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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: 10 K 7434/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs 3 S 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
aufgrund mündlicher Verhandlung

für Recht erkannt:

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anwendung des Rabatt-Freibetrags auf Provisionen, die von der Klägerin an ihre Mitarbeiter weitergeleitet wurden.

Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, das auch den Abschluss von Versicherungs- und Bausparkassenverträgen vermittelt. Dabei handelt es sich regelmäßig um Verträge der Verbundpartner (A-Versicherung und B-Bausparkasse). Für jede Vertragsvermittlung erhält die Klägerin eine Provisionszahlung. Die Weiterleitung der Provisionszahlungen an die Mitarbeiter der Klägerin beruht auf einer am 2. April 1998 zwischen ihr und ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Betriebsvereinbarung; zuvor erfolgte die Weiterleitung aufgrund einer dieser Betriebsvereinbarung entsprechenden ständigen Übung im Hause der Klägerin. Hintergrund der Betriebsvereinbarung war nach Angaben der Klägerin, dass man an den eigenen Mitarbeitern nicht verdienen wollte. In der Betriebsvereinbarung heißt es: "Die gesamten Vermittlungsprovisionen des Verbundgeschäfts fließen nach wie vor ungekürzt als Ertrag der Bank zu. Zur Belebung des Vermittlungsgeschäfts sollen die Mitarbeiter an den Einnahmen aus bestimmten Verbundgeschäften künftig finanziell beteiligt werden. ... (es folgt die Regelung zur Provisions-Beteiligung der Mitarbeiter beim Vertragsabschluss mit gewöhnlichen Bankkunden) ... Bei der Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen für Mitarbeiter der Bank oder deren Familienangehörige ... steht die Abschlussprovision dem Mitarbeiter in voller Höhe zu. Die Abrechnung erfolgt direkt auf das Konto des Mitarbeiters ... ".

Aufgrund dieser Vereinbarung leitete die Klägerin Provisionszahlungen für den Abschluss von Lebensversicherungen, die von Bankmitarbeitern für sich selbst oder deren Angehörige abgeschlossen wurden, unmittelbar auf das Konto der entsprechenden Mitarbeiter weiter. Bei Abschluss von Bausparkassen-Verträgen verzichtete die Bausparkasse gegenüber den Mitarbeitern außerdem auf die normalerweise anfallende Abschlussgebühr.

Ende 2000 fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum März 1997 bis Oktober 2000 statt. Nach Ansicht der Prüferin handelte es sich bei den von der Klägerin an die Arbeitnehmer weitergeleiteten Provisionen der Lebensversicherung um steuerpflichtigen Arbeitslohn, die nicht dem Rabatt-Freibetrag gemäß § 8 Abs. 3 EStG unterfielen, weil nach den Vereinbarungen mit den Verbundunternehmen ausschließlich die Klägerin provisionsberechtigt war (zwischen den Beteiligten ist zwischenzeitlich unstreitig, dass die von der Prüferin aufgegriffenen Fälle ausschließlich Provisionen aus Lebensversicherungen betrafen; Provisionen aus dem Abschluss von Bausparverträgen wurden nicht aufgegriffen). Die Nachversteuerung sollte auf Antrag der Klägerin im Wege der Netto-Einzelberechnung ermittelt werden. Die Klägerin erklärte sich im Anschluss an die Prüfung mit der vorrangigen Inanspruchnahme für die durch Haftungsbescheid nachzufordernde Brutto-Lohnsteuer einverstanden. Die Prüferin ermittelte die Lohnsteuer-Nachforderung betreffend die weitergeleiteten Eigenprovisionen mit 4.316 DM, den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag mit 253 DM und die Kirchensteuer mit 388 DM. Die Berechnung als solche ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Mit Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 27. Juni 2001 wurde die Klägerin für Lohnsteuer in Höhe von 5.975 DM in Haftung genommen.

