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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: C-63/01
Rechtsgebiete: Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, Zweite Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung


Vorschriften:

Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht Art. 3 Abs. 1
Zweite Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Art. 1 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 4. Dezember 2003. - Samuel Sidney Evans gegen The Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions und The Motor Insurers' Bureau. - Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division - Vereinigtes Königreich. - Rechtsangleichung - Richtlinie 84/5/EWG - Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung - Durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge verursachte Schäden - Schutz der Geschädigten - Nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie - Haftung des Mitgliedstaats. - Rechtssache C-63/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-63/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Vereinigtes Königreich), in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Samuel Sidney Evans

gegen

The Secretary of State for Environment, Transport and the Regions und

The Motor Insurers' Bureau

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. L 8, S. 17)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters P. Jann (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. A. O. Edward und S. von Bahr,

Generalanwalt: S. Alber,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Samuel Sidney Evans, vertreten durch R. Plender, QC, und D. Broatch, Barrister,

- des Motor Insurers' Bureau, vertreten durch D. O'Brien, QC, und F. Randolph, Barrister,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmächtigte im Beistand von P. Roth, QC, und H. Davies, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Tufvesson, C. Ladenburger und M. Shotter als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Samuel Sidney Evans, vertreten durch R. Plender und D. Broatch, des Motor Insurers' Bureau, vertreten durch D. O'Brien und F. Randolph, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten sowie P. Roth und H. Davies, und der Kommission, vertreten durch M. Shotter, in der Sitzung vom 11. Juli 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Oktober 2002

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division, hat mit Beschluss vom 17. Mai 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2001, gemäß Artikel 234 EG fünf Fragen nach der Auslegung des Artikels 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. L 8, S. 17, im Folgenden: Zweite Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Samuel Sidney Evans (im Folgenden: Kläger) einerseits und dem Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions (Minister für Umwelt, Verkehr und die Regionen, im Folgenden: Secretary of State) und dem Motor Insurers' Bureau (im Folgenden: MIB) andererseits wegen der Regulierung des Schadens, der dem Kläger durch einen Verkehrsunfall entstanden ist, an dem ein nicht ermitteltes Fahrzeug beteiligt war.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 103, S. 1, im Folgenden: Erste Richtlinie) bestimmt:

"(1) Jeder Mitgliedstaat trifft vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 4 alle zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt."

4 Artikel 1 der Zweiten Richtlinie lautet:

"(1) Die in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 72/166/EWG bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.

(2) Unbeschadet höherer Deckungssummen, die von den Mitgliedstaaten gegebenenfalls vorgeschrieben sind, fordert jeder Mitgliedstaat für die Pflichtversicherung folgende Mindestbeträge:

- für Personenschäden 350 000 ECU bei nur einem Unfallopfer; bei mehreren Opfern ein und desselben Unfalls wird dieser Betrag mit der Anzahl der Opfer multipliziert;

- für Sachschäden ungeachtet der Anzahl der Geschädigten 100 000 ECU.

Die Mitgliedstaaten können statt der vorgenannten Mindestbeträge für Personenschäden - bei mehreren Opfern ein und desselben Unfalls - einen Mindestbetrag von 500 000 ECU oder für Personen- und Sachschäden - ungeachtet der Anzahl der Geschädigten und der Art der Schäden - einen globalen Mindestbetrag von 600 000 ECU je Schadensfall vorsehen.

...

(4) Jeder Mitgliedstaat schafft eine Stelle oder erkennt eine Stelle an, die für Sach- oder Personenschäden, welche durch ein nicht ermitteltes oder nicht im Sinne des Absatzes 1 versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat. Das Recht der Mitgliedstaaten, Bestimmungen zu erlassen, durch die der Einschaltung dieser Stelle subsidiärer Charakter verliehen wird oder durch die der Rückgriff dieser Stelle auf den oder die für den Unfall Verantwortlichen sowie auf andere Versicherer oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit, die gegenüber dem Geschädigten zur Regulierung desselben Schadens verpflichtet sind, geregelt wird, bleibt unberührt.

Der Geschädigte kann sich jedoch in jedem Fall unmittelbar an diese Stelle wenden, welche ihm - auf der Grundlage der auf ihr Verlangen hin vom Geschädigten mitgeteilten Informationen - eine begründete Auskunft über ihr Tätigwerden erteilen muss.

Die Mitgliedstaaten können jedoch von der Einschaltung dieser Stelle Personen ausschließen, die das Fahrzeug, das den Schaden verursacht hat, freiwillig bestiegen haben, sofern durch die Stelle nachgewiesen werden kann, dass sie wussten, dass das Fahrzeug nicht versichert war.

Die Mitgliedstaaten können die Einschaltung dieser Stelle bei Sachschäden, die durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug verursacht wurden, beschränken oder ausschließen.

Sie können ferner für durch ein nicht versichertes Fahrzeug verursachte Sachschäden eine gegenüber dem Geschädigten wirksame Selbstbeteiligung bis zu einem Betrag von 500 ECU zulassen.

Im Übrigen wendet jeder Mitgliedstaat bei der Einschaltung dieser Stelle unbeschadet jeder anderen für die Unfallopfer günstigeren Praxis seine Rechts- und Verwaltungsvorschriften an."

Nationales Recht

5 Im Vereinigten Königreich ist Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie in Form von Vereinbarungen zwischen dem Secretary of State und dem MIB umgesetzt worden.

6 Das MIB ist eine privatrechtliche Einrichtung, der alle Versicherungsgesellschaften angehören, die im Vereinigten Königreich Kfz-Versicherungen anbieten. Seine Hauptaufgabe besteht in der Entschädigung der Opfer von Unfällen, die durch nicht versicherte oder nicht ermittelte Fahrzeuge verursacht wurden.

7 Die vor dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zur Gemeinschaft eingeführte Entschädigungsregelung beruht auf zwei Vereinbarungen zwischen dem Secretary of State und dem MIB, nämlich dem Motor Insurers' Bureau (Compensation of Victims of Uninsured Drivers) Agreement (Vereinbarung des MIB über die Entschädigung der Opfer nicht versicherter Fahrer) und dem Motor Insurers' Bureau (Compensation of Victims of Untraced Drivers) Agreement (Vereinbarung des MIB über die Entschädigung der Opfer nicht ermittelter Fahrer, im Folgenden: Vereinbarung).

