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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.1998
Aktenzeichen: C-61/97
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 92/100/EWG


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 30
EG-Vertrag Art. 36
EG-Vertrag Art. 85
EG-Vertrag Art. 86
Richtlinie 92/100/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Es verstösst nicht gegen die Artikel 30 und 36 des Vertrages, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Vermietrechts in einem Mitgliedstaat die Vermietung von Vervielfältigungsstücken eines Filmwerks verbietet, obwohl der Vermietung dieser Vervielfältigungsstücke in einem anderen Mitgliedstaat zugestimmt wurde.

Der Grundsatz, daß die Verbreitungsrechte erschöpft werden, wenn urheberrechtlich geschützte Werke durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung zum Kauf angeboten werden, leitet sich nämlich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes her, wonach das durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die gewerblichen Schutzrechte garantierte Ausschließlichkeitsrecht erschöpft ist, wenn ein Erzeugnis auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaats vom Rechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung rechtmässig in den Verkehr gebracht worden ist. Die Werke der Literatur und Kunst können jedoch entweder durch öffentliche Aufführung oder durch Vervielfältigung und Inverkehrbringen der hergestellten Bild- und Tonträger gewerblich verwertet werden.

Würde ein Anspruch auf Vergütung lediglich bei Verkäufen an Privatverbraucher oder auch an Vermieter von Videokassetten eingeräumt, so wäre es nicht möglich, den Filmherstellern eine Vergütung zu sichern, die der Zahl der tatsächlich erfolgten Vermietungen entspricht und ihnen einen angemessenen Anteil am Vermietungsmarkt sichert. Durch das Inverkehrbringen eines Bild- und Tonträgers können daher andere Handlungen der Nutzung des geschützten Werkes - wie etwa die Vermietung -, die sich vom Verkauf oder irgendeiner anderen erlaubten Verbreitungshandlung unterscheiden, per definitionem nicht freigegeben werden. Wie das Recht zur Darbietung eines Werkes durch öffentliche Aufführung verbleibt ungeachtet des Verkaufs des das Werk verkörpernden materiellen Trägers auch das Vermietrecht dem Urheber und dem Hersteller. Hinsichtlich der Auswirkungen der Vermietung müssen die gleichen Überlegungen gelten. Das spezifische Recht, die Vermietung zu erlauben oder zu verbieten, würde seiner Substanz beraubt, wenn es allein durch das erste Angebot zur Vermietung erschöpft wäre.

2 Es verstösst nicht gegen die Richtlinie 92/100 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Vermietrechts in einem Mitgliedstaat die Vermietung von Vervielfältigungsstücken eines Filmwerks verbietet, obwohl der Vermietung dieser Vervielfältigungsstücke in einem anderen Mitgliedstaat zugestimmt wurde.


Urteil des Gerichtshofes vom 22. September 1998. - Foreningen af danske Videogramdistributører als Bevollmächtigte der Egmont Film A/S, Buena Vista Home Entertainment A/S, Scanbox Danmark A/S, Metronome Video A/S, Polygram Records A/S, Nordisk Film Video A/S, Irish Video A/S und Warner Home Video Inc. gegen Laserdisken. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Retten i Ålborg - Dänemark. - Urheberrecht und verwandte Schutzrechte - Vermietung von Laserdisks. - Rechtssache C-61/97.

Entscheidungsgründe:

1 Der Ret AAlborg hat mit Beschluß vom 7. Februar 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Februar 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 30, 36, 85 und 86 EG-Vertrag und der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61; nachstehend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Foreningen af danske Videogramdistributörer (Vereinigung der dänischen Videovertreiber; nachstehend: FDV) als Bevollmächtigte der Egmont Film A/S u. a. gegen das dänische Unternehmen Laserdisken, das Filmwerke auf Laserdisks vertreibt, hinsichtlich der Vermietung solcher aus dem Vereinigten Königreich eingeführter Erzeugnisse in Dänemark.

3 Nach dänischem Recht bedürfen Vermietung und Verleih von Filmwerken der Zustimmung der Inhaber der Urheberrechte (§ 23 Absatz 3 des dänischen Urheberrechtsgesetzes in der im Jahre 1989 ergänzten Fassung). Eine gleichartige Bestimmung wurde mit Wirkung vom 1. August 1989 im Vereinigten Königreich eingeführt (Copyright Designs and Patents Act 1988, Sections 16 bis 18; Gesetz von 1988 über geistiges Eigentum im Bereich von Urheberrechten, Gebrauchsmustern und Patenten).

