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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 4 K 298/05 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB, AO, FGO, ZPO


Vorschriften:

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3
ErbStG § 13 Nr. 15
ErbStG § 15
ErbStG § 16 Abs. 1 Nr. 5
ErbStG § 31 Abs. 6
ErbStG § 32 Abs. 2
BGB § 1960 Abs. 1 S. 2
BGB § 1961
AO § 34
AO § 37 Abs. 1
AO § 38
AO § 90
AO § 119 Abs. 1
AO § 162 Abs. 1 S. 1
AO § 162 Abs. 1 S. 2
FGO § 57
FGO § 58 Abs. 2
FGO § 100 Abs. 1 S. 1
ZPO § 53
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 298/05 Erb

Tenor:

Die Erbschaftsteuerbescheide des Beklagten vom 11.10.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2005 werden aufgehoben, soweit in ihnen mehr als 521 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden sind. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 52% und der Beklagte zu 48%.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Inanspruchnahme unbekannter Erben streitig.

Herr G., der Erblasser, war nicht verheiratet gewesen und verstarb zwischen dem 09. und 29.05.1996. Er hinterließ keine letztwillige Verfügung. Das zuständige Amtsgericht bestellte am 31.05.1996 Rechtsanwalt T. zum Nachlasspfleger mit dem Aufgabenkreis "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben". Bislang betrieb der Nachlasspfleger erfolglos die Ermittlung der Erben.

Mit Schreiben vom 19.03.2001 teilten die Erbenermittler dem zuständigen Amtsgericht mit, bei der vollständigen Aufklärung der beiden Linien der ermittelten Halbgeschwister des Vaters des Erblassers kämen sie nur langsam voran. Da die ersten Urkunden der Familie in Polen zu beschaffen seien, gebe es nur kleine Fortschritte. Erste Erben seien ermittelt, die auch eine Verwandtschaft zum Erblasser bestätigen könnten. Sie bemühten sich, einen Abschluss in absehbarer Zeit herbeiführen zu können.

In seiner Erbschaftsteuererklärung gab der Nachlassverwalter den Gesamtwert der Nachlassgegenstände mit 156.643 DM und die Nachlassverbindlichkeiten mit 29.010 DM, davon 20.000 DM pauschale Erbfallkosten an. Dazu gab er an, derzeit seien zwei Erben dritter Ordnung, nämlich Söhne der Halbgeschwister des Vaters, ermittelt worden. Die Erbquoten seien unbekannt.

Mit zwei Bescheiden vom 11.10.2002 setzte der Beklagte für den Erwerb jeweils eines unbekannten Erben von 62.815 DM die Erbschaftsteuer auf 4.589 EUR (8.976 DM) fest, wobei er von der Steuerklasse 3 der beiden Erben ausging. Die dem Nachlasspfleger bekannt gegebenen Bescheide ergingen in vollem Umfang nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - vorläufig, wobei auf die unbekannten Erben und die in der Anlage enthaltene Ermittlung des Nachlasses hingewiesen wurde.

Dagegen legte der Nachlassverwalter fristgerecht Einspruch ein.

Während des Einspruchsverfahrens erhielt der Beklagte über das Amtsgericht ein Schreiben der Erbenermittler vom 22.01.2003, in dem diese erklärten, sie bemühten sich, die Linien der väterlichen Verwandtschaft, in der Erben ermittelt worden seien, zu vervollständigen. Insoweit regten sie auch an, dann einen Teilerbschein zu beantragen.

Im Rahmen seiner Einspruchsbegründung, in der er sich gegen die Inanspruchnahme unbekannter Erben überhaupt wandte, gab der Nachlasspfleger in einem der Einspruchsbegründung beigefügten Schreiben an das Nachlassgericht an, dass jedenfalls bald die Möglichkeit der Beantragung eines Teilerbscheins bestehe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 06.01.2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da eine Erbschaftsteuerveranlagung und -festsetzung auch schon erfolgen dürfe, wenn die Erben und deren Namen noch nicht feststünden. Dies ergebe sich schon aus den einen Nachlasspfleger betreffenden gesetzlichen Regelungen, der ausdrücklichen Steuererklärungspflicht des Nachlasspflegers (§ 31 Abs. 6 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG ) und seiner Zahlungsverpflichtung (§ 32 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Diese Regelungen wären überflüssig, wenn die Erbschaftsteuerbescheide nur gegen feststehende Erben ergehen könnten. Regelmäßig werde die Nachlasspflegschaft aufgehoben, sobald die Erben und ihre Anteile feststünden.

