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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.12.1996
Aktenzeichen: C-69/95
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 729/70, Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1183/90, Verordnung Nr. 1546/88 in der Fassung der Verordnung Nr. 2138/90


Vorschriften:

Verordnung Nr. 729/70 Art. 2
Verordnung Nr. 729/70 Art. 3
Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1183/90 Art. 3c
Verordnung Nr. 1546/88 in der Fassung der Verordnung Nr. 2138/90 Art. 3b
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Anwendung des Programms zur Umstrukturierung der Milcherzeugung zugunsten der Kleinerzeuger nach der Verordnung Nr. 1183/90 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84 setzt zwangsläufig die Anwendung der Regelung über die zusätzliche Abgabe für Milch voraus.

Aus den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1183/90 ergibt sich nämlich, daß dieses Programm dazu gedacht ist, durch die Zuteilung zusätzlicher Referenzmengen die Maßnahme zugunsten der Kleinerzeuger zu ergänzen, damit diese insgesamt eine den Markterfordernissen besser angepasste Erzeugnismenge liefern, und daß eine solche Zuteilung zusätzlicher Referenzmengen im Rahmen einer Regelung, die wie die Milchquotenregelung auf eine Regulierung der Erzeugung abzielt, nur möglich ist, wenn die Mengen vorher bei anderen Betrieben frei geworden sind.

2. Artikel 3c der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1183/90 und Artikel 3b der Verordnung Nr. 1546/88 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe für Milch in der Fassung der Verordnung Nr. 2138/90 verpflichten die Mitgliedstaaten dazu, die individuellen Referenzmengen, die nach der Zahlung von Entschädigungen wegen vollständiger und endgültiger Aufgabe der Milcherzeugung seitens anderer Erzeuger frei geworden sind, innerhalb der vorgeschriebenen Frist neu zuzuteilen, denn im Unterschied zu den anderen Gemeinschaftsverordnungen, die im Rahmen der Regelung über die zusätzliche Abgabe erlassen worden sind, soll das durch die Verordnung Nr. 1183/90 eingeführte Umstrukturierungsprogramm nicht zu einer Verringerung der Milcherzeugung führen, sondern dazu beitragen, die Produktionsstrukturen der Kleinerzeuger zu verbessern. Das Ziel dieser Maßnahme kann nur erreicht werden, wenn die betreffenden Betriebe weiterhin Milch erzeugen und die betreffenden Erzeuger die von ihnen hierzu benötigten zusätzlichen Mengen erhalten können.

Die Tatsache, daß die Milchproduktion eines Mitgliedstaats die nach der Regelung über die Zusatzabgabe zugeteilte Hoechstmenge weit überschreitet, kann die einseitige Aussetzung der Neuzuteilung der aufgrund dieses Umstrukturierungsprogramms freigewordenen individuellen Referenzmengen durch diesen Mitgliedstaat nicht rechtfertigen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 5. Dezember 1996. - Italienische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EAGFL - Rechnungsabschluß - Haushaltsjahr 1991 - Milch und Milcherzeugnisse. - Rechtssache C-69/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 10. März 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag beantragt, die Entscheidung 94/871/EG der Kommission vom 21. Dezember 1994 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL, Abteilung Garantie) im Haushaltsjahr 1991 finanzierten Ausgaben (ABl. L 352, S. 82, nachfolgend: angefochtene Entscheidung) teilweise für nichtig zu erklären, soweit die Kommission bei der Feststellung der insgesamt zu Lasten des EAGFL anzuerkennenden Ausgaben durch den Ausschluß von 103 161 493 560 LIT, was den Ausgaben für den Erwerb von Milchquoten im Rahmen eines Programms zur Umstrukturierung der Milchproduktion entspricht, finanzielle Berichtigungen zu Lasten Italiens vorgenommen hat.

Die anwendbare Regelung

2 Die Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 10) führte eine Regelung über eine Zusatzabgabe ein, die vom 2. April 1984 an galt. Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) können die Mitgliedstaaten zur erfolgreichen Umstrukturierung der Milcherzeugung Erzeugern, die sich zur Aufgabe der Milcherzeugung verpflichten, eine Vergütung gewähren.