Die Klägerin trägt nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2001) vor, auf die weitergeleiteten Vermittlungsprovisionen sei der Rabatt-Freibetrag gemäß § 8 Abs. 3 EStG anzuwenden. Die geschilderten Vermittlungsleistungen würden nicht nur gegenüber den Arbeitnehmern erbracht, sondern auch gegenüber ihren gewöhnlichen Kunden. Deshalb habe sie aufgrund des Dienstverhältnisses an ihre Arbeitnehmer Dienstleistungen erbracht, die nicht überwiegend für den Bedarf der Arbeitnehmer vertrieben würden. Nach dem BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230 könne ein Arbeitgeber, der den Abschluss von Versicherungsverträgen vermittle, seinen Arbeitnehmern einen Bezug i.S. § 8 Abs. 3 EStG gewähren, wenn er im Voraus auf die ihm zustehende Vermittlungsprovision verzichte und das Versicherungsunternehmen aufgrund des Verzichts den fraglichen Arbeitnehmern den Abschluss von Versicherungsverträgen zu günstigeren Tarifen gewähre. Im Streitfall sei die Klägerin zwar zivilrechtlich Inhaberin des Provisionsanspruchs gegenüber den Verbundunternehmen gewesen, sie habe aber im Innenverhältnis gegenüber den Arbeitnehmern im Rahmen der Betriebsvereinbarung im Voraus auf die Provisionen bei Eigenverträgen verzichtet und den Arbeitnehmern ein um die Provisionen günstigeres Angebot gemacht. Wenn die Klägerin die ihr zustehende Vermittlungsprovision an ihre Arbeitnehmer auskehre, reduzierten sich für diese die Aufwendungen für den Versicherungsvertrag insgesamt. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Provision aus der Kalkulation des Versicherers herausgerechnet würden und der Arbeitnehmer vom Verbundunternehmen ein um die Provision günstigeres Angebot erhalte oder ob die Provision vom Kreditinstitut unmittelbar an die Mitarbeiter ausgekehrt werde.

Die Klägerin beantragt, den Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 27. Juni 2001 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2001 dahin zu ändern, dass die Lohnsteuer laut Haftungsbescheid um 4.316 DM, der Solidaritätszuschlag um 253 DM und die Kirchensteuer um 388 DM herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er führt aus, dass Provisionen für Arbeitnehmer von Kreditinstituten, die gelegentlich den Abschluss von Bausparverträgen und Versicherungsverträgen vermittelten, als Arbeitslohn Dritter dem Lohnsteuerabzug unterlägen. Dies gelte auch, wenn das Kreditinstitut mit den Verbundunternehmen vereinbart habe, dass nicht die Arbeitnehmer sondern das Kreditinstitut selbst provisionsberechtigt sei, er aber einen aus der Provision abgeleiteten Betrag an den Arbeitnehmer weitergebe. Der Rabattfreibetrag gemäß § 8 Abs. 3 EStG beziehe sich hingegen nur auf solche Rabatte, die für Dienstleistungen des Arbeitgebers (Kreditinstituts) selbst gewährt würden (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 7. Februar 1997 VI R 17/94, BStBl II 1997, 363). Der Streitfall sei dem dem BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 123/00 (BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230) zugrunde liegenden Fall nicht vergleichbar, weil die Arbeitnehmer keine günstigeren Tarife erhalten hätten. In der Betriebsvereinbarung sei im Streitfall im Übrigen festgelegt, dass der Klägerin die gesamten Vermittlungsprovisionen des Verbundgeschäfts ungekürzt als Ertrag zuflössen. Ein im Voraus erklärter Verzicht der Klägerin liege demnach nicht vor.

Gründe

Die Klage ist begründet. Der Rabattfreibetrag gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG findet auch dann Anwendung, wenn ein Kreditinstitut zugunsten der Mitarbeiter auf Provisionen für die eigene Vermittlungsleistung beim Abschluss von Eigenverträgen der Mitarbeiter verzichtet und die Vermittlungsleistungen nicht nur gegenüber den Mitarbeitern, sondern auch gegenüber den gewöhnlichen Bankkunden erbracht werden.

1. § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG regelt den Sachbezugswert, wenn "ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen erhält, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden"; nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG sind die sich ergebenden Vorteile bis zu insgesamt 2.400 DM im Kalenderjahr steuerfrei.

2. Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor.

a) Die Klägerin hat gegenüber ihren Arbeitnehmern Vermittlungsleistungen aus ihrer Leistungspalette erbracht, die nicht überwiegend nur für den Bedarf der Mitarbeiter erbracht wurden, sondern auch im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gegenüber dritten Bankkunden. Bei dieser Vermittlungsleistung zwischen den Arbeitnehmern und dem Verbundunternehmen handelte sich um eine Leistung, die Klägerin sowohl gegenüber dem Arbeitnehmer bzw. Bankkunden als auch gegenüber dem jeweiligen Verbundunternehmen erbrachte. Auch wenn das Innenverhältnis der Beteiligten so ausgestaltet war, dass die Klägerin die Gegenleistung für ihre Vermittlungsleistung allein vom Verbundunternehmen erhielt, kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht davon gesprochen werden, dass eine nicht begünstigte bloße Weitergabe von Einnahmen von dritter Seite vorliege, die nach dem Zweck der Vorschrift ebenso wenig begünstigt sei, wie der überbetriebliche Belegschaftshandel.

b) Der vom Beklagten angedeutete Widerspruch zwischen den BFH-Urteilen vom 7. Februar 1997 VI R 17/94, BStBl II 1997, 363 und vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230 liegt nicht vor. Zwar hat der BFH im Urteil vom 7. Februar 1997 VI R 17/94 für die Vermittlung von Reiseleistungen eines Fremdveranstalters (die Bank erhielt einen Freiplatz, den sie einem Mitarbeiter überließ) entschieden, dass der diesbezügliche geldwerte Vorteil nur dann nach § 8 Abs. 3 EStG zu bewerten sei, wenn die Bank nach zivilrechtlichen Grundsätzen Veranstalter und nicht lediglich Vermittler der Reise sei. Eine solche Situation liegt im Streitfall nicht vor, weil es nicht um die Weitergabe einer Fremdleistung (etwa der Versicherungsleistung), sondern um die unentgeltliche Abgabe einer eigenen Vermittlungsleistung geht.

Dementsprechend hat der BFH im Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 123/00 (BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230) für ein Kreditinstitut, dessen Verbundunternehmen den Arbeitnehmern beim Abschluss von Versicherungsverträgen Sondertarife eingeräumt hatte, ausgeführt, ein Arbeitgeber könne seinen Mitarbeitern durch die Vermittlung von Versicherungsverträgen auch dadurch einen geldwerten Vorteil i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG gewähren, dass er im Voraus auf die ihm zustehende Vermittlungsprovision verzichte, sofern das Versicherungsunternehmen aufgrund dieses Verzichts den fraglichen Arbeitnehmern den Abschluss von Versicherungsverträgen zu günstigeren Tarifen gewähre. Denn in der Gewährung des Verbundtarifs durch die Versicherung könne eine Vorteilsgewährung des Kreditinstituts an ihre Arbeitnehmer in der Weise zu sehen sein, dass das Kreditinstitut (als Vermittler der fraglichen Versicherungsverträge) auf seinen Provisionsanspruch im Voraus verzichte und somit die Kalkulation der niedrigeren Verbundtarife erst ermögliche. Das Kreditinstitut habe dann zwar nicht die Versicherung als Dienstleistung vertrieben, jedoch seine Vermittlungsleistung gegenüber den Arbeitnehmern unentgeltlich erbracht.

Genau diese Situation ist auch im Streitfall gegeben. Es macht wertungsmäßig keinen Unterschied, ob die Vermittlungsleistung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer dadurch unentgeltlich erbracht wird, dass die Provisionen aus der Kalkulation des Versicherers herausgerechnet werden und der Arbeitnehmer vom Verbundunternehmen ein um die Provisionen günstigeres Angebot erhält oder ob die Vermittlungsleistung des Arbeitgebers dadurch unentgeltlich erbracht wird, dass die Provisionen vom Kreditinstitut unmittelbar an die Mitarbeiter ausgekehrt werden. In beiden Fällen geht es um die Rabattierung der eigenen Vermittlungsleistung gegenüber dem Arbeitnehmer des Kreditinstituts.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

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