Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 7 K 3080/02 E,V,AO
Rechtsgebiete: VStG, AO


Vorschriften:

AO § 47
AO § 169 Abs. 2
AO § 170 Abs. 4
AO § 171
AO § 235 Abs. 1
AO § 370 Abs. 1
VStG § 19 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin ist Diplom-Kauffrau. Bis Mitte 1989 wohnte sie in Y, sie war dort als Prüfungsassistentin nichtselbständig tätig.

Von ihrem am 07.06.1989 verstorbenen Vater, Herrn B, erbte die Klägerin ein Vermögen von ca. 4 Mio. DM.

Ab dem 15.08.1989 mietete sie von der C KG (vgl. Mietvertrag vom 02.08.1989 Blatt 18 ff der Steuerfahndungshandakte) eine Zwei-Zimmer-Wohnung nebst Tiefgaragenplatz in X. Das Mietverhältnis wurde am 30.11.1991 beendet (vgl. Schreiben der C-KG vom 13.08.1997, Blatt 17 der Steuerfahndungshandakte).

In der Zeit vom 01.10.1989 bis 30.09.1991 war die Klägerin als Prüfungsassistentin bei der D AG in W angestellt.

Anfang Oktober des Jahres 1991 verlegte die Klägerin ihren Wohnsitz in die USA.

Das Finanzamt Z forderte die Klägerin mit Schreiben vom 23.10.1990 auf, eine Einkommensteuererklärung 1989 und eine Vermögensteuererklärung auf den 01.01.1990 zu übersenden. Das Schreiben war adressiert an das Steuerbüro E. Eine Mitarbeiterin dieses Büros teilte der Veranlagungsbeamtin mit, dass die Klägerin in X, wohne und nicht von dem Steuerbüro E vertreten werde.

Daneben forderte das Finanzamt X die Klägerin mit Schreiben vom 24.09.1990 auf, eine Einkommensteuererklärung 1989 einzureichen. Mit Schreiben vom 19.10.1990 teilte der Prozessvertreter der Klägerin, Herr Rechtsanwalt und Steuerberater F, mit, dass er von der Klägerin beauftragt worden sei, die Einkommensteuererklärung 1989 zu erstellen, und bat um Fristverlängerung bis zum 31.10.1990. Mit Schreiben vom 29.01.1991, 27.03.1991 (adressiert an Frau A in X) und vom 12.06.1991, 19.08.1991 und "letztmalig" vom 10.04.1992 (adressiert an Rechtsanwalt F in W) forderte das Finanzamt X die Klägerin erneut auf, die Einkommensteuererklärung 1989 bzw. zuletzt auch die Einkommensteuererklärung 1990 einzureichen. Ein Schreiben vom 25.08.1992 (adressiert an Frau A in X), mit dem für den Fall der Nichtabgabe der geforderten Einkommensteuererklärungen Zwangsgeld angedroht wurde, konnte nicht zugestellt werden. Ausweislich einer Gesprächnotiz vom 14.09.1992 teilte der Prozessvertreter der Klägerin der Sachbearbeiterin des Finanzamtes X, Frau G, mit, dass er sich sicher sei, dass seine Mandantin beim Finanzamt V geführt werde. Die Veranlagungen 1989 bis 1991 seien bereits durchgeführt. Die Klägerin habe nie in X gewohnt.

Im Januar 1992 wurde im Finanzamt V eine Einkommensteuerakte für die Klägerin angelegt, weil ihr nach einer Mitteilung des Finanzamtes Z vom 13.01.1992 durch die Beteiligung an der Firma H Söhne GmbH und Co. KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet wurden. Das Finanzamt V forderte die Klägerin mit Schreiben vom 24.01.1992 und vom 04.03.1992 auf, Angaben zur Person und zu ihren Einkünften zu machen. Mit Einkommensteuerbescheid vom 15.04.1992 schätzte das Finanzamt V die Besteuerungsgrundlagen 1989 und setzte Einkommensteuer in Höhe von 87.518 DM fest. Die oben genannten Schreiben, der Einkommensteuerbescheid vom 15.04.1992 und berichtigte Einkommensteuerbescheide vom 15.09.1992, 26.08.1993, 12.12.1995 (Herabsetzung auf 0 DM) wurden an die Anschrift: "A, in U" versandt. Bei dieser Anschrift handelt es sich um die Wohnanschrift des Prozessvertreters der Klägerin.

