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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 11 K 2626/06 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 K 2626/06 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Verlust aus § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.

Der Kläger, gelernter Kfz-Mechaniker, war zusammen mit Herrn S. an der ABC-GmbH (GmbH) beteiligt. Beide Gesellschafter hielten je 1/2 der Anteile. Die Stammeinlagen des Klägers auf das anteilige Stammkapital i. H. v. insgesamt 50.000 DM, also jeweils 25.000 DM, wurde durch Barzahlung erbracht. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages kann die Gesellschaft mit einer Frist von 6 Monaten zum Schluss eines Geschäftsjahres gekündigt werden. Bei Kündigung oder Austritt aus der Gesellschaft kann der Geschäftsanteil zwangsweise eingezogen oder dessen Abtretung verlangt werden (§ 10 des Gesellschaftsvertrages). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 25. August 1990 (Urkundenrolle Nr. 357/1990, Notar Dr. F.), befindlich in der Einkommensteuerakte 2003, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 23. Juni 1995 kündigte der Kläger die Gesellschaft mit der vereinbarten Frist von 6 Monaten zum Schluss des 31. Dezember 1995.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 teilte die ABC-GmbH dem Kläger mit, dass sein Gesellschaftsanteil im Nennbetrag von 25.000 DM mit Wirkung vom 31. Dezember 1995 eingezogen worden sei. Die Einziehung erfolge gem. § 34 Abs. 2 GmbH-Gesetz i. V. m. § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages. Diese Erklärung beruhe auf einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss vom 10. September 1998, "wie bereits mitgeteilt". Ein Einziehungsentgeltanspruch zu Gunsten des Klägers bestehe nicht mehr.

Im Zusammenhang mit der Auszahlung eines rückständigen Geschäftsführergehalts des Klägers für den Zeitraum Mai 1994 bis Februar 1995, mit der Auszahlung eines Kontoguthabens i. H. v. 16.660,72 DM sowie mit einem Antrag auf Aushändigung von Jahresabschlüssen für die Jahre 1996 bis 1998 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf einer vom Kläger gegen die GmbH angestrengten Klage insoweit stattgegeben, dass die GmbH zur Zahlung an den Kläger i. H. v. 16.660,72 DM (= 8.518,49 EUR) nebst Zinsen verurteilt wurde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Rückzahlung des Darlehens sei auf Grund der Kündigung der GmbH mit Ablauf der Kündigungsfrist sofort fällig gewesen. Der Kläger sei auf Grund seiner Kündigung mit Ablauf des 31. Dezember 1995 aus der Gesellschaft ausgeschieden, wobei die Gesellschaft fortbestanden hätte. Die Parteien hätten bis in den Sommer 1998 hinein darüber verhandelt, ob der Kläger seinen Geschäftsanteil an den weiteren Gesellschafter S. freiwillig also ohne das Mittel der Zwangseinziehung veräußere. Sodann sei der Beschluss zur Einziehung seines Anteils am 10. September 1998 gefasst worden, auf dessen Wirksamkeit es für die Frage des Ausscheidens des Klägers nach der von ihm ausgesprochenen Kündigung nicht ankomme. Nach seinem Ausscheiden stünde dem Kläger kein Anspruch auf Gewinnbeteiligung mehr zu, sondern er könne nur noch seinen Abfindungsanspruch geltend machen, der bislang nicht durch eine entsprechende Abfindungsrechnung oder Bilanz ermittelt und auch nicht geltend gemacht worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das in der Einkommensteuerakte 2003 befindliche OLG-Urteil I-16 U 236/02, verkündet am 19. September 2003, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2004 teilte die GmbH dem Kläger unter Bezugnahme auf § 11 des Gesellschaftsvertrages mit, dass sich auf Grund des hierfür maßgeblichen letzten negativen Einheitswertbescheides des Betriebsvermögens für den Kläger kein Auseinandersetzungsguthaben in Folge seiner Kündigung ergebe.

Bis einschließlich des Jahres 2002 hat der Kläger einen Verlust aus § 17 EStG in seinen Einkommensteuererklärungen nicht erklärt. Erstmalig erklärt wurde der aus dem Verlust der Stammeinlage rührende Verlust aus § 17 EStG i. H. v. 12.783 EUR in der Einkommensteuererklärung 2003, die mit Hilfe des Klägervertreters erstellt wurde. Der Beklagte berücksichtigte diesen Verlust in dem Einkommensteuerbescheid 2003 vom 7. Dezember 2004 nicht. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein.

Nach Zurückweisung dieses Einspruches durch Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2006 erhoben die Kläger Klage. Die Klage wurde unter dem Aktenzeichen 11 K 2627/06 E geführt und ist von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter am 5. Dezember 2007 zurückgenommen worden.

