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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 21.02.2002
Aktenzeichen: C-486/01 P-R
Rechtsgebiete: EG, EG-Satzung, Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments über die rückwirkende Auflösung der Technischen Fraktion der unabhängigen Abgeordneten (TDI) - gemischte Fraktion


Vorschriften:

EG Art. 242
EG Art. 225
EG-Satzung Art. 49
Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments über die rückwirkende Auflösung der Technischen Fraktion der unabhängigen Abgeordneten (TDI) - gemischte Fraktion Art. 29 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Aus Artikel 107 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts geht hervor, dass die einstweilige Anordnung mit der Verkündung des Endurteils außer Kraft tritt, wenn der Beschluss des Richters der einstweiligen Anordnung keine ausdrückliche Befristung enthält. Daraus folgt, dass der Präsident des Gerichts allein dafür zuständig ist, im Rahmen eines beim Gericht anhängigen Verfahrens den Vollzug einer Handlung durch einen mit Gründen versehenen Beschluss auszusetzen, ohne dass er die Wirkungen eines solchen Beschlusses auf ein etwaiges Rechtsmittel erstrecken kann, das beim Gerichtshof eingelegt werden könnte, und dass allein dieser für die Entscheidung über alle im Rahmen eines Rechtsmittels gestellten Anträge auf Aussetzung des Vollzugs zuständig ist.

( vgl. Randnr. 76 )

2. Aus den Artikeln 225 EG, 51 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes und 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes ergibt sich, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Dieser Anforderung entspricht ein Rechtsmittel nicht, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente einschließlich derjenigen, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt sind, zu wiederholen, ohne überhaupt eine Argumentation zu enthalten, die speziell der Bezeichnung des Rechtsfehlers dient, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll. Ein solches Rechtsmittel stellt nämlich in Wirklichkeit einen Antrag auf bloße Überprüfung der beim Gericht eingereichten Klage dar, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes fällt.

( vgl. Randnr. 81 )


Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 21. Februar 2002. - Front National und Jean-Claude Martinez gegen Europäisches Parlament. - Verbundene Rechtssachen C-486/01 P-R und C-488/01 P-R.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-486/01 P-R und C-488/01 P-R

Front national, mit Sitz in Saint-Cloud (Frankreich),

Jean-Claude Martinez, Mitglied des Europäischen Parlaments, wohnhaft in Montpellier (Frankreich),

Prozessbevollmächtigte: F. Wagner und V. de Poulpiquet de Brescanvel, avocats,

Rechtsmittelführer,

wegen Aussetzung der Durchführung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Dritte erweiterte Kammer) vom 2. Oktober 2001 in den verbundenen Rechtssachen T-222/99, T-327/99 und T-329/99 (Martinez u. a./Parlament, Slg. 2001, II-2823)

andere Verfahrensbeteiligte:

Europäisches Parlament, vertreten durch G. Garzón Clariana, J. Schoo, H. Krück als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter in erster Instanz,

Charles de Gaulle, Mitglied des Europäischen Parlaments, wohnhaft in Paris (Frankreich),

Kläger in erster Instanz,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFES

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Der Front national und Jean-Claude Martinez haben mit zwei Rechtsmittelschriften, die am 17. Dezember 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß den Artikeln 225 EG und 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes jeweils ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 2. Oktober 2001 in den verbundenen Rechtssachen T-222/99, T-327/99 und T-329/99 (Martinez u. a./Parlament, Slg. 2001, II-2823; im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem die Klagen abgewiesen worden sind, die sie erhoben hatten, um die Nichtigerklärung der Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 14. September 1999 über die Auslegung von Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments über die rückwirkende Auflösung der Technischen Fraktion der unabhängigen Abgeordneten (TDI) - gemischte Fraktion" (im Folgenden: streitige Entscheidung) zu erreichen.

2 Mit besonderen Schriftsätzen, die bei der Kanzlei des Gerichtshofes am gleichen Tag eingegangen sind, haben der Front national und Jean-Claude Martinez gemäß Artikel 242 EG beantragt, die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils anzuordnen.

3 Da die Antragsschriftsätze der Parteien alle für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Angaben enthalten, brauchen die Parteien nicht mündlich angehört zu werden.

4 In Anbetracht der Ähnlichkeit der in den beiden Rechtssachen aufgeworfenen Fragen sind sie für die Zwecke des vorliegenden Beschlusses zu verbinden.

Rechtlicher Rahmen und Vorgeschichte des Rechtsstreits

5 Artikel 29 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments in der vom 1. Mai 1999 an geltenden Fassung (ABl. 1999, L 202, S. 1; im Folgenden: Geschäftsordnung), der die Überschrift Bildung der Fraktionen" trägt, bestimmt:

1. Die Mitglieder können ihrer politischen Zugehörigkeit entsprechende Fraktionen bilden.

...

3. Ein Mitglied kann nur einer Fraktion angehören.

4. Die Bildung einer Fraktion muss gegenüber dem Präsidenten erklärt werden. In dieser Erklärung sind der Name der Fraktion, die Mitglieder und der Vorstand anzugeben.

..."

6 Artikel 30 der Geschäftsordnung mit der Überschrift Fraktionslose Mitglieder" sieht vor:

1. Mitgliedern, die keiner Fraktion angehören, steht ein Sekretariat zur Verfügung. Die Einzelheiten bestimmt das Präsidium auf Vorschlag des Generalsekretärs.

2. Das Präsidium regelt auch die Stellung und die parlamentarischen Rechte dieser Mitglieder."

7 Artikel 180 der Geschäftsordnung mit der Überschrift Anwendung der Geschäftsordnung" bestimmt:

1. Treten Zweifel bezüglich der Anwendung oder Auslegung dieser Geschäftsordnung auf, so kann der Präsident, unbeschadet bereits getroffener einschlägiger Entscheidungen, den Gegenstand zur Prüfung an den zuständigen Ausschuss überweisen.

Bei einer gemäß Artikel 142 zu treffenden Entscheidung kann der Präsident den Gegenstand ebenfalls an den zuständigen Ausschuss überweisen.

2. Der Ausschuss beschließt, ob es erforderlich ist, eine Änderung der Geschäftsordnung vorzuschlagen. In diesem Fall verfährt er gemäß Artikel 181.

3. Beschließt der Ausschuss, dass eine Auslegung der bestehenden Geschäftsordnungsbestimmungen genügt, so übermittelt er seine Auslegung dem Präsidenten, der das Parlament unterrichtet.

4. Sofern eine Fraktion oder mindestens 32 Mitglieder gegen die Auslegung des Ausschusses Einspruch erheben, wird der Gegenstand dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt, das mit einfacher Mehrheit bei Anwesenheit mindestens eines Drittels seiner Mitglieder darüber beschließt. Im Falle der Ablehnung wird der Gegenstand an den Ausschuss zurücküberwiesen.