Ab dem Jahr 1993 wird die Klägerin bei dem Finanzamt Z als beschränkt Steuerpflichtige geführt.

Einkommensteuererklärungen der Klägerin für die Jahre 1989 bis 1991 und Vermögensteuererklärungen auf den 01.01.1990 und 1991 befinden sich weder in den Akten des Finanzamtes Z und des Finanzamtes V, noch in den Akten des Finanzamtes X.

Ausweislich eines Aktenvermerks vom 03.01.1997 (Blatt 3 der Steuerfahndungshandakte) hielt das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung W weitere Ermittlungen gegen die Klägerin für erforderlich, da diese mindestens für den Zeitraum vom Tod ihres Vaters bis zu ihrer Auswanderung in die USA einkommensteuer- und vermögensteuerpflichtig gewesen sei. Die Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts auf Einkommensteuer- und Vermögensteuerhinterziehung wurde dem Prozessvertreter der Klägerin am 11.12.1997 bekannt gegeben.

Während des Ermittlungsverfahrens der Steuerfahndung gab Herr Rechtsanwalt und Steuerberater F an, er persönlich habe die Einkommensteuererklärungen 1989 bis 1991 der Klägerin am 21.04.1992 in den Hausbriefkasten des Finanzamtes X eingeworfen.

Der Fahndungsprüfer zog in seinem Bericht vom 29.12.2000, auf dessen Inhalt verwiesen wird, den Schluss, dass die Klägerin aufgrund ihres Umzugs in die USA beschlossen habe, ihren steuerlichen Verpflichtungen in Deutschland nicht mehr nachzukommen. Festsetzungsverjährung für die Einkommen- und Vermögensteuer sei noch nicht eingetreten. Die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt.

Der Beklagte schloss sich den Feststellungen des Fahndungsprüfers an und erließ am 11.06.2001 Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1991 und am 19.06.2001 einen Neuveranlagungsbescheid auf den 01.01.1990 (1991) über Vermögensteuer. Am 24.07.2001 erließ der Beklagte außerdem einen Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche wurden von der Klägerin nicht begründet. Der Beklagte wies diese mit Einspruchsentscheidung vom 29.04.2002 (Eingang beim Prozessvertreter der Klägerin am 06.05.2002) als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage vom 06.06.2002 trägt die Klägerin vor:

Bezüglich der Einkommensteuer 1989 bis 1991 sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Steuererklärungen für diese Jahre seien mit Anlagen und Anschreiben vom 21.04.1992 am 21.04.1992 abends in einem großen Briefumschlag in den Hauskasten des Finanzamtes X eingeworfen worden. Ebenso sei für die Vermögensteuer für die Jahre 1990 und 1991 Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sei ebenfalls rechtswidrig und daher aufzuheben. Die Klägerin sei im 2. Halbjahr 1989 aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten. Rein vorsorglich werde die Zuständigkeit des Finanzamtes Z gerügt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 29.04.2002, den Einkommensteuerbescheid für 1989 vom 11. Juni 2001, den Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 11. Juni 2001, den Einkommensteuerbescheid für 1991 vom 11. Juni 2001, den Vermögensteuerbescheid auf den 01. Januar 1990 vom 19. Juni 2001 und den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 24. Juli 2001 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen im Steuerfahndungsbericht vom 29.12.2000. Darüber hinaus sei das Finanzamt Z auch für die Veranlagung der Jahre 1989 bis 1991 örtlich zuständig. Bei einem Wechsel von unbeschränkter zur beschränkten Steuerpflicht entstehe kein neuer Steuerfall, sondern alle für Veranlagungszeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht noch offenen Veranlagungen seien von dem neu zuständigen Finanzamt, in diesem Fall Finanzamt Z, durchzuführen.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.04.2002 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Bei Erlass der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989, 1990 und 1991 am 11.06.2001 war der Steueranspruch wegen Festsetzungsverjährung erloschen (§ 47 i. V. m. §§ 169 ff Abgabenordnung - AO -).

Nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist für Steuern regelmäßig vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 171 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1989, 1990 und 1991 jeweils mit Ablauf des 31.12.1992, da die Einkommensteuererklärungen für diese Jahre am 21.04.1992 beim Finanzamtes X eingereicht worden sind. Die Festsetzungsfrist endete demnach bereits mit Ablauf des 31.12.1996. Anhaltspunkte dafür, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 AO gehemmt wurde, sind nicht ersichtlich. Insbesondere greift hier die Vorschrift des § 171 Abs. 5 AO nicht, da der Beginn der Ermittlungen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen am 03.01.1997 und die Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens am 11.12.1997 nach Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist erfolgt sind. Ebenfalls ist nach Ansicht des Senats kein Grund dafür ersichtlich, dass sich im Streitfall die Festsetzungsfrist der Einkommensteuer auf fünf oder zehn Jahre gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO verlängert. Das Gericht kann nicht positiv feststellen, dass die Klägerin die Einkommensteuer 1989 bis 1991 hinterziehen wollte oder leichtfertig verkürzt hat.

Nach Würdigung aller Umstände des Streitfalls ist der Senat davon überzeugt, dass der Prozessvertreter der Klägerin für die Klägerin die Einkommensteuererklärungen 1989 bis 1991 gefertigt und am 21.04.1992 (Dienstag nach Ostern) in den Hausbriefkasten des Finanzamtes X eingeworfen hat.

Der Prozessvertreter der Klägerin konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung unter Vorlage seines Terminkalenders für das Jahr 1992 und seiner Mandantenakte glaubhaft darstellen, dass die Klägerin am 17.03.1992 in seinem Büro gewesen sei, ihm einen Ordner mit Steuerunterlagen überreicht und die Steuererklärungsvordrucke ohne Datum blanko unterschrieben habe. Der Aufenthalt der Klägerin in Deutschland war nachvollziehbar, da nach den Ausführungen des Prozessvertreters der Klägerin am 19.03.1992 ein Zwangsversteigerungstermin über ein im Miteigentum der Klägerin stehendes Objekt in Z anstand.

Für den Senat war auch plausibel, dass die Erklärungen kurz nach dem Aufenthalt der Klägerin in Deutschland erstellt worden sind. Die Klägerin ist mehrmals vom Finanzamt X zur Abgabe der Steuererklärungen 1989 und 1990 aufgefordert worden. Zudem enthielt die Aufforderung vom 10.04.1992 den Zusatz - letztmalig -, so dass die Klägerin davon ausgehen konnte, dass nunmehr für den Fall der Nichtabgabe Zwangsmaßnahmen oder Schätzungsbescheide drohten. Darüber hinaus befanden sich die Aufforderungsschreiben chronologisch geordnet in der im Termin vorgelegten Mandantenakte. Dies ist ein Indiz dafür, dass der Prozessvertreter der Klägerin diese Schreiben zur Kenntnis genommen hat. Nach der Auffassung des Senats ist auch nachvollziehbar, dass der Prozessvertreter der Klägerin zusätzlich zu den vom Finanzamt geforderten Erklärungen für die Jahre 1989 und 1990 die Steuererklärung für das Jahr 1991 erstellt hat. Dies war zweckmäßig, weil die Klägerin im Oktober 1991 in die USA ausgewandert ist und nach diesem Zeitpunkt in Deutschland nicht mehr unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war.

Gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Prozessvertreters, er habe die Steuererklärungen am 17.04.1992 gefertigt, spricht nicht, dass er sich trotz der langen Zeit, die seit dem vergangen ist, an das genaue Datum erinnern kann. Es ist nachvollziehbar, dass dieser Tag in seinem Gedächtnis geblieben ist, da es sich zum einen um einen Feiertag (Karfreitag) gehandelt hat, an dem üblicherweise ein Steuerberater keine drei umfangreichen Steuererklärungen für einen Mandanten fertigt, zum anderen wurde der Prozessvertreter bereits im Jahr 1997 - bei Einleitung des Steuerstrafverfahrens - an diesen Vorgang erinnert. Des Weiteren hat die Notiz in seinem Terminkalender ebenso als Gedächtnisstütze gedient, wie das von ihm handschriftlich in die blanko unterschriebenen Erklärungsvordrucke eingetragene Datum.

