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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 03.07.1991
Aktenzeichen: C-62/86
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 86
EWG-Vertrag Art. 3 f
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Wettbewerbsverfahren verlangt, daß das betroffene Unternehmen die Möglichkeit erhalten hat, in zweckdienlicher Weise seinen Standpunkt zu denjenigen Dokumenten geltend zu machen, die die Kommission bei den Überlegungen berücksichtigt hat, die ihre Entscheidung tragen. Es gibt jedoch keine Vorschrift, die die Kommission dazu verpflichtet, den betroffenen Beteiligten den Akteninhalt bekanntzugeben.

2. Erlässt die Kommission eine Entscheidung, mit der sie feststellt, daß ein Unternehmen gegen die Wettbewerbsregeln verstossen hat, so kann sie sich nicht auf Dokumente stützen, die diesem Unternehmen im Verwaltungsverfahren vor Erlaß dieser Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht worden sind.

3. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte müssen die Tatsachen, auf die sich die Kommission stützt, sowie ihre Bewertung deutlich angegeben werden.

4. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, sind die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen des Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Masse austauschbar sind.

5. Besonders hohe Marktanteile liefern - von aussergewöhnlichen Umständen abgesehen - ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung. Dies ist bei einem Marktanteil von 50 % der Fall.

6. Der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung ist ein objektiver Begriff. Er erfasst die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch den Einsatz von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.

7. Artikel 86 EWG-Vertrag verbietet es einem marktbeherrschenden Unternehmen, einen Mitbewerber zu verdrängen und auf diese Weise die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift. Unter diesem Gesichtspunkt kann nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden.

Preise, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten (d. h. den Kosten, die je nach den produzierten Mengen variieren) liegen und mit deren Hilfe ein beherrschendes Unternehmen versucht, einen Konkurrenten auszuschalten, sind als mißbräuchlich anzusehen. Ein beherrschendes Unternehmen hat nämlich nur dann ein Interesse, derartige Preise zu praktizieren, wenn es seine Konkurrenten ausschalten will, um danach unter Ausnutzung seiner Monopolstellung seine Preise wieder anzuheben, denn jeder Verkauf bringt für das Unternehmen einen Verlust in Höhe seiner gesamten Fixkosten (d. h. der Kosten, die ungeachtet der produzierten Mengen konstant bleiben) und zumindest eines Teils der variablen Kosten je produzierte Einheit mit sich.

Auch Preise, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten - d. h. Fixkosten plus variable Kosten -, jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, sind als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans festgesetzt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat. Diese Preise können nämlich Unternehmen vom Markt verdrängen, die vielleicht ebenso leistungsfähig sind wie das beherrschende Unternehmen, wegen ihrer geringeren Finanzkraft jedoch nicht dem auf sie ausgeuebten Konkurrenzdruck standhalten können.

8. Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann Verkäufe zu einem Preis, der unter den Produktionskosten liegt, nicht unter Berufung darauf rechtfertigen, daß es seine Preise an diejenigen eines anderen Lieferanten habe anpassen müssen, wenn es erwiesenermassen mit diesem Lieferanten enge Kontakte über die zu verfolgende Preispolitik unterhielt.

9. Holt ein marktbeherrschendes Unternehmen bei Firmen, die es als Kunden an sich binden will, Auskünfte über die von einem Konkurrenten gewährten Bedingungen ein, so kann diese Praxis nicht als ein normales Mittel des Wettbewerbs angesehen werden, wenn sie Teil eines Plans zur Verdrängung dieses Konkurrenten ist.

10. Ein Unternehmen, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt und Abnehmer, sei es auch auf deren Wunsch, durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben ausschließlich bei ihm zu decken, an sich bindet, nutzt seine Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag mißbräuchlich aus.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 3. JULI 1991. - AKZO CHEMIE BV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ARTIKEL 86 - AUSSCHLUSSPRAKTIKEN EINES MARKTBEHERRSCHENDEN UNTERNEHMENS. - RECHTSSACHE C-62/86.

Entscheidungsgründe:

1 Die AKZO Chemie BV hat mit Klageschrift, die am 5. März 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage auf Aufhebung der Entscheidung 85/609/EWG der Kommission vom 14. Dezember 1985 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags (IV/30.698-ECS/AKZO, ABl. L 374, S. 1) erhoben.

2 In dieser Entscheidung stellte die Kommission fest, daß AKZO gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen habe, indem sie in der Absicht, ein Konkurrenzunternehmen, die Engineering and Chemical Supplies (Epsom and Gloucester) Ltd. (im folgenden: ECS) zu schädigen und/oder aus dem EG-Markt für organische Peroxide zu verdrängen, eine dort näher bezeichnete Verhaltensweise anwandte (Artikel 1).

3 Die AKZO Chemie und ihre Tochtergesellschaften bilden die Abteilung "Hochwertige Chemikalien" des niederländischen Konzerns AKZO NV, der chemische Erzeugnisse und Kunstfasern herstellt.

4 Die AKZO UK, eine 100%ige Tochtergesellschaft der AKZO Chemie (im folgenden bedeutet "AKZO" die aus der AKZO Chemie BV und deren Tochtergesellschaften bestehende Wirtschaftseinheit), stellt im Vereinigten Königreich organische Peroxide, in der Kunststoffindustrie benutzte hochwertige Chemikalien her. Dieses Unternehmen erzeugt auch Benzoylperoxid-Verbindungen (Benzoylperoxid ist eines der organischen Peroxide) zur Verwendung als Bleichmittel für Mehl sowie zwei andere Mehlzusätze, nämlich Kaliumbromat und Vitaminmischungen.

5 Benzoylperoxid und Kaliumbromat werden je nach den Bedürfnissen der Kunden in verschiedenen Stärkegraden geliefert. Benzoylperoxid wird hauptsächlich mit 16 % oder 20 % Stärke, Kaliumbromat gewöhnlich zu Stärkegraden von 6 % und 10 % geliefert.

6 Nach den Feststellungen der Entscheidung (Ziffer 17) bieten drei Unternehmen (AKZO, ECS und Diaflex) im Vereinigten Königreich und in Irland ein vollständiges oder fast vollständiges Sortiment von Mehlzusätzen an.

7 Die Käufer von Mehlzusätzen lassen sich in drei Gruppen einteilen. Die erste umfasst die drei wichtigsten, etwa gleich grossen Getreidemühlengruppen Ranks (RHM), Spillers und Allied Mills, auf die zusammen etwa 85 % der Nachfrage entfallen. Die zweite besteht aus den "grossen unabhängigen Mühlen", das heisst Mühlen, die von den drei grossen Gruppen unabhängig sind und auf die 10 % der Nachfrage entfallen. Die restlichen 5 % werden von weniger bedeutenden Mühlen, den "kleinen unabhängigen Mühlen", gekauft.

8 Vor dem Streit zwischen AKZO und ECS, der zu der mit der vorliegenden Klage angefochtenen Entscheidung führte, hatten sich AKZO und Diaflex die Belieferung von RHM geteilt. Spillers wurde in erster Linie von AKZO und im übrigen von Diaflex beliefert. Allied bezog ihre Mehlzusätze über ihre zentrale Verkaufsstelle Provincial Merchants von ECS. Coxes Lock, eine der Mühlen der Allied Gruppe, deckte ihren Bedarf jedoch bei AKZO. Ausserdem belieferte ECS zwei Drittel der Kundschaft der "grossen unabhängigen Mühlen" und AKZO das verbleibende Drittel.

9 Die Kommission stellt (in Artikel 1 der Entscheidung) insbesondere fest, AKZO habe

i) in Sitzungen Ende des Jahres 1979 direkte Drohungen gegen ECS ausgesprochen, um ECS vom Markt für organische Peroxide für den "Kunststoff"-Bereich zu verdrängen;

ii) seit etwa Dezember 1980 Provincial Merchants, Allied Mills und den Kunden von ECS aus dem Bereich der "grossen unabhängigen Mühlen" systematisch Mehlzusätze zu unangemessen niedrigen Preisen angeboten und geliefert, um die Lebensfähigkeit von ECS zu beeinträchtigen, so daß ECS gezwungen gewesen sei, den Kunden an AKZO zu verlieren oder einen Verlustpreis anzubieten, um den Kunden zu behalten;

iii) derartige Preisangebote bevorzugt ECS-Abnehmern von Mehlzusätzen gemacht, während sie für vergleichbare Käufer, die bereits ihre eigenen Stammkunden gewesen seien, wesentlich höhere Preise (bis zu 60 %) beibehalten habe;

iv) Kaliumbromat und vitaminangereicherte Erzeugnisse (obwohl sie letztere in der Regel nicht geliefert habe) Kunden von ECS zu einem Lockpreis in einer Packung mit Benzoylperoxid angeboten, um sie unter Verdrängung von ECS vom Markt für das Gesamtangebot an Mehlzusätzen zu interessieren;

v) im Rahmen des Plans, ECS zu schädigen, die Preise für Mehlzusätze im Vereinigten Königreich lange Zeit auf einem künstlich niedrigen Niveau gehalten, wobei sie habe überleben können, weil sie über mehr finanzielle Mittel als ECS verfügt habe;

vi) gegenüber Hauptabnehmern RHM und Spillers eine auf Verdrängung abzielende Geschäftspolitik verfolgt, indem sie von diesen Kunden Einzelangaben über Angebote anderer Lieferquellen (einschließlich ECS) für Mehlzusätze eingeholt und sodann, um den Auftrag zu erhalten, einen Preis angeboten habe, der nur geringfügig unter dem niedrigsten Alternativpreisangebot gelegen habe; damit sei (im Fall von Spillers) die Auflage an den Kunden verbunden worden, seinen Gesamtbedarf an Mehlzusätzen bei AKZO zu decken.

10 Durch diese Entscheidung wurde gegen AKZO eine Geldbusse in Höhe von 10 Millionen ECU, das sind 24 696 000 HFL, festgesetzt (Artikel 2); ausserdem wurde sie angewiesen, die Zuwiderhandlung unverzueglich einzustellen (Artikel 3).

