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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.06.2000
Aktenzeichen: C-425/98
Rechtsgebiete: Erste Richtlinie 89/104/EWG


Vorschriften:

Erste Richtlinie 89/104/EWG Art. 5 Abs. 1 Buchst. b
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken kann nicht dahin ausgelegt werden, daß,

- wenn eine Marke entweder von Haus aus oder kraft Verkehrsgeltung eine besondere Unterscheidungskraft besitzt und

- ein Dritter ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen wie die, für die die Marke eingetragen ist, ein Zeichen verwendet, das so weit mit der Marke übereinstimmt, daß dadurch die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung mit der Marke besteht,

der Markeninhaber aufgrund seines Ausschließlichkeitsrechts diesem Dritten die Verwendung des Zeichens untersagen kann, wenn aufgrund der Unterscheidungskraft der Marke nicht ausgeschlossen ist, daß diese gedankliche Verbindung zu einer Verwechslung führen kann.

Aufgrund der Bekanntheit einer Marke kann nämlich nicht das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr vermutet werden, nur weil die Gefahr einer gedanklichen Verbindung im engeren Sinne besteht. Notwendig ist, das Bestehen einer Verwechslungsgefahr, für die der Beweis zu erbringen ist, positiv festzustellen.

(vgl. Randnrn. 39, 41-42 und Tenor)


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 22. Juni 2000. - Marca Mode CV gegen Adidas AG und Adidas Benelux BV. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande. - Richtlinie 89/104/EWG - Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b - Marken - Verwechslungsgefahr - Gefahr einer gedanklichen Verbindung zwischen dem Zeichen und der Marke. - Rechtssache C-425/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-425/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Marca Mode CV

gegen

Adidas AG,

Adidas Benelux BV

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1)

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida sowie der Richter C. Gulmann (Berichterstatter), J.-P. Puissochet und G. Hirsch und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Marca Mode CV, vertreten durch die Rechtsanwälte O. W. Brouwer, D. W. F. Verkade und D. J. G. Visser, Amsterdam, und Rechtsanwalt P. Wytinck, Brüssel,

- der Adidas AG und der Adidas Benelux BV, vertreten durch Rechtsanwalt C. Gielen, Amsterdam,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, Leiter der Abteilung Europäisches Recht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks und P. van Nuffel, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Marca Mode CV, vertreten durch Rechtsanwalt D. J. G. Visser und Rechtsanwalt C. R. A. Swaak, Amsterdam, der Adidas AG und der Adidas Benelux BV, vertreten durch Rechtsanwalt S. A. Klos, Amsterdam, und der Kommission, vertreten durch H. M. H. Speyart, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 24. November 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Januar 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 6. November 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 26. November 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit der Marca Mode CV (im folgenden: Marca Mode) mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) gegen die Adidas AG mit Sitz in Herzogenaurach (Deutschland) und die Adidas Benelux BV mit Sitz in Etten-Leur (Niederlande) wegen eines für die Adidas AG beim Benelux-Markenamt eingetragenen Bildzeichens, für das die Adidas AG der Adidas Benelux BV eine ausschließliche Lizenz für die Beneluxländer erteilt hat.

Rechtlicher Rahmen

3 Artikel 5 der Richtlinie ("Rechte aus der Marke") bestimmt in Absatz 1 Buchstabe b:

"Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a)...

b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird."

4 Die meisten Sprachfassungen der Richtlinie verwenden in dieser Vorschrift den Begriff "Risiko" oder "Gefahr" einer Verwechslung oder einer gedanklichen Verbindung. Die niederländische und die schwedische Fassung sprechen von der Möglichkeit einer Verwechslung und der Gefahr einer gedanklichen Verbindung, während die englische Fassung den Begriff "Wahrscheinlichkeit" einer Verwechslung oder einer gedanklichen Verbindung verwendet.

5 Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie lautet:

"Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, daß es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt."