4 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, das Recht vorzusehen, die Vermietung und das Verleihen von Originalen und Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke und anderer Schutzgegenstände zu erlauben oder zu verbieten. Gemäß Artikel 1 Absatz 4 werden die genannten Rechte weder durch die Veräusserung noch durch andere Verbreitungshandlungen erschöpft. Aus Artikel 9 der Richtlinie ergibt sich ausserdem, daß sich das Verbreitungsrecht, das ein ausschließliches Recht ist, die genannten Gegenstände der Öffentlichkeit im Wege der Veräusserung oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen, vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen über das Vermiet- und Verleihrecht, insbesondere die des Artikels 1 Absatz 4, nur mit dem Erstverkauf des Gegenstands in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung erschöpft.

5 Laserdisken, die seit 1985 aus dem Vereinigten Königreich eingeführte Laserdisks verkauft, begann 1987 zur Förderung des Absatzes dieser Erzeugnisse auch mit deren Vermietung; Filme auf Laserdisk sind wesentlich teurer als Filme auf Videoband und werden hauptsächlich von Personen gekauft, die die Filme bereits kennen. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die Inhaber des Urheberrechts stillschweigend akzeptiert hatten, daß diese Laserdisks im Vereinigten Königreich vermietet wurden, während sie einer solchen Vermietung ausserhalb dieses Mitgliedstaats nicht zugestimmt hatten.

6 Im Jahr 1992 wurde Laserdisken wegen widerrechtlicher, gegen § 23 Absatz 3 Urheberrechtsgesetz verstossender Vermietung verklagt; unter Anordnung der Stellung einer Sicherheit durch die FDV für die Schäden, die ihr durch das Verbot entstehen könnten, wurde ihr untersagt, Filmwerke zu vermieten, in bezug auf die die Mitglieder der FDV das Recht zur Herstellung und zur Verbreitung in Dänemark besassen. Dieses Verbot wurde vom Fogedret (Gericht des vorläufigen Rechtsschutzes) angeordnet und in der Rechtsmittelinstanz vom Vestre Landsret bestätigt.

7 Im Hauptsachevefahren betreffend den Verbotsantrag ist der Ret AAlborg zu der Auffassung gelangt, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhänge, und hat beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen; dieser Beschluß ist in der Berufungsinstanz vom Vestre Landsret bestätigt worden, der die Formulierung dieser Fragen jedoch leicht abgeändert hat. In ihrer letzten Fassung lauten die Vorlagefragen wie folgt:

Schließen Artikel 30 in Verbindung mit Artikel 36 sowie die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag es aus, daß eine Person, der vom Inhaber ausschließlicher Rechte an einem Filmwerk das ausschließliche Recht zur Herstellung und Verbreitung von Vervielfältigungsstücken des Filmwerks in einem Mitgliedstaat übertragen worden ist, der Vermietung eigener Ausgaben des Werkes zustimmen und gleichzeitig die Vermietung importierter Ausgaben verhindern kann, die in einem anderen Mitgliedstaat auf den Markt gebracht worden sind, in dem der Inhaber der ausschließlichen Rechte zur Herstellung und Verbreitung der Vervielfältigungsstücke diese mit stillschweigender Zustimmung zu ihrer Vermietung in diesem Mitgliedstaat übereignet hat?

Angesichts der Tatsache, daß die Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums in Kraft getreten ist, wird die gleiche Frage auch für den Fall gestellt, daß die Richtlinie für deren Beantwortung in Betracht zu ziehen ist.

8 Diese beiden Fragen des nationalen Gerichts gehen dahin, ob es gegen die genannten Vertragsartikel und die Richtlinie verstösst, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Vermietrechts in einem Mitgliedstaat die Vermietung von Vervielfältigungsstücken eines Filmwerks verbietet, obwohl der Vermietung dieser Vervielfältigungsstücke in einem anderen Mitgliedstaat zugestimmt wurde.

9 In seinem Vorlagebeschluß nennt das nationale Gericht zwar die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag unter den Gemeinschaftsbestimmungen, deren Auslegung es begehrt, führt jedoch nicht aus, aus welchen Gründen es diese Artikel unter den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Ausgangsrechtsstreits für auslegungsbedürftig hält. Damit hat das nationale Gericht, wie der Generalanwalt in Nummer 17 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, den Gerichtshof nicht in die Lage versetzt, ihm eine zweckdienliche Auslegung dieser Artikel zu geben.

10 Daher sind die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen nach ständiger Rechtsprechung, deren Anforderungen ganz besonders im Bereich des Wettbewerbsrechts gelten, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (vgl. insbesondere das Urteil vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-320/90 bis C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393, Randnrn. 6 und 7, und Beschluß vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92, Banchero, Slg. 1993, I-1085, Randnrn. 4 und 5), insoweit als unzulässig anzusehen, als sie die Auslegung der Artikel 85 und 86 des Vertrages betreffen. Diese Fragen können folglich nur im Hinblick auf die Auslegung der Artikel 30 und 36 EG-Vertrag sowie der Richtlinie untersucht werden.