11 Im übrigen musste AKZO nach der Entscheidung (Artikel 3 Absätze 3, 4 und 5) darauf verzichten, für Mehlzusätze Preise oder andere Verkaufsbedingungen anzubieten oder anzuwenden, die dazu führen würden, daß Kunden, bei denen sie mit ECS im Wettbewerb stand, an AKZO andere Preise zahlten, als sie von AKZO vergleichbaren Kunden angeboten wurden. Dieses Verbot sollte AKZO jedoch nicht daran hindern, bei Mehlzusätzen Preisunterschiede zwischen verschiedenen Kundenkategorien zu machen, aus denen Unterschiede in Produktions- und Lieferkosten, die auf den jährlichen Bedarf des Kunden entfielen, Umfang des Auftrags und andere Geschäftsfaktoren angemessen und objektiv ersichtlich waren. Die Entscheidung sah dazu vor, daß die Bedingungen, zu denen AKZO Getreidemühlen der Allied-Gruppe Angebote machte, nicht wesentlich günstiger sein durften als die Angebote für die "grossen unabhängigen Mühlen".

12 AKZO stützt ihre Klage im wesentlichen auf folgende Gründe:

- Erster Klagegrund: Die angefochtene Entscheidung enthalte aufgrund von Unregelmässigkeiten des Verwaltungsverfahrens mehrere Formfehler.

- Zweiter Klagegrund: Die angefochtene Entscheidung verletze Artikel 86 EWG-Vertrag, da die Kommission die Begriffe "beherrschende Stellung" und "mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung" falsch ausgelegt und angewandt habe, als sie das Vorliegen einer solchen Stellung für AKZO bejaht und deren Verhalten als mißbräuchlich angesehen habe.

13 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

I - Zum ersten Klagegrund: Unregelmässigkeiten des Verwaltungsverfahrens

14 AKZO macht geltend, die Entscheidung enthalte aufgrund von Unregelmässigkeiten des Verwaltungsverfahrens mehrere Formfehler. Zunächst sei ihr keine ausreichende Akteneinsicht gewährt worden. Ausserdem seien die Ermittlungen der Kommission unvollständig gewesen. Schließlich enthalte die Entscheidung verschiedene Vorwürfe, zu denen sie nicht gehört worden sei.

A - Akteneinsicht

15 AKZO führt zunächst aus, ihr sei, obwohl sie mehrmals darum nachgesucht habe, kein Zugang zu allen Untersuchungsberichten der Inspektoren der Kommission gewährt worden, obwohl diese Dokumente möglicherweise Angaben enthielten, die es ihr hätten ermöglichen können, ihre Verteidigung wahrzunehmen und die Berechtigung ihres Standpunkts zu bekräftigen. Die Weigerung, die ihr gegenüber ausgesprochen worden sei, stehe im Gegenspruch zu der Vorgehensweise, die die Kommission in ihren Berichten über die Wettbewerbspolitik angekündigt habe.

16 Dazu ist auf das Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82 (VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 25) hinzuweisen, in dem dieser entschieden hat: "Zwar verlangt die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, daß das betroffene Unternehmen die Möglichkeit erhalten hat, in zweckdienlicher Weise seinen Standpunkt zu denjenigen Dokumenten geltend zu machen, die die Kommission bei den Überlegungen berücksichtigt hat, die ihre Entscheidung tragen; jedoch gibt es keine Vorschrift, die die Kommission dazu verpflichtet, den betroffenen Beteiligten den Akteninhalt bekanntzugeben."

17 Deshalb ist die Rüge zurückzuweisen.

18 AKZO trägt sodann vor, die Kommission habe ihre Entscheidung auf zwei Dokumente gestützt, die ihr nicht bekanntgegeben worden seien.

19 Das erste Dokument sei das Antwortschreiben der Firma Steetley Chemicals (die den Grundstoff für die Herstellung von Kaliumbromat produziere) an die Kommission im Rahmen eines Auskunftsverlangens, das diese gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17, der ersten Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), an dieses Unternehmen gerichtet habe. Wie sich jedoch aus der Klagebeantwortung der Kommission ergebe, habe diese beim Erlaß ihrer Entscheidung auf dieses Dokument zurückgegriffen, um die Produktionskosten der Firma Diaflex zu ermitteln.

20 Die Kommission bestreitet nicht, daß dieses Dokument AKZO nicht bekanntgegeben worden sei. Sie führt lediglich aus, AKZO habe gewusst oder hätte zumindest vermuten können, daß die Preise, die Steetley Chemicals gegenüber Diaflex praktiziert habe, wesentlich höher gewesen seien als die Preise, die sie gegenüber AKZO angewandt habe.

21 Das Antwortschreiben von Steetley Chemicals ist AKZO nicht bekanntgegeben worden, obwohl die Kommission daraus Schlüsse gezogen hat. Daher dürfen die in diesem Dokument enthaltenen Informationen im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.

22 Das zweite Dokument, das AKZO nicht habe einsehen können, sei das Protokoll über eine Erklärung, die die Firma Smith, eine der "grossen unabhängigen Mühlen", bei einer Nachprüfung durch die Kommission abgegeben habe. Dieses Dokument betreffe die Hilfe, die Diaflex AKZO angeblich gewährt habe, um es dieser zu ermöglichen, das Mindestpreissystem zu unterlaufen, das die Kommission ihr durch einstweilige Anordnung aufgrund der Entscheidung 83/462/EWG vom 29. Juli 1983 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags (IV/30.698-ECS/AKZO: Einstweilige Anordnungen, ABl. L 252, S. 13, im folgenden: Entscheidung über die einstweiligen Anordnungen) auferlegt habe.

23 Die Kommission entgegnet darauf, diese Erklärung, die in einer handschriftlichen Notiz eines ihrer Inspektoren enthalten sei, gehöre zu den Akten, die AKZO in den Räumen der Kommission habe einsehen können.

24 Diese Notiz befindet sich nicht in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, und zwar weder in den Akten, die das Verwaltungsverfahren betreffen, noch in den Anlagen zu den Schriftsätzen der Kommission. Die Kommission hat somit nicht den Beweis dafür erbracht, daß dieses Dokument AKZO zur Kenntnis gebracht wurde. Unter diesen Umständen kann diese Notiz nicht als Beweismittel für ein mißbräuchliches Verhalten von AKZO in Betracht kommen.

B - Unvollständige Untersuchung

25 AKZO führt aus, die Untersuchung der Kommission sei insbesondere deshalb unvollständig, weil sie die Kostenstruktur der betroffenen Unternehmen und die Preispolitik der wichtigsten Konkurrenten von AKZO im Sektor der Mehlzusätze ausser acht gelassen habe.

26 Da die Untersuchung dazu dient, die Tatsachen festzustellen, aus denen sich möglicherweise eine Zuwiderhandlung ergibt, sind ihre eventuellen Unzulänglichkeiten keine Verfahrensfehler. Sie sind nur insoweit zu berücksichtigen, als es darum geht, ob die angeführten Tatsachen sachlich zutreffen und die daraus gezogenen Schlüsse tragen. Diese Prüfung gehört jedoch zur Würdigung des Sachvorbringens von AKZO.

C - Verletzung der Verpflichtung zur Anhörung des Unternehmens

27 AKZO macht geltend, die Entscheidung enthalte wesentliche Beschwerdepunkte, zu denen sie im Verwaltungsverfahren ihren Standpunkt nicht habe darlegen können. Sie sei zwar zur sachlichen Richtigkeit bestimmter Tatsachen angehört worden, nicht jedoch zu ihrer rechtlichen Einordnung als Mißbrauch.

28 Die fraglichen Beschwerdepunkte betreffen den Einsatz von Kaliumbromat als Lockmittel, die Auskunftsverlangen, die AKZO an bestimmte Kunden gerichtet haben soll, um genaue Einzelheiten über die Angebote ihrer Konkurrenten zu erhalten, und den einem Kunden aufgezwungenen Ausschließlichkeitsvertrag.

29 In der Mitteilung der Beschwerdepunkte müssen die Tatsachen, auf die die Kommission sich stützt, sowie ihre Bewertung deutlich angegeben werden.

30 Diesem Erfordernis ist bezueglich des Einsatzes von Kaliumbromat als Lockmittel Genüge getan. In dem die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergänzenden Schreiben (Ziffer 10) wird nämlich dieses Erzeugnis bei der Prüfung des Verhaltens den Vitaminmischungen gleichgestellt, die AKZO nach dem Vorbringen der Kommission zu Lockpreisen verkauft hat.

31 Was das Einholen von Auskünften durch AKZO und den Ausschließlichkeitsvertrag betrifft, so hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte (Ziffer 70) die Gesamtstrategie von AKZO als mißbräuchlich bezeichnet, die in dem Versuch bestanden haben soll, ECS durch das Aussprechen von Drohungen aus dem Kunststoffsektor zu verdrängen, und - nach dem Scheitern dieses Vorgehens - ihren Plan, ECS zur Liquidation zu zwingen, durchzuführen. Die verschiedenen Stufen dieses Plans sind in dem "die Durchführung des Plans zur Verdrängung von ECS" betreffenden Teil der Mitteilung der Beschwerdepunkte (Ziffern 27 ff.) beschrieben. Unter diesen Stufen waren die Einholung von Auskünften und der Ausschließlichkeitsvertrag aufgeführt. Somit liegt keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte der Klägerin vor.

32 AKZO führt schließlich zu den Beschwerdepunkten, die sich auf die unangemessen niedrigen Preise beziehen, aus, sie habe ihren Standpunkt zu der Frage, ob es sich bei einigen ihrer Produktionskosten um Fixkosten oder um variable Kosten gehandelt habe, nicht darlegen können, obwohl diese Frage unter Berücksichtigung des Zulässigkeitskriteriums, dessen Anwendung sie für die Beurteilung des Verhaltens eines beherrschenden Unternehmens vorschlage, entscheidend sei.

33 Diese Rüge kann nicht durchgreifen. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Frage, ob es sich bei bestimmten Kostenfaktoren um Fixkosten oder um variable Kosten handelt, haben sich erst aus der Antwort von AKZO auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergeben. AKZO hatte jedoch Gelegenheit, bei der Beantwortung der Fragen, die die Vertreter der Kommission ihr bei der Anhörung vom 18. Juni 1985 zu diesem Thema stellten (S. 33 ff. des Anhörungsprotokolls), ihre Auffassung darzulegen.

II - Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag

34 Nach Auffassung von AKZO hat die Kommission dadurch gegen Artikel 86 verstossen, daß sie

- in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht den Sektor der organischen Peroxide als den relevanten Markt bezeichnet, den Markt für organische Peroxide zu Unrecht als Einzelmarkt angesehen und sich schließlich auf unrichtige Angaben gestützt habe, um das Vorliegen der angeblichen beherrschenden Stellung zu beweisen;

- in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht ein mißbräuchliches Verhalten von AKZO angenommen habe.

A - Vorliegen einer beherrschenden Stellung

1. Bestimmung des relevanten Marktes

35 In der Entscheidung wird primär der Markt für organische Peroxide (einschließlich des in der Kunststoffindustrie verwendeten Benzoylperoxids) als relevanter Markt angesehen, da es sich um den Markt handele, von dem ECS langfristig durch AKZO habe verdrängt werden sollen (Ziffer 66). Die Entscheidung lokalisiert den Mißbrauch hilfsweise auf dem Markt für Mehlzusätze (einschließlich des Benzoylperoxids, soweit es im Bereich der Mühlen Verwendung finde) im Vereinigten Königreich und in Irland (Ziffer 91).

36 Zunächst ist zu prüfen, ob die Kommission den Markt für organische Peroxide zu Recht als den relevanten Markt definiert hat.

37 AKZO wendet sich gegen diese Abgrenzung unter Berufung auf den Gegenstand der Entscheidung, die nur ihr angeblich rechtswidriges Verhalten im Bereich der Mehlzusätze betreffe. Sie weist insoweit darauf hin, daß der Gerichtshof im Urteil vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73 (Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 21) entschieden habe, daß der Markt, auf dem die Wirkungen des Mißbrauchs spürbar seien, "ohne Bedeutung [ist], wenn es um die Bestimmung des Marktes geht, der für die Feststellung einer beherrschenden Stellung in Betracht zu ziehen ist".

38 Dieses Vorbringen ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles zu prüfen.

39 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Benzoylperoxid, eines der wichtigsten organischen Peroxide, das für die Kunststoffherstellung verwandt wird, zugleich wegen seines Einsatzes als Bleichmittel für Mehl im Vereinigten Königreich und in Irland einer der wichtigsten Mehlzusätze ist.

40 Weiterhin ist festzustellen, daß ECS vor 1979 ausschließlich im Bereich der Mehlzusätze tätig war. Erst im Laufe dieses Jahres beschloß sie, ihre Tätigkeit auf den Kunststoffsektor auszudehnen. Sie hatte somit, als der Streit begann, auf diesem Sektor nur einen extrem kleinen Marktanteil.

41 Im übrigen ist unstreitig, daß für AKZO der Kunststoffsektor wichtiger war als der Sektor der Mehlzusätze, denn sie erzielte im Kunststoffsektor einen deutlich höheren Umsatz.

42 AKZO praktizierte somit Preissenkungen in einem Sektor - demjenigen der Mehlzusätze -, der für ECS wesentlich war, für AKZO dagegen nur begrenzte Bedeutung hatte.

43 Darüber hinaus hatte AKZO die Möglichkeit, ihre eventuellen Verluste im Sektor der Mehlzusätze durch die Gewinne aus ihrer Tätigkeit im Kunststoffsektor auszugleichen. ECS hatte diese Möglichkeit nicht.

44 Schließlich ergibt sich aus den Erklärungen eines leitenden Angestellten von AKZO (Anlage 20 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 35), die bei der Prüfung des die Drohungen betreffenden Beschwerdepunkts Berücksichtigung finden werden, daß AKZO sich nicht deshalb so verhalten hat, um ihre Stellung im Sektor der Mehlzusätze zu stärken, sondern um ihre Stellung im Kunststoffsektor zu behalten, indem sie ECS daran hinderte, ihre Tätigkeit auf diesen Sektor auszudehnen.

45 Unter diesen Umständen hat die Kommission zu Recht angenommen, daß der Markt für organische Peroxide der relevante Markt war, selbst wenn durch das behauptete mißbräuchliche Verhalten die Haupttätigkeit von ECS auf einem anderen Markt untergraben werden sollte.

46 Für den Fall, daß auf den Markt für organische Peroxide abzustellen ist, wirft AKZO der Kommission weiter vor, auf diesem Markt keine gründliche Untersuchung vorgenommen zu haben. Zum einen habe sie die angeblichen Dumpingangebote von AKZO in diesem Sektor nicht geprüft, obwohl ein wesentlicher Teil der Anschuldigungen von ECS sich darauf bezogen habe. Zum anderen habe sie nicht geprüft, ob die Stellung von AKZO im Sektor der organischen Peroxide durch ihr Verhalten bei Mehlzusätzen gestärkt worden sei.

47 Dazu genügt die Feststellung, daß diese Gegebenheiten, die sich auf den mißbräuchlichen Charakter des Verhaltens beziehen, für die Bestimmung des relevanten Marktes ohne Bedeutung sind.

48 AKZO trägt schließlich vor, dieser Markt könne jedenfalls nicht als Einzelmarkt angesehen werden, da die organischen Peroxide offensichtlich nicht untereinander austauschbar seien. Sie ließen sich auch nicht wegen einer angeblichen Ergänzungsfunktion demselben Markt zurechnen, denn die Kunden deckten ihren Gesamtbedarf an Peroxiden nicht bei ein und demselben Lieferanten.

49 In der Entscheidung (Ziffer 7) heisst es, daß die organischen Peroxide chemische Erzeugnisse seien, die eine wesentliche Rolle bei der Kunststoffherstellung spielten, wo sie bei den verschiedensten Vorgängen als "Initiatoren" wirkten. Ihre drei Hauptanwendungsgebiete seien:

- Initiatoren für die Polymerisation oder Copolymerisation von Vinylmonomeren;

- Aushärtungsmittel für Elastomere und Harze;

- Vernetzungsmittel für Äthylen/Propylen und Kunstkautschuk oder Silizium.

50 Weiter wird in der Entscheidung ausgeführt (Ziffer 8), daß auf die ersten beiden Bereiche je 40 % und auf den dritten ungefähr 10 % des Verbrauchs an organischen Peroxiden entfielen.

51 Der Gerichtshof hat im Urteil vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80 (L' Oréal, Slg. 1980, 3775, Randnr. 25) entschieden, daß bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, "... die Wettbewerbsmöglichkeiten... im Rahmen des Marktes zu beurteilen [sind], in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Masse austauschbar sind".

52 Organische Peroxide können sicher hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Konzentration oder Darstellung individualisiert werden, um den spezifischen Bedarf der Kundschaft zu decken. Sie finden jedoch zu 90 % ihre Verwendung bei verschiedenen Arbeitsvorgängen der Kunststoffindustrie und sind somit geeignet, einen gleichbleibenden Bedarf im Sinne des zitierten Urteils zu befriedigen. Ausserdem sind die organischen Peroxide keinem Wettbewerb durch andere Produkte wie zum Beispiel Schwefelverbindungen ausgesetzt, die im begrenzten Bereich der Vulkanisierung von synthetischem Kautschuk verwendet werden, denn diese Produkte sind nicht geeignet, die organischen Peroxide vollständig zu ersetzen, da sie nicht alle notwendigen technischen Eigenschaften haben.

53 Schließlich ergibt sich aus der internen Dokumentation von AKZO (Anlage 2 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte), daß diese selbst der Auffassung ist, daß die organischen Peroxide einen Einzelmarkt bilden; sie berechnet ihren Marktanteil nämlich für diese Erzeugnisse global.

54 Aufgrund dieser Erwägungen sind die von AKZO gegen die Bestimmung des relevanten Marktes vorgebrachten Argumente zurückzuweisen.

2. Beherrschende Stellung

55 Die Kommission vertritt die Auffassung, AKZO nehme eine beherrschende Stellung auf dem Markt für organische Peroxide ein. Dabei stützt sie sich auf AKZOs Marktanteil sowie das Vorliegen einer Reihe von Umständen, die AKZO in Verbindung mit diesem Marktanteil eine deutlich vorherrschende Stellung verschafften.

56 In Ziffer 69 der Entscheidung werden diese Umstände wie folgt beschrieben:

"i) Der Marktanteil der AKZO ist nicht nur an sich schon groß, sondern entspricht den Marktanteilen aller übrigen Hersteller zusammengenommen.

ii) Abgesehen von Interox und Luperox bieten die übrigen Hersteller nur eine begrenzte Produktpalette an und/oder sind nur von lokaler Bedeutung.

iii) Der Marktanteil der AKZO (wie der den zweiten bzw. dritten Platz einnehmenden Hersteller Interox und Luperox) ist im relevanten Zeitraum gleichgeblieben; AKZO hat alle Angriffe auf ihre Stellung von seiten kleinerer Hersteller stets erfolgreich abgewehrt.

iv) Selbst in Zeiten einer Konjunkturabschwächung konnte AKZO ihre Gesamtgewinnspanne durch regelmässige Preiserhöhungen und/oder Absatzsteigerungen aufrechterhalten.

v) AKZO bietet eine viel breiter gefächerte Produktpalette als alle anderen Wettbewerber an, hat die kommerziell und technisch am weitesten entwickelte Vertriebsorganisation und ist hinsichtlich des Know-how in bezug auf Sicherheit und Toxikologie führend.

vi) AKZO war eigenen Berichten zufolge in der Lage, 'unliebsame' Mitbewerber (neben ECS) vom Markt zu verdrängen oder deren Stellung wesentlich zu schwächen: Das Bespiel von Scado zeigt, daß AKZO, sofern sie dies wünscht, einen weniger mächtigen Hersteller vom Markt ausschließen kann.

vii) Sobald solche kleinen, jedoch potentiell gefährlichen Mitbewerber schadlos gemacht worden waren, konnte AKZO den Preis des jeweiligen Erzeugnisses anheben, bei dem sie deren Konkurrenz spürte."

57 AKZO widerspricht der Bewertung ihres Marktanteils und bestreitet das Vorliegen oder die Erheblichkeit der übrigen in der Entscheidung berücksichtigten Umstände. Sie macht insbesondere geltend, ihr Marktanteil sei unrichtig bewertet worden, denn die Kommission hätte den Markt für organische Peroxide nicht als Einzelmarkt ansehen dürfen. Sie vertritt ausserdem den Standpunkt, die Tatsache, daß sie eine breiter gefächerte Produktpalette angeboten habe als ihre Mitbewerber, könne kein Indiz für eine beherrschende Stellung bilden.