6 Artikel 13 A Nr. 1 Buchstabe b des einheitlichen Benelux-Markengesetzes, der der Umsetzung von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie in Benelux-Recht dient, lautet:

"Unbeschadet der Anwendung des allgemeinen Rechts der Haftung aus unerlaubter Handlung kann sich der Markeninhaber aufgrund seines ausschließlichen Rechts widersetzen

...

b) jeder im geschäftlichen Verkehr erfolgenden Benutzung der Marke oder eines ihr ähnlichen Zeichens für die Waren, für die die Marke eingetragen ist, oder für ähnliche Waren, wenn dadurch die Möglichkeit besteht, daß das Publikum das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung bringt."

Das Ausgangsverfahren

7 Das für die Adidas AG beim Benelux-Markenamt eingetragene Bildzeichen besteht aus drei parallel laufenden Streifen. Es betrifft insbesondere Sportkleidung und sonstige Sportartikel.

8 Marca Mode verkaufte in ihrer Niederlassung in Breda (Niederlande) eine Kollektion Sportkleidung, bei der einige Kleidungsstücke an den Seiten zwei in Längsrichtung parallel laufende Streifen aufwiesen. Diese Kleidungsstücke waren weiß mit schwarzen Streifen oder schwarz mit weißen Streifen.

9 Marca Mode brachte auch ein T-Shirt in Weiß und Orange auf den Markt, das in der Mitte auf der Vorderseite über die ganze Länge drei schwarze, senkrecht und parallel laufende Streifen mit einem schmalen weißen Rand an der Außenseite aufwies, die auf der Vorderseite durch ein Medaillon mit dem Bild einer Katze und der Aufschrift "TIM" unterbrochen waren.

10 Am 26. Juni 1996 luden die Adidas AG und die Adidas Benelux BV (im folgenden zusammen: Adidas) Marca Mode im Verfahren der einstweiligen Verfügung vor den Präsidenten der Rechtbank Breda. Mit der Begründung, daß Marca Mode ihr Drei-Streifen-Bildzeichen verletzt habe, beantragte Adidas, Marca Mode zu untersagen, künftig in den Beneluxländern die aus zwei oder drei Streifen bestehenden Zeichen zu benutzen.

11 Der Präsident gab diesem Antrag für sieben Kleidungsstücke und für das T-Shirt mit der Aufschrift "TIM" statt.

12 Der Gerechtshof 's-Hertogenbosch bestätigte diesen Beschluß.

13 Marca Mode legte daraufhin gegen das Urteil des Gerechtshof Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein.

14 Vor diesem Gericht rügte sie insbesondere, das Berufungsgericht habe Artikel 13 A Nr. 1 Buchstabe b des einheitlichen Benelux-Markengesetzes falsch angewandt, da es seine Entscheidung lediglich auf die Feststellung gestützt habe, daß die Gefahr bestehe, daß das betreffende Publikum die streitigen Zeichen mit der eingetragenen Marke gedanklich in Verbindung bringe. Unter Berufung auf das Urteil vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-251/95 (Sabèl, Slg. 1997, I-6191) machte sie geltend, der Gerechtshof hätte seine Entscheidung gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie auf die Feststellung stützen müssen, daß eine Verwechslungsgefahr bestehe.

15 Der Hoge Raad ist der Auffassung, daß im Licht des Urteils Sabèl, insbesondere der Randnummern 18, 22 und 24, der Schluß gezogen werden könnte, daß die Feststellung der Gefahr einer gedanklichen Verbindung ausreiche, um ein Verbot der Benutzung der streitigen Zeichen zu rechtfertigen, wenn aufgrund besonderer Umstände, wie der besonderen Unterscheidungskraft, die der Marke entweder von Haus aus oder kraft Verkehrsgeltung zukomme, anzunehmen sei, daß eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen sei.

16 Nach Ansicht des Hoge Raad könnte eine solche Auslegung Absatz 1 Buchstabe b mit Absatz 2 des Artikels 5 der Richtlinie in bezug auf bekannte Marken in Einklang bringen, da die letztgenannte Vorschrift den Mitgliedstaaten erlaube, bekannten Marken Schutz vor nichtähnlichen Waren oder Dienstleistungen zu gewähren, "wenn... die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt". Die vorgeschlagene Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie würde bekannten Marken auch Schutz davor bieten, daß die Verwendung des Zeichens für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die besondere Unterscheidungskraft der Marke ausnutze oder beeinträchtige.