3 Durch die Verordnung (EWG) Nr. 1183/90 des Rates vom 7. Mai 1990 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (ABl. L 119, S. 27) wurde eine Maßnahme zugunsten der Kleinerzeuger im Milchsektor eingeführt, damit diese insgesamt eine den Markterfordernissen besser angepasste Erzeugnismenge liefern.

4 Die Verordnung Nr. 1183/90 fügte in die Verordnung Nr. 857/84 einen Artikel 3c ein. Nach dieser Bestimmung konnten Erzeuger, deren individuelle Referenzmenge zu Beginn des siebenten Zwölfmonatszeitraums der Regelung über die Zusatzabgabe weniger als 60 000 kg bzw. 100 000 kg in den Berggebieten betrug, zusätzliche Referenzmengen erhalten, sofern sie bis zur Beendigung der Anwendung der Zusatzabgabe weder hinsichtlich der individuellen Grundreferenzmenge noch der im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms zugeteilten zusätzlichen Referenzmenge die Anwendung eines anderen Programms zur Förderung der Einstellung der Milcherzeugung beantragten.

5 Die vierte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1183/90 lautet:

"Im Rahmen einer Regelung, die auf eine Regulierung der Erzeugung abzielt, können zusätzliche Mengen jedoch nur zugeteilt werden, wenn diese vorher bei anderen Betrieben frei geworden sind. Es muß deshalb vor allem in den Mitgliedstaaten, in denen die vergleichsweise Situation der verschiedenen Erfassungsgebiete dies rechtfertigt, ein neues Programm zur gemeinschaftlichen Finanzierung der Einstellung der Milcherzeugung erstellt werden, das die Gewährung einer Vergütung an Landwirte, die bestimmte Voraussetzungen erfuellen, nach vollständiger und endgültiger Aufgabe ihrer Tätigkeit vorsieht."

6 Aufgrund der Änderungen des Artikels 4 der Verordnung Nr. 857/84 durch die Verordnung Nr. 1183/90 wurde die gemeinschaftliche Finanzierung des Programms zur Umstrukturierung der Milcherzeugung auf eine Menge von 500 000 Tonnen beschränkt. Innerhalb dieses Rahmens erhielten Erzeuger, die sich bis zum 1. November 1990 zur vollständigen und endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung bis zum 1. April 1991 verpflichteten, eine in einer einmaligen Zahlung bis zum 1. Juli 1991 anzuweisende Vergütung von 36 ECU je 100 kg Milch oder Milchäquivalent.

7 Für Italien setzte die Kommission mit Entscheidung vom 25. Januar 1991 die Menge nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 auf 164 100 Tonnen fest.

8 Die Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 139, S. 12) wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 2138/90 der Kommission vom 25. Juli 1990 (ABl. L 195, S. 23) geändert. Durch die letztgenannte Verordnung wurde in die Verordnung Nr. 1546/88 ein Artikel 3b eingefügt. Nach dessen Absatz 1 teilt der Mitgliedstaat den in Artikel 3c Absatz 1 oder Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 genannten Erzeugern spätestens bis zum 1. Juni 1991 die ihnen zugewiesene Zusatzmenge mit.

9 Die Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) sieht in ihren Artikeln 2 und 3 vor, daß vom EAGFL nur die Ausgaben übernommen werden, die in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte getätigt worden sind.

10 Nach dem durch die Verordnung Nr. 1183/90 in die Verordnung Nr. 857/84 eingefügten Artikel 4 Absatz 1b gilt die Gemeinschaftsfinanzierung des Programms zur Umstrukturierung der Milcherzeugung als eine Interventionsmaßnahme im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. 729/70.

11 Gemäß Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1723/72 der Kommission vom 26. Juli 1972 über den Rechnungsabschluß des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, (ABl. L 186, S. 1) umfasst die Entscheidung über den Rechnungsabschluß gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 729/70 u. a. die Feststellung der Höhe der in jedem Mitgliedstaat im Laufe des betreffenden Jahres vorgenommenen Ausgaben, die als zu Lasten des EAGFL, Abteilung Garantie, gehend anerkannt werden.