58 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Da der Markt für organische Peroxide zu Recht als Einzelmarkt angesehen wurde, musste auch der Marktanteil von AKZO unter Berücksichtigung sämtlicher organischen Peroxide berechnet werden. So gesehen trug der Umstand, daß AKZO eine breiter gefächerte Produktpalette anbot als ihre hauptsächlichen Mitbewerber, dazu bei, ihr eine beherrschende Stellung auf diesem Markt zu sichern.

59 Ausserdem besaß AKZO ihrer eigenen internen Dokumentation zufolge von 1979 bis 1982 einen festen Marktanteil von etwa 50 % (Anlagen 2 und 4 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und Tabelle A in der Anlage zur Mitteilung der Beschwerdepunkte). Auch hat AKZO nicht dargetan, daß dieser Anteil in den darauffolgenden Jahren zurückgegangen wäre.

60 Hinsichtlich der Marktanteile hat der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461, Randnr. 41) entschieden, daß besonders hohe Anteile - von aussergewöhnlichen Umständen abgesehen - ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefern. Dies ist der Fall bei einem Marktanteil von 50 %, wie er im vorliegenden Fall festgestellt wurde.

61 Im übrigen hat die Kommission zutreffend darauf hingewiesen, daß weitere Umstände die Marktmacht von AKZO bestätigen. Abgesehen davon, daß diese sich als den weltweiten Marktführer für Peroxide betrachtet, besitzt sie nach eigenen Angaben die kommerziell und technisch am weitesten entwickelte Vertriebsorganisation und mehr Know-how in bezug auf Sicherheit und Toxikologie als ihre Mitbewerber (Anlagen 2 und 4 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).

62 Das Vorbringen, mit dem AKZO bestritten hat, eine beherrschende Stellung auf dem Gesamtmarkt für organische Peroxide zu besitzen, ist somit zurückzuweisen.

B - Mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung

1. Einleitende Erwägungen - Kriterium der Zulässigkeit des

Preisverhaltens eines beherrschenden Unternehmens

63 Der angefochtenen Entscheidung (Ziffer 75) zufolge nutzte AKZO ihre beherrschende Stellung mißbräuchlich aus, indem sie versuchte, ECS vom Markt für organische Peroxide auszuschalten, und zwar hauptsächlich durch eine erhebliche und konstante Preisunterbietung im Bereich der Mehlzusätze.

64 Nach Auffassung der Kommission sind bei Artikel 86 nicht die Kosten das entscheidende Kriterium für die Feststellung des mißbräuchlichen Charakters der von einem beherrschenden Unternehmen praktizierten Preisunterbietungen (Ziffer 77 der Entscheidung). Dieser Maßstab trage den in Artikel 3 Buchstabe f EWG-Vertrag angegebenen allgemeinen Zielen der EG-Wettbewerbsregeln nicht Rechnung, insbesondere nicht der Notwendigkeit, Strukturen eines wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt vor Eingriffen zu schützen. Ein mechanisches Kriterium berücksichtige die Bedeutung des strategischen Aspekts eines auf Preisunterbietung gerichteten Verhaltens nicht ausreichend. Eine Preisunterbietung könne auf einer wettbewerbsschädlichen Absicht beruhen, gleichgültig, ob das angreifende Unternehmen seine Preise über oder unter den eigenen Kosten - in der einen oder anderen Bedeutung des Begriffs - festsetze (Ziffer 79 der Entscheidung).

65 Gleichwohl könne eine eingehende Untersuchung der Kosten des beherrschenden Unternehmens von erheblicher Bedeutung für die Feststellung sein, ob sein Preisverhalten als objektiv vertretbar oder als unangemessen anzusehen sei. Es könne Umstände geben, wo der Verdrängungseffekt einer Preisunterbietungskampagne eines beherrschenden Herstellers so offensichtlich sei, daß Beweismittel für die Absicht, einen Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, nicht erforderlich seien. In den Fällen jedoch, in denen für niedrige Preise verschiedene Erklärungen möglich seien, könnten Beweismittel für die Absicht, einen Mitbewerber zu verdrängen oder den Wettbewerb zu beschränken, auch erforderlich sein, um den Nachweis für die Zuwiderhandlung zu erbringen (Ziffer 80 der Entscheidung).

66 AKZO hält das von der Kommission angewandte Zulässigkeitskriterium für nicht sachdienlich, da es verschwommen oder jedenfalls unpraktikabel sei. Die Kommission hätte ein objektives, auf AKZOs Kosten gegründetes Kriterium anwenden müssen.

67 Die Frage der Zulässigkeit eines bestimmten Preisniveaus könne nicht unabhängig von der konkreten Marktsituation, in der dieser Preis festgesetzt worden sei, beurteilt werden. Ein Mißbrauch liege nicht vor, wenn das beherrschende Unternehmen nach einem optimalen Verkaufspreis und einer positiven Kostendeckungsmarge strebe. Ein Preis sei optimal, wenn das Unternehmen vernünftigerweise erwarten könne, daß das Angebot eines anderen Preises oder das Fehlen von Preisangeboten kurzfristig zu einem weniger günstigen Betriebsergebnis führe. Die Kostendeckungsmarge sei positiv, wenn der Wert des Auftrags die Summe der variablen Kosten übersteige.

68 Gegen ein auf kurzfristiges Streben nach dem optimalen Preis gestütztes Kriterium könne nicht eingewandt werden, daß es auf längere Sicht die Lebensfähigkeit des Unternehmens in Frage stelle. Das betroffene Unternehmen könne erst nach einer gewissen Zeitspanne Maßnahmen treffen, um die Verluste abzubauen oder sich von einer defizitären Geschäftssparte zu trennen. Inzwischen müsse das Unternehmen "die optimalen Aufträge" akzeptieren, um sein Defizit zu verringern und den weiteren Betrieb sicherzustellen.

69 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461, Randnr. 91) entschieden hat, ist der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung ein objektiver Begriff. Er erfasst die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch den Einsatz von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.

70 Daraus ergibt sich, daß Artikel 86 EWG-Vertrag es einem beherrschenden Unternehmen verbietet, einen Mitbewerber zu verdrängen und auf diese Weise die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift. Unter diesem Gesichtspunkt kann nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden.

71 Preise, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten (d. h. den Kosten, die je nach den produzierten Mengen varieren) liegen und mit deren Hilfe ein beherrschendes Unternehmen versucht, einen Konkurrenten auszuschalten, sind als mißbräuchlich anzusehen. Ein beherrschendes Unternehmen hat nämlich nur dann ein Interesse, derartige Preise zu praktizieren, wenn es seine Konkurrenten ausschalten will, um danach unter Ausnutzung seiner Monopolstellung seine Preise wieder anzuheben, denn jeder Verkauf bringt für das Unternehmen einen Verlust in Höhe seiner gesamten Fixkosten (d. h. der Kosten, die ungeachtet der produzierten Mengen konstant bleiben) und zumindest eines Teils der variablen Kosten je produzierte Einheit mit sich.

72 Auch Preise, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten - das heisst Fixkosten plus variable Kosten -, jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, sind als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans festgesetzt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat. Diese Preise können nämlich Unternehmen vom Markt verdrängen, die vielleicht ebenso leistungsfähig sind wie das beherrschende Unternehmen, wegen ihrer geringeren Finanzkraft jedoch nicht dem auf sie ausgeuebten Konkurrenzdruck standhalten können.

73 Anhand dieser Kriterien ist der vorliegende Fall zu beurteilen.

74 Da sich das anzuwendende Zulässigkeitskriterium auf die Kosten und die Strategie des beherrschenden Unternehmens selbst stützt, ist der Vorwurf von AKZO, die Untersuchung der Kostenstruktur und der Preispolitik ihrer Konkurrenten durch die Kommission sei unzureichend gewesen, von vornherein zurückzuweisen.

2. Die verschiedenen Aspekte des Mißbrauchs

75 Das angebliche mißbräuchliche Verhalten betrifft die Drohungen, die AKZO Ende 1979 gegenüber ECS ausgesprochen haben soll, sowie die Preise, die sie von Dezember 1980 (dem Zeitpunkt der ersten streitigen Angebote) bis Juli 1983 (dem Zeitpunkt der Entscheidung über die einstweiligen Anordndungen, durch die AKZO aufgegeben wurde, eine Mindestpreisregelung einzuhalten) für drei Mehlzusätze angeboten oder angewandt hat.

a) Die Drohungen

76 Die Kommission stellt fest, daß AKZO in Sitzungen mit den Leitern von ECS Ende des Jahres 1979 direkte Drohungen gegen diese ausgesprochen habe, um sie vom Markt für organische Peroxide für den Kunststoffbereich zu verdrängen (Artikel 1 Buchstabe i der Entscheidung).

77 AKZO bestreitet, ECS bedroht zu haben. Sie habe ECS lediglich informiert, daß sie nicht auf ihre weitere Zusammenarbeit im Sektor für Mehlzusätze zählen könne, wenn sie sich darauf versteife, im Kunststoffsektor Angebote zu sehr niedrigen Preisen zu machen. Vor dem Streit lieferten sich nämlich ECS und AKZO gegenseitig bestimmte Mehlzusätze zu herabgesetzten Preisen, um etwaige Produktionsausfälle auszugleichen oder den Bedarf eines Erzeugers an einem dieser Produkte, das er selbst nicht herstellte, zu decken. Auf diese Weise lieferte AKZO ECS einen Teil ihres Bedarfs an Benzoylperoxid während ECS AKZO Vitaminmischungen lieferte.

78 Für die Entscheidung darüber, ob dieser Beschwerdepunkt durchgreift, ist der Wortlaut der Gespräche, die am 16. November und am 3. Dezember 1979 stattfanden, festzustellen. Dem Gerichtshof liegen dazu die von leitenden ECS-Angestellten angefertigten Protokolle dieser Sitzungen, eine Erklärung eines leitenden AKZO-Angestellten und ein Vermerk eines anderen leitenden AKZO-Angestellten vor.