5. Auslegungen, gegen die kein Einspruch erhoben wurde, und vom Parlament angenommene Auslegungen werden in Kursivschrift als Erläuterungen zu dem Artikel oder den jeweiligen Artikeln zusammen mit den einschlägigen Entscheidungen zur Anwendung der Geschäftsordnung angefügt.

6. Diese Erläuterungen müssen bei der künftigen Anwendung und Auslegung der betreffenden Artikel berücksichtigt werden."

8 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, die zum Erlass der streitigen Entscheidung geführt hat, ist in den Randnummern 6 bis 11 des angefochtenen Urteils zusammengefasst.

9 Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass dem Parlament in der Plenarsitzung vom 14. September 1999 gemäß Artikel 180 der Geschäftsordnung ein Auslegungsvorschlag zur Abstimmung vorgelegt und mehrheitlich angenommen wurde. Der Wortlaut des Auslegungsvorschlags ist in Randnummer 9 des angefochtenen Urteils wie folgt wiedergegeben:

Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen hat in seiner Sitzung vom 27. und 28. Juli 1999 das von der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom 21. Juli 1999 beschlossene Ersuchen um Auslegung von Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung geprüft.

Nach eingehender Erörterung hat der Ausschuss für konstitutionelle Fragen mit 15 Stimmen, 2 Gegenstimmen und einer Enthaltung folgende Auslegung von Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung beschlossen:

Die Erklärung über die Bildung der [TDI-Fraktion] entspricht nicht Artikel 29 Absatz 1 der [Geschäftsordnung].

Die Erklärung über die Bildung der Fraktion, insbesondere Anlage 2 des diesbezüglichen Schreibens an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, schließt nämlich jede politische Zusammengehörigkeit aus. Sie gibt den verschiedenen Bestandteilen innerhalb der Fraktion völlige politische Unabhängigkeit.

Ich schlage Ihnen vor, zu Artikel 29 Absatz 1 folgenden Vermerk über die Auslegung der Geschäftsordnung einzufügen:

,Nach diesem Artikel ist die Bildung einer Fraktion unzulässig, die offen jeden politischen Charakter und jede politische Zusammengehörigkeit zwischen ihren Bestandteilen verneint."

10 Mit Klageschriften, die am 5. Oktober, am 19. November bzw. am 22. November 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben Herr Martinez und Herr de Gaulle (Rechtssache T-222/99), der Front national (Rechtssache T-327/99) und Frau Bonino, Herr Pannella, Herr Cappato, Herr Dell'Alba, Herr Della Vedova, Herr Dupuis, Herr Turco und die Lista Emma Bonino (im Folgenden: Frau Bonino u. a.) (Rechtssache T-329/99) Nichtigkeitsklagen gegen die streitige Entscheidung erhoben.

11 Mit gesondertem Schriftsatz haben Herr Martinez und Herr de Gaulle gemäß Artikel 242 EG einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung gestellt. Der Präsident des Gerichts hat dem Antrag mit Beschluss vom 25. November 1999 in der Rechtssache T-222/99 R (Martinez und de Gaulle/Parlament, Slg. 1999, II-3397) stattgegeben und die Kostenentscheidung vorbehalten.

Das angefochtene Urteil

12 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die drei in Randnummer 10 des vorliegenden Beschlusses genannten Klagen für zulässig erklärt, sie aber als unbegründet abgewiesen.

13 Das Parlament hat geltend gemacht, die Klagen seien unzulässig und hat dieses Vorbringen auf drei Einwendungen gestützt: Der streitige Rechtsakt existiere nicht, er unterliege nicht der Rechtmäßigkeitsprüfung durch die Gemeinschaftsgerichte und er betreffe die Kläger nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG.

14 Auf die die Inexistenz der streitigen Handlung als Entscheidung über die Auflösung der TDI-Fraktion gestützte Einwendung hin hat das Gericht in Randnummer 46 des angefochtenen Urteils entschieden, dass das Parlament beschlossen habe, sich die ihm vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen vorgeschlagene allgemeine Auslegung des Artikels 29 Absatz 1 sowie die Stellungnahme des Ausschusses zur Frage der Zulässigkeit der Erklärung über die Bildung der TDI-Fraktion gemäß dieser Bestimmung zu Eigen zu machen und rückwirkend das Nichtbestehen dieser Fraktion wegen Nichterfuellung der in dieser Bestimmung niedergelegten Voraussetzung festzustellen. Das Gericht hat diese Einwendungen des Parlaments somit zurückgewiesen.

15 Was die vom Parlament geltend gemachte zweite Einwendung der Unzulässigkeit angeht, die auf die Unanfechtbarkeit der streitigen Handlung gestützt ist, hat das Gericht in Randnummer 62 des angefochtenen Urteils entschieden, dass eine solche Handlung sich... nicht auf eine Maßnahme reduzieren [lässt], die nur die interne Organisation der Arbeit des Parlaments im strengen Sinne betrifft" und dass sie der Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte gemäß Artikel 230 Absatz 1 EG [unterliegt]". Diese Einwendung ist demzufolge ebenfalls zurückgewiesen worden.

16 Schließlich hat das Gericht in den Randnummern 65, 66 und 72 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die Kläger durch die streitige Handlung unmittelbar und individuell betroffen seien. Es hat demzufolge in Randnummer 75 entschieden, dass die bei ihm anhängigen Nichtigkeitsklagen für zulässig zu erklären seien.

17 Zur Begründung ihrer Nichtigkeitsklagen haben die Kläger in erster Instanz verschiedene Klagegründe angeführt, die teils übereinstimmen und sich teils auf ihren jeweiligen Fall beziehen. Ihr Vorbringen ist vom Gericht in neun Klagegründe gegliedert worden.

18 Was den ersten Klagegrund angeht, der darauf gestützt ist, dass die streitige Handlung auf einer fehlerhaften Auslegung von Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung beruhe, hat das Gericht in Randnummer 81 des angefochtenen Urteils entschieden: Eine solche Bestimmung in einem Artikel mit der Überschrift ,Bildung der Fraktionen (in der französischen Fassung: ,constitution des groupes politiques) ist notwendig dahin auszulegen, dass Abgeordnete, die innerhalb des Parlaments eine Fraktion bilden wollen, dies nur gemäß ihrer politischen Zugehörigkeit tun können. Bereits der Wortlaut von Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung in Verbindung mit der Überschrift dieses Artikels steht deshalb dem Argument der Kläger entgegen, das in dieser Bestimmung genannte Kriterium politischer Zugehörigkeit sei nur fakultativer Art." Außerdem ist das Gericht in den Randnummern 85 und 92 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, dass die Haltung des Parlaments zu den konstituierenden Erklärungen anderer Fraktionen und das Fehlen einer Reaktion des Parlaments auf das unterschiedliche Abstimmungsverhalten der Mitglieder derselben Fraktion im Plenum nicht als Beleg für den fakultativen Charakter der in Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung normierten Bedingung politischer Zusammengehörigkeit ausgelegt werden könnten.