8 Die im Ausgangsverfahren einschlägigen Bestimmungen der Vereinbarung lauten:

- Die Vereinbarung ist auf alle Fälle anwendbar, in denen beim MIB eine Entschädigung für den Tod oder die körperliche Verletzung einer Person beantragt wird, deren Ursache in der Benutzung eines Kraftfahrzeugs auf einer Straße in Großbritannien liegt, sofern, unter Bedingungen, die im vorliegenden Fall keine Rolle spielen, der Antragsteller nicht in der Lage ist, eine für den Tod oder die Verletzung verantwortliche Person ausfindig zu machen (Klausel 1).

- In einem Fall, auf den die Vereinbarung anwendbar ist, hat das MIB einen Betrag zu zahlen, der in der gleichen Weise zu bestimmen ist, wie ein Gericht unter Anwendung des im Vereinigten Königreich auf diesem Gebiet geltenden Rechts den Schadensersatz festsetzen würde, den der Antragsteller von der nicht ermittelten verantwortlichen Person hätte verlangen können (Klausel 3).

- Das MIB ist verpflichtet, jeden Antrag auf Entschädigung, der ihm im Hinblick auf die Vereinbarung unterbreitet wird, dahin gehend zu prüfen, ob ihm entsprochen werden muss (Klausel 7).

- Das MIB hat hinsichtlich seines Tätigwerdens dem Antragsteller eine mit Gründen versehene Entscheidung zuzustellen. Sofern eine Entschädigung zu zahlen ist, hat das MIB dem Antragsteller mitzuteilen, in welcher Höhe es zu zahlen bereit ist und wie sich der Betrag zusammensetzt. Wenn der Antragsteller diese Entschädigung annimmt, muss das MIB den Betrag auszahlen (Klauseln 9 und 10).

- Der Antragsteller kann gegen jede Entscheidung des MIB einen umfassenden Rechtsbehelf einlegen, über den ein Schiedsrichter entscheidet (Klausel 11).

- Vor Einlegung des Rechtsbehelfs hat der Antragsteller das Recht, gegenüber dem MIB zu der getroffenen Entscheidung Stellung zu nehmen und weitere Beweise im Hinblick auf seinen Antrag vorzulegen. Das MIB kann diese neuen Beweise prüfen und muss dem Antragsteller das Ergebnis dieser Prüfung ebenso wie etwaige Änderungen seiner Entscheidung mitteilen (Klausel 13).

- Der Schiedsrichter entscheidet über den Rechtsbehelf und stellt fest, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe das MIB nach der Vereinbarung verpflichtet ist, eine Entschädigung zu zahlen (Klausel 16).

- Der Schiedsrichter wird aus zwei Listen von Queen's Counsels ausgewählt, von denen die eine der Lord Chancellor und die andere der Lord Advocate erstellt (Klausel 18).

- Der Schiedsrichter entscheidet über den Rechtsbehelf auf der Grundlage der ihm unterbreiteten Dokumente. Er kann jedoch das MIB auffordern, zusätzliche Untersuchungen durchzuführen, zu deren Ergebnis sich der Antragsteller äußern kann (Klausel 17).

- Jede Partei des Schiedsverfahrens trägt ihre eigenen Kosten (Klausel 21). Das MIB hat das Honorar des Schiedsrichters zu zahlen, es sei denn, dieser ist der Ansicht, dass es keinen vernünftigen Grund für die Einlegung des Rechtsbehelfs gab; in diesem Fall kann der Schiedsrichter entscheiden, dass der Antragsteller sein Honorar zu zahlen hat (Klausel 22).

9 Weder die Zahlung von Zinsen auf die gewährte Entschädigung noch die Erstattung der Kosten, die im Rahmen des Verfahrens bei dem MIB entstanden sind, sind in der Vereinbarung ausdrücklich geregelt.

Sachverhalt und Vorlagefragen

10 Der Kläger wurde am 25. Dezember 1991 von einem nicht ermittelten Fahrzeug angefahren und verletzt.

11 Am 11. Juni 1992 stellte der Kläger beim MIB einen Antrag auf Entschädigung gemäß der Vereinbarung.

12 Am 11. Januar 1996 teilte das MIB dem Kläger seine Entscheidung mit, die Entschädigung auf 50 000 GBP festzusetzen.

13 Gegen diese Entscheidung legte der Kläger einen Rechtsbehelf ein.

14 Am 27. August 1996 gab die Schiedsrichterin ihren Schiedsspruch bekannt. Sie führte aus, dass sich die an den Kläger zu zahlende Entschädigung bei ausschließlichem Fremdverschulden auf 58 286 GBP belaufen hätte, dass sie aber wegen des Mitverschuldens des Klägers um 20 %, also auf 46 629 GBP, zu kürzen sei. Aufgrund bestimmter Beweiselemente nahm die Schiedsrichterin ferner an, dass der Kläger unredlich gehandelt habe, und verurteilte ihn deshalb zur Zahlung ihres Honorars. Sie erkannte dem Kläger keine Zinsen auf die Entschädigung zu.

15 Das MIB zahlte an den Kläger 46 629 GBP zuzüglich 770 GBP für die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten und 150 GBP als freiwillige Zahlung sowie Mehrwertsteuer.

16 Im Dezember 1996 wurde hinsichtlich der Weigerung, dem Kläger Zinsen zuzuerkennen, ein Rechtsbehelf des Klägers gegen den Schiedsspruch beim High Court zugelassen. Dieser Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg. Im September 1998 wies der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) ein Rechtsmittel des Klägers zurück. Im Januar 1999 lehnte das House of Lords (Vereinigtes Königreich) die Zulassung eines Rechtsmittels des Klägers ab.

17 Am 25. Februar 1999 erhob der Kläger eine Klage gegen den Secretary of State, den für die Umsetzung der Ersten und der Zweiten Richtlinie zuständigen Minister. Er machte im Wesentlichen geltend, das Vereinigte Königreich habe es versäumt, die Zweite Richtlinie umzusetzen, oder habe sie in folgenden Punkten nicht ordnungsgemäß umgesetzt:

- die Vereinbarung enthalte keine Bestimmung über Zuerkennung von Zinsen auf die gewährte Entschädigung;

- die Vereinbarung enthalte ferner keine Bestimmung über die Erstattung der Kosten, die den Geschädigten im Rahmen des Entschädigungsverfahrens entstanden seien;

- die Geschädigten hätten keinen ausreichenden Zugang zu den Gerichten, da sie nur vor einem Schiedsrichter und nicht vor einem staatlichen Gericht über einen umfassenden Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des MIB verfügten;

- das Vereinigte Königreich habe es versäumt, entsprechend der Zweiten Richtlinie eine Stelle ordnungsgemäß anzuerkennen, die die durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigten zu entschädigen habe, denn aus der Vereinbarung ergäben sich keine Ansprüche, die diese Geschädigten unmittelbar gegenüber dem MIB geltend machen könnten.