79 Die Angaben, die in den verschiedenen von den leitenden ECS-Angestellten verfassten Schriftstücken enthalten sind, stimmen im wesentlichen miteinander überein (Anlagen 12, 13, 14, 15, 16, 17 und 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte). Daraus geht namentlich hervor, daß AKZO in der ersten Sitzung erklärt hat, sie beabsichtige, eine generelle Preissenkung für Mehlzusätze vorzunehmen, wenn ECS weiterhin Benzoylperoxid im Kunststoffsektor verkaufe, und sei entschlossen, notfalls unterhalb ihrer Gestehungspreise zu verkaufen, selbst wenn ihr dadurch ein Verlust von 250 000 UKL entstuende. In der zweiten Sitzung soll AKZO bestätigt haben, sie sei bereit, notfalls unterhalb ihrer Gestehungspreise zu verkaufen.

80 Aufgrund dieser Sitzungen beantragte ECS beim High Court in London, AKZO zu verbieten, ihre Drohungen wahrzumachen, da dadurch gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen würde. Im Rahmen dieses Verfahrens gab ein leitender AKZO-Mitarbeiter unter Eid den Inhalt der Gespräche wieder. Aus dieser Erklärung (Anlage 20 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 35) ergibt sich ebenfalls, daß AKZO bereit war, unterhalb ihrer Gestehungspreise zu verkaufen und notfalls einen Verlust in Kauf zu nehmen, wenn ECS sich nicht vom Kunststoffmarkt zurückziehe.

81 Der Inhalt dieser Besprechungen wird weiter durch einen Vermerk eines leitenden AKZO-Angestellten vom 7. Dezember 1979 (Anlage 21 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt. Dort heisst es, AKZO werde im Sektor der Mühlenprodukte aggressive Geschäfsmaßnahmen ergreifen, wenn ECS nicht darauf verzichte, ihre Erzeugnisse an die Kunststoffindustrie zu liefern. Darüber hinaus enthielt dieser Vermerk einen ausführlichen Plan mit Berechnungen der Maßnahmen, die für den Fall ergriffen würden, daß ECS sich nicht zurückziehe. Aus diesem Plan geht namentlich hervor, daß AZO versuchen würde, alle Kunden von ECS für sich zu gewinnen, indem sie ihnen das gesamte Sortiment von Mehlzusätzen zu Verlustpreisen anbieten würde.

82 Aufgrund dieser übereinstimmenden sachlichen Angaben ist davon auszugehen, daß AKZO Ende 1979 ECS bedroht hat, um ECS vom Markt für organische Peroxide für den Kunststoffbereich zu verdrängen.

b) Das Preisverhalten von AKZO

i) Die Kosten von AKZO

83 Anhand des festgelegten Kriteriums für die Beurteilung des Preisverhaltens eines beherrschenden Unternehmens sind die Gesamtkosten und die variablen Kosten von AKZO für jeden der fraglichen Zusätze während des entscheidungserheblichen Zeitraums zu ermitteln.

Die Gesamtkosten von AKZO

84 Die Kommission hat dem die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergänzenden Schreiben (Tabelle F) eine Schätzung der Gesamtkosten von AKZO beigefügt, die aufgrund der Buchführung dieses Unternehmens berechnet worden waren. Die Kommission hat jedoch erklärt (Ziffer 9 des die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergänzenden Schreibens und Tabelle G), daß die tatsächlichen Gesamtkosten von AKZO diese Schätzung sicher überstiegen.

85 AKZO hat ihren Schriftsätzen als Anlage den Bericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beigefügt, der unter anderem eine Schätzung dieser Kosten für denselben Zeitraum enthält (Anlage 3 zur Klageschrift, Anlage 12 zur Erwiderung).

86 Aus diesen Schätzungen ergibt sich, daß die Gesamtkosten von AKZO bisweilen unter und dann wieder über den Schätzungen der Kommissionsdienststellen liegen.

87 Im Verfahren vor dem Gerichtshof hat die Kommission diese Zahlen nicht bestritten. Zum einen führt sie aus, diese bestärkten sie in ihrer Überzeugung, daß die Berechnung der Kosten, die sie selbst aufgrund von AKZOs eigenen Dokumenten vorgenommen habe, richtig sei (Ziffer 104 der Klagebeantwortung). Zum andern weist sie darauf hin, diese Zahlen widersprächen nicht ihrer These, daß AKZOs Preisangebote gegenüber den Stammkunden von ECS fast immer zu Verlusten geführt hätten (Ziffer 52 der Gegenerwiderung).

88 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Gesamtkosten von AKZO diejenigen sind, die in dem ihren Schriftsätzen beigefügten Bericht aufgeführt sind.

89 Diese Kosten betragen in UKL pro Tonne:

- für Benzoylperoxid 16 %:

1981: 557,90; 1982: 578;10; 1983: 519,20;

- für Benzoylperoxid 20 %:

1981: 649,60; 1982: 700,29; 1983: 582,57;

- für Kaliumbromat 6 %:

1981: 290,14; 1982: 316,84; 1983:308,14;

- für Kaliumbromat 10 %:

1981: 350,34; 1982: 370,98; 1983: 360;

- für Vitaminmischungen (Nutramin):

1981: 665,86, 1982: 714,40.

Die variablen Kosten von AKZO

90 Die Parteien haben dem Gerichtshof sehr unterschiedliche Schätzungen der variablen Kosten von AKZO vorgelegt. Diese Unterschiede ergeben sich im wesentlichen daraus, daß die Parteien sich nicht darüber einig sind, ob bestimmte Kostenelemente Fixkosten oder variable Kosten darstellen.

91 In der Entscheidung heisst es (Ziffer 54), daß Kostenelemente wie Arbeitskräfte, Wartung, Lagerhaltung und Versand als variable Kosten angesehen werden müssten, da sie in den Buchführungssystemen gewöhnlich eher unter diesen erschienen.

92 AKZO macht geltend, das einzige Kriterium dafür, ob ein Kostenelement zu den Fixkosten oder zu den variablen Kosten gehöre, bestehe darin, zu prüfen, ob es nach Maßgabe der produzierten Mengen variiere oder nicht. Im vorliegenden Fall seien die Kosten für Arbeitskräfte als Fixkosten anzusehen, denn aus dem Vergleich der Entwicklung der jährlichen Kosten für Arbeitskräfte in den Jahren 1980 bis 1985 mit der Entwicklung der in demselben Zeitraum produzierten Mengen ergebe sich, daß zwischen diesen beiden Parametern kein Zusammenhang bestehe (Anlage 3 zur Klageschrift, Wirtschaftsprüfungsbericht, insbesondere Anhang 7 zu diesem Bericht).

93 Die Kommission entgegnet hierauf, die Buchführungsbelege von AKZO zeigten, daß ein Grossteil dessen, was sie als Fixkosten ansehe, tatsächlich jeweils mit den Änderungen in der Produktion variiere (Ziffer 99 der Klagebeantwortung). Im übrigen habe AKZO im März 1984 zwei neue Arbeiter eingestellt, um ihre Produktionskapazität zu steigern, so daß ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Arbeitskräfte und dem Produktionsvolumen bestehe (Ziffer 48 der Gegenerwiderung).

94 Ein Kostenfaktor kann nicht ohne weiteres den Fixkosten oder den variablen Kosten zugeordnet werden. Deshalb ist zu prüfen, ob die Kosten für Arbeitskräfte im vorliegenden Fall je nach den produzierten Mengen variierten.

95 Aus den von AKZO angegebenen Zahlen geht hervor, daß kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den produzierten Mengen und den Kosten für Arbeitskräfte besteht. So sind in den Jahren 1982 und 1983, während AKZOs Benzoylperoxidproduktion stieg, die Kosten für Arbeitskräfte inflationsbereinigt gesunken. Umgekehrt sind, während 1983 und 1984 die Kaliumbromatproduktion dieses Unternehmens zurückging, die Kosten für Arbeitskräfte inflationsbereingt gestiegen. Die Kosten für Arbeitskräfte sind somit im vorliegenden Fall als Fixkosten anzusehen.

96 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die variablen Kosten von AKZO diejenigen sind, die sich aus den Unterlagen ergeben, die dieses Unternehmen dem Gerichtshof vorgelegt hat.

97 Diese Kosten betragen in UKL pro Tonne:

- für Benzoylperoxid 16 %:

1981: 298,30; 1982: 324,70; 1983: 314,10;

- für Benzoylperoxid 20 %:

1981: 352,80; 1982: 383,10; 1983: 359,50;

- für Kaliumbromat 6 %:

1981: 169,40; 1982: 188,60; 1983: 200,70;

- für Kaliumbromat 10 %:

1981: 229,60; 1982: 242,74; 1983: 252,56;

- für Vitaminmischungen (Nutramin):

1981: 541,02; 1982: 578,00.

ii) Die den ECS-Kunden gewährten unangemessen niedrigen Preise

98 Die Kommission stellt fest, daß AKZO seit etwa Dezember 1980 Provincials Merchants, Allied Mills und den Kunden von ECS aus dem Bereich der "grossen unabhängigen Mühlen" Mehlzusätze zu unangemessen niedrigen Preisen angeboten und geliefert habe, um die Lebensfähigkeit von ECS zu beeinträchtigen (Artikel 1 Ziffer ii der Entscheidung).

Die Angebote an Allied und an die Mühlen der Allied-Gruppe

99 AKZO bestreitet, Allied und den Allied-Mühlen Zusätze zu unangemessen niedrigen Preisen in der Absicht angeboten zu haben, ECS zu schädigen. Erstens habe sie keine derartige Absicht verfolgt. Sie sei lediglich bestrebt gewesen, neue Kunden zu gewinnen, um ihren Umsatz zu steigern und auf diese Weise den spürbaren Rückgang ihrer Gewinnspannen zu reduzieren, der durch die Angebote bewirkt worden sei, die ECS Ranks und Spillers 1980 gemacht habe. Zweitens könnten die angebotenen Preise nicht als unangemessen niedrig bezeichnet werden. Zum einen seien die Preise, die sie Allied im Januar 1981 vorgeschlagen habe, ebenso hoch gewesen wie diejenigen, die ECS Spillers im Oktober 1980 angeboten habe. Zum andern überstiegen die im entscheidungserheblichen Zeitraum angebotenen Preise ihre durchschnittlichen variablen Kosten.

100 AKZO hat Allied und den Mühlen der Allied-Gruppe folgende Preise angeboten:

- für Benzoylperoxid 16 %:

von Januar 1981 bis Januar 1983: 517,90 UKL; im Februar 1983: 512 UKL;

- für Kaliumbromat 10 %:

ab Januar 1981: 314,90 UKL;

- für Vitaminmischungen:

im September 1981: 565 UKL; im Oktober 1982: 455 UKL für eine Billigmischung.