19 Was den zweiten Klagegrund betrifft, der darauf gestützt ist, dass das Parlament dadurch, dass es zu Unrecht die Zulässigkeit der TDI-Fraktion gemäß Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung überprüft und das Fehlen politischer Zusammengehörigkeit zwischen den Bestandteilen der Fraktion festgestellt habe, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Geschäftsordnung verstoßen und außerdem ohne Rechtsgrundlage gehandelt habe, hat das Gericht u. a. in Randnummer 101 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das Parlament gemäß Artikel 180 seiner Geschäftsordnung dafür zuständig [ist], die fehlerfreie Anwendung und Auslegung der Geschäftsordnung zu überwachen, wofür es gegebenenfalls den Ausschuss für konstitutionelle Fragen befassen kann. Es ist demnach insbesondere zu der - im vorliegenden Fall von ihm vorgenommenen - Kontrolle befugt, ob eine Fraktion, deren Bildung dem Präsidenten des Parlaments gemäß Artikel 29 Absatz 4 der Geschäftsordnung erklärt wird, die in Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung niedergelegte Bedingung politischer Zusammengehörigkeit erfuellt. Spräche man dem Parlament diese Kontrollbefugnis ab, so nähme dies Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung jede praktische Wirksamkeit."

20 Bei der Prüfung der Begründetheit des Vorbringens, wonach die konstituierende Erklärung der TDI-Fraktion nicht mit Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung vereinbar sei, ist das Gericht in Randnummer 120 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass das Parlament die Erklärung über die Bildung der TDI-Fraktion zu Recht dahin wertete, dass eine politische Zusammengehörigkeit zwischen den Bestandteilen der Fraktion vollständig und offenkundig fehlte. Anders als die Kläger vortragen, machte sich das Parlament damit nicht zum Richter über die politische Zusammengehörigkeit der Mitglieder dieser Fraktion. Es stellte lediglich anhand dieser Erklärung fest, dass die Mitglieder der TDI-Fraktion jede politische Zusammengehörigkeit offen verneinten... Unter diesen Umständen konnte das Parlament nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die TDI-Fraktion nicht Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung entsprach, wenn dieser Bestimmung nicht jede praktische Wirksamkeit genommen werden soll."

21 Was den dritten auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber den Mitgliedern der TDI-Fraktion gestützten Klagegrund angeht, hat das Gericht die gegenüber den Artikeln 29 Absatz 1 und 30 der Geschäftsordnung erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit für zulässig erklärt, aber als nicht begründet zurückgewiesen.

22 Das Gericht hat in Randnummer 149 des angefochtenen Urteils u. a. festgestellt, dass diese Bestimmungen eine interne Organisationsmaßnahme [darstellen], die wegen der Besonderheiten des Parlaments, seiner funktionellen Erfordernisse und der ihm durch den Vertrag zugewiesenen Zuständigkeiten und Ziele gerechtfertigt ist". Es hat in Randnummer 152 hinzugefügt, dass der durch die Artikel 29 Absatz 1 und 30 der Geschäftsordnung eingeführte Unterschied dadurch gerechtfertigt werde, dass die Abgeordneten, die einer Fraktion angehörten, im Gegensatz zu denjenigen, die gemäß den vom Präsidium des Parlaments festgelegten Bedingungen als fraktionslose Abgeordnete tätig seien, einer Anforderung der Geschäftsordnung genügten, die zur Verfolgung berechtigter Ziele geboten sei.

23 Außerdem hat das Gericht in Randnummer 155 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die unterschiedliche Behandlung der fraktionslosen Abgeordneten und der einer Fraktion angehörenden Abgeordneten nicht auf Artikel 29 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 30 der Geschäftsordnung, sondern auf mehreren anderen in Randnummer 156 des angefochtenen Urteils aufgezählten internen Vorschriften des Parlaments beruhe, gegen die keine Einrede der Rechtswidrigkeit erhoben worden sei.

24 Was das Vorbringen angeht, dass die streitige Handlung eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bewirke, da sie die Bildung der TDI-Fraktion untersage, obgleich in früheren Legislaturperioden die Bildung einer Reihe von anderen technischen Fraktionen zugelassen worden sei, hat das Gericht in Randnummer 171 des angefochtenen Urteils entschieden, da das Parlament zu Recht das Nichtbestehen der TDI-Fraktion wegen Unvereinbarkeit mit Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung mit der Begründung festgestellt habe, dass die Bestandteile dieser Fraktion jede politische Zusammengehörigkeit zwischen ihnen offen verneint und der Fraktion jeden politischen Charakter abgesprochen hätten, könnten die Kläger jedenfalls nicht geltend machen, dass das Parlament einige Erklärungen über die Bildung von Fraktionen in den vorhergehenden Legislaturperioden in anderer Weise beurteilt habe. Es hat in Randnummer 172 ausgeführt, die Kläger hätten das Vorbringen des Parlaments, dass die Abgeordneten, die die Bildung dieser verschiedenen Fraktionen erklärt hätten, im Gegensatz zu den Abgeordneten, die die Bildung der TDI-Fraktion erklärt hätten, in keinem Fall offen jede politische Zusammengehörigkeit untereinander verneint hätten, nicht bestritten. Schließlich hat es in Randnummer 184 zu dem auf den Vertrauensschutz gestützten Vorbringen die Auffassung vertreten, dass der Umstand, dass das Parlament die Erklärungen über die Bildung von Fraktionen mit anderen Merkmalen als der TDI-Fraktion nicht beanstandet habe, jedoch nicht als eine bestimmte Zusicherung betrachtet werden könne, die bei den Abgeordneten, die die Bildung der letztgenannten Fraktion erklärt hätten, berechtigte Erwartungen hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Fraktion gemäß Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung erweckt habe.

25 Darüber hinaus hat das Gericht, was das Vorbringen der Kläger angeht, dass das Bestehen politischer Zusammengehörigkeit zwischen Mitgliedern bestimmter Fraktionen sich bei kürzlich durchgeführten Abstimmungen über sensible politische Fragen als fragwürdig erwiesen habe, während die Mitglieder der TDI-Fraktion große politische Kohärenz unter Beweis gestellt hätten, in Randnummer 191 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kläger nichts dafür angeführt hätten, dass diese Fraktionen, wie die TDI-Fraktion, offen jede politische Zusammengehörigkeit verneint hätten und dass das heterogene Abstimmungsverhalten von Mitgliedern einer Fraktion in bestimmten Fragen kein Beleg hierfür sei.

