nachteiligen Folgen zur Verfügung gestellt worden sei, stütze weiter seine Auffassung, daß die Anstellungsbehörde seine sechsjährige Tätigkeit im Informationsdienst hätte berücksichtigen müssen und daß dies nur durch seine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 6 hätte geschehen können.

37 Der vom Kläger angeführte Artikel 24 Absatz 1 des Statuts verpflichtet die Gemeinschaften, ihren Beamten Beistand zu leisten, insbesondere bei Angriffen oder Drohungen, die Dritte aufgrund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie richten. Auf ihn lässt sich somit der vom Kläger angeführte Klagegrund nicht stützen.

38 Der von der Rechtsprechung des Gerichtshofes entwickelte Begriff der Fürsorgepflicht der Verwaltung spiegelt das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten wider, das das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und dem Beamten geschaffen hat. Dieses Gleichgewicht erfordert insbesondere, daß die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten alle Gesichtspunkte berücksichtigt, die geeignet sind, sie in ihrer Entscheidung zu leiten, und dabei nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Beamten berücksichtigt (vgl. Urteil vom 28. Mai 1980 in den verbundenen Rechtssachen 33/79 und 75/79, Kuhner/Kommission, Slg. 1980, 1677, Randnr. 22).

39 Aus den Akten ergibt sich, daß die Verwaltung bei der Ernennung des Klägers auf seine neue Stelle dessen Interessen und nicht nur die dienstlichen Interessen berücksichtigt hat. Insbesondere hat sie in Ausübung ihres Ermessens zusammen mit den anderen erheblichen Gesichtspunkten die besonderen beruflichen Qualifikationen des Klägers berücksichtigt, um seine Einstufung in die Besoldungsgruppe und die Dienstaltersstufe vorzunehmen. Dieser Klagegrund greift daher nicht durch und ist zurückzuweisen.

40 Demgemäß ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Nach Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet.

42 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Beklagte mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

43 Die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht sind gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung gegeneinander aufzuheben.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Urteil des Gerichts vom 30. März 1993 in der Rechtssache T-30/92 (Klinke/Gerichtshof) wird aufgehoben.

2) Die Klage wird abgewiesen.

3) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens. Jede Partei trägt die ihr im Verfahren vor dem Gericht entstandenen eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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