101 Diese Preise für (die im Jahre 1981 verkauften) Vitaminmischungen, Benzoylperoxid 16 % und Kaliumbromat 10 % liegen unter den durchschnittlichen Gesamtkosten von AKZO, aber über deren variablen Kosten, wie sie oben (Randnrn. 89 und 97) festgestellt worden sind. Der von AKZO 1982 für eine billige Vitaminmischung angebotene Preis von 455 UKL liegt jedenfalls unter ihren durchschnittlichen Gesamtkosten, die 714,40 UKL für die Standardvitaminmischung betrugen.

102 Im übrigen sind alle diese Angebote nur dadurch zu erklären, daß AKZO ECS schädigen wollte, nicht aber dadurch, daß sie ihre Gewinnspannen wiederherstellen wollte. Wie sich aus einem Vermerk eines der Vertreter von AKZO (Anlage 51 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) ergibt, hat AKZO die Allied im Januar 1981 angebotenen Preise in der Annahme festgesetzt, daß sie deutlich unter denen lägen, die ECS von Allied verlangte. Dies zeigt, daß die Absicht von AKZO nicht nur darauf gerichtet war, den Auftrag zu erhalten, wofür sie ihre Preise nur so weit wie hierfür nötig hätte zu senken brauchen. Ausserdem wollte AKZO, als sie Allied einen Preis anbot, der dem Preis entsprach, den ECS Spillers angeboten hatte, ihre Preise so niedrig wie möglich festsetzen, ohne gegen die von ihr vor dem High Court in London eingegangene Verpflichtung zu verstossen, ihre Verkaufspreise für Benzoylperoxid nicht in der Absicht zu senken, ECS vom Markt zu verdrängen.

103 Die Kommission hat deshalb zu Recht den Standpunkt eingenommen, daß AKZO Allied Mills und Mühlen der Allied-Gruppe Mehlzusätze zu unangemessen niedrigen Preisen angeboten und geliefert hat, um die Lebensfähigkeit von ECS zu beeinträchtigen.

Die Angebote an die grossen unabhängigen Kunden von ECS

104 Zu dem Beschwerdepunkt betreffend die Angebote an die grossen unabhängigen Kunden von ECS hat AKZO im wesentlichen dieselben Argumente vorgebracht, mit denen sie sich gegen den Beschwerdpunkt bezueglich der Angebote an die Allied-Gruppe zu unangemessen niedrigen Preisen gewandt hat.

105 AKZO hat den grossen unabhängigen Kunden von ECS folgende Preise angeboten:

- für Benzoylperoxyd 16 %:

im Januar 1981: 532 UKL; ab April 1981: 530 UKL;

- für Kaliumbromat 6 %:

im Dezember 1980: 260 UKL; im Januar und im April 1981: 245 UKL; im Juni 1983: 320 UKL;

- für Kaliumbromat 10 %:

im Dezember 1980: 339 UKL; im Mai 1981: 336 UKL; im Mai 1982: 325 UKL;

- für Vitaminmischungen:

im Dezember 1980: 595 UKL; im Mai 1981: 575 UKL; im Oktober 1982 (Nutramin 50): 489 UKL; im Juni 1983 (Nutramin 50): 757 UKL.

106 Die Angebote von AKZO liegen unter deren durchschnittlichen Gesamtkosten, aber über den durchschnittlichen variablen Kosten, wie sie oben (Randnrn. 89 und 97) festgestellt worden sind. Bei dem Angebot von Oktober 1982 für Vitaminmischungen liegen sie sogar unter AKZOs variablen Kosten.

107 Die Angebote von Juni 1983 für Kaliumbromat 6 % und Vitaminmischungen liegen über den durchschnittlichen Gesamtkosten. Sie sind jedoch für das Verhalten von AKZO während des fraglichen Zeitraums nicht aufschlußreich, denn sie wurden zwei Tage vor der Anhörung im Verfahren der einstweiligen Anordnung (23. Juni 1983) und etwas mehr als einen Monat vor Erlaß der Entscheidung über die einstweiligen Anordnungen (29. Juli 1983) gemacht.

108 Ausserdem zeigen die Preise, die AKZO im Dezember 1980 diesem Teil der Kundschaft von ECS anbot, daß AKZO beabsichtigte, ECS zu schädigen, nicht aber, ihre eigenen Gewinnspannen wiederherzustellen. Diese Preise sind nämlich deutlich niedriger, als es notwendig gewesen wäre, um mit ECS zu konkurrieren, denn sie weisen gegenüber den Preisen, die ECS seinerzeit diesem Kundenkreis gewährte, eine Differenz von mehr als 70 UKL für Benzoylperoxid 16 %, mehr als 100 UKL für Kaliumbromat 6 % und mehr als 60 UKL für Vitaminmischungen auf.

109 Die Kommission hat somit zu Recht festgestellt, daß AKZO den Kunden von ECS aus dem Bereich der "grossen unabhängigen Mühlen" Mehlzusätze zu unangemessen niedrigen Preisen angeboten und geliefert hat, um die Lebensfähigkeit von ECS zu beeinträchtigen.

iii) Die selektiven Preise

110 Die Kommission wirft AKZO weiter vor, Kunden von ECS selektiv Niedrigpreisangebote gemacht zu haben, während für vergleichbare Abnehmer, die bereits Stammkunden von AKZO gewesen seien, wesentlich höhere Preise gegolten hätten (Artikel 1 Ziffer iii der Entscheidung).

111 Aus den Schriftsätzen der Kommission ergibt sich, daß der Beschwerdepunkt zwei getrennte Kundenkreise betrifft. Zum einen stelle es eine Zuwiderhandlung dar, daß AKZO den "grossen unabhängigen Mühlen", die Kunden von ECS gewesen seien, günstige Preise angeboten habe, während sie von ihren eigenen grossen unabhängigen Kunden weiterhin deutlich höhere Preise verlangt habe. Zum andern verstosse es gegen Artikel 86, daß AKZO den einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe günstigere Preise angeboten habe als den "grossen unabhängigen Mühlen", die zu ihrer Stammkundschaft gehört hätten.

Der selektive Charakter der den "grossen unabhängigen Mühlen" gemachten Angebote

112 Nach der Auffassung von AKZO ist der Beschwerdepunkt sowohl tatsächlich als auch rechtlich unbegründet. Tatsächlich, weil sie keine unterschiedlichen Preise für ihre eigenen Kundschaft und die Kundschaft von ECS festgesetzt habe. Der Vergleich hätte zwischen den Kunden, deren Aufträge ECS und AKZO sich streitig machten, und denjenigen Kunden von AKZO, die keine konkurrierenden Angebote erhalten hätten, vorgenommen werden müssen. Der Beschwerdepunkt sei rechtlich unbegründet, da AKZO dadurch, daß sie gegenüber einigen ihrer Stammkunden höhere Preise festgesetzt habe, ECS nicht geschädigt habe.

113 AKZO bestreitet nicht, Kunden vergleichbarer Grösse unterschiedliche Preise berechnet zu haben. Ausserdem hat sie nichts dafür vorgetragen, daß diese Unterschiede mit der Qualität der verkauften Produkte oder mit besonderen Produktionskosten zusammengehangen hätten.

114 Die Preise, die AKZO von ihren eigenen Kunden verlangte, lagen über ihren durchschnittlichen Gesamtkosten, während die Preise, die sie den Kunden von ECS anbot, unter diesen Durchschnittskosten lagen.

115 Auf diese Weise konnte AKZO die Verluste aus den Verkäufen an die Kunden von ECS wenigstens teilweise durch die Gewinne aus den Verkäufen an die "grossen unabhängigen Mühlen", die zu ihrer eigenen Kundschaft gehörten, ausgleichen. Dieses Verhalten zeigt, daß AKZO nicht die Absicht hatte, eine allgemeine Politik günstiger Preise zu betreiben, sondern eine Strategie zu befolgen, die geeignet war, ECS zu schaden. Der Beschwerdepunkt greift somit durch.

Der selektive Charakter der den einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe gemachten Angebote

116 Die Kommission ist der Meinung, daß AKZO den einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe, die im wesentlichen Kunden von ECS seien, ab Januar 1981 keine günstigeren Preise mehr hätte anbieten dürfen als den "grossen unabhängigen Mühlen", die zu ihrer eigenen Kundschaft gehörten. Zur Begründung dieser Auffassung führt sie aus, die einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe und die "grossen unabhängigen Mühlen" seien vergleichbare Kunden. In diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, daß AKZO bis Januar 1981 Coxes Lock, der einzigen Mühle der Allied-Gruppe, die zu ihrer Kundschaft gehört habe, dieselben Preise gewährt habe wie den "grossen unabhängigen Mühlen".

117 AKZO wendet sich gegen den Beschwerdepunkt mit der Begründung, die einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe und die "grossen unabhängigen Mühlen" seien keine vergleichbaren Abnehmer.

118 Es ist festzustellen, daß die Preise, die AKZO während des Streits den einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe anbot, mit denen identisch waren, die sie der Einkaufszentrale der Allied-Gruppe, Provincial Merchant, anbot. Diese Preise waren tatsächlich günstiger als diejenigen, die sie den "grossen unabhängigen Mühlen", die zu ihrer eigenen Kundschaft gehörten, einräumte.

119 Dazu ist zu bemerken, daß die von AKZO verfolgte Politik nicht zu einer diskriminierenden Unterscheidung zwischen den Mühlen der Allied-Gruppe untereinander geführt hat. AKZO bot nämlich ab Januar 1981 allen Mühlen der Allied-Gruppe einschließlich Coxes Lock dieselben Preise an, so daß ihr daraus, daß sie den einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe, die Kunden von ECS waren, günstigere Preise einräumte als der einzigen Mühle der Gruppe, die zu ihrer Kundschaft gehörte, kein Vorwurf gemacht werden kann.