26 Was den auf den Verstoß gegen den Grundsatz der Demokratie gestützten vierten Klagegrund angeht, hat das Gericht in Randnummer 200 des angefochtenen Urteils festgestellt, auch wenn das Prinzip der Demokratie eine der Grundlagen der Europäischen Union bilde, hindere es das Parlament nicht am Erlass interner Organisationsmaßnahmen, die es, wie Artikel 29 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 30 der Geschäftsordnung, unter Berücksichtigung seiner besonderen Merkmale in die Lage versetzen sollten, seine institutionelle Aufgabe und die ihm vom Vertrag zugewiesenen Ziele so gut wie möglich zu erfuellen.

27 In Bezug auf den fünften auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützten Klagegrund hat das Gericht in Randnummer 217 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich nicht feststellen lasse, dass die in den Artikeln 29 Absatz 1 und 30 der Geschäftsordnung enthaltene Regelung unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Grenzen dessen überschritte, was zur Erreichung der berechtigten Ziele, die mit diesen Vorschriften verfolgt würden, angemessen und erforderlich sei.

28 Was den auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vereinigungsfreiheit gestützten sechsten Klagegrund betrifft, hat das Gericht in den Randnummern 232 und 233 des angefochtenen Urteils festgestellt, selbst wenn man annehme, dass dieser Grundsatz auch auf die interne Organisation des Parlaments anwendbar sei, habe er doch keine absolute Geltung und stehe dem nicht entgegen, dass das Parlament im Rahmen seiner internen Organisationsgewalt den Zusammenschluss seiner Abgeordneten zu einer Fraktion einer Anforderung politischer Zusammengehörigkeit unterwirft, die zur Verfolgung berechtigter Ziele geboten ist und - wie durch die streitige Handlung - die Bildung einer Fraktion untersagt, die wie die TDI-Fraktion diese Anforderung offenkundig nicht erfuellt.

29 Was den auf eine Verkennung der gemeinsamen parlamentarischen Überlieferungen der Mitgliedstaaten gestützten siebten Klagegrund angeht, hat das Gericht in Randnummer 240 des angefochtenen Urteils angenommen, selbst wenn man davon ausgehe, dass die Rechtsprechung, wonach sich die Gemeinschaftsgerichte beim Schutz der Grundrechte von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten leiten lassen müssten, analog auch für die gemeinsamen parlamentarischen Überlieferungen der Mitgliedstaaten gelte, könne die streitige Handlung, soweit sie die Bildung von Fraktionen, deren Bestandteile - wie im vorliegenden Fall - jede politische Zusammengehörigkeit untereinander ablehnten, untersage, nicht als in Widerspruch zu einer gemeinsamen parlamentarischen Überlieferung der Mitgliedstaaten stehend gewertet werden. Es hat dazu in den Randnummern 241 und 242 ausgeführt, dass sich aus den Angaben der Kläger in ihren Schriftsätzen allenfalls ergebe, dass die Bildung technischer oder gemischter Fraktionen in dem einen oder anderen nationalen Parlament zugelassen werde, dass sich nach diesen Angaben hingegen nicht ausschließen lasse, dass die nationalen Parlamente, die wie das Europäische Parlament die Fraktionsbildung von der Voraussetzung politischer Zusammengehörigkeit abhängig machen, die konstituierende Erklärung einer Fraktion wie der TDI-Fraktion ebenso auslegen würden wie das Europäische Parlament in der streitigen Handlung. Diese Angaben ließen auch nicht den Schluss zu, dass die Bildung einer Fraktion wie der TDI-Fraktion, deren Mitglieder ihr ausdrücklich jeden politischen Charakter absprechen, in der Mehrzahl der nationalen Parlamente zulässig wäre.

30 Der achte vor dem Gericht geltend gemachte Klagegrund ist auf eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften gestützt.

31 Im ersten Teil dieses Klagegrundes ist geltend gemacht worden, die streitige Handlung gehe über eine allgemeine und deklaratorische Auslegung hinaus. Sie sei eine Entscheidung mit Rückwirkung ab dem Zeitpunkt, in der die Erklärung über die Bildung der TDI-Fraktion abgegeben worden sei, und unterwerfe die Fraktionsbildung einer neuen Voraussetzung.

32 In diesem Zusammenhang hat das Gericht in Randnummer 252 des angefochtenen Urteils u. a. entschieden, dass mit der Auslegung einer Bestimmung der Geschäftsordnung durch das Parlament deren Bedeutung und Tragweite so klargestellt und präzisiert würden, wie diese Bestimmung seit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens aufzufassen ist oder aufzufassen gewesen wäre. Folglich könne die Bestimmung in dieser Auslegung auch auf vor der Annahme der Auslegung entstandene Sachverhalte angewandt werden.

33 Auf den zweiten Teil dieses achten Klagegrundes, der darauf gestützt ist, dass der Ausschuss für konstitutionelle Fragen nicht befugt gewesen sei, eine Einzelfallentscheidung über die Vereinbarkeit der Erklärungen über die Bildung der TDI-Fraktion mit Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung zu erlassen, hat das Gericht entschieden, dass dieser Ausschuss sich in den Grenzen der Zuständigkeiten gehalten habe, die ihm durch den Gliederungspunkt XV.8 der Anlage VI in Verbindung mit Artikel 180 der Geschäftsordnung verliehen seien.

34 Was das Vorbringen betrifft, dass über die Entscheidung, die TDI-Fraktion aufzulösen, keine Plenarabstimmung stattgefunden habe und nur die vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen vorgeschlagene allgemeine Auslegung von Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung zur Abstimmung gestellt worden sei, hat das Gericht in Randnummer 264 des angefochtenen Urteils angenommen, dass den Abgeordneten nach dem Einspruch der TDI-Fraktion gegen diese allgemeine Auslegung notwendig klar gewesen sei, dass sie mit der Entscheidung über diese Auslegung zugleich über die Vereinbarkeit der konstituierenden Erklärung der TDI-Fraktion mit Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung und somit über das Schicksal der TDI-Fraktion entschieden hätten. Unter diesen Umständen sei eine gesonderte Abstimmung über diese Frage nicht gerechtfertigt gewesen.

35 Den dritten Teil des achten Klagegrundes, der auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Rechte der Verteidigung gestützt ist, hat das Gericht in Randnummer 267 des angefochtenen Urteils mit der Feststellung zurückgewiesen, dass die Mitglieder der TDI-Fraktion mehrfach Gelegenheit gehabt hätten, ihren Standpunkt zu den Rügen, die TDI-Fraktion stehe nicht in Einklang mit Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung, gegenüber den anderen Abgeordneten zu Gehör zu bringen.