Im Einspruchsverfahren gegen die Steuerfestsetzung 2003 hatte der Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 2005 gegenüber dem Beklagten ausgeführt, dass der vom Kläger erlittene Verlust im Jahr der Einziehung (= Veräußerung) des Geschäftsanteils, somit also im Jahr 1998, zu erfassen sei.

Das Finanzamt lehnte diesen Antrag auf nachträgliche Berücksichtigung des Verlustes nach § 17 EStG durch Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 1998 mit Bescheid vom 1. August 2005 ab.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2006 als unbegründet zurück. Der Einkommensteuerbescheid 1998 könne nicht mehr nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geändert werden. Das Urteil des Oberlandesgerichts stelle als Leistungsurteil kein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift dar. Auch die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO seien nicht gegeben. Im Streitfall hätte sich auch dem nichtberatenen Kläger nach Einziehung der GmbH-Anteile im Jahr 1998 die Frage nach der Klärung der steuerlichen Beurteilung des erlittenen Verlustes im Zusammenhang mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung aufdrängen müssen, zumal diese Steuererklärung 1998 erst nach der Wiederaufnahme des Zivilprozesses im Jahr 2002 beim Finanzamt eingereicht worden sei.

Gegen die Einspruchsentscheidung haben die Kläger rechtzeitig Klage erhoben.

Der Kläger meint, der Verlust müsse im Jahr 1998 berücksichtigt werden. Nach der gefestigten Auffassung der Rechtsprechung sei die spätere Erkenntnis, dass Abfindungszahlungen nicht mehr zu erwarten seien, ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit, so dass der Verlust im Kalenderjahr 1998 noch zu erfassen sei.

Er habe von dem Gesellschafterbeschluss vom 10. September 1998 erst durch das Schreiben vom 29. Mai 2000 Kenntnis erlangt. Die dort gewählte Formulierung "wie bereits mitgeteilt" greife nicht. Es habe keine vorherige Mitteilung und Information gegeben. Kenntnis habe der Kläger erst mit dem vorbenannten Schreiben erlangt. Darauf komme es jedoch nicht an. Der Gesellschafterbeschluss datiere aus dem Jahr 1998, dies sei auch in steuerrechtlicher Hinsicht maßgeblich. Dass eine Mitteilung erst später erfolgt sei, könne steuerlich keine Auswirkungen haben. Andernfalls hätten es die verbliebenen Gesellschafter in der Hand, den Betroffenen in Bezug auf die Abgabe von Steuererklärungen mitunter vorsätzlich Schaden zuzufügen, indem sie die Mitteilung des Beschlusses hinauszögern. Soweit die Besteuerung an die Veräußerung von Anteilen anknüpfe, sei nach der Rechtsprechung des BFH derjenige Zeitpunkt maßgeblich, in dem zumindest das wirtschaftliche Eigentum vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht (Hülsmann, DStR 2003, 49/50). Fielen wirtschaftliches und rechtliches Eigentum auseinander, sei auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen.

Die Kläger beantragen,

1. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 1. August 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2006, den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuerfestsetzung 1998 abzuändern und einen Verlust aus § 17 EStG i. H. v. 12.783 EUR zu berücksichtigen,

hilfsweise die Revision zuzulassen;

2. ferner, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Ein Auflösungsverlust im Sinne von § 17 EStG sei weder nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO noch nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen.

Darüber hinaus müsse gefragt werden, ob nicht im Hinblick auf den Einzug des Geschäftsanteils mit Wirkung zum 31. Dezember 1995 bereits der Veranlagungszeitraum 1995 der maßgebliche Besteuerungszeitraum nach § 17 EStG gewesen wäre.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Dabei kann dahinstehen, ob die bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung 1998 vom 17. April 2002 auf Grund einer Berichtigungsvorschrift überhaupt noch geändert werden kann (hier § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bzw. § 175 AO). Selbst wenn die Voraussetzungen der Korrekturvorschriften vorliegen würden, führt das nicht zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 1998. In diesem Jahr ist nämlich kein Verlust aus § 17 EStG zu Gunsten des Klägers steuermindernd zu berücksichtigen.

§ 17 EStG in der für 1998 gültigen Fassung setzt einen Gewinn oder einen Verlust aus einer Anteilsveräußerung voraus (§ 17 Abs. 1 EStG). Veräußerung ist dabei die Übertragung (zumindest) wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen von einer Person auf eine andere gegen Entgelt (Schmidt, 26. Auflage 2007, § 17 EStG, Rz. 96). Auch die Einziehung von GmbH-Anteilen kann zu einem Veräußerungsverlust des betroffenen Gesellschafters im Sinne von § 17 EStG führen (Schmidt, § 17 EStG, Rz. 101).