120 Es lag auch keine Politik einer mißbräuchlichen diskriminierenden Unterscheidung zwischen den einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe und den "grossen unabhängigen Mühlen" vor, denn diese beiden Kundenkreise sind nicht miteinander vergleichbar. Zum einen erhielt die Einkaufszentrale der Allied-Gruppe (30 % der Käufe von Benzoylperoxid) unabhängig vom Lieferanten schon immer günstigere Preise als die "grossen unabhängigen Mühlen", die nur geringfügige Mengen des Produkts (zusammen 10 % der Käufe von Benzoylperoxid) abnahmen. Zum anderen kann eine Mühle der Allied-Gruppe Mehlzusätze jederzeit über ihre Einkaufszentrale beziehen. Ein Angebot an eine einzelne Mühle hat deshalb nur dann wirkliche Erfolgsaussichten, wenn es auf dem Niveau der der Zentrale angebotenen Preise liegt. Es ist nämlich normalerweise nicht zu erwarten, daß eine einzelne Mühle bereit ist, ihrem Lieferanten einen höheren Preis zu zahlen, als sie ihn durch die Vermittlung der Zentrale erhalten kann.

121 Der Beschwerdepunkt betreffend den selektiven Charakter der den einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe gemachten Angebote greift somit nicht durch.

iv) Die Lockpreise

122 Die Kommission wirft AKZO ausserdem vor, Kaliumbromat und vitaminangereicherte Erzeugnisse (obwohl sie letztere in der Regel überhaupt nicht geliefert habe) Kunden von ECS zu einem Lockpreis in einer Packung mit Benzoylperoxid angeboten zu haben, um unter Verdrängung von ECS vom Markt ihre Aufträge für das Gesamtangebot an Mehlzusätzen zu erhalten (Artikel 1 Ziffer iv der Entscheidung).

Die Lockpreise für Kaliumbromat

123 Aus den Akten geht hervor, daß der AKZO von der Kommission vorgeworfene Mißbrauch darin bestand, den Kunden von ECS Kaliumbromat zu unangemessen niedrigen Preisen angeboten zu haben, um sie zu veranlassen, alle ihre Mehlzusätze bei AKZO zu bestellen.

124 AKZO führt aus, der Einsatz eines Produkts für eine Lockpreispolitik habe nur dann einen Sinn, wenn ganz kleine Mengen dieses Produkts angeboten würden. Da sie jedoch im Gegenteil schon immer grosse Mengen Kaliumbromat geliefert habe, greife der Beschwerdepunkt nicht durch. AKZO weist darauf hin, daß sie dieses Produkt nicht nur an die Kunden von ECS geliefert habe.

125 Aus dem Vergleich der Produktionskosten für Kaliumbromat und Benzoylperoxid ergibt sich, daß Kaliumbromat zu verhältnismässig günstigeren Preisen angeboten wurde als Benzoylperoxid.

126 Durch die günstigeren Preise für Kaliumbromat, ein Produkt, das AKZO im allgemeinen zusammen mit Benzoylperoxid anbot, sollte die Attraktivität des angebotenen Sortiments von Mehlzusätzen erhöht werden. Der Beschwerdepunkt greift somit durch.

Die Lockpreise für Vitaminmischungen

127 Die Kommission sieht einen Mißbrauch darin, daß AKZO den Kunden von ECS Vitaminmischungen zu unangemessen niedrigen Preisen angeboten habe, während sie dieses Produkt ihrer eigenen Kundschaft nicht geliefert habe.

128 AKZO wendet gegen den Beschwerdepunkt ein, er werde durch die Tatsachen widerlegt. Bestimmte Mühlen, denen sie das vollständige Sortiment von Mehlzusätzen einschließlich Vitaminmischungen angeboten habe, hätten beschlossen, nur Benzoylperoxid und Kaliumbromat zu kaufen. Auch habe dieses Produkt, das in Form eines Kundendienstes angeboten worden sei, wegen der konkurrenzfähigen Preise der Firma Vitrition, der Hauptlieferantin von Vitaminmischungen, nur zu sehr niedrigen Preisen angeboten werden können.

129 Der Umstand, daß bestimmte Kunden beschlossen haben, keine Vitaminmischungen zu kaufen, kann nicht widerlegen, daß AKZO eine Lockpreispolitik praktiziert hat.

130 Ausserdem ergibt sich die Begründetheit des Beschwerdepunktes aus zwei Tatsachen: Erstens gestaltete AKZO ihr Sortiment von Mehlzusätzen dadurch attraktiver, daß sie für die Kunden von ECS Vitaminmischungen darin aufnahm, während sie ihren Hauptabnehmern Ranks und Spillers keine Vitaminmischungen verkaufte. Zweitens bot sie diese Mischungen zu besonders günstigen Preisen an, denn diese deckten, wie sie selbst eingeräumt hat, in bestimmten Fällen nicht ihre durchschnittlichen variablen Kosten (Nr. 185 der Klageschrift). Die konkurrenzfähigen Preise der Firma Vitrition rechtfertigen nicht, daß AKZO dieses Produkt unter Berücksichtigung ihrer eigenen Kostenstruktur zu unangemessen niedrigen Preisen anbot.

v) Die Aufrechterhaltung der Preise auf einem künstlich niedrigen Niveau während langer Zeit

131 Die Kommission wirft AKZO vor, sie habe im Rahmen des Plans, ECS zu schädigen, die Preise für Mehlzusätze im Vereinigten Königreich lange Zeit auf einem künstlich niedrigen Niveau gehalten, wobei sie habe überleben können, weil sie über mehr finanzielle Mittel als ECS verfügt habe (Artikel 1 Ziffer v der Entscheidung).

132 AKZO und die Kommission sind sich darüber einig, daß dieser Beschwerdepunkt die den Firmen Ranks und Spillers gewährten Preise betrifft.

Die der Firma Ranks gewährten Preise

133 AKZO führt aus, ihre Preise seien nicht mißbräuchlich, da sie durch Angleichungen zur Reaktion auf Angebote von ECS oder Diaflex gerechtfertigt gewesen seien.

134 Die Kommission bestreitet das Recht eines beherrschenden Unternehmens, seine Preise anzugleichen, grundsätzlich nicht. Sie akzeptiert jedoch nicht, daß die Preise von AKZO aufgrund der starken Konkurrenz durch Diaflex (Ziffer 45 der Entscheidung) gesenkt worden seien. Verschiedene Schriftstücke erbrächten nämlich den Beweis dafür, daß AKZO die von Diaflex praktizierten Preise kontrolliert habe. Deshalb seien die von AKZO vorgenommenen Angleichungen an die Preise von Diaflex im vorliegenden Fall unzulässig.

135 Aus den Schriftstücken, auf die die Kommission Bezug nimmt, ergibt sich insbesondere,

- daß Diaflex und AKZO sich im Juni 1979 über die Modalitäten einer Erhöhung der Preise, zu denen sie Ranks und Spillers belieferten, berieten (Anlage 119 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte);

- daß 1980 einer der Berater von Diaflex auf ein "ungeschriebenes Gesetz" hingewiesen hat, das es Diaflex untersagte, AKZO Kunden wegzunehmen (Anlage 117 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte);

- daß Diaflex im November 1980 AKZO den Betrag eines Angebots von ECS an Ranks angegeben hat. Nach diesem Schriftstück sollten Diaflex und AKZO die Preise, die sie Ranks gewährten, herabsetzen, wenn sie diesen Kunden behalten wollten (Anlage 38 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte);

- daß im November 1982 ein leitender Angestellter von AKZO beauftragt wurde, Kontakt mit Diaflex aufzunehmen, um sie zur Erhöhung ihrer Preise zu veranlassen (Anlage 120 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).

136 Aus diesen Schriftstücken geht hervor, daß AKZO und Diaflex in der Zeit vor der Entscheidung über die einstweiligen Anordnungen enge Kontakte über die zu verfolgende Preispolitik unterhielten. Unter diesen Umständen konnte die Kommmission annehmen, daß die Angleichungen von AKZO an die Preise von Diaflex unzulässig waren. Deshalb sind die Angebote von Diaflex im Rahmen der Prüfung des Beschwerdepunktes nicht zu berücksichtigen.

137 Für Benzoylperoxid 20 % verlangte AKZO von Ranks von Januar 1981 bis März 1982 einen Preis von 640 UKL, ohne daß es Konkurrenzangebote anderer Unternehmen als Diaflex gegeben hätte. Im März 1982 senkte AKZO ihren Preis auf 629 UKL, um sich gegen das Angebot eines unabhängigen Händlers, das sich auf den gleichen Betrag belief, zu wehren. Dieses Angebot ist keine Rechtfertigung dafür, daß AKZO diesen Preis bis zum Erlaß der Entscheidung über die einstweiligen Anordnungen beibehalten hat, denn sie war danach keinen Konkurrenzangeboten ausgesetzt. Die Preise von 640 und 629 UKL lagen unter ihren durchschnittlichen Gesamtkosten, aber über ihren durchschnittlichen variablen Kosten (siehe oben Randnrn. 89 und 97).

138 Für Kaliumbromat 10 % verlangte AKZO von Januar 1981 bis März 1982 einen Preis von 314 UKL, von März 1982 bis Februar 1983 einen Preis von 309 UKL, von Frebruar 1983 bis Juni 1983 einen Preis von 325 UKL und schließlich ab Juni 1983 einen Preis von 339 UKL. Diese Preise, die gewährt wurden, ohne daß Konkurrenzangebote vorgelegen hätten, waren niedriger als ihre durchschnittlichen Gesamtkosten, aber höher als ihre durchschnittlichen variablen Kosten.

139 Die von AKZO gegenüber Ranks praktizierten Preise waren somit mit Ausnahme des Preises von 629 UKL für Benzoylperoxid (März 1982) nicht durch Konkurrenzangebote beeinflusst.

140 AKZO hat somit dadurch, daß sie ohne objektive Rechtfertigung lange Zeit Preise aufrechterhielt, die unter ihren durchschnittlichen Gesamtkosten lagen, ECS schädigen können, indem sie sie davon abhielt, sich ihrer Kundschaft zuzuwenden.

Die der Firma Spillers gewährten Preise

141 Aus den bereits dargelegten Gründen sind die Angebote von Diaflex an Spillers unberücksichtigt zu lassen.

142 Für Benzoylperoxid 16 % berechnete AKZO von November 1980 bis März 1982 Spillers einen Preis von 489 UKL. Dieser Preis lag unter den durchschnittlichen Gesamtkosten von AKZO, aber über deren durchschnittlichen variablen Kosten (siehe oben Randnrn. 89 und 97). Sie finden keine Erklärung in der Notwendigkeit, Konkurrenzangeboten entgegenzutreten.