36 Was den neunten Klagegrund angeht, der auf die Vermutung eines Verfahrensmissbrauchs in der Weise gestützt ist, dass in den früheren Änderungen der Verfahrensordnung der Willen des Parlaments zum Ausdruck komme, die Rechte bestimmter Abgeordneter systematisch zu beschneiden, hat das Gericht in Randnummer 277 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Beispiele für solche Änderungen nicht belegen könnten, dass die Entscheidungen des Parlaments vom 14. September 1999 einem vorgefassten Willen des Parlaments entsprungen seien, die Rechte bestimmter Abgeordneter, insbesondere derjenigen des Front national, zu beeinträchtigen. Vielmehr habe das Parlament bei einem so offenkundigen Fall fehlender politischer Zusammengehörigkeit wie dem der Erklärung über die Bildung der TDI-Fraktion nur das Nichtbestehen dieser Fraktion wegen Nichterfuellung der in Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung vorgesehenen Anforderung feststellen können.

37 Das Gericht hat demzufolge die drei bei ihm anhängigen Nichtigkeitsklagen abgewiesen.

Zu den Aussetzungsanträgen

Vorbringen der Parteien

38 Zur Begründung des fumus boni juris bringen der Front national und Herr Martinez acht Klagegründe vor, von denen vier beiden Aussetzungsanträgen gemeinsam sind.

39 Mit ihrem ersten Klagegrund machen der Front national und Herr Martinez geltend, die streitige Handlung beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung des Artikels 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung. Die Verwendung des Verbs können" in dieser Vorschrift beweise, dass die Abgeordneten befugt seien, eine Fraktion nach ihrer politischen Zugehörigkeit zu bilden, ohne dass darin eine zusätzliche in den Vorschriften nicht existierende Einschränkung gesehen werden brauche. Die Antragsteller tragen vor, der Begriff politische Zugehörigkeit" dürfe nicht nach seinen Buchstaben ausgelegt werden, sondern sei als eine Suche nach Solidarität zu verstehen, die im vorliegenden Fall in dem Willen zum Ausdruck komme, für jeden Abgeordneten das Recht zu erhalten, sein parlamentarisches Mandat in vollem Umfang auszuüben, ohne dass die Ausübung dieses Mandats durch Ungleichheiten beeinträchtigt werde.

40 Der den beiden Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen gemeinsame zweite Klagegrund ist auf das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die vom Parlament in Bezug auf die Vereinbarkeit der TDI-Fraktion mit Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung und auf einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gestützt. In diesem Zusammenhang vertreten die Antragsteller die Auffassung, dass das Gericht in Randnummer 102 des angefochtenen Urteils ausdrücklich anerkannt habe, dass das Parlament bei der Bildung einer Fraktion eine Kontrolle der politischen Zugehörigkeit der Mitglieder vornehme, aus denen die Fraktion bestehe. Durch Artikel 180 der Geschäftsordnung werde dem Parlament entgegen der vom Gericht vertretenen Auffassung keine Befugnis zur Kontrolle der fehlerfreien Anwendung und Auslegung der Geschäftsordnung eingeräumt. Der Umstand, dass ein gemeinsamer Standpunkt eingenommen und eine Fraktion gebildet werde, um jedem Abgeordneten die volle Wahrnehmung seines Mandats zu garantieren, zeige, dass es eine politische Zusammengehörigkeit im Sinne von Artikel 29 der Geschäftsordnung gebe. Die verschiedenen politischen Gruppierungen innerhalb der TDI-Fraktion hätten sich mehrfach mit dem Ziel zusammengetan, einen Antrag einzubringen.

41 Der den beiden Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemeinsame dritte Klagegrund ist auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Die Antragsteller machen zunächst geltend, das Gericht habe in Randnummer 165 des angefochtenen Urteils anerkannt, dass es diskriminierende Unterscheidungen zwischen den Abgeordneten, die Mitglied einer Fraktion seien, und den fraktionslosen Abgeordneten gebe, es beschränke sich aber auf die Feststellung, dass diese Unterschiede in der Behandlung nicht auf der streitigen Handlung, sondern auf anderen Bestimmungen der Geschäftsordnung als Artikel 29 Absatz 1 oder auf Bestimmungen administrativer Art beruhten, deren Rechtmäßigkeit vor dem Gericht nicht bestritten worden sei. Auch wenn die Einrede der Rechtswidrigkeit von den Antragstellern nicht erhoben worden sei, hätte das Gericht die rechtlichen Konsequenzen aus diesen Diskriminierungen ziehen müssen.

42 Sodann machen sie geltend, bei der Bildung anderer technischer Fraktionen sei niemals eine vorherige Prüfung der ordnungsgemäß von der erforderlichen Zahl von Abgeordneten abgegebenen Erklärung über die Bildung einer Fraktion vorgenommen worden. Herr Martinez fügt hinzu, unter diesen Voraussetzungen habe die TDI-Fraktion auf die ständige Auslegung des Artikels 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung durch das Parlament vertrauen dürfen.

43 Schließlich tragen der Front national und Herr Martinez vor, das Gericht habe das Vorbringen, mit dem die Kohärenz bei der Abstimmung der Mitglieder der TDI-Fraktion habe belegt werden sollen, zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich um nach der streitigen Handlung liegende Tatsachen handele, obwohl diese Tatsachen geeignet gewesen seien, dem Gerichtshof Ausschluss über die politische Zusammengehörigkeit der TDI-Fraktion zu geben.

44 Der Front national - mit seinem vierten Klagegrund - und Herr Martinez - mit seinem sechsten Klagegrund - werfen dem Gericht vor, es habe die den Mitgliedstaaten gemeinsamen parlamentarischen Überlieferungen verkannt. Die vom Gericht gewählte restriktive Auslegung des Artikels 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung weiche von der Mehrheit der parlamentarischen Regelungen und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten ab.

45 Der fünfte Klagegrund des Front national ist auf eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften gestützt. Zum einen gehe aus dem Wortlaut der Artikel der Geschäftsordnung hervor, dass für die Anerkennung einer Fraktion kein besonderes Verfahren vorgesehen sei, und zum anderen verstoße die rückwirkende Anwendung der streitigen Handlung, die einer Auflösung der TDI-Fraktion gleichkomme, gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Schutzes wohlerworbener Rechte sowie gegen das Rückwirkungsverbot.

46 Der sechste Klagegrund des Front national ist darauf gestützt, dass insoweit eine Vermutung für einen Verfahrenmissbrauch bestehe, als der Front national objektiv erhebliche und übereinstimmende Indizien vorgetragen habe, die ganz offensichtlich zeigten, dass das Parlament gewillt sei, die Rechte bestimmter Abgeordneter systematisch einzuschränken.