18 Der Kläger macht geltend, dass ihm durch diese Mängel bei der Umsetzung der Zweiten Richtlinie ein Schaden entstanden sei und dass diese Mängel einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellten, aufgrund dessen er vom Secretary of State diesen Schaden ersetzt verlangen könne.

19 Der High Court of Justice hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Muss bei richtiger Auslegung der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung

a) die Regelung für die Ersatzleistung durch die gemäß Artikel 1 Absatz 4 geschaffene oder anerkannte Stelle die Zahlung von Zinsen auf die für Sach- oder Personenschäden zu zahlenden Beträge umfassen?

b) Wenn ja, von welchem Zeitpunkt an und auf welcher Grundlage sind die Zinsen zu berechnen?

2. Muss bei richtiger Auslegung von Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie dann, wenn die Entschädigungsstelle selbst die Verletzung und den Schaden des Geschädigten zu ermitteln (und die damit zusammenhängenden Kosten einschließlich ärztlicher und sonstiger Gutachten zu tragen) hat,

a) die Regelung für die Ersatzleistung der Stelle auch den Ersatz der Kosten vorsehen, die einem Geschädigten aus der Vorbereitung und Einreichung seines Ersatzantrags bei der Stelle entstanden sind?

b) Wenn ja, auf welcher Grundlage sind diese Kosten in einem Fall zu berechnen, in dem die Stelle ein vom Geschädigten abgelehntes Angebot gemacht hat, das höher war als der vom Geschädigten letztlich erlangte Betrag?

3. Wenn über den Ersatzantrag des Geschädigten eine Stelle entscheidet, die kein Gericht ist, muss er dann bei richtiger Auslegung des Artikels 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie über einen umfassenden, Tat- und Rechtsfragen einschließenden Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung vor einem Gericht und nicht nur über einen Rechtsbehelf verfügen, über den ein unabhängiger Schiedsrichter entscheidet und der im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet ist, dass

i) der Geschädigte den Schiedsrichter in Tat- und Rechtsfragen anrufen kann,

ii) der Geschädigte bei Einlegung des Rechtsbehelfs neues Vorbringen an die Entschädigungsstelle richten und ihr weitere Beweise vorlegen kann, worauf die Stelle ihren vor Einlegung des Rechtsbehelfs erlassenen Bescheid ändern kann,

iii) dem Geschädigten vorab in Kopie alle beim Schiedsrichter einzureichenden Unterlagen übermittelt werden und er diese daraufhin durch beliebige Unterlagen ergänzen kann,

iv) der Schiedsrichter ohne mündliche Verhandlung einen mit Gründen versehenen Schiedsspruch über den von der Entschädigungsstelle zu zahlenden Betrag erlässt,

v) der Geschädigte, wenn er damit nicht einverstanden ist, den Schiedsspruch vor den staatlichen Gerichten anfechten kann, aber nur wegen schwerer, das Schiedsverfahren beeinträchtigender Unregelmäßigkeiten oder wegen Rechtsfragen (einschließlich der Fragen, ob eine bestimmte Schlussfolgerung des Schiedsrichters durch Beweise gestützt war oder ob kein Schiedsrichter aufgrund der vorliegenden Beweise vernünftigerweise zu einem bestimmtem Schluss hätte gelangen können), wobei ein Rechtsbehelf wegen Rechtsfragen der Zulassung durch das Gericht bedarf, die nur gewährt wird, wenn der Schiedsspruch offensichtlich falsch ist und es das Gericht den Umständen nach für recht und billig hält, über die Sache zu entscheiden?

4. Bei Bejahung der Fragen 1a und/oder 2a und/oder 3: Hat ein Mitgliedstaat eine Stelle im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie ordnungsgemäß anerkannt, wenn eine bestehende Stelle den Geschädigten nur auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats zu entschädigen hat, die in dieser Hinsicht nicht der Zweiten Richtlinie entspricht und

a) eine Rechtspflicht zur Entschädigung des Geschädigten gegenüber der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats begründet, die die zuständige Behörde unmittelbar einklagen kann, während der Geschädigte keinen unmittelbar einklagbaren Rechtsanspruch gegen die Stelle hat, er aber eine gerichtliche Anordnung beantragen kann, dass die untätige Behörde die Einhaltung der Vereinbarung durchzusetzen hat,

b) wenn ferner die Stelle dieser Rechtspflicht dadurch nachkommt, dass sie Forderungen von Geschädigten im Einklang mit der Vereinbarung entgegennimmt und begleicht, und

c) wenn der Mitgliedstaat gutgläubig angenommen hat, dass die Regelung der Vereinbarung Geschädigte mindestens ebenso wirksam schützt wie die der Zweiten Richtlinie?

5. Bei Bejahung der Fragen 1a oder 2a oder 3 und/oder Verneinung der Frage 4: Ist das Versäumnis, der Zweiten Richtlinie in dieser Hinsicht nachzukommen, eine hinreichend schwere Vertragsverletzung des Mitgliedstaats, die nach dem Gemeinschaftsrecht einen Schadensersatzanspruch begründet, wenn die Verursachung eines Schadens nachgewiesen ist?

Zu den Vorlagefragen

20 Die Vorlagefragen, die gemeinsam zu prüfen sind, werfen eine Reihe von Problemen auf, die folgende Punkte betreffen: die Natur der Stelle, die die Mitgliedstaaten einrichten müssen, um die Umsetzung der Zweiten Richtlinie sicherzustellen (Frage 4), die Rechtsbehelfe, die den durch nicht ermittelte Fahrzeuge oder nicht pflichtgemäß versicherte Fahrzeuge (im Folgenden: unzureichend versicherte Fahrzeuge) Geschädigten zur Verfügung stehen müssen (Fragen 3 und 4), die Notwendigkeit, die Zahlung von Zinsen auf die Beträge vorzusehen, die die vorgenannte Stelle an die Geschädigten zahlt (Frage 1), die Notwendigkeit, die Erstattung der Kosten vorzusehen, die den Geschädigten im Zusammenhang mit der Bearbeitung ihres Entschädigungsantrags entstanden sind (Frage 2), und die etwaige Haftung des betreffenden Mitgliedstaats wegen fehlerhafter Umsetzung der Zweiten Richtlinie (Frage 5).