Wegen der oftmals langdauernden Erbenermittlung wie im Streitfall sei es dem Fiskus als Steuergläubiger nicht zuzumuten, auf die Realisierung seines Steueranspruchs so lange zu warten und seine Entwertung im Hinblick auf die von Rechts wegen nicht vorgesehene Verzinsung hinzunehmen, während das für die Entrichtung der Erbschaftsteuer benötigte Kapital, das als Minderung der beim Erwerber eintretenden Bereicherung anzusehen sei, weiterhin zugunsten der Erben Erträge abwerfe. Unter diesem Gesichtspunkt spiele es keine Rolle, dass die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Dem entspreche auch der Wille des Gesetzgebers.

Bei den Steuerfestsetzungen selbst seien alle bekannten Umstände berücksichtigt worden, nämlich neben der Höhe des Nachlasses auch die zu berücksichtigende Steuerklasse für Erben der dritten (oder weiteren) Ordnung. Die Verteilung des Reinnachlasses auf zwei Erben sei gerechtfertigt, weil der Nachlasspfleger selbst in der eingereichten Erbschaftsteuererklärung angegeben habe, nach den Feststellungen der Erbenermittlerin seien zwei Söhne der Halbgeschwister des Vaters des Erblassers als Erben ermittelt worden. Auch wenn es sich dabei um eine Schätzung handele, lägen die damit verbundenen Unsicherheiten im Wesen der Schätzung. Stehe wie hier fest, dass "erste Erben ermittelt seien", ohne dass ihre Person angegeben werde, müsse bei entsprechend hohen Nachlässen so gut wie immer mit einer sachlichen Steuerpflicht gerechnet werden.

Dagegen erhob der Nachlasspfleger fristgerecht Klage.

Während des Klageverfahrens übersandte der Nachlasspfleger dem Gericht eine Mitteilung der Erbenermittler vom 23.03.2007, nach der er schon vier Erben ermittelt habe und mit mindestens zwei weiteren Erben rechne.

Weiter haben die Erbenermittler dem Gericht angegeben, dass Miterben aus mehreren väterlichen Stämmen hätten ermittelt werden können. Allerdings fehlten insoweit noch Nachweise. Bei dieser Erbenermittlung werde ihr Honorar voraussichtlich 20% des zur Ausschüttung kommenden Erbanteils betragen.

Danach hat der Nachlasspfleger - auf Aufforderung des Gerichts - noch weitere, zwischen den Beteiligten unstreitige Aufwendungen und Nachlassverbindlichkeiten belegt.

Der Beklagte hat sodann unter Berücksichtigung der nunmehr geltend gemachten Aufwendungen und Nachlassverbindlichkeiten mit Schriftsatz vom 13.06.2007 eine Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 1.020 DM (521,52 EUR) für jeden der nunmehr anzunehmenden sechs unbekannten Erben - auch in der Form eines zusammengefassten Bescheids - in Aussicht gestellt.

Mit der Klage verfolgte der Nachlasspfleger sein bisheriges Vorbringen im Namen der unbekannten Erben weiter.

Nach Kenntnisnahme von den Beschlüssen des BFH vom 21.12.2004 II B 110 und 111/04, trägt er vor, bis zum Erlass der angefochtenen Bescheide seien nur sechs Jahre vergangen. Insoweit habe der Beklagte keine angemessene Zeit abgewartet.

Bei zwei Erbenstämmen müsse mit fünf bis zehn Erben je Stamm gerechnet werden, so dass schon jetzt feststehe, dass Erbschaftsteuer für den einzelnen Erben nicht anfalle.

Auch gäben die angefochtenen Bescheide Grund und Umfang der Vorläufigkeit nicht an.

Die vom Beklagten beabsichtigte Zusammenfassung in einem Bescheid für alle Erben sei nicht möglich. Vielmehr könnten allenfalls die bisher ergangenen Bescheide geändert und für vier Erben neue Bescheide erlassen werden.

Dies sei aber auch nicht möglich, weil für die Erben die Erbquoten nicht ermittelt worden seien. Zudem sei unklar, was geschehen solle, wenn später noch weitere Erben - aus anderen Stämmen - ermittelt werden sollten. Eine gesetzgeberische Regelung fehle. Vielmehr habe der Gesetzgeber nur für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 170 Abs. 5 AO auf die Kenntnisnahme des Erwerbers vom Erwerb abgestellt.