47 Herr Martinez macht im Rahmen seines vierten Klagegrundes einen Verstoß gegen den Demokratiegrundsatz geltend. Dieser Grundsatz stehe dem entgegen, dass die Bedingungen der Ausübung eines parlamentarischen Mandats dadurch berührt würden, dass der Inhaber des Mandats keiner Fraktion angehöre. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, dass die unterschiedliche Behandlung auf Vorschriften beruhe, gegen die keine Einrede der Rechtswidrigkeit erhoben worden sei.

48 Im Rahmen seines auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vereinigungsfreiheit gestützten fünften Klagegrundes macht Herr Martinez geltend, der streitige Rechtsakt beeinträchtige diese Freiheit unbestreitbar dadurch, dass er eine restriktive Auslegung dieses Freiheitsrechts bestätige.

49 Die Kläger machen geltend, ihre Anträge auf einstweilige Anordnung sollten es den Mitgliedern der TDI-Fraktion ermöglichen, ihr Mandat mit den an die Zugehörigkeit zu einer Fraktion geknüpften Rechten und Vergünstigungen auszuüben, bis der Gerichtshof über die Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil entschieden habe.

50 Wenn die Durchführung des angefochtenen Urteils nicht ausgesetzt werde, entstehe den Mitgliedern der TDI-Fraktion ein schwerer Schaden, da es ihnen unmöglich sei, die den Fraktionen eingeräumten Rechte und Vergünstigungen zu erhalten. Dieser Schaden sei umso schwerer, als der für die Sachentscheidung über die Rechtsmittel erforderliche Zeitraum, während dessen nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Antragsteller Opfer von Diskriminierungen würden, einen nicht unerheblichen Teil der beschränkten Dauer ihres Mandats ausmachen könnte. Dieser Schaden sei auch insoweit nicht wieder gutzumachen, als eine eventuelle Nichtigerklärung der streitigen Handlung bei Abschluss des Rechtsmittelverfahrens für diese Sachlage keine Abhilfe mehr schaffen könnte.

51 Darüber hinaus könne die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils der Organisation der Dienststellen des Parlaments nicht schaden, da sie bewirken würde, dass die TDI-Fraktion die gleiche Behandlung erhalten könnte wie die seit 1979 gebildeten technischen Fraktionen.

52 Das Parlament beantragt, die beiden Anträge auf Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.

53 Es macht geltend, die Anträge auf einstweilige Anordnung seien wirkungslos. Die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils ändere nichts daran, dass es in der Praxis keine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Artikels 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung gebe. Die Aussetzung der Durchführung des Urteils lasse auch die Wirkungen des Beschlusses Martinez und de Gaulle/Parlament nicht wiederaufleben, da ein solcher Beschluss gemäß Artikel 107 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts mit der Verkündung des Endurteils außer Kraft trete.

54 Das Parlament hat ernstliche Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags des Front national an der Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils und ist der Ansicht, die von diesem beim Gericht erhobene Klage sei ihrerseits unzulässig gewesen. In diesem Zusammenhang macht es geltend, nur die Abgeordneten, die Mitglieder des Front national seien, könnten durch den streitigen Rechtsakt unmittelbar betroffen sein, nicht aber die Partei selbst, die nur mittelbar betroffen sein könne.

55 Außerdem wendet das Parlament ein, die Rechtsmittel seien insgesamt unzulässig, weil die Rechtsmittelführer sich mit einer Wiederholung der bereits vor dem Gericht vorgebrachten und von diesem geprüften Klagegründe begnügten. Sie gäben die Punkte, die in dem angefochtenen Urteil beanstandet würden, und die rechtlichen Argumente, die ihren Antrag spezifisch stützten, nicht genau an. Auf jeden Fall bestreitet das Parlament, dass die geltend gemachten Gründe so schwerwiegend seien, dass sie den zum Erlass der Aussetzungsentscheidung erforderlichen fumus boni juris begründen könnten.

56 In diesem Zusammenhang macht das Parlament geltend, es gebe keine Parallele zwischen der Sachlage, in der der Präsident des Gerichts den Beschluss Martinez und de Gaulle/Parlament erlassen habe und der Sachlage, aufgrund deren die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils beantragt werde. Während der genannte Beschluss u. a. auf eine mögliche willkürliche Diskriminierung im Verhältnis zur Bildung der Groupe pour l'Europe des démocraties et des différences (EDD) gestützt sei, stelle das angefochtene Urteil vielmehr die rechtserheblichen Unterschiede zwischen dieser Fraktion und der TDI-Fraktion heraus.

57 Was den ersten auf eine fehlerhafte Auslegung des Artikels 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung gestützten gemeinsamen Klagegrund des Front national und Herrn Martinez angeht, schließt sich das Parlament der Argumentation des Gerichts an und stellt fest, dem von den Antragstellern geltend gemachten Klagegrund fehle der fumus boni juris, der diese Argumentation entkräften könnte.

58 Was den zweiten dem Front national und Herrn Martinez gemeinsamen Klagegrund angeht, macht es geltend, die Kläger legten die Randnummer 102 des angefochtenen Urteils nicht richtig aus, wenn sie behaupteten, das Gericht habe darin anerkannt, dass das Parlament bei der Bildung einer Fraktion keine Kontrolle der politischen Zusammengehörigkeit der Mitglieder dieser Fraktion vornehme. Außerdem beruhe die enge Auslegung der Befugnis des Parlaments aus Artikel 180 der Geschäftsordnung durch die Kläger auf einer oberflächlichen Lektüre dieser Vorschrift, durch die diese keine praktische Wirksamkeit erhalte.

59 Was den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz betrifft, vertritt das Parlament die Auffassung, die Antragsteller gäben dem Begriff politische Zusammengehörigkeit" einen Sinn, der insoweit inhaltsleer sei, als er auf die bloße Möglichkeit beschränkt sei, ein parlamentarisches Mandat auszuüben. Darüber hinaus beanstandeten sie in Wirklichkeit die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts in Randnummer 122 des angefochtenen Urteils, wonach die verschiedenen im Namen der TDI-Fraktion eingereichten Anträge bestätigten, dass zwischen den Bestandteilen dieser Fraktion keinerlei politische Zusammengehörigkeit bestehe. Das Rechtsmittel sei aber auf Rechtsfragen beschränkt und ein solcher Rechtsmittelgrund sei daher unzulässig.