Ein solcher Veräußerungsverlust lag im Jahr 1998 noch nicht vor.

Ein GmbH- Gesellschafter scheidet erst dann aus der Gesellschaft aus, wenn er seinen Anteil entweder wirksam abgetreten oder wenn dieser wirksam eingezogen wurde (Hülsmann, DStR 2003, 49, 50 unter Hinweis auf die BGH-RSPR und die gesellschaftsrechtliche Literatur).

Der Einziehungsbeschluss vom 10. September 1998 stellt für das Streitjahr 1998 noch keine Einziehung mit der für § 17 EStG nötigen dinglichen Wirkung (zumindest im wirtschaftlichen Sinne) dar. Die Einziehung (Amortisation, § 34 GmbHG) selbst ist nämlich eine einseitige Erklärung der Gesellschaft (vgl. Hachenburg, 7. Auflage 1979, § 34 GmbHG Rz. 47.). Damit setzt die Einziehung einen Einziehungsbeschluss

und

dessen Zugang an den betroffenen Gesellschafter voraus (vgl. Hachenburg, 7. Auflage 1979, § 34 GmbHG, Rz. 47; ebenso auch Hachenburg, 8. Auflage 1992, § 34 GmbHG Rz. 54). Der ausscheidende Gesellschafter verliert damit seine Anteile frühestens mit der Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses (Hülsmann, DStR 2003, 49).

Diese Bekanntgabe ist gegenüber dem Kläger nach dessen eigenem ausdrücklichem Vorbringen erst im Jahre 2000 durch das Schreiben vom 29. Mai erfolgt. Damit kann ein Veräußerungsverlust nicht schon im Streitjahr 1998 berücksichtigt werden.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es bei dieser Betrachtungsweise die verbliebenden GmbH-Gesellschafter in der Hand hätten, dem von der Einziehung Betroffenen Schaden zuzufügen, indem sie die Mitteilung des Beschlusses hinauszögern. Eine derartige Verfahrensweise wäre nur zivilrechtlich zu überprüfen und ggfl. zu ahnden, da das Steuerrecht nur an tatsächlich verwirklichte Sachverhalte anknüpfen kann. Gesellschaftsrechtlich tritt ein Verlust sowohl der Mitgliedschafts- als auch der Herrschaftsrechte grundsätzlich erst mit dem tatsächlichen Vollzug des Austritts durch Abtretung oder Einziehung der Anteile ein (Hülsmann, DStR 2003, 49, 53).

Entgegen der Ansicht des Klägers führt auch das sog. "wirtschaftliche Eigentum" nicht zu einer Erfassung des Veräußerungsverlustes im Jahre 1998. Im Streitfall ist nicht auf Grund einer entsprechenden Satzungsgestaltung und auch nicht auf Grund besonderer tatsächlicher Umstände bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem Jahr 2000 erkennbar, dass von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den GmbH-Anteilen des Klägers auf einen bestimmten Erwerber oder von einer im "wirtschaftlichen Sinne" vollendeten Einziehung der Anteile ausgegangen werden kann. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. § 10 Abs. 3 des GmbH-Vertrages ist nämlich ganz offen formuliert, wenn es in Ergänzung der nach Abs. 2 zulässigen Zwangseinziehung bei Kündigung oder Austritt des Gesellschafters aus der Gesellschaft dort heißt:

"Statt der Zwangseinziehung können die nicht betroffenen Gesellschafter beschließen, dass der betroffene Gesellschafter seinen Anteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft selbst oder an einen oder mehrere von der Gesellschaft benannte Dritte abzutreten hat."

Die Kündigung durch den Kläger mit Schreiben vom 23. Juni 1995 führt ebenfalls nicht zu einem Ausscheiden des Klägers aus der GmbH mit der Folge eines Veräußerungsverlustes im Sinne von § 17 EStG im Jahr 1998. Sie ist zum einen in einem früheren Jahr als dem Streitjahr abgegeben worden. Zum anderen reicht sie - entgegen der Ansicht des OLG- nicht zum Ausscheiden des Klägers aus der GmbH aus. Die Satzung der GmbH enthält mit § 10 Abs. 3 gerade keine Regelungen, aus denen sich ergibt, dass mit Zugang der Kündigungserklärung bereits über die Gesellschafterrechte verfügt wurde (ebenso: Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 2. Juli 2007 11 K 283/06, [...]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Nach Ansicht des Senats hat die Frage grundsätzliche Bedeutung, ab welchem Zeitpunkt ein gesellschaftsrechtlicher Einziehungsbeschluss zu einem Veräußerungsgewinn/Verlust nach § 17 EStG führen kann.



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