Auch sei er als Nachlasspfleger nicht nur dem Beklagten, sondern auch dem Nachlass gegenüber verantwortlich. Akzeptiere er Bescheide gegen unbekannte Erben, bestehe die Möglichkeit, dass ihm nach Aufklärung des Erbenstamms nicht mehr genügend Mittel zur Auszahlung der Nettoerbschaft verblieben.

Daher könne er nur Sicherheiten für die im Schätzungsweg ermittelte Erbschaftsteuer stellen. Insoweit weise er auf § 32 Abs. 1 S.3 ErbStG hin.

Der Kläger beantragen,

die Erbschaftsteuerbescheide des Beklagten vom 11.10.2002 in der Gestalt seiner Einspruchsentscheidung vom 06.01.2005 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit in den angefochtenen Bescheiden eine Erbschaftsteuer für jeden der beiden unbekannten Erben von mehr als 521 EUR festgesetzt worden ist.

Dazu verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und die Beschlüsse des BFH vom 21.12.2004 II B 110 und 111/04. Ergänzend führt er aus, im BFH-Beschluss vom 21.12.2004 II B 111/04, sei der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid nur 14 Monate nach dem Tod des Erblassers ergangen.

Auch sei die Vorläufigkeit in den angefochtenen Bescheiden im zutreffenden Umfang bestimmt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat nur zum Teil Erfolg.

Die angefochtenen Bescheide vom 11.10.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2005 sind nur insoweit rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, als in ihnen jeweils mehr als 521 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist. Insoweit waren sie daher nach § 100 Abs. 1 S.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - aufzuheben.

Hinsichtlich der weiteren Erbschaftsteuer hat der Beklagte die angefochtenen Bescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2005 zu Recht festgesetzt.

Für die unbekannten Erben ist die Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers entstanden, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Eine Steuerfreiheit des Nachlasses mangels Erben nach § 13 Nr. 15 ErbStG ist im Streitfall auszuschließen. Der Erblasser hatte nämlich Erben, wie sich aus dem Schreiben der Erbenermittler vom 19.03.2001 und vom 23.03.2007 ergab, und diese Erben haben auch keinen erkennbaren Grund, die Erbschaft auszuschlagen. Die Erblasserschulden sind beglichen und die Erbschaft enthält noch zu verteilendes Vermögen.

Aufgrund dieser Sachlage sind auch unter Berücksichtigung der später darzustellenden Schätzung Steuerschuldverhältnisse mit den sich daraus ergebenden Ansprüchen entstanden, §§ 37 Abs. 1, 38 AO. Mit der Rechtsfigur der unbekannten Erben i. S. der §§ 1960 Abs. 1 Satz 2, 1961 BGB gibt es Steuerschuldner, die Beteiligte eines Steuerschuldverhältnisses sein können. Hiervon geht das ErbStG aus: Gemäß § 31 Abs. 6 ErbStG ist anstelle der unbekannten Erben der Nachlasspfleger zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung verpflichtet. Nach § 32 Abs. 2 ErbStG ist der Erbschaftsteuerbescheid dem Nachlasspfleger bekannt zu geben. Mit diesen Regelungen hatte der Gesetzgeber nicht nur solche Sachverhalte im Auge, bei denen die Erben bereits bekannt sind, die Nachlasspflegschaft aber noch nicht aufgehoben worden ist, oder nur Fälle, bei denen die Annahme der Erbschaft noch nicht erfolgt oder ungewiss ist. Vielmehr ging es dem Gesetzgeber um eine Regelung für den gesamten Anwendungsbereich der Nachlasspflegschaft und damit auch für die bedeutende Fallgruppe der Nachlasspflegschaft bei unbekannten Erben. Dementsprechend bezweckte er mit der Regelung, dass die Festsetzung der Erbschaftsteuer während der Nachlasspflegschaft auch gegenüber den unbekannten Erben als Inhaltsadressaten möglich ist (s. Begründung der Regierungsvorlage zum Entwurf eines 2. Steuerreformgesetzes, BR-Drucksache 140/72, zitiert nach Troll, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Ergänzungslieferung 12 von Juli 1993 § 32 Rz. 1; BFH Beschluss v. 21.12.2004, II B 110/04II B 110/04, BFH/NV 2005, 704 f..; Troll/Gebel/Jülicher Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Ergänzungslieferung 32 von März 2006 § 32 Rz. 42; Moench/Kien-Hümbert Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar § 32 Rz. 15).