60 In Bezug auf das Vorbringen zu den Unterschieden in der Behandlung der Mitglieder der TDI-Fraktion und den Mitgliedern der anderen Fraktionen des Parlaments, das den ersten Teil des dem Front national und Herrn Martinez gemeinsamen Rechtsmittelgrund darstellt, macht das Parlament geltend, mit diesem Vorbringen werde kein konkreter Teil des angefochtenen Urteils beanstandet und das Gericht habe keine Diskriminierungen, sondern lediglich Unterschiede in der Behandlung festgestellt, wobei es angegeben habe, dass sich diese nicht aus der streitigen Handlung ergäben.

61 Was den Rechtsmittelgrund angeht, der auf die unterschiedliche Behandlung insoweit gestützt ist, dass die streitige Handlung die Bildung der TDI-Fraktion verbiete, während die Bildung einer Reihe von technischen Fraktionen in den früheren Legislaturperioden zugelassen worden sei, trägt das Parlament vor, es habe es niemals mit ebenso offensichtlichen Fällen des Fehlens politischer Zusammengehörigkeit zu tun gehabt, wie aus Randnummer 75 des angefochtenen Urteils hervorgehe. Außerdem könne jedes Parlament in der jeweiligen Legislaturperiode - vorbehaltlich einer eventuellen Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter - souverän über seine Geschäftsordnung entscheiden. Darüber hinaus sei das in Artikel 180 der Geschäftsordnung vorgesehene Auslegungsverfahren in der Vergangenheit niemals angewendet worden.

62 Zum vierten dem Front national und Herrn Martinez gemeinsamen Rechtsmittelgrund, der auf die gemeinsamen parlamentarischen Überlieferungen der Mitgliedstaaten gestützt ist, trägt das Parlament vor, die Darstellung des deutschen Parlamentsrechts sei unzutreffend und es gebe auf jeden Fall eine solche Vielfalt von Fallgestaltungen, dass es nicht möglich sei, daraus eine Schlussfolgerung zu ziehen, die auf Gemeinschaftsebene zwingend sein könne.

63 Zur Verletzung wesentlicher Formvorschriften und zum angeblichen Verfahrensmissbrauch, die den fünften bzw. den sechsten Rechtsmittelgrund des Front national darstellen, führt das Parlament aus, diese beschränkten sich darauf, dem Gericht allgemein Vorwürfe zu machen, ohne die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils und die rechtlichen Argumente, die den Antrag auf Aufhebung dieses Urteils speziell stützten, genau zu bezeichnen.

64 In Bezug auf den vierten von Herrn Martinez geltend gemachten Rechtsmittelgrund, der auf das Demokratieprinzip gestützt ist, macht das Parlament geltend, der Kläger erkläre nicht, aus welchem Grund vom Gericht gegen diesen Grundsatz verstoßen worden sei.

65 Zum Grundsatz der Vereinigungsfreiheit, der den fünften von Herrn Martinez geltend gemachten Rechtsmittelgrund darstellt, trägt das Parlament vor, entgegen dem Vorbringen des Klägers und selbst wenn man annehme, dass dieser Grundsatz auch auf die interne Organisation des Parlaments anwendbar sei, habe das Gericht in den Randnummern 232 und 233 des angefochtenen Urteils angegeben, welcher legitime Zweck mit der streitigen Handlung verfolgt werde.

66 In Bezug auf die Dringlichkeit macht das Parlament geltend, der Front national mache keinen Schaden geltend, der ihm durch die Durchführung des angefochtenen Urteils entstehen könne.

67 Außerdem könnten die Vergünstigungen in Form einer erweiterten Beteiligung an den parlamentarischen Arbeiten, die den Fraktionen gewährt würden, sachgerecht nur von Organen genutzt werden, die gemeinsame politische Überzeugungen besäßen. Diese Vergünstigungen stellten nämlich keine jeden politischen Inhalts entleerte Möglichkeiten zum Handeln dar, sondern sie seien Mittel, mit denen eine nach internen Diskussionen entwickelte politische Botschaft transportiert werden solle. Die ehemalige TDI-Fraktion könne daher die den Fraktionen im eigentlichen Sinne vorbehaltenen Vergünstigungen nicht sachgerecht nutzen.

68 Darüber hinaus unterrichtet das Parlament den Gerichtshof von seiner Entscheidung, eine Erhöhung der den fraktionslosen Abgeordneten zugewiesenen Mittel vorzunehmen. Auf jeden Fall gibt er an, dass die Antragsteller, wenn es Diskriminierungen bei der Ausübung des parlamentarischen Mandats gebe, gemäß dem angefochtenen Urteil die konkreten Entscheidungen, die das Parlament aufgrund der einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung getroffen habe, anfechten könnten.

69 Zur Interessenabwägung trägt das Parlament vor, die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils sei dem Funktionieren des Parlaments abträglich. Nicht nur könnten die Zahlungen zu Lasten des Haushalts, die die neue TDI-Fraktion beanspruche, nach dem Erlass des Urteils in der Sache, falls dieses zugunsten des Parlaments ausfalle, kaum wieder eingezogen werden, sondern auch die interne Zusammensetzung und die Dienststellen des Parlaments würden erneut destabilisiert.

70 Das Parlament macht geltend, derzeit hätten 120 verschiedene politische Parteien gewählte Vertreter im Parlament, und wenn es verpflichtet sei, fiktive" Fraktionen anzuerkennen, werde die Erfuellung seiner Aufgaben noch komplizierter. In diesem Zusammenhang stellt das Parlament fest, dass die Wichtigkeit der politischen Parteien auf europäischer Ebene, zu denen der Front national nicht gehöre, als Faktor der Integration in der Union durch Artikel 191 EG anerkannt worden sei. Damit sie dazu beitragen könnten, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen, sei es unbedingt erforderlich, den europäischen politischen Parteien eine gewisse privilegierte Rolle im Parlament zuzuweisen. Diese Rolle würde jedoch verfälscht, wenn jede beliebige Gruppierung eine Fraktion im Parlament bilden könnte, ohne die die für die Bildung einer solchen vorgeschriebenen materiellen Voraussetzungen zu erfuellen.

Rechtliche Würdigung

71 Gemäß Artikel 53 der EG-Satzung des Gerichtshofes hat ein Rechtsmittel gegen ein Urteil des Gerichts grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Nach Artikel 242 EG kann der Gerichtshof jedoch, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung des angefochtenen Urteils aussetzen.

72 Darüber hinaus geht aus Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung hervor, dass eine Aussetzung gemäß den in der vorstehenden Randnummer genannten Vorschriften davon abhängig ist, dass Umstände vorliegen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, und dass die Notwendigkeit einer solchen Anordnung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht wird.