Vorbemerkungen

21 Zunächst ist die Natur des Systems zu untersuchen, das mit der Zweiten Richtlinie zugunsten der durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten eingeführt werden soll.

22 Im Unterschied zu einem durch ein ermitteltes Fahrzeug Geschädigten ist es dem durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug Geschädigten in der Regel unmöglich, seinen Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend zu machen, da sich der Beklagte nicht ermitteln lässt.

23 Bei einem unzureichend versicherten Fahrzeug ist der Geschädigte zwar in der Lage, den Beklagten zu ermitteln, um gerichtlich gegen ihn vorzugehen; doch stellt sich ein solches Vorgehen sehr oft als zwecklos heraus, da der Beklagte nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, um dem gegen ihn ergangenen Urteil nachzukommen oder auch nur die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens entstandenen Kosten zu zahlen.

24 Daher sieht Artikel 1 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Zweiten Richtlinie vor, dass jeder Mitgliedstaat eine Stelle schafft oder anerkennt, die für Sach- oder Personenschäden, die durch ein nicht ermitteltes oder unzureichend versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht einen Ausgleich zu gewähren hat.

25 Die durch Artikel 3 Absatz 1 der Ersten Richtlinie vorgeschriebene Versicherungspflicht umfasst - zumindest in den Grenzen der vom Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegten Mindestgarantiesummen - die Kfz-Haftpflichtversicherung.

26 Zum Umfang der Versicherungspflicht heißt es in der fünften Begründungserwägung der Zweiten Richtlinie, dass die Summen, bis zu denen die Versicherungspflicht besteht, es in jedem Fall gestatten müssen, den Unfallopfern eine "ausreichende Entschädigung" zu sichern.

27 Es zeigt sich somit, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Absicht hatte, den durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten einen Schutz zu gewähren, der demjenigen entspricht, der für durch ermittelte und versicherte Fahrzeuge Geschädigte besteht, und der ebenso effektiv ist.

28 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Stelle, die den Ausgleich zu gewähren hat, hinsichtlich der Haftpflicht nicht notwendig einem Anspruchsgegner wie dem Fahrer eines ermittelten und ausreichend versicherten Fahrzeugs gleichgestellt werden muss, um die Anforderungen der Zweiten Richtlinie zu erfuellen.

Zur Natur der in Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie bezeichneten Stelle

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

29 Der Kläger macht geltend, die Zweite Richtlinie sei im Vereinigten Königreich nicht mit der Verbindlichkeit umgesetzt worden, die erforderlich sei, um dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu genügen. Abgesehen davon, dass die in der Vereinbarung vorgesehene Ersatzleistung nicht in allen Punkten der in dieser Richtlinie vorgesehenen entspreche, müssten sich die Geschädigten auf eine Vereinbarung stützen, an der sie nicht beteiligt seien, und sich auf eine bloße Praxis des MIB verlassen, das sich vor den Gerichten nicht darauf berufe, dass diese Vereinbarung den Geschädigten keine Ansprüche einräume, die ihm gegenüber geltend gemacht werden könnten.

30 Das MIB und die Regierung des Vereinigten Königreichs weisen darauf hin, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, die Form der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie zu wählen, und dass bereits geltende nationale Vorschriften nicht geändert werden müssten, wenn sie im Einklang mit denen der Richtlinie stuenden. Das eingeführte System ermögliche es den durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigten, sich unmittelbar an das MIB zu wenden.

31 Nach Ansicht der Kommission handelt es sich bei dem MIB anscheinend um eine anerkannte Stelle im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie, da es von den Behörden damit beauftragt worden sei, die in der Zweiten Richtlinie vorgesehene Aufgabe zu erfuellen, es nicht nur ermächtigt, sondern verpflichtet sei, die Geschädigten zu entschädigen, die Geschädigten berechtigt seien, sich unmittelbar an das MIB zu wenden, und dieses ihnen eine begründete Auskunft erteilen müsse. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission jedoch Zweifel an der Möglichkeit geäußert, die Vereinbarung dahin auszulegen und anzuwenden, dass sie den Geschädigten sämtliche Ansprüche garantiert, die ihnen die Zweite Richtlinie einräumt.

Antwort des Gerichtshofes

32 Artikel 1 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Zweiten Richtlinie enthält keine Vorschrift über den Rechtsstatus der Stelle oder über die Modalitäten ihrer Anerkennung. Er lässt den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, der Einschaltung der Stelle subsidiären Charakter zu verleihen, und gestattet ihnen, den Rückgriff dieser Stelle gegenüber den für den Unfall Verantwortlichen sowie die Beziehungen zu den anderen Versicherern oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit, die gegenüber dem Geschädigten zur Regulierung desselben Schadens verpflichtet sind, zu regeln.

33 Artikel 1 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Zweiten Richtlinie stellt jedoch klar, dass der durch ein nicht ermitteltes oder unzureichend versichertes Fahrzeug Geschädigte die Möglichkeit haben muss, sich unmittelbar an die anerkannte Stelle zu wenden, die ihm einen Ausgleich zu gewähren hat.

34 Der Umstand, dass sich die Verpflichtung der fraglichen Stelle aus einer Vereinbarung zwischen dieser Stelle und einer Behörde ergibt, ist irrelevant, sofern diese Vereinbarung dahin ausgelegt und angewandt wird, dass sie diese Stelle verpflichtet, den Geschädigten den Ausgleich zu gewähren, den ihnen die Zweite Richtlinie garantiert, und dass sie es den Geschädigten ermöglicht, sich unmittelbar an die Stelle zu wenden, die ihnen diesen Ausgleich zu gewähren hat.

35 Hinsichtlich der Frage, ob es für die Zwecke der Umsetzung der Zweiten Richtlinie genügt, sich einer bereits bestehenden Stelle zu bedienen, ist daran zu erinnern, dass die Umsetzung einer Richtlinie zwar nicht notwendig in jedem Mitgliedstaat ein Tätigwerden des Gesetzgebers verlangt, es jedoch unerlässlich ist, dass das fragliche nationale Recht tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleistet, dass die sich aus diesem Recht ergebende Rechtslage hinreichend bestimmt und klar ist und dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (Urteile vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-365/93, Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I-499, Randnr. 9, und vom 10. Mai 2001 in der Rechtssache C-144/99, Kommission/Niederlande, Slg. 2001, I-3541, Randnr. 17).