Aufgrund der dem Beklagten bis zu seiner Einspruchsentscheidung und später bis zur mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen Angaben war von einer Steuerpflicht der unbekannten Erben auszugehen, so dass ihnen gegenüber Steuerbescheide zu erlassen waren, § 85 AO.

Dabei hat der Beklagte die angefochtenen Steuerbescheide zutreffend gegenüber den beiden unbekannten Erben erlassen und sie dem Nachlasspfleger bekannt gegeben.

#Durch die Bekanntgabe an den Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des Erblassers sind die Bescheide dem gesetzlichen Vertreter für die unbekannten Erben bekannt gegeben worden. Damit war der Nachlasspfleger als solcher nur Bekanntgabeadressat und die unbekannten Erben waren Inhaltsadressaten dieser Bescheide. Der Nachlasspfleger gemäß § 1961 BGB ist nämlich nicht Inhaber eines privaten Amtes, sondern gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben. Als solcher ist er nicht im eigenen Namen rechtsmittelbefugt. Er wird somit nicht selbst Beteiligter i. S. des § 57 FGO. Vielmehr tritt er namens der unbekannten Erben einer bestimmten Person auf. Demgemäß spricht § 32 Abs. 2 ErbStG zutreffend nur von der Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides an den Nachlasspfleger und regelt § 58 Abs. 2 FGO i. V. m. § 53 der Zivilprozessordnung nur die Frage der Prozessfähigkeit und nicht die der Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit. Beteiligte des Steuerschuldverhältnisses und Kläger sind daher die unbekannten Erben (BFH Beschluss v. 21.12.2004, II B 110/04, a. a. O.).

Die angefochtenen Steuerbescheide sind nicht deshalb inhaltlich unbestimmt im Sinne von § 119 Abs. 1 AO, weil sie an unbekannte Erben gerichtet sind, denn das ErbStG geht wie bereits dargelegt davon aus, dass auch unbekannte Erben - vertreten durch den Nachlasspfleger - als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden können.

Die Bescheide sind auch nicht, wie der Nachlasspfleger meint, rechtswidrig, weil Grund und Umfang ihrer Vorläufigkeit nicht angegeben worden seien. Mit dem Hinweis auf die unbekannten Erben und die Nachlassermittlung in der Anlage zu den Bescheiden gaben beide Bescheide den Grund (die unbekannten Erben) und den Umfang (die Werte der Anlage) ihrer Vorläufigkeit in einer § 165 Abs. 1 S.2 AO entsprechenden Weise an. Im Gegensatz zu dem vom Nachlasspfleger angegebenen Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 14.07.1982 1 K 72/82, EFG 1983, 99, verwiesen die angefochtenen Bescheide zulässigerweise auf eine Anlage zum Bescheid.

Der Beklagte war auch zur Festsetzung der Erbschaftsteuer nach § 162 Abs. 1 S.1 AO befugt, denn er konnte die Besteuerungsgrundlagen, die Erben und ihre Erbanteile, nicht ermitteln, aber unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände schätzen, § 162 Abs. 1 S.2 AO.

Von der Schätzungsbefugnis hat der Beklagte auch nicht vorschnell Gebrauch gemacht, sondern dem Nachlasspfleger eine angemessene Zeit eingeräumt, seine Pflicht zur Erbenermittlung sowie seine Mitwirkungspflichten aus § 34 Abs. 1 i. V. m. § 90 AO zu erfüllen. Im Streitfall sind die angegriffenen Erbschaftsteuerbescheide mehr als sechs Jahre nach dem Tod des Erblassers ergangen. Damit hat der Beklagte dem Nachlasspfleger auch unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten der Erbenermittlung ausreichend Zeit gelassen. Dies gilt umso mehr, weil die behaupteten Schwierigkeiten, die Erben in den seit dem Erbfall vergangenen elf Jahren zu ermitteln, nicht substantiiert wurden.

Daher kann auch dahingestellt bleiben, ob die Erbenermittlung im Streitfall nicht sehr zögerlich betrieben wurde, weil der Erbenermittler in seinem Schreiben vom 19.03.2001 und der Nachlassverwalter im Einspruchsverfahren sogar von der baldigen Möglichkeit der Beantragung eines Teilerbscheins ausgegangen sind, bis jetzt aber noch keinen Erben benannt haben.