17 Das vorlegende Gericht kommt zu dem Ergebnis, daß, wenn seine Auslegung des Urteils Sabèl zutreffend sei, der von Marca Mode geltend gemachte Kassationsgrund nicht zur Aufhebung des Urteils des Gerechtshof führen könne. In diesem Urteil sei nicht nur festgestellt worden, daß die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung zwischen dem Zeichen von Marca Mode und der Marke von Adidas bestehe, sondern auch, daß diese Marke allgemein bekannt sei. Aufgrund des letztgenannten Umstands lasse sich nicht ausschließen, daß die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung zu einer Verwechslung führen könne. Der Unterlassungsanspruch von Adidas könnte daher nach dem festgestellten Sachverhalt gerechtfertigt sein.

18 Aufgrund dieser Überlegungen hat der Hoge Raad der Nederlanden das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen, daß für den Fall,

a) daß eine Marke entweder von Haus aus oder kraft Verkehrsgeltung eine besondere Unterscheidungskraft besitzt und

b) ein Dritter ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen wie die, für die die Marke eingetragen ist, ein Zeichen benutzt, das so weit mit der Marke übereinstimmt, daß dadurch die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung mit der Marke besteht,

der Markeninhaber aufgrund seines Ausschließlichkeitsrechts diesem Dritten die Benutzung des Zeichens untersagen kann, wenn aufgrund der Unterscheidungskraft der Marke nicht ausgeschlossen ist, daß diese gedankliche Verbindung zu einer Verwechslung führen kann?

19 Mit demselben Urteil hat der Hoge Raad auch dem Benelux-Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nach den Angaben von Marca Mode hat dieses Gericht mit Beschluß vom 18. Januar 1999 die Prüfung der vorgelegten Fragen bis zum Erlaß des Urteils des Gerichtshofes ausgesetzt.

Zur Vorabentscheidungsfrage

20 Adidas ersucht den Gerichtshof, sich zur Auslegung des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie zu äußern.

21 Nach ständiger Rechtsprechung ist im Rahmen der Verteilung der richterlichen Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof nach Artikel 177 des Vertrages das nationale Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und der von den Parteien vorgetragenen Argumente verfügt und das die Verantwortung für die zu erlassende Entscheidung zu tragen hat, besser in der Lage, in voller Sachkenntnis zu beurteilen, ob die Rechtsfragen, die durch den bei ihm anhängigen Rechtsstreit aufgeworfen werden, erheblich sind und ob für den Erlaß seines Urteils eine Vorabentscheidung erforderlich ist. Dem Gerichtshof bleibt jedoch vorbehalten, bei ungenau formulierten Fragen aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Gemeinschaftsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. u. a. Urteil vom 29. November 1978 in der Rechtssache 83/78, Redmond, Slg. 1978, 2347, Randnrn. 25 und 26).

22 In der vorliegenden Rechtssache geht aus dem Vorlageurteil hervor, daß der Hoge Raad lediglich um eine Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie ersucht und daß die Entscheidung des Ausgangsverfahrens davon abhängt, ob der Gerechtshof zu Recht entschieden hat, daß die in dieser Gemeinschaftsvorschrift genannte Voraussetzung einer "Gefahr von Verwechslungen..., die die Gefahr einschließt, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird", erfuellt war.

23 Im übrigen ergibt sich aus dem Vorlageurteil nicht, daß Adidas im Ausgangsverfahren behauptet hätte, daß durch die Benutzung der streitigen Zeichen die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung des für sie eingetragenen Bildzeichens ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werde, was Voraussetzung für die Anwendung der Umsetzungsvorschrift des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie wäre. Der Hoge Raad erwähnt diesen Artikel nicht deswegen, weil sich der Rechtsstreit tatsächlich auf die darin genannte spezielle Beeinträchtigung der Marke bezöge, sondern als Argument dafür, daß die im Vorlageurteil befürwortete Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie für eine gewisse Kohärenz zwischen den durch diese beiden Vorschriften geregelten Fällen sorgen würde.

24 Um dem nationalen Gericht eine zweckdienliche Antwort geben zu können, braucht somit die Frage der Auslegung des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie nicht geprüft zu werden.