143 In der Folgezeit gewährte AKZO Spillers für Benzoylperoxid noch günstigere Preise (425 UKL ab März 1982 und 435 UKL ab Juni 1983), die gleichwohl nicht die Transportkosten umfassten, die AKZO auf 35 UKL pro Tonne schätzte (Anlage 3 zur Klageschrift). Aus den Akten ergibt sich nicht, ob es in diesem Zeitraum Konkurrenzangebote gegeben hat.

144 Für Kaliumbromat 10 % bot AKZO während des gesamten fraglichen Zeitraums - ohne Konkurrenzangeboten ausgesetzt zu sein - einen Preis von 309 UKL an, der unter ihren durchschnittlichen Gesamtkosten, aber über ihren durchschnittlichen variablen Kosten lag.

145 Die Spillers von AKZO gewährten Preise waren demnach ebensowenig wie die Ranks gewährten Preise durch Konkurrenzangebote beeinflusst.

146 AKZO hat somit dadurch, daß sie ohne objektive Rechtfertigung lange Zeit Preise aufrechterhielt, die unter ihren durchschnittlichen Gesamtkosten lagen, ECS schädigen können, indem sie sie davon abhielt, sich ihrer Kundschaft zuzuwenden.

vi) Das Einholen von Auskünften über Konkurrenzangebote und der Ausschließlichkeitsvertrag

147 Die Kommission hält es weiter für mißbräuchlich, daß AKZO gegenüber den Hauptabnehmern RHM und Spillers eine auf Verdrängung abzielende Geschäftspolitik verfolgt habe, indem sie von diesen Kunden Einzelangaben über Angebote anderer Lieferquellen für Mehlzusätze eingeholt und sodann, um den Auftrag zu erhalten, einen Preis angeboten habe, der nur geringfügig unter dem niedrigsten Alternativpreisangebot gelegen habe; damit sei (im Fall von Spillers) die Auflage an den Kunden verbunden worden, seinen Gesamtbedarf an Mehlzusätzen bei AKZO zu decken (Artikel 1 Ziffer vi der Entscheidung).

148 Was das Einholen von Auskünften betrifft, so ist festzustellen, daß eine solche Praxis, wenn sie wie im vorliegenden Fall Teil eines Plans zur Verdrängung eines Konkurrenten ist, nicht als ein normales Mittel des Wettbewerbs angesehen werden kann.

149 Was den Ausschließlichkeitsvertrag anbelangt, so hat der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 1979 (Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O., Randnr. 89) ausgeführt, daß ein Unternehmen, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt und Abnehmer, sei es auch auf deren Wunsch, durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben ausschließlich bei ihm zu decken, an sich bindet, seine Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages mißbräuchlich ausnutzt.

150 Der von AKZO mit Spillers geschlossene Vertrag ist somit als Mißbrauch anzusehen.

III - Die Zwangsmaßnahmen

151 AKZO macht geltend, einige der Zwangsmaßnahmen, die ihr zur Abstellung der Zuwiderhandlung auferlegt worden seien, müssten aufgehoben werden.

152 Diese in Artikel 3 Absätze 3 und 5 der Entscheidung genannten Maßnahmen verbieten es AKZO, vergleichbaren Kunden gegenüber unterschiedliche Preise zu praktizieren und insbesondere den einzelnen Getreidemühlen der Allied-Gruppe günstigere Preise anzubieten als den "selbständigen Grossen".

Das Verbot unterschiedlicher Preise

153 Artikel 3 Absatz 3 der Entscheidung lautet wie folgt:

"Insbesondere, doch unbeschadet der anderen Verpflichtungen aus Artikel 1 unter i) bis vi) verzichten AKZO Chemie BV und ihre Tochtergesellschaften darauf (ausser, um Aufträge zu vor dem Datum von der Mitteilung dieser Entscheidung akzeptierten Preisen zu erfuellen), für Mehlzusätze in der EG Preise oder andere Verkaufsbedingungen anzubieten oder anzuwenden, die dazu führen würden, daß Kunden, bei denen sie mit ECS im Wettbewerb steht, an AKZO Chemie BV andere Preise zahlen, als sie von AKZO Chemie BV vergleichbaren Kunden angeboten werden."

154 AKZO hält die Maßnahme für unbillig, denn sie stelle sie, wenn ECS an ihre Kunden herantrete, vor die Wahl, entweder ihre Preise anzupassen und die Preise, die sie habe gewähren müssen, um den Kunden zu behalten, auf alle ihre vergleichbaren Kunden auszudehnen, was sehr kostspielig würde, oder aber den Kunden zu verlieren.

155 Die angefochtene Bestimmung zielt darauf ab, eine Wiederholung der Zuwiderhandlung zu verhindern und deren Konsequenzen zu beseitigen. Unter diesem Blickwinkel ist diese Bestimmung zu sehen. Zum einen verbietet sie es AKZO, erneut an die Kunden von ECS heranzutreten und ihnen günstige Preise anzubieten, ohne diesen Vorteil auch ihrer eigenen Kundschaft zugute kommen zu lassen. Zum anderen verbietet sie ihr für den Fall, daß ECS versuchen sollte, die Kundschaft zurückzugewinnen, die AKZO ihr unrechtmässig abgeworben hat, ihre Preise an die Preise von ECS anzupassen, ohne diesen Vorteil auch ihren eigenen Abnehmern zugute kommen zu lassen.

156 Dagegen betrifft diese Bestimmung nicht die von AKZO zur Stützung ihres Vorbringens beschriebene Situation. Sie verbietet ihr nämlich nicht, ihre Preise selbst an die Preise von ECS defensiv anzupassen, um Kunden zu behalten, die von Anfang zu ihrem Kundenkreis gehört haben.

157 Die beanstandete Bestimmung kann nicht als unbillig angesehen werden, da sie AKZO lediglich verbietet, ihr unrechtmässiges Verhalten fortzusetzen, und ECS die Möglichkeit gibt, die vor dem Streit bestehende Situation wiederherzustellen. Die Rüge ist somit zurückzuweisen.

Die Angebote an die einzelnen Getreidemühlen der Allied-Gruppe

158 Artikel 3 Absatz 5 lautet wie folgt:

"Um Zweifel zu vermeiden, wird hiermit vorgesehen, daß die Bedingungen, zu denen AKZO Chemie BV einzelnen Getreidemühlen der Allied-Gruppe die Lieferung von Mehlzusätzen anbietet, nicht wesentlich günstiger sein dürfen als die Angebote für die 'selbständigen Grossen'."

159 Bei der Untersuchung des die selektiven Preise betreffenden Beschwerdepunktes ist festgestellt worden, daß die einzelnen Getreidemühlen der Allied-Gruppe und die "grossen unabhängigen Mühlen" sich nicht in einer vergleichbaren Lage befanden. Eine durch Artikel 86 verbotende Diskriminierung lag somit nicht vor.

160 Die Kommission hat AKZO durch die Anordnung, den einzelnen Getreidemühlen der Allied-Gruppe Preise anzubieten, die denen entsprachen, die sie den "selbständigen Grossen" gewährte, somit eine Bedingung auferlegt, die über das hinausgeht, was notwendig ist, um die Einhaltung des sich aus Artikel 86 Buchstabe c EWG-Vertrag ergebenden Diskriminierungsverbots sicherzustellen. Artikel 3 Absatz 5 der angefochtenen Entscheidung ist somit aufzuheben.

IV - Die Geldbusse

161 AKZO beantragt hilfsweise, die in Artikel 2 der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbusse aufzuheben oder zumindest herabzusetzen.

162 Dazu ist festzustellen, daß die Zuwiderhandlung von AKZO besonders schwerwiegend ist, denn das beanstandete Verhalten bezweckte, einen Konkurrenten daran zu hindern, seine Tätigkeit auf einen Markt auszudehnen, auf dem AKZO eine beherrschende Stellung einnahm.

163 Drei Faktoren veranlassen den Gerichtshof gleichwohl zu einer Herabsetzung der Geldbusse. Zunächst ist zu den unangemessen niedrigen Preisen, die AKZO sowohl ihren eigenen Kunden als auch den Kunden von ECS anbot oder gewährte, festzustellen, daß derartige Mißbräuche in ein Rechtsgebiet fallen, in dem die Wettbewerbsvorschriften noch nie konkretisiert worden sind. Weiter sind die begrenzten Folgen des Streits zwischen AKZO und ECS zu berücksichtigen, denn die Zuwiderhandlung hat die jeweiligen Marktanteile dieser beiden Unternehmen im Sektor für Mehlzusätze nicht nennenswert beeinflusst. Aus der Entscheidung (Ziffer 18) ergibt sich nämlich, daß der Marktanteil von ECS in diesem Sektor vor dem Streit 35 % und im Jahre 1984 30 % betrug, während der Marktanteil von AKZO von 52 % auf 55 % stieg. Schließlich durfte die Kommission den Verstoß gegen ihre einstweilige Anordnung, der in den Preisanpassungen an Diaflex bestand, nicht als einen erschwerenden Umstand zur Rechtfertigung des hohen Betrags der Geldbusse ansehen. Diese einstweilige Anordnung gestattete nämlich die Anpassung an die Preise jedes Konkurrenten, ohne eine Anpassung an die Preise von Diaflex auszuschließen. Die Kommission hätte deshalb von den Sanktionsbefugnissen, die sie sich vorbehalten hatte, Gebrauch machen müssen, sobald sie über Beweise dafür verfügte, daß Diaflex nicht ein wirklicher Konkurrent war und daß die Preise nicht gutgläubig angepasst wurden.

164 Unter diesen Umständen ist die Geldbusse um ein Viertel herabzusetzen und auf 7 500 000 ECU, das sind 18 522 000 HFL, festzusetzen.

Kostenentscheidung:

Kosten

165 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Artikel 1 Ziffer iii) der Entscheidung 85/609/EWG der Kommission vom 14. Dezember 1985 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags wird aufgehoben, soweit er die Angebote von AKZO gegenüber den einzelnen Getreidemühlen der Allied-Gruppe betrifft.

2) Artikel 3 Absatz 5 der Entscheidung wird aufgehoben.

3) Die Geldbusse wird auf 7 500 000 ECU, das sind 18 522 000 HFL, festgesetzt.

4) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

5) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

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