36 Wie der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, ist die letztgenannte Voraussetzung besonders wichtig, wenn die fragliche Richtlinie darauf abzielt, den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten Ansprüche zu verleihen (Urteile Kommission/Griechenland, Randnr. 9, und Kommission/Niederlande, Randnr. 18). Das ist bei der Zweiten Richtlinie der Fall, da sie nach ihrer fünften Begründungserwägung u. a. bezweckt, den Geschädigten einen ausreichenden Schutz zu sichern, "gleichgültig, in welchem Mitgliedstaat sich der Unfall ereignet hat".

37 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass eine Stelle, deren Verpflichtung, den durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten einen Ausgleich zu gewähren, sich aus einer Vereinbarung zwischen dieser Stelle und einer Behörde des Mitgliedstaats ergibt, als von einem Mitgliedstaat im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie anerkannt angesehen werden kann, sofern die Vereinbarung dahin ausgelegt und angewandt wird, dass sie die Stelle verpflichtet, den Geschädigten den Ausgleich zu gewähren, den ihnen die Zweite Richtlinie garantiert, und dass sich die Geschädigten unmittelbar an diese Stelle wenden können.

Zu den den Geschädigten zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

38 Der Kläger ist der Auffassung, das in der Vereinbarung vorgesehene Schiedsverfahren genüge weder den vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen des Grundsatzes eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnrn. 18 und 19) noch denen eines fairen Verfahrens im Sinne des Artikels 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK). Dem Geschädigten werde nämlich der Vorteil einer mündlichen Verhandlung genommen, und er könne gegen den Schiedsspruch nur dann einen Rechtsbehelf einlegen, wenn er eine schwerwiegende Unregelmäßigkeit, die das Schiedsverfahren beeinträchtigt habe, geltend mache oder eine Rechtsfrage aufwerfe, wobei es im zuletzt genannten Fall einer Zulassung des Rechtsbehelfs bedürfe.

39 Diese verfahrensrechtliche Regelung stelle auch eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, den durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigten den gleichen gerichtlichen Schutz zu gewähren wie den durch ermittelte Fahrzeuge Geschädigten, die im Vereinigten Königreich unmittelbar ein staatliches Gericht anrufen könnten.

40 Das MIB und die Regierung des Vereinigten Königreichs machen zunächst geltend, Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie stelle nur eine von den Mitgliedstaaten zu beachtende Mindestanforderung verfahrensrechtlicher Art auf, nämlich dass sich der durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug Geschädigte unmittelbar an die Stelle wenden können müsse, die ihn zu entschädigen habe. Im Übrigen verweise die Zweite Richtlinie auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.

41 Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs sind die Verfahren, die für die Bearbeitung eines Entschädigungsantrags eines durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug Geschädigten eingeführt worden sind, weit davon entfernt, die Geltendmachung der Ansprüche, die der Geschädigte nach der Richtlinie habe, unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, sondern böten ihm einen mehrfachen Schutz. Ein durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug Geschädigter befinde sich in verschiedener Hinsicht in einer günstigeren Situation als ein durch ein ermitteltes, aber nicht versichertes Fahrzeug Geschädigter, da das vorgesehene Verfahren oft eine schnellere und weniger kostspielige Beilegung des Rechtsstreits als ein gerichtliches Verfahren ermögliche.

42 Das MIB und das Vereinigte Königreich tragen ferner vor, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Frage, ob ein Verfahren den Anforderungen des Artikels 6 der EMRK entspreche, unter Berücksichtigung des Verfahrens in seiner Gesamtheit einschließlich der Rolle des Rechtsmittelgerichts zu beurteilen sei (vgl. EGMR, Urteil Bryan/Vereinigtes Königreich vom 22. November 1995, Serie A, Nr. 335).

43 Nach Auffassung der Kommission haben die Mitgliedstaaten einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für die Ansprüche sicherzustellen, die nach der Zweiten Richtlinie den durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigten eingeräumt werden sollen. Aufgrund ihrer Prüfung des im Vereinigten Königreich eingeführten verfahrensrechtlichen Systems gelangt sie zu dem Ergebnis, dass die Anwendung der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Kriterien möglicherweise Lücken im geltenden System erkennen lasse, u. a. hinsichtlich des Status des Schiedsrichters, des Fehlens einer mündlichen Verhandlung zur Feststellung des Sachverhalts und der Beschränkungen des Rechts, gegen den Schiedsspruch einen Rechtsbehelf einzulegen.

Antwort des Gerichtshofes

44 Artikel 1 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Zweiten Richtlinie stellt lediglich eine verfahrensrechtliche Mindestanforderung auf, indem er vorsieht, dass die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten die Möglichkeit haben müssen, sich unmittelbar an die Stelle zu wenden, die ihnen einen Ausgleich zu gewähren hat (siehe Randnrn. 32 bis 34 des vorliegenden Urteils), und dass diese Stelle ihnen eine begründete Auskunft über ihr Tätigwerden erteilen muss. Nach den Informationen, über die der Gerichtshof verfügt, entspricht Klausel 9 der Vereinbarung der letztgenannten Verpflichtung.

45 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von gerichtlichen Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung dieses Bereiches Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten; diese Verfahren dürfen jedoch nicht ungünstiger gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen (Grundsatz der Gleichwertigkeit), und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (u. a. Urteil vom 21. Januar 1999 in der Rechtssache C-120/97, Upjohn, Slg. 1999, I-223, Randnr. 32).

46 Was die Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes anbelangt, so ist jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom 14. Dezember 1995 in den Rechtssachen C-430/93 und C-431/93, Van Schijndel und Van Veen, Slg. 1995, I-4705, Randnr. 19).

47 Aus den Erklärungen, die vor dem Gerichtshof abgegeben worden sind, ergibt sich, dass das durch die Vereinbarung eingeführte verfahrensrechtliche System mehrere Stufen vorsieht.

48 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das MIB zwar kein Gericht darstellt, jedoch verpflichtet ist, die Höhe der von ihm zu zahlenden Ausgleichsleistung in der gleichen Weise festzusetzen, wie ein Gericht unter Anwendung des im Vereinigten Königreich geltenden Rechts den Schadensersatz festsetzen würde, den der Geschädigte von einem ermittelten Verantwortlichen verlangen könnte.

49 Die erste der verschiedenen Kontrollmodalitäten, die die Vereinbarung vorsieht, besteht darin, dass der Geschädigte die erneute Prüfung der vom MIB getroffenen Entscheidung beantragen kann. Dieser Antrag ist jedoch beim MIB einzureichen, das selbst darüber entscheidet, ob seine Entscheidung abzuändern ist.