25 Was die Frage des Hoge Raad betrifft, so erlaubt Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie dem Inhaber einer Marke unter bestimmten Voraussetzungen, Dritten zu verbieten, ein Zeichen zu benutzen, wenn für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

26 Im wesentlichen die gleichen Ausdrücke werden in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie gebraucht, der die Gründe nennt, aus denen eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen sein oder im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegen kann.

27 Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie ist vom Gerichtshof insbesondere im Urteil Sabèl ausgelegt worden.

28 Diese Auslegung muß daher auch für Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie gelten.

29 Nach Auffassung des Hoge Raad schließt die Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht aus, daß die Gefahr einer Verwechslung zwischen der Marke und dem Zeichen vermutet werden könne, wenn die Marke insbesondere wegen ihrer Bekanntheit besondere Unterscheidungskraft besitze und das Zeichen, das von dem Dritten für gleiche oder ähnliche Waren benutzt werde, so weit mit der Marke übereinstimme, daß dadurch die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung bestehe.

30 Mit seiner Frage möchte der Hoge Raad somit wissen, ob Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß der Markeninhaber unter derartigen Umständen einem Dritten die Benutzung des Zeichens untersagen kann, wenn aufgrund der Unterscheidungskraft der Marke nicht ausgeschlossen ist, daß die beim Publikum entstehende gedankliche Verbindung zwischen dem Zeichen und der Marke zu einer Verwechslung führen kann.

31 Marca Mode, die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission machen unter Bezugnahme auf das Urteil Sabèl geltend, daß der durch Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie gewährte Schutz ebenso wie der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie vorgesehene stets vom positiven Nachweis einer Verwechslungsgefahr abhänge. Selbst bei bekannten Marken genüge es nicht, daß, wenn lediglich die Gefahr einer gedanklichen Verbindung bestehe, eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen sei.

32 Adidas trägt dagegen insbesondere unter Berufung auf Randnummer 24 des Urteils Sabèl vor, daß bei bekannten Marken die Gefahr einer gedanklichen Verbindung ausreiche, um ein Verbot zu rechtfertigen, wenn eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen sei. Anders ausgedrückt, führe bei solchen Marken die Gefahr einer gedanklichen Verbindung dazu, daß eine Verwechslungsgefahr vermutet werde.

33 Dazu ist festzustellen, daß selbst unter besonderen Umständen, wie sie der Hoge Raad in seinem Vorlageurteil anführt, eine Verwechslungsgefahr nicht vermutet werden kann.

34 Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie ist nämlich nur dann anwendbar, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit sowohl der Marken als auch der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen "für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird". Aus diesem Wortlaut ergibt sich, daß der Begriff der Gefahr einer gedanklichen Verbindung keine Alternative zum Begriff der Verwechslungsgefahr darstellt, sondern dessen Umfang genauer bestimmen soll. Bereits nach ihrem Wortlaut ist diese Bestimmung daher nicht anwendbar, wenn für das Publikum keine Verwechslungsgefahr besteht (vgl. zu Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie Urteil Sabèl, Randnr. 18). Der Schutz einer eingetragenen Marke hängt also gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie vom Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ab (vgl. zu Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie Urteil vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-39/97, Canon, Slg. 1998, I-5507, Randnr. 18).

35 Für diese Auslegung spricht außerdem die zehnte Begründungserwägung der Richtlinie, wonach "die Verwechslungsgefahr... die spezifische Voraussetzung für den Schutz dar[stellt]" (Urteil Sabèl, Randnr. 19).

36 Diese Auslegung wird auch nicht durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie widerlegt, der für bekannte Marken einen Schutz einführt, dessen Durchführung nicht das Bestehen einer Verwechslungsgefahr verlangt. Diese Vorschrift gilt nämlich für Fälle, in denen die spezifische Voraussetzung für den Schutz in einer Benutzung des streitigen Zeichens besteht, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

37 Adidas kann sich nicht mit Erfolg auf Randnummer 24 des Urteils Sabèl berufen.

38 In dieser Randnummer hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Verwechslungsgefahr um so größer ist, je größer sich die Unterscheidungskraft der älteren Marke darstellt, und daß daher nicht auszuschließen ist, daß bei einer Ähnlichkeit in der Bedeutung, die sich daraus ergibt, daß bei zwei Marken Bilder benutzt werden, die in ihrem Sinngehalt übereinstimmen, eine Verwechslungsgefahr dann bestehen kann, wenn der älteren Marke entweder von Haus aus oder kraft Verkehrsgeltung eine besondere Unterscheidungskraft zukommt.