11 Die FDV, die Warner Home Video Inc., die dänische, die französische und die finnische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission schlagen vor, die Fragen des nationalen Gerichts zu verneinen. Sie machen im wesentlichen geltend, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 158/86, Warner Brothers und Metronome Video, Slg. 1988, 2605) und aus der Richtlinie ergebe sich, daß die Befugnis, die Vermietung eines Films zu genehmigen oder zu untersagen, dem Recht zur öffentlichen Aufführung gleichkomme und sich im Gegensatz zum Verbreitungsrecht nicht mit ihrer ersten Ausübung erschöpfe.

12 Laserdisken und ihre Streithelfer im Ausgangsverfahren sind hingegen der Auffassung, durch die Zustimmung zur Vermietung werde das ausschließliche Recht, die Vermietung von Vervielfältigungsstücken eines Filmwerkes zu verbieten, erschöpft und die Ausübung dieses Rechts unter den beschriebenen Umständen verstosse gegen die Artikel 30 und 36 des Vertrages und gegen das Ziel der Richtlinie, einen Raum ohne Binnengrenzen zu schaffen.

13 Wie der Gerichtshof in Randnummer 14 des Urteils vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-200/96 (Metronome Musik, Slg. 1998, I-1953) ausgeführt hat, leitet sich der Grundsatz, daß die Verbreitungsrechte erschöpft werden, wenn urheberrechtlich geschützte Werke durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung zum Kauf angeboten werden, aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes her, wonach Artikel 36 EG-Vertrag zwar Ausnahmen vom freien Warenverkehr zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums zulässt, diese Ausnahmen jedoch nur zulässig sind, soweit sie zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen. Das durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die gewerblichen Schutzrechte garantierte Ausschließlichkeitsrecht ist jedoch erschöpft, wenn ein Erzeugnis auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaats vom Rechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung rechtmässig in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. insbesondere die Urteile vom 20. Januar 1981 in den verbundenen Rechtssachen 55/80 und 57/80, Musik-Vertrieb membran und K-tel International, Slg. 1981, 147, Randnrn. 10 und 15, und vom 22. Januar 1981 in der Rechtssache 58/80, Dansk Supermarked, Slg. 1981, 181, Randnr. 11).

14 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 17. Mai 1988 (Warner Brothers und Metronome Video) jedoch ebenfalls festgestellt hat, können die Werke der Literatur und Kunst entweder durch öffentliche Aufführung oder durch Vervielfältigung und Inverkehrbringen der hergestellten Bild- und Tonträger gewerblich verwertet werden. Letzteres ist z. B. bei der Vermietung von Videokassetten der Fall, die eine andere Personengruppe erfasst als der Verkauf und die für die Filmhersteller eine bedeutende potentielle Verdienstquelle darstellt.

15 Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, daß es, würde ein Anspruch auf Vergütung lediglich bei Verkäufen an Privatverbraucher oder auch an Vermieter von Videokassetten eingeräumt, nicht möglich wäre, den Filmherstellern eine Vergütung zu sichern, die der Zahl der tatsächlich erfolgten Vermietungen entspricht und ihnen einen angemessenen Anteil am Vermietungsmarkt sichert. Rechtsvorschriften, durch die ein besonderer Schutz des Rechts zur Vermietung von Videokassetten eingeführt worden ist, sind daher aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne des Artikels 36 als gerechtfertigt anzusehen (Urteil vom 17. Mai 1988, Warner Brothers und Metronome Video, Randnrn. 15 und 16).

16 In demselben Urteil (Randnrn. 17 und 18) hat der Gerichtshof ausserdem das Argument verworfen, daß ein Urheber, der die Videokassette eines Films in einem Mitgliedstaat zum Verkauf angeboten habe, dessen Rechtsvorschriften ihm kein ausschließliches Recht zur Vermietung zubilligten, die Folgen seiner Entscheidung und die Erschöpfung seines Rechts hinnehmen müsse, die Vermietung dieser Videokassette in irgendeinem anderen Mitgliedstaat untersagen zu lassen. Wenn eine nationale Rechtsordnung den Urhebern nämlich ein besonderes Recht zur Vermietung von Videokassetten gewährt, würde dieses Recht seiner Substanz beraubt, wenn sein Inhaber nicht in der Lage wäre, die Vermietung von seiner Zustimmung abhängig zu machen.

17 Durch das Inverkehrbringen eines Bildträgers können daher andere Handlungen der Nutzung des geschützten Werkes - wie etwa die Vermietung -, die sich vom Verkauf oder irgendeiner anderen erlaubten Verbreitungshandlung unterscheiden, per definitionem nicht freigegeben werden. Wie das Recht zur Darbietung eines Werkes durch öffentliche Aufführung (vgl. dazu das Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 395/87, Tournier, Slg. 1989, 2521, Randnrn. 12 und 13) verbleibt ungeachtet des Verkaufs des das Werk verkörpernden materiellen Trägers auch das Vermietrecht dem Urheber und dem Hersteller (Urteil vom 28. April 1998, Metronome Musik, Randnr. 18).