Die angefochtene Entscheidung

12 Aus dem zusammenfassenden Bericht über die Kontrollergebnisse für den Rechnungsabschluß des EAGFL, Abteilung Garantie, für das Haushaltsjahr 1991 vom 21. Dezember 1994 ergibt sich, daß Italien im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms nach der Verordnung Nr. 1183/90 Quoten für 163 592 Tonnen im Wert von insgesamt 103 161 493 560 LIT gekauft hat. Die Kommission lehnt in diesem Bericht die Übernahme dieses Betrags durch den EAGFL mit der Begründung ab, daß "Italien zum damaligen Zeitpunkt die Milchquotenregelung nicht angewendet und somit auch die Referenzmenge noch nicht zugewiesen hat, was das Rückkaufprogramm überhaupt erst sinnvoll gemacht hätte, und... überdies die betreffenden Mengen nicht den in Artikel 3 der Verordnung (EWG) 857/84 genannten Erzeugerkategorien zugeteilt wurden".

13 Am 21. Dezember 1994 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.

Klagegründe

14 Die italienische Regierung macht geltend, die Kommission habe durch die Ablehnung der Übernahme des Betrags von 103 161 493 560 LIT (nachstehend: streitiger Betrag) zu Lasten des EAGFL gegen die Artikel 1, 3 und 5 der Verordnung Nr. 729/70, Artikel 8 der Verordnung Nr. 1723/72 und Artikel 4 der Verordnung Nr. 857/84 verstossen, ihre Befugnisse überschritten und die Begründungspflicht nach Artikel 190 EG-Vertrag verletzt.

15 Wie sich aus den Akten ergibt, wendet sich die italienische Regierung mit diesen Klagegründen gegen die beiden Argumente, auf die die Kommission ihre Ablehnung einer Übernahme des streitigen Betrags durch den EAGFL stützt, nämlich zum einen, daß die Italienische Republik die Milchquotenregelung im Haushaltsjahr 1991 nicht angewendet habe, und zum andern, daß sie nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen sei, die zurückgekauften Mengen Erzeugern, die die Voraussetzungen erfuellt hätten, bis zu dem in Artikel 3b der Verordnung Nr. 1546/88 in der Fassung der Verordnung Nr. 2138/90 festgesetzten Zeitpunkt neu zuzuteilen.

16 Nach ständiger Rechtsprechung darf die Kommission nach den Artikeln 2 und 3 der Verordnung Nr. 729/70 nur die Beträge zu Lasten des EAGFL übernehmen, die gemäß den in den verschiedenen Agrarsektoren geltenden Vorschriften gezahlt worden sind. In Fällen, in denen das Gemeinschaftsrecht die Zahlung einer Beihilfe nur unter der Voraussetzung erlaubt, daß bestimmte Nachweis- oder Kontrollförmlichkeiten erfuellt sind, entspricht eine unter Verstoß gegen diese Voraussetzung gezahlte Beihilfe nicht dem Gemeinschaftsrecht, und die damit verbundene Ausgabe darf deshalb nicht zu Lasten des EAGFL übernommen werden (vgl. Urteil vom 8. Januar 1992 in der Rechtssache C-197/90, Italien/Kommission, Slg. 1992, I-1, Randnr. 38).

17 Wie der Gerichtshof weiter festgestellt hat, ist diese enge Auslegung der Voraussetzungen für die Übernahme der Ausgaben zu Lasten des EAGFL im übrigen wegen der Zielsetzung der Verordnung Nr. 729/70 zwingend. Da die Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik die Gleichheit zwischen den Marktbürgern der Mitgliedstaaten gewährleisten muß, können nationale Behörden eines Mitgliedstaats nicht über eine weite Auslegung einer bestimmten Vorschrift, die Marktbürger dieses Staates gegenüber denjenigen anderer Mitgliedstaaten begünstigen, in denen eine engere Auslegung vertreten wird. Wenn sich eine solche Wettbewerbsverzerrung zwischen den Mitgliedstaaten ergibt, obwohl Mittel und Wege zur Verfügung stehen, um eine einheitliche Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der gesamten Gemeinschaft zu gewährleisten, so darf sie nicht vom EAGFL finanziert werden, sondern muß jedenfalls zu Lasten des betroffenen Mitgliedstaats bleiben (Urteil vom 7. Februar 1979 in der Rechtssache 11/76, Niederlande/Kommission, Slg. 1979, 245, Randnr. 9).

Zur Nichtanwendung der Milchquotenregelung

18 Es ist unstreitig, daß die Milchquotenregelung in Italien im Jahr 1991 nicht wie nach der Gemeinschaftsregelung erforderlich regelmässig und überprüfbar angewendet wurde.

19 Die italienische Regierung trägt dazu erstens vor, die Nichtanwendung der Milchquotenregelung spiele jedenfalls bei der Übernahme der Ausgaben zu Lasten des EAGFL, die durch den Rückkauf der individuellen Referenzmengen entstanden seien, keine Rolle. Die Mittel, die sie für den Rückkauf aufgebracht habe, hätten ihr Ziel vollständig erreicht, da die Erzeuger, die 1991 dem Programm für eine endgültige Aufgabe der Milchproduktion beigetreten seien, nicht nur nach Artikel 4 Absatz 1b der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1183/90 in dem Umfang, in dem die individuellen Referenzmengen frei geworden seien, keine Milch mehr erzeugt hätten, sondern auch von jeder neuen Zuteilung individueller Referenzmengen ausgeschlossen worden seien.

20 Zweitens habe die Kommission bei Erlaß der Entscheidung vom 25. Januar 1991 über die Hoechstmenge, die die Italienische Republik habe zurückkaufen können, die Nichtanwendung oder genauer eine unzutreffende Anwendung der Milchquotenregelung seitens der italienischen Regierung nicht gerügt.

21 Drittens habe sich der gesamte Streit über die unzutreffende Anwendung der Milchquotenregelung in Italien durch die Erhöhung der dem Land zugeteilten Gesamtmenge und durch eine finanzielle Anpassung nach einer politischen Einigung im Rat im Jahre 1994 erledigt.

22 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

23 Wie sich aus der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1183/90 ergibt, ist das Programm zur Umstrukturierung der Milcherzeugung als Ergänzung der Maßnahme zugunsten der Kleinerzeuger gedacht, damit diese insgesamt eine den Markterfordernissen besser angepasste Erzeugnismenge liefern. Nach der vierten Begründungserwägung können im Rahmen einer Regelung, die auf eine Regulierung der Erzeugung abzielt, zusätzliche Mengen jedoch nur zugeteilt werden, wenn diese vorher bei anderen Betrieben frei geworden sind. Daher setzt die Anwendung des Programms zur Umstrukturierung der Milcherzeugung nach der Verordnung Nr. 1183/90 zwangsläufig die Anwendung des Milchquotensystems voraus.

24 Wie feststeht, hat die Kommission bei Erlaß der Entscheidung vom 25. Januar 1991 nicht gerügt, daß die Italienische Republik die Milchquotenregelung nicht oder nicht zutreffend angewendet hat. Die Tatsache, daß die Italienische Republik die Milchquotenregelung nicht regelmässig und überprüfbar angewendet hat, ist jedoch unstreitig erst durch die Untersuchung nach der Kontrollreise vom 27. bis 31. Mai 1991 zutage getreten.

25 Zu dem Argument einer politischen Einigung im Rat im Jahr 1994 genügt die Feststellung, daß diese Lösung die von der Italienischen Republik nicht erhobene Zusatzabgabe und nicht die Ausgaben im Rahmen des Programms über die Umstrukturierung der Milcherzeugung nach der Verordnung Nr. 1183/90 betraf.

26 Somit hat die Kommission ihre Ablehnung einer Übernahme des streitigen Betrags zu Lasten des EAGFL zu Recht darauf gestützt, daß die Italienische Republik die Milchquotenregelung im Haushaltsjahr 1991 nicht angewandt hatte.

Zur Nichtzuteilung der freigewordenen individuellen Referenzmengen

27 Die Italienische Republik bestreitet nicht, daß sie die durch die Zahlung von Entschädigungen für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung freigewordenen Referenzmengen nicht neu zugeteilt hat.

28 Die italienische Regierung erinnert in diesem Zusammenhang an die besondere Lage der Italienischen Republik bei der Anwendung der Milchquotenregelung. Im Jahr 1991 sei ein grosser Unterschied zwischen der tatsächlichen Milcherzeugung und der garantierten nationalen Menge zutage getreten. Diese Lage habe die Regierung dazu veranlasst, um eine Genehmigung für die Ergänzung der Gemeinschaftsfinanzierung des Programms der Produktionsaufgabe durch nationale Mittel zu ersuchen, um allen eingereichten Anträgen, die sich insgesamt auf etwa 600 000 Tonnen belaufen hätten, zu entsprechen.