73 Außerdem ist gegen eine ablehnende Entscheidung ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs grundsätzlich nicht gegeben, weil die Anordnung einer Aussetzung keine Änderung der Lage des Antragstellers herbeiführen könnte (vgl. Beschlüsse vom 31. Juli 1989 in der Rechtssache 206/89 R, S./Kommission, Slg. 1989, 2841, Randnr. 14, und vom 30. April 1997 in der Rechtssache C-89/97 P[R], Moccia Irme/Kommission, Slg. 1997, I-2327, Randnr. 45).

74 Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller aber nichts vorgetragen, was belegen könnte, dass die ausnahmsweise Anordnung der Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils, das sich insoweit einer ablehnenden Entscheidung gleichstellen lässt, als es die Klagen in vollem Umfang abweist, die Lage der Antragsteller ändern würde.

75 Die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils wird nämlich für sich allein die Bildung der TDI-Fraktion nicht möglich machen; insbesondere würde sie die Wirkungen des Beschlusses Martinez und de Gaulle/Parlament nicht wiederaufleben lassen.

76 Aus Artikel 107 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts geht nämlich hervor, dass die einstweilige Anordnung mit der Verkündung des Endurteils außer Kraft tritt, wenn der Beschluss des Richters der einstweiligen Anordnung keine ausdrückliche Befristung enthält. Daraus folgt, dass der Präsident des Gerichts allein dafür zuständig ist, im Rahmen eines beim Gericht anhängigen Verfahrens den Vollzug einer Handlung durch einen mit Gründen versehenen Beschluss auszusetzen, ohne dass er die Wirkungen eines solchen Beschlusses auf ein etwaiges Rechtsmittel erstrecken kann, das beim Gerichtshof eingelegt werden könnte, und dass allein dieser für die Entscheidung über alle im Rahmen eines Rechtsmittels gestellten Anträge auf Aussetzung des Vollzugs zuständig ist (Beschluss vom 15. Dezember 2000 in der Rechtssache C-361/0 P[R], Cho Yang Shipping/Kommission, Slg. 2000, I-11657, Randnr. 99).

77 Da die Anordnung der Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils unter diesen Voraussetzung nicht geeignet ist, den schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zu vermeiden, auf den sich die Antragsteller zur Begründung ihrer Anträge auf einstweilige Anordnung berufen, können diese Anträge nur zurückgewiesen werden.

78 Selbst wenn die Anträge der Antragsteller dahin auszulegen wären, dass sie im Wesentlichen darauf gerichtet sind, die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Handlung oder den Erlass von einstweiligen Anordnungen zu erreichen, die es den Antragstellern ermöglichen würde, die TDI-Fraktion erneut zu bilden, würde die in der vorstehenden Randnummer genannte Schlussfolgerung auf jeden Fall aus folgenden Gründen nicht entkräftet.

79 Erstens erscheint die Zulässigkeit der zur Begründung der Rechtsmittel geltend gemachten Rechtsmittelgründe auf den ersten Blick äußerst zweifelhaft.

80 Zum einen werden fast bei allen diesen Gründen die bereits vor dem Gericht geltend gemachten wiederholt, ohne dass sie eine Argumentation enthalten, mit denen das angefochtene Urteil speziell beanstandet werden soll.

81 Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aber aus den Artikeln 225 EG, 51 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes und 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Dieser Anforderung entspricht ein Rechtsmittel nicht, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente einschließlich derjenigen, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt sind, zu wiederholen, ohne überhaupt eine Argumentation zu enthalten, die speziell der Bezeichnung des Rechtsfehlers dient, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll. Ein solches Rechtsmittel stellt nämlich in Wirklichkeit einen Antrag auf bloße Überprüfung der beim Gericht eingereichten Klage dar, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes fällt (siehe z. B. Urteile vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-73/95 P, Viho/Kommission, Slg. 1996, I-5457, Randnrn. 25 und 26, und vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I-5291, Randnrn. 34 und 35).

82 Zum andern ergibt sich auf den ersten Blick, dass mit bestimmten Gründen im Kern die Würdigung der Tatsachen in Frage gestellt werden soll, die das Gericht in dem angefochtenen Urteil u. a. in Bezug auf das Fehlen einer politischen Zusammengehörigkeit der Mitglieder der TDI-Fraktion, die Merkmale anderer in der Vergangenheit gebildeter technischer Fraktionen oder das Vorliegen eines Verfahrensmissbrauchs vorgenommen hat.

83 Nach den Artikeln 225 EG und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes ist das Rechtsmittel aber auf Rechtsfragen beschränkt. Nach der letztgenannten Vorschrift muss es auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, oder auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden.

84 Allein das Gericht ist nämlich zuständig für die Tatsachenfeststellung, sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind, und für die Würdigung dieser Tatsachen. Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, daher keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt (siehe u. a. Urteil vom 11. Februar 1999 in der Rechtssache C-390/95 P, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1999, I-769, Randnr. 29).

85 Zweitens ist, selbst wenn man annimmt, dass irgendeiner der vorgebrachten Rechtsmittelgründe letztlich als zulässig angesehen werden könnte, festzustellen, dass - während in dem angefochtenen Urteil auf das gesamte Vorbringen der Antragsteller in erster Instanz ausführlich eingegangen wird - die rechtliche Argumentation der Antragsteller im Rechtsmittelverfahren äußerst pauschal bleibt und in der Sache bei einer ersten Prüfung als geeignet erscheint, sowohl Artikel 29 Absatz 1 als auch Artikel 180 der Geschäftsordnung ihres Wesens und Inhalts zu entleeren.

86 Drittens ist in Bezug auf den Front national auch festzustellen, dass er nichts vorbringt, was geeignet wäre, den Grund zu belegen, aus dem die Durchführung des angefochtenen Urteils ihm einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen würde.

87 Viertens und an letzter Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsstellung eines fraktionslosen Abgeordneten zwar Unterschiede im Verhältnis zu derjenigen eines Abgeordneten aufweist, der Mitglied einer Fraktion ist, dass diese Unterschiede sich aber aus Vorschriften ergeben, deren Rechtswidrigkeit in erster Instanz nicht zur Sprache gebracht worden ist. Die Argumente, die die Antragsteller vorbringen, um die Dringlichkeit zu rechtfertigen, erscheinen daher zu einem großen Teil als ein Versuch, den Konsequenzen aus Vorschriften der Geschäftsordnung oder aus anderen internen Verwaltungsvorschriften zu begegnen, die im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht beanstandet worden sind. Der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes besteht aber lediglich darin, die volle Wirksamkeit der abschließenden Entscheidung zu gewährleisten, die in dem Verfahren in der Hauptsache, mit dem das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verbunden ist, ergehen wird.

88 Nach alledem sind die Anträge auf Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFES

beschlossen:

1. Die Rechtssachen C-486/01 P-R und C-488/01 P-R werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2. Die Anträge auf einstweilige Anordnung werden zurückgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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