18 Hinsichtlich der Auswirkungen der Vermietung müssen die gleichen Überlegungen gelten. Wie der Generalanwalt in Nummer 15 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist das ausschließliche Recht zur Vermietung der einzelnen Vervielfältigungsstücke des auf einem Videogramm aufgezeichneten Werkes naturgemäß für eine Verwertung mittels wiederholter und potentiell zahlenmässig unbegrenzter Geschäfte geeignet, von denen jedes einzelne einen Anspruch auf Vergütung eröffnet. Das spezifische Recht, die Vermietung zu erlauben oder zu verbieten, würde seiner Substanz beraubt, wenn es allein durch das erste Angebot zur Vermietung erschöpft wäre.

19 Hinsichtlich der Richtlinie ist festzustellen, daß sich die Vorgänge, die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegen, vor deren Erlaß abgespielt haben. Da das nationale Verfahren jedoch fortgeführt wurde, nachdem die Richtlinie begonnen hatte, in den betroffenen Mitgliedstaaten rechtliche Wirkungen zu entfalten, und das nationale Gericht den Gerichtshof gerade hierzu befragt hat, ist sein Auslegungsersuchen auch für die Richtlinie zu beantworten.

20 Die Richtlinie verweist zwar, um die Beseitigung der zwischen den nationalen Rechtsvorschriften bestehenden Unterschiede zu rechtfertigen, in ihrer dritten Begründungserwägung auf das in Artikel 8a des Vertrages aufgestellte Ziel, einen Raum ohne Binnengrenzen zu schaffen; mit ihr sollen aber, wie der Gerichtshof in Randnummer 22 des Urteils vom 28. April 1988 (Metronome Musik) festgestellt hat, in der Gemeinschaft ein harmonisierter Rechtsschutz für das Vermiet- und Verleihrecht und bestimmte dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte im Bereich des geistigen Eigentums eingeführt werden. In diesem Rahmen trifft sie eine Unterscheidung zwischen dem spezifischen Vermiet- und Verleihrecht, wie es in Artikel 1 der Richtlinie bezeichnet ist, und dem in Artikel 9 geregelten Verbreitungsrecht, das als ausschließliches Recht definiert ist, einen der genannten Schutzgegenstände vor allem im Wege der Veräusserung der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Während sich das Vermiet- und Verleihrecht nicht mit der Veräusserung oder einer anderen Handlung der Verbreitung des Schutzgegenstands erschöpft, erschöpft sich das Verbreitungsrecht mit dem Erstverkauf in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung (Urteil vom 28. April 1998, Metronome Musik, Randnr. 19).

21 Die Richtlinie schließt somit ausdrücklich aus, daß sich das Vermietrecht im Gegensatz zum Verbreitungsrecht durch irgendeine Handlung der Verbreitung des Schutzgegenstands erschöpft. Wie in Randnummer 18 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, ist dieser Ausschluß durch das Wesen des Vermietrechts gerechtfertigt, das seiner Substanz beraubt würde, wenn es durch das erste Angebot zur Vermietung erschöpft würde.

22 Entgegen dem Vorbringen der Beklagten des Ausgangsverfahrens und der Streithelfer ergibt sich damit sowohl aus der Auslegung der Artikel 30 und 36 EG-Vertrag hinsichtlich des Schutzes der Urheberrechte als auch aus der der Richtlinie, daß sich das ausschließliche Recht, die Vermietung eines Films zuzulassen oder zu verbieten, durch seine Erstausübung in einem der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nicht erschöpft. Die Wahrnehmung dieses Rechts unter Umständen wie den im Vorlagebeschluß beschriebenen verstösst demnach nicht gegen diese Bestimmungen.

23 Die Vorlagefrage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß es nicht gegen die Artikel 30 und 36 EG-Vertrag und die Richtlinie verstösst, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Vermietrechts in einem Mitgliedstaat die Vermietung von Vervielfältigungsstücken eines Filmwerks verbietet, obwohl der Vermietung dieser Vervielfältigungsstücke in einem anderen Mitgliedstaat zugestimmt wurde.

Kostenentscheidung:

Kosten

24 Die Auslagen der dänischen, der französischen und der finnischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Ret AAlborg mit Beschluß vom 7. Februar 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Es verstösst nicht gegen die Artikel 30 und 36 EG-Vertrag und die Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Vermietrechts in einem Mitgliedstaat die Vermietung von Vervielfältigungsstücken eines Filmwerks verbietet, obwohl der Vermietung dieser Vervielfältigungsstücke in einem anderen Mitgliedstaat zugestimmt wurde.

Ende der Entscheidung

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