Aus dem selben Grund ist es nachvollziehbar, dass sich der Prozessvertreter der Klägerin nach so langer Zeit an den Einwurf der Steuererklärungen in den Hausbriefkasten des Finanzamtes X erinnern kann. Den Vorgang hat er handschriftlich auf die Kopie des Anschreibens zu den Steuererklärungen vermerkt. Es bestehen auch keine vernünftigerweise in Betracht kommenden Zweifel, dass die vom Finanzamt - letztmalig - angeforderten und über Ostern fertiggestellten Steuererklärungen nicht am Dienstag nach Ostern beim Finanzamt eingereicht wurden. Der Einwurf in den Hausbriefkasten auf dem Heimweg ist ebenfalls plausibel, da das Finanzamt X (in W) nur wenige Autominuten von der Kanzlei des Prozessvertreters der Klägerin (in W) entfernt liegt.

Die Behauptung, dass die Steuererklärungen in den Machtbereich des Finanzamtes X gelangt sind, kann auch nicht dadurch widerlegt werden, dass keine Erklärungen in der Steuerakte abgeheftet sind. Zum damaligen Zeitpunkt haben sowohl das Finanzamt X, als auch das Finanzamt V und das Finanzamt Z eine Einkommensteuerakte geführt. Wie aus der dem Gericht vorliegenden Akte erkennbar ist, zweifelte jedes der drei Finanzämter in den Streitjahren an der eigenen Zuständigkeit. Das Finanzamt Z übersandte Ende Oktober 1990 zuständigkeitshalber Anlagen an das Finanzamt X, weil die Klägerin nach Auskunft des Steuerbüros E in X wohnte. Das Finanzamt X übersandte im Jahr 1992 Vorgänge an das Finanzamt V, weil die Klägerin beim Finanzamt V für 1989 geführt wurde. Im Melderegister der Stadt U (Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes V), war die Klägerin jedoch nicht zu ermitteln. Die verschiedenen Vorgänge sind augenscheinlich erst dann zu einer - dem Gericht nunmehr vorliegenden - Akte zusammengefügt worden, als der Beklagte (Finanzamt Z) wegen der nur noch bestehenden beschränkten Steuerpflicht zuständig wurde. Aufgrund dieser unübersichtlichen Aktenlage erscheint es dem Senat denkbar, dass Vorgänge verlorengegangen sind.

Auch die Tatsache, dass der Prozessvertreter der Klägerin untätig geblieben ist, als er nach Abgabe der Steuererklärungen 1989 bis 1991 keine Steuerbescheide erhalten hat, spricht nicht gegen die Richtigkeit seiner Behauptung. Der Prozessvertreter der Klägerin hatte keine Veranlassung zu überprüfen, ob Bescheide erlassen worden sind. Nach seiner glaubhaften Einlassung ist die Frage, ob ein Bescheid erlassen worden ist, regelmäßig erst dann von Bedeutung, wenn für das Folgejahr die Steuererklärung erstellt werden muss. Für das Jahr 1992 hat der Prozessvertreter der Klägerin aber keine Steuererklärung für seine Mandantin angefertigt. Darüber hinaus sind nach dem 21.04.1992 keine für den Prozessvertreter der Klägerin erkennbaren Zwangsmaßnahmen angedroht worden. Die Androhung von Zwangsgeld vom 25.08.1992 kam mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" an den Absender (Finanzamt X) zurück. Schätzungsbescheide sind nicht erlassen worden. Die vom Finanzamt V an die Anschrift "Frau A, in U" versandten Einkommensteuerbescheide 1989 sind nach der Einlassung des Prozessvertreters der Klägerin nie bei ihm angekommen. Für die Richtigkeit der Einlassung spricht, dass die Klägerin nie unter dieser Adresse gemeldet war. Außerdem sind gegen diese Bescheide weder Rechtsbehelfe eingelegt worden, noch wurden die festgesetzten Steuern bezahlt, denn ausweislich des Bescheides vom 12.12.1995 (Herabsetzung auf 0 DM) waren Säumniszuschläge in Höhe von 20.075 DM entstanden.

Der Senat hat auch keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Prozessvertreters der Klägerin. Zwar hatte er als Prozessvertreter der Klägerin einerseits ein Interesse an einem für seine Mandantin günstigen Ausgang des Verfahrens. Auf der anderen Seite besteht kein Anlass zu der Annahme, dass über ein gewöhnliches Mandatsverhältnis hinaus eine Verbindung zwischen der Klägerin und ihrem Prozessvertreter bestand. Vielmehr war sich der Prozessvertreter der Klägerin nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -) bewusst. Diese Stellung bringt es mit sich, dass er sich nicht der staatlichen Rechtsordnung entgegenstehenden Mittel bedient und zur Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit verpflichtet ist. Darüber hinaus ergibt sich unmittelbar aus § 1 BRAO ein Verbot der Lüge und Täuschung des Gerichts.