39 Der Gerichtshof hat somit festgestellt, daß die besondere Unterscheidungskraft der älteren Marke die Verwechslungsgefahr erhöhen und bei einer Ähnlichkeit in der Bedeutung zwischen der Marke und dem Zeichen zur Entstehung einer solchen Gefahr beitragen kann. Mit der negativen Formulierung in Randnummer 24 des Urteils Sabèl, daß eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen ist, wird lediglich die Möglichkeit hervorgehoben, daß aus der Verbindung der beiden untersuchten Faktoren eine Gefahr entsteht. Diese Formulierung impliziert keineswegs die Vermutung einer Verwechslungsgefahr, die sich aus dem Bestehen einer Gefahr der gedanklichen Verbindung im engeren Sinne ergeben würde. Mit dieser Formulierung hat der Gerichtshof stillschweigend auf die Beweiswürdigung verwiesen, die das nationale Gericht in jedem bei ihm anhängigen Verfahren vorzunehmen hat. Er hat das nationale Gericht nicht von der Notwendigkeit befreit, das Bestehen einer Verwechslungsgefahr, für die der Beweis zu erbringen ist, positiv festzustellen.

40 Es ist daran zu erinnern, daß die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen ist (Urteil Sabèl, Randnr. 22). Die umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht gezogenen Faktoren (Urteil Canon, Randnr. 17). Zum Beispiel kann trotz eines eher geringen Grades der Ähnlichkeit zwischen den gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr festgestellt werden, wenn die Ähnlichkeit zwischen den Marken groß und die Unterscheidungskraft der älteren Marke, insbesondere ihr Bekanntheitsgrad, hoch ist (Urteil Canon, Randnr. 19).

41 Die Bekanntheit einer Marke ist somit, sofern sie nachgewiesen ist, ein Gesichtspunkt, der - unter anderen - eine gewisse Bedeutung haben kann. Insoweit genießen Marken, die insbesondere wegen ihrer Bekanntheit eine hohe Unterscheidungskraft besitzen, einen umfassenderen Schutz als Marken mit geringerer Unterscheidungskraft (Urteil Canon, Randnr. 18). Doch kann nicht aufgrund der Bekanntheit einer Marke das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr vermutet werden, nur weil die Gefahr einer gedanklichen Verbindung im engeren Sinne besteht.

42 Auf die Vorabentscheidungsfrage ist somit zu antworten, daß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden kann, daß,

- wenn eine Marke entweder von Haus aus oder kraft Verkehrsgeltung eine besondere Unterscheidungskraft besitzt und

- ein Dritter ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen wie die, für die die Marke eingetragen ist, ein Zeichen verwendet, das so weit mit der Marke übereinstimmt, daß dadurch die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung mit der Marke besteht,

der Markeninhaber aufgrund seines Ausschließlichkeitsrechts diesem Dritten die Verwendung des Zeichens untersagen kann, wenn aufgrund der Unterscheidungskraft der Marke nicht ausgeschlossen ist, daß diese gedankliche Verbindung zu einer Verwechslung führen kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Die Auslagen der niederländischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 6. November 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken kann nicht dahin ausgelegt werden, daß,

- wenn eine Marke entweder von Haus aus oder kraft Verkehrsgeltung eine besondere Unterscheidungskraft besitzt und

- ein Dritter ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen wie die, für die die Marke eingetragen ist, ein Zeichen verwendet, das so weit mit der Marke übereinstimmt, daß dadurch die Möglichkeit einer gedanklichen Verbindung mit der Marke besteht,

der Markeninhaber aufgrund seines Ausschließlichkeitsrechts diesem Dritten die Verwendung des Zeichens untersagen kann, wenn aufgrund der Unterscheidungskraft der Marke nicht ausgeschlossen ist, daß diese gedankliche Verbindung zu einer Verwechslung führen kann.

Ende der Entscheidung

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