50 Zweitens kann der Geschädigte einen Rechtsbehelf einlegen, über den ein Schiedsrichter entscheidet. Nach den Informationen, über die der Gerichtshof verfügt, wird der Schiedsrichter nach Bedingungen bestellt, die seine Unabhängigkeit gewährleisten und sicherstellen, dass er seinen Schiedsspruch nach eigener Würdigung des Akteninhalts erlässt. Die Akte muss u. a. alle vom Geschädigten eingereichten Schriftstücke und alle Stellungnahmen enthalten, die der Geschädigte im Rahmen des Entschädigungsantrags und gegebenenfalls im Rahmen des Antrags auf erneute Prüfung abgegeben hat. Der Schiedsrichter kann das MIB auffordern, zusätzliche Untersuchungen durchzuführen, zu denen sich der Geschädigte äußern kann.

51 Drittens kann der Geschädigte nach den allgemeinen Schiedsvorschriften des Arbitration Act in bestimmten Fällen gegen den Schiedsspruch einen Rechtsbehelf zum High Court of Justice einlegen. Diese Möglichkeit steht dem Geschädigten von Rechts wegen offen, wenn er eine schwerwiegende Unregelmäßigkeit geltend macht, die das Schiedsverfahren beeinträchtigt haben soll. Sie steht dem Geschädigten ferner offen, bedarf jedoch der Zulassung durch den High Court, wenn er den Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift geltend machen möchte, wobei dies auch die Fragen umfasst, ob eine bestimmte Schlussfolgerung des Schiedsrichters durch Beweismaterial gestützt war oder ob kein Schiedsrichter aufgrund des ausgewerteten Beweismaterials vernünftigerweise zu einem bestimmten Schluss des Schiedsrichters hätte gelangen können.

52 Viertens kann der Geschädigte vorbehaltlich der Zulassung durch das zuständige Gericht ein Rechtsmittel zum Court of Appeal und anschließend zum House of Lords einlegen.

53 Das so durch die Vereinbarung eingeführte verfahrensrechtliche System bietet dem Geschädigten, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs ausgeführt hat, Vorteile hinsichtlich der Schnelligkeit und der Einsparung von Verfahrenskosten. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat nämlich, ohne dass ihr insoweit widersprochen worden ist, geltend gemacht, dass der Großteil der Kosten im Zusammenhang mit dem Entschädigungsantrag und dem Zusammentragen der einschlägigen Beweise vom MIB übernommen werde, das von allen Zeugen des Unfalls Aussagen einhole und sich darum bemühe, alle zweckdienlichen Beweise medizinischer Art oder von Sachverständigen anderer Bereiche zu erlangen.

54 Nach alledem ist festzustellen, dass die Verfahrensmodalitäten, die das in Rede stehende nationale Recht vorsieht, die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs, der den durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten nach der Zweiten Richtlinie zusteht, nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren und somit den in den Randnummern 45 und 46 des vorliegenden Urteils erwähnten Effektivitätsgrundsatz beachten.

55 In Anbetracht des mit der Zweiten Richtlinie verfolgten Zweckes, der, wie in den Randnummern 21 bis 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, darin besteht, eine einfache Regelung für Ausgleichsleistungen an die Geschädigten zu ermöglichen, zeigt sich ferner, dass die kumulierte Wirkung zum einen sämtlicher Kontrollmöglichkeiten, die das im Vereinigten Königreich eingeführte verfahrensrechtliche System vorsieht, und zum anderen der mit diesem System verbundenen praktischen Vorteile den durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten ein Schutzniveau bietet, das dem mit der Richtlinie angestrebten entspricht.

56 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das eingeführte verfahrensrechtliche System sowohl im Verhältnis zum MIB als auch vor dem Schiedsrichter garantieren muss, dass die Geschädigten über alles informiert werden, was zu ihren Lasten berücksichtigt werden könnte, und dass sie die Möglichkeit haben, sich dazu zu äußern.

57 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall beachtet worden sind.

58 Unter diesem Vorbehalt ist festzustellen, dass Verfahrensmodalitäten wie die im Vereinigten Königreich eingeführten ausreichen, um den Schutz zu gewährleisten, den die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten nach der Zweiten Richtlinie beanspruchen können.

Zur Zahlung von Zinsen auf die als Ausgleichsleistung gezahlten Beträge

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

59 Der Kläger ist der Meinung, bei wörtlicher Auslegung des Artikels 1 Absätze 1 und 4 und des Artikels 3 Absatz 1 der Zweiten Richtlinie zeige sich, dass diese dazu verpflichte, durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigte und durch ermittelte und versicherte Fahrzeuge Geschädigte gleichzubehandeln. Selbst wenn zudem die Zweite Richtlinie dies nicht vorschreiben sollte, ergebe sich dies aus dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung. Im Vereinigten Königreich sei diesem Erfordernis nicht Genüge getan. Anders als die durch ermittelte und versicherte Fahrzeuge Geschädigten erhielten die durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigten keine Zinsen einschließende Ersatzleistung.

60 Der Kläger verweist auf das Urteil vom 2. August 1993 in der Rechtssache C-271/91 (Marshall, Slg. 1993, I-4367, Randnr. 31), in dem der Gerichtshof hinsichtlich einer diskriminierenden Entlassung entschieden habe, dass die Zuerkennung von Zinsen als unerlässlicher Bestandteil einer Entschädigung anzusehen sei, und vertritt die Auffassung, dass dieser Grundsatz auch auf die Entschädigung anzuwenden sei, die nach der Zweiten Richtlinie an durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigte gezahlt werden müsse.

61 Das MIB weist zunächst darauf hin, dass nach englischem Recht die Gerichte für die Bemessung des Schadensersatzes auf den Tag des Urteils abstellten; dabei berücksichtigten sie die bis zu diesem Tag eingetretenen Geldwertentwicklungen. Durch Section 35A des Supreme Court Act 1981 sei ihnen zwar die Befugnis eingeräumt worden, unter bestimmten Umständen im Rahmen von Schadensersatzanträgen Zinsen zuzuerkennen, diese Befugnis könne jedoch nur in gerichtlichen Verfahren ausgeübt werden.

62 Das MIB und die Regierung des Vereinigten Königreichs machen geltend, der Zweck der beiden in Rede stehenden Richtlinien bestehe darin, spezifische Mindestgarantien zu gewähren, und nicht darin, eine Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten herbeizuführen. Keine der beiden Richtlinien enthalte eine Vorschrift über die finanziellen Bestandteile der Entschädigung oder verpflichte zu einer Gleichbehandlung von durch ermittelte Fahrzeuge Geschädigten und durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigten.

63 Das MIB und die Regierung des Vereinigten Königreichs bestreiten ferner das Bestehen eines allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts, dass die Verpflichtung, als gemeinschaftsrechtlich geschuldete Entschädigung einen Geldbetrag zu zahlen, zwingend eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen einschließe.

64 Die Kommission weist darauf hin, dass weder die Erste noch die Zweite Richtlinie eine ausdrückliche Vorschrift enthielten, wonach die Mitgliedstaaten der Stelle, die durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigte zu entschädigen habe, aufzugeben hätten, den Geschädigten Zinsen zu zahlen. Aufgrund einer teleologischen Auslegung dieser Richtlinie und in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft (Urteile vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 238/78, Ireks-Arkady/Rat und Kommission, Slg. 1979, 2955, Randnr. 20, und vom 3. Februar 1994 in der Rechtssache C-308/87, Grifoni/EAG, Slg. 1994, I-341, Randnr. 40) und zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen (Urteil Marshall, Randnr. 31) neigt sie jedoch der Ansicht zu, dass die Gewährung von Zinsen nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften als wesentlicher Bestandteil der Ersatzleistung im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie anzusehen sei.

Antwort des Gerichtshofes

65 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Zweite Richtlinie keine Vorschrift über die Gewährung von Verzugszinsen auf Beträge enthält, die als Ausgleich für Schäden gewährt werden, die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge verursacht worden sind.

66 Nach Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie muss die Stelle, die für diese Schäden einen Ausgleich zu gewähren hat, dies zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht tun, um den Geschädigten eine ausreichende Entschädigung zu garantieren.

67 Der Ersatz des Schadens soll das Vermögen des Opfers eines Unfalls so weit wie möglich wiederherstellen (Urteil Grifoni/EAG, Randnr. 40).

68 Für den Ausgleich eines Schadens kann daher nicht von Umständen abgesehen werden, die, wie der Zeitablauf, den tatsächlichen Wert der Ausgleichsleistung verringern können (in diesem Sinne Urteil Marshall, Randnr. 31).

69 Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln für die unter die Zweite Richtlinie fallenden Bereiche und insbesondere für die Berücksichtigung des Zeitablaufs und die Bestimmung des zu berücksichtigenden Zeitraums festzulegen, um sicherzustellen, dass die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten, wie mit dieser Richtlinie angestrebt, ausreichend entschädigt werden.

70 In dieser Hinsicht können die Mitgliedstaaten frei zwischen der Gewährung von Zinsen und der Zahlung umfassender Entschädigungsbeträge, die den Zeitablauf berücksichtigen, wählen, um den Verlust auszugleichen, der den Geschädigten aufgrund des Zeitablaufs entstanden ist.

71 Es ist somit festzustellen, dass Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Ausgleichsleistung, die für Schäden, die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge verursacht worden sind, zugebilligt und von der dafür anerkannten Stelle ausgezahlt wird, den Zeitablauf bis zur tatsächlichen Zahlung der zuerkannten Beträge berücksichtigen muss, um eine ausreichende Entschädigung der Geschädigten zu garantieren. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die insoweit anwendbaren Regeln festzulegen.

Zur Erstattung der im Zusammenhang mit dem Entschädigungsantrag entstandenen Kosten

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

72 Der Kläger macht geltend, die Zahlung der Kosten, die im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines Entschädigungsantrags entstanden seien, stellten einen unerlässlichen Bestandteil des Ersatzanspruchs dar. Er stützt sich außerdem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach die EMRK den Schutz konkreter und effektiver Rechte bezweckt (vgl. EGMR, Urteil Airey/Irland vom 9. Oktober 1979, Serie A, Nr. 32, § 24).

73 Die anderen Beteiligten, die Erklärungen eingereicht haben, wiederholen mit den nötigen Abänderungen ihre Erwägungen, die sie im Rahmen der ersten Frage hinsichtlich der Zuerkennung von Zinsen als Bestandteil des Ersatzanspruchs dargelegt haben (siehe Randnrn. 60 bis 63 des vorliegenden Urteils).

Antwort des Gerichtshofes

74 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Zweite Richtlinie keine Vorschrift über die Erstattung der Kosten enthält, die den durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten im Rahmen ihres Antrags bei der Stelle, die ihnen einen Ausgleich zu gewähren hat, entstanden sind.

75 Nach den Grundvorstellungen der meisten Mitgliedstaaten handelt es sich bei der Frage der Erstattung der Kosten, die im Rahmen eines Verfahrens, das auf die Erlangung einer Entschädigung gerichtet ist, entstanden sind, um eine verfahrensrechtliche Frage.

76 Wie in Randnummer 45 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden ist, ist es mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung dieses Bereiches Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die gerichtlichen Verfahren, die den Schutz der Rechte gewährleisten sollen, die dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsen, unter Beachtung der Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität auszugestalten.

77 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Grundsätze im Rahmen des im Vereinigten Königreich eingeführten verfahrensrechtlichen Systems gewahrt sind. Es hat u. a. zu prüfen, ob es in Anbetracht der Unterlegenheit der Geschädigten gegenüber dem MIB und der Bedingungen, nach denen es diesen Geschädigten möglich ist, sich zu Umständen zu äußern, die zu ihren Lasten berücksichtigt werden könnten, vernünftig oder sogar erforderlich erscheint, dass sie rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen.

78 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Ausgleichsleistung, die für Schäden, die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge verursacht worden sind, zugebilligt und von der dafür anerkannten Stelle ausgezahlt wird, nur dann die Erstattung der Kosten, die den Geschädigten im Zusammenhang mit der Bearbeitung ihres Entschädigungsantrags entstanden sind, vorsehen muss, wenn diese Erstattung erforderlich ist, um die Ansprüche, die den Geschädigten nach der Zweiten Richtlinie zustehen, unter Beachtung der Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität zu schützen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies in dem verfahrensrechtlichen System, das in dem betreffenden Mitgliedstaat eingeführt wurde, der Fall ist.

Zur eventuellen Haftung des betreffenden Mitgliedstaats

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

79 Nach Ansicht des Klägers sind die Voraussetzungen für die Haftung des Vereinigten Königreichs wegen Nichtumsetzung der Zweiten Richtlinie erfuellt. Das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ergebnis umfasse offensichtlich, dass den Einzelnen, nämlich den durch nicht ermittelte oder nicht versicherte Fahrzeuge Geschädigten, ein Anspruch eingeräumt werde; diesem Personenkreis gehöre er an. Der Inhalt dieses Anspruchs, nämlich die Erlangung einer Entschädigung von einer anerkannten Stelle, lasse sich auf der Grundlage der Vorschriften der Richtlinie bestimmen. Es sei nicht Sache des Gerichtshofes, die Frage des Kausalzusammenhangs zu prüfen; diesen müsse vielmehr das nationale Gericht beurteilen. Schließlich sei der Verstoß hinreichend qualifiziert, da das Vereinigte Königreich keinerlei Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie erlassen habe.

80 Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Meinung, die ersten beiden behaupteten Verstöße, d. h. das Fehlen von Vorschriften über die Gewährung von Zinsen und über die Erstattung der im Rahmen des Entschädigungsantrags entstandenen Kosten, würfen zumindest Fragen auf. Das Vereinigte Königreich habe vernünftigerweise annehmen können, dass das eingeführte verfahrensrechtliche System dem Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes entspreche. Jedenfalls sei dem Kläger durch den angeblichen Verstoß - unterstelle man ihn als erwiesen -, der darin bestehen solle, dass die Stelle, die die durch nicht ermittelte Fahrzeuge Geschädigten zu entschädigen habe, nicht ordnungsgemäß anerkannt worden sei, kein Schaden entstanden.

81 Nach Ansicht der Kommission ist es Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob im vorliegenden Fall ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt. Sie weist insoweit jedoch darauf hin, dass die Begriffe "Zinsen" und "Kosten" im Zusammenhang mit dem Entschädigungsantrag nicht als solche in der Zweiten Richtlinie erwähnt seien, dass es keine Rechtsprechung hierzu gebe und dass sie selbst diese Begriffe noch nie im Zusammenhang mit der Umsetzung der Zweiten Richtlinie verwendet habe. Die Frage, ob das im Vereinigten Königreich eingeführte System mit dem Recht auf Zugang zu den Gerichten vereinbar sei, bedürfe weiterer Präzisierungen.

Antwort des Gerichtshofes

82 Nach ständiger Rechtsprechung folgt der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags (u. a. Urteile vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 35, vom 5. März 1996 in den Rechtssachen C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 31, und vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-424/97, Haim, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 26).

83 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss ein Mitgliedstaat Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, ersetzen, wenn drei Voraussetzungen erfuellt sind: Die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß ist hinreichend qualifiziert, und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (Urteil Haim, Randnr. 36).

84 Sollte die vom vorlegenden Gericht entsprechend den Hinweisen des Gerichtshofes vorzunehmende Prüfung ergeben, dass das im Vereinigten Königreich eingeführte Ausgleichssystem einen oder mehrere Umsetzungsfehler aufweist, obliegt es somit dem nationalen Gericht, festzustellen, ob dem Kläger durch diesen oder diese Fehler ein Schaden entstanden ist.

85 Ist das der Fall, so muss geprüft werden, ob der Verstoß des Vereinigten Königreichs gegen seine Verpflichtung zur Umsetzung der Zweiten Richtlinie hinreichend qualifiziert ist.

86 Hierfür sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für den Sachverhalt kennzeichnend sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören u. a. das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich oder unbeabsichtigt begangen bzw. zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, dass das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans möglicherweise dazu beigetragen hat, dass gemeinschaftsrechtswidrige nationale Maßnahmen oder Praktiken eingeführt oder beibehalten wurden (Urteil Haim, Randnr. 43).

87 Die Anwendung dieser Kriterien obliegt grundsätzlich den nationalen Gerichten, die dabei die vom Gerichtshof entwickelten Leitlinien zu beachten haben (u. a. Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnrn. 55 bis 58).

88 Es ist somit festzustellen, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, in dem Fall, dass die Prüfung des eingeführten Ausgleichssystems einen Fehler bei der Umsetzung der Zweiten Richtlinie ergibt und dass dem Kläger durch diesen Fehler ein Schaden entstanden ist, zu untersuchen, ob der festgestellte Verstoß gegen die Umsetzungspflicht hinreichend qualifiziert ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

89 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division, mit Beschluss 17. Mai 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist wie folgt auszulegen:

- Eine Stelle, deren Verpflichtung, den durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten einen Ausgleich zu gewähren, sich aus einer Vereinbarung zwischen dieser Stelle und einer Behörde des Mitgliedstaats ergibt, kann als von einem Mitgliedstaat im Sinne dieser Vorschrift anerkannt angesehen werden, sofern die Vereinbarung dahin ausgelegt und angewendet wird, dass sie die Stelle verpflichtet, den Geschädigten den Ausgleich zu gewähren, den ihnen die Richtlinie 84/5 garantiert, und dass sich die Geschädigten unmittelbar an diese Stelle wenden können.

- Die im Vereinigten Königreich eingeführten Verfahrensmodalitäten reichen aus, um den Schutz zu gewährleisten, den die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge Geschädigten nach der Richtlinie 84/5 beanspruchen können.

- Die Ausgleichsleistung, die für Schäden, die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge verursacht worden sind, zugebilligt und von der dafür anerkannten Stelle ausgezahlt wird, muss den Zeitablauf bis zur tatsächlichen Zahlung der zuerkannten Beträge berücksichtigen, um eine ausreichende Entschädigung der Geschädigten zu garantieren. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die insoweit anwendbaren Regeln festzulegen.

- Die Ausgleichsleistung, die für Schäden, die durch nicht ermittelte oder unzureichend versicherte Fahrzeuge verursacht worden sind, zugebilligt und von der dafür anerkannten Stelle ausgezahlt wird, muss nur dann die Erstattung der Kosten, die den Geschädigten im Zusammenhang mit der Bearbeitung ihres Entschädigungsantrags entstanden sind, vorsehen, wenn diese Erstattung erforderlich ist, um die Ansprüche, die den Geschädigten nach der Richtlinie 84/5 zustehen, unter Beachtung der Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität zu schützen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies in dem verfahrensrechtlichen System, das in dem betreffenden Mitgliedstaat eingeführt wurde, der Fall ist.

2. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in dem Fall, dass die Prüfung des eingeführten Ausgleichssystems einen Fehler bei der Umsetzung der Richtlinie 84/5 ergibt und dass dem Kläger durch diesen Fehler ein Schaden entstanden ist, zu untersuchen, ob der festgestellte Verstoß gegen die Umsetzungspflicht hinreichend qualifiziert ist.

Ende der Entscheidung

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