Soweit für die Festsetzung der Erbschaftsteuer die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 AO zu schätzen sind, gehört dazu auch eine Schätzung der Zahl der Erben, der Höhe der Freibeträge und bei gesetzlicher Erbfolge im Streitfall auch eine Schätzung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eingruppierung der Erben in die verschiedenen Steuerklassen nach § 15 ErbStG.

Hierbei ist die nunmehrige Annahme des Beklagten, die Grundlage seines Teilabhilfevorschlags und seines eingeschränkten Klageabweisungsantrags ist, es handele sich um sechs Erben zu gleichen Erbteilen, nicht zu beanstanden, denn der Nachlasspfleger hat bislang noch keine mit den bisherigen Ergebnissen der Erbenermittlung begründeten Angaben gemacht, nach denen von mehr als diesen Erben ausgegangen werden muss. Nach den Angaben des Erbenermittlers im Schreiben vom 23.03.2007 stehen vier Erben fest und mit zwei weiteren Erben wird sicher gerechnet. Dass weitere Erben vorhanden sind, ist nicht hinreichend konkretisiert. Insbesondere gibt es für die Behauptung des Nachlasspflegers, man müsse mit fünf bis zehn Erben je Stamm rechnen, im Streitfall keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte.

Im Hinblick auf die seinerzeit schon lange dauernden Ermittlungen nach Erben ist auch die Annahme des Beklagten, etwaige Erben seien der Steuerklasse III zuzuordnen, nicht zu beanstanden. Das Vorhandensein näherer Verwandter oder Schwiegerkinder, deren Erwerb einer niedrigeren Steuerklasse unterfallen könnte, ist bei dieser Sachlage als ausgeschlossen anzusehen.

Die Annahme gleicher Erbteile jedes Erben stellt im Streitfall auch keine Rechtsverletzung der Kläger dar. Zwar ist bei unbekannten Erben im Bereich entfernter Verwandtschaft regelmäßig mit unterschiedlichen Erbteilen zu rechnen. Da aber nicht feststeht, wie hoch die Erbteile sind, ist die Annahme gleichhoher Erbteile für Schätzungszwecke nicht zu beanstanden. Diese Ungenauigkeit ist als Folge einer Schätzung hinzunehmen, zumal bei der Inanspruchnahme unbekannter Erben vielfach die genauen Erbanteile nicht bekannt sind.

Zudem folgt aus der Annahme gleich hoher Erbteile keine zu hohe, sondern eher eine Schätzung, die den tatsächlichen, noch unbekannten Verhältnissen nahekommt. Mit der Annahme gleich hoher Erbanteile werden nämlich die Freibeträge nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG so weit wie möglich ausgenutzt. Liegen einzelne Erbanteile unter dem Freibetrag, andere hingegen nicht, erhöht sich für nicht nur für die Erben, die Erbanteile über dem Freibetrag erhalten, die Erbschaftsteuer, sondern auch die insgesamt veranlagte Erbschaftsteuer. Insoweit fällt nämlich Erbschaftsteuer für die nicht ausgenutzten Teile der Freibeträge an.

Wie bereits dargelegt, hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht geschätzt, ob und mit wem ein Steuerschuldverhältnis überhaupt begründet worden ist.

Unter Berücksichtigung dieser Schätzung unter Einbeziehung der geltend gemachten Verbindlichkeiten und Erbenermittlungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 und 3 ErbStG ist die vom Beklagten im Schriftsatz vom 13.06.2007 errechnete und von den Klägern hinsichtlich ihrer Berechnung nicht mehr angegriffene Steuer nicht zu beanstanden. Sie beläuft sich auf 521 EUR (1.020 DM) für jeden der unbekannten Erben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berechnung des Beklagten verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 S.1 FGO, soweit der Beklagte aufgrund der geltend gemachten Verbindlichkeiten davon abgesehen hat, die Klageabweisung zu beantragen. Dies beruht nämlich sämtlich auf Belegen und Absprachen, die vor Klageerhebung vorlagen oder vereinbart waren, so dass sie spätestens im Einspruchsverfahren hätten geltend gemacht werden können.

Die weitergehende Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 S.1 FGO. Soweit das Vorhandensein weiterer Erben vorgetragen wurde, sind die Kosten vom Beklagten zu tragen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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