29 Aufgrund dieser Lage habe der Rat im Dezember 1992, als er bezueglich des Antrags auf Erhöhung der italienischen Quote zu einem ersten Kompromiß gelangt sei, die Finanzierung eines Programms zur Produktionsaufgabe beschlossen, um der Italienischen Republik eine Verringerung der nationalen Erzeugung zu ermöglichen. Die Kommission überschreite offenkundig ihre Befugnisse, wenn sie der italienischen Regierung vorwerfe, die gemäß der Verordnung Nr. 857/84 erworbenen Mengen nicht neu zugeteilt zu haben, während der Rat zum gleichen Zeitpunkt eine Gemeinschaftsfinanzierung zur Verringerung der italienischen Erzeugung beschlossen habe. In dieser Situation hätte die Neuzuteilung der 164 100 Tonnen das Problem verschärft. Aus diesem Grund habe die Italienische Republik es vorgezogen, von einer Neuzuteilung abzusehen, die sicherlich im Widerspruch zu den tatsächlichen gemeinschaftlichen Erfordernissen gestanden hätte.

30 Die Kommission habe die italienische Regierung später ermächtigt, vorübergehend die Neuzuteilung von Referenzmengen an Erzeuger kleiner Mengen auszusetzen, die im Rahmen eines späteren Programms zur Aufgabe der Milcherzeugung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1637/91 des Rates vom 13. Juni 1991 zur Festsetzung einer Vergütung für die Verringerung von Referenzmengen nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 und einer Vergütung bei der endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung (ABl. L 150, S. 30) und der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405, S. 1) frei geworden seien.

31 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

32 Wie die Kommission ausgeführt hat, sollte das Umstrukturierungsprogramm nach der Verordnung Nr. 1183/90 nicht zu einer Verringerung der Milchproduktion führen, sondern dazu beitragen, die Produktionsstrukturen der Kleinerzeuger zu verbessern. Nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung konnte diese Maßnahme ihren Zweck nur erfuellen, wenn die betreffenden Betriebe weiterhin Milch erzeugten. Gemäß der vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1183/90 konnten gerade durch die Finanzierung der vollständigen und endgültigen Aufgabe der Milchproduktion die auf diese Weise freigewordenen individuellen Referenzmengen den Erzeugern zugewiesen werden.

33 Auch wenn andere Gemeinschaftsverordnungen, die im Rahmen der Milchquotenregelung erlassen worden sind, Programme für die Produktionsaufgabe mit dem Ziel aufgestellt haben, die Milchproduktion zu verringern, gilt dies nicht für das durch die Verordnung Nr. 1183/90 aufgestellte Umstrukturierungsprogramm, wonach die Finanzierung der Produktionsaufgabe nur dazu diente, die von den Kleinerzeugern benötigten zusätzlichen Mengen zu erhalten.

34 Die Tatsache, daß die Milchproduktion in Italien 1991 die diesem Mitgliedstaat nach der Quotenregelung zugeteilte Hoechstmenge weit überschritt, konnte die einseitige Aussetzung der Neuzuteilung individueller Referenzmengen, die gemäß dem durch die Verordnung Nr. 1183/90 aufgestellten Umstrukturierungsprogramm freigeworden waren, nicht rechtfertigen. Die italienischen Behörden hätten sich jedenfalls an die Kommission wenden müssen, wenn für sie die Neuzuteilung der freigewordenen Mengen in Widerspruch zu dem gemeinschaftsrechtlichen Ziel der Milchquotenregelung stand.

35 Infolgedessen hat die Italienische Republik dadurch, daß sie die freigewordenen individuellen Referenzmengen nicht fristgerecht neu zugeteilt hat, gegen Artikel 3c der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1183/90 und gegen Artikel 3b der Verordnung Nr. 1546/88 in der Fassung der Verordnung Nr. 2138/90 verstossen. Die Kommission hat ihre Ablehnung einer Übernahme des streitigen Betrags zu Lasten des EAGFL daher zu Recht darauf gestützt, daß die Italienische Republik nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, die zurückgekauften Mengen Erzeugern, die die Voraussetzungen erfuellt hatten, bis zu dem in Artikel 3b der Verordnung Nr. 1546/88 festgesetzten Zeitpunkt neu zuzuteilen.

36 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat beantragt, der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen. Da letztere mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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