Aus diesem Grund war es auch nicht ersichtlich, dass der Prozessvertreter der Klägerin hinsichtlich des Inhalts des Telefonats mit Frau G nur eine Erinnerungslücke vorgeschoben hat. Ob er - wie er selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vermutet hat - vielleicht deswegen eine falsche Auskunft erteilt hat, weil ihm während des Telefongesprächs keine Mandantenakte vorlag, lässt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls reicht nach Ansicht des Senats diese Unstimmigkeit nicht aus, um an der Richtigkeit der Behauptung, der Prozessvertreter der Klägerin habe die Einkommensteuererklärungen am 21.04.1992 in den Hausbriefkasten des Finanzamt X eingeworfen, zu zweifeln.

Die Klage hat auch Erfolg im Hinblick auf den angefochtenen Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen, soweit sie wegen der Einkommensteuer 1989 bis 1991 festgesetzt worden sind.

Nach § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind nur hinterzogene Steuern zu verzinsen. Wie oben dargestellt ist ein Vorsatz der Klägerin zur Einkommensteuerhinterziehung nicht feststellbar. Vielmehr ist sie nach der Überzeugung des Senates insoweit ihren Erklärungspflichten nachgekommen.

Hinsichtlich des Vermögensteuerbescheides auf den 01.01.1990 und 1991 und des Bescheides über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen, soweit sie wegen der Vermögensteuer festgesetzt worden sind, ist die Klage unbegründet.

Der angefochtene Vermögensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

Der Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 19.06.2001 eine Neuveranlagung durchgeführt und die Vermögensteuer für 1990 und für 1991 jeweils auf 18.005 DM festgesetzt.

Die Klägerin war zu den Stichtagen 01.01.1990 und 01.01.1991 unbeschränkt vermögensteuerpflichtig, da sie ihren Wohnsitz im Inland hatte. Sie war auch gemäß § 19 Abs. 2 Nr.1 a Vermögensteuergesetz - VStG - verpflichtet, eine Vermögensteuererklärung abzugeben, da ihr Gesamtvermögen nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1989 deutlich größer war als 70.000 DM. Da - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - keine Vermögensteuererklärungen abgegeben worden sind, war der Beklagte gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 AO ermächtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Gegen die Höhe der Schätzungen wurden seitens der Klägerin keine Einwendungen erhoben. In Anbetracht der Höhe der Erbschaft von ca. 4 Mio. DM erscheint ein vom Beklagten geschätztes Gesamtvermögen von 3.599.000 DM auch ermessensgerecht.

Bei Erlass des Bescheides am 19.06.2001 war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, da diese, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist, zehn Jahre beträgt (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO. Zudem wurde im Streitfall der Beginn der Frist wegen der Nichtabgabe einer Steuererklärung um drei Jahre hinausgeschoben (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 AO).

Der Senat ist davon überzeugt, dass hinsichtlich der Vermögensteuer die Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerhinterziehung erfüllt sind.

Die Klägerin hat durch das Unterlassen der Abgabe der Steuererklärung die Finanzbehörde pflichtwidrig (§ 19 Abs. 2 Nr.1 a VStG) über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Infolge der fehlenden Erklärungen wurde die Vermögensteuer auf den 01.01.1990 und 1991 nicht festgesetzt (§ 370 Abs. 4 AO).

Als Diplom-Kauffrau und Prüfungsassistentin musste es der Klägerin bewusst gewesen sein, dass durch die Nichtabgabe der Vermögensteuererklärungen Steuern nicht festgesetzt werden. Es genügt, wenn sie durch die Nichtabgabe der Erklärung eine Nichtfestsetzung der Steuern für möglich hielt. Anhaltspunkte für einen anderen Geschehensablauf sind nicht ersichtlich.

Da die Vermögensteuer auf den 01.01.1990 und 1991 hinterzogen worden ist, war der Beklagte auch gemäß § 235 AO berechtigt, hierfür Hinterziehungszinsen festzusetzen. Gegen Berechnung der Zinsen der Höhe nach wurden seitens der Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, die diese Berechnung fehlerhaft erscheinen lassen. Sie sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück