Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.09.2007
Aktenzeichen: 5 K 221/06
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 2
AO § 173 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 221/06

Einkommensteuer 1997 -2001

In der Streitsache

...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,

des Richters am Finanzgericht ... und

der Richterin am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 20. September 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die inzwischen geschiedenen Kläger reichten für die Kalenderjahre 1997 bis 2001 beim Beklagten, dem Finanzamt L, gemeinsame Einkommensteuererklärungen ein. Beide erklärten darin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ihrer Dachgeschosswohnung im ansonsten eigengenutzten Einfamilienhaus in ....

Die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 ergingen am 20.03.1998, 11.03.1999 bzw. 13.10.2000 jeweils endgültig und unter Anerkennung der geltend gemachten Verluste. Von November 2001 bis November 2003 führte der Beklagte eine betriebsnahe Veranlagung durch, änderte die Bescheide 1997 bis 1999 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und erkannte die Verluste nicht mehr an. In den Einkommensteuerbescheiden 2000 und 2001, beide vom 21.01.2004, versagte er den Abzug der Vermietungsverluste. Im Rahmen der Prüfung sei erstmals ein Mietvertrag vom 01.12.1994 vorgelegt worden, nach dem Mieter der 65 qm großen Wohnung die Eltern der Klägerin gewesen seien. Diese hätten jedoch die Wohnung nicht regelmäßig genutzt, sie hätten ihren Hauptwohnsitz in B gehabt und die Wohnung nur anlässlich von Besuchen bei ihrer Tochter und den Enkelkindern aufgesucht. Sie hätten die Wohnung sogar dritten Personen zur Nutzung überlassen, das Mietentgelt nicht, wie vereinbart, überwiesen, sondern in unregelmäßigen Abständen bar bezahlt und sich zum 10.01.1996 von ... abgemeldet. Somit sei das Mietverhältnis steuerlich nicht anzuerkennen. Die hiergegen erhobenen Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 19.12.2005 zurück.

Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die Änderung der bestandskräftigen Bescheide verstoße gegen Treu und Glauben, da dem Beklagten zumindest seit 1995 bekannt gewesen sei, dass es sich um ein Angehörigenmietverhältnis gehandelt habe und er dieses beanstandungslos anerkannt habe. Bei gehöriger Ermittlung wären dem Beklagten die nunmehr für die Änderung verwendeten Tatsachen und Beweismittel nicht verborgen geblieben. Das Mietverhältnis halte auch einem Fremdvergleich stand. Soweit von Juni 1996 bis Dezember 1997 eine Familie ... und vom 15.01.1999 bis 15.08.1999 ein Dr. ... in der Wohnung gewohnt habe, handele es sich um Arbeitskollegen des Klägers, die lediglich zu Zwecken der Lohnabrechnung auf ausdrückliche Vorgabe des Finanzamtes M dort melderechtlich erfasst gewesen seien, aber nicht regulär dort gewohnt hätten. Die Schwester der Klägerin habe von März 1996 bis Juni 1997 die Wohnung von ihren Eltern überlassen bekommen und auch für diesen Zeitraum die Miete überwiesen. Ferner würden bei den Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit 1999 mit der Klage -wie bereits im Einkommensteuerbescheid vom 13.10.2000 vom Beklagten anerkannt, dann aber gestrichen -noch Kosten für berufliche Fahrten mit dem Fahrzeug der Klägerin geltend gemacht. Der Kläger habe zwar einen Aufhebungsvertrag vom 30.09.1999 unterzeichnet, sei aber noch bis Jahresende für seinen Arbeitgeber tätig gewesen. In diesem Zeitraum habe er kein Fahrzeug aus dem Pool seines Arbeitgebers zur Verfügung gehabt.

Die Kläger beantragen,

die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidungen vom 19.12.2005 dahingehend zu ändern, dass

für 1997 die Einkommensteuer auf 54.002 DM festgesetzt wird,

für 1998 die Einkommensteuer auf 36.222 DM festgesetzt wird,

für 1999 die Einkommensteuer auf 61.402 DM festgesetzt wird,

für 2000 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung von 14.664 DM festgesetzt wird,

für 2001 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung von 8.916 DM festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Fahrzeugkosten 1999 bestimme der mit sofortiger Wirkung geschlossene Aufhebungsvertrag, dass der zur Nutzung überlassene Pkw bis spätestens 10.01.2000 in der Firmenniederlassung in München zurückzugeben sei. ... (Kläger) habe erst am 12.01.2000 einen eigenen Wagen angemeldet, und die Aussage eines Arbeitskollegen, wonach der Kläger den Pkw der Firma zusammen mit anderen Mitarbeitern benutzt habe, widerlege nicht die alleinige Nutzung im fraglichen Zeitraum.

Das Mietverhältnis sei im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung nicht anzuerkennen. Ein Mietvertrag sei erstmals im Rahmen der betrieblichen Veranlagung vorgelegt worden, vorher habe kein Grund zur Überprüfung bestanden.

Im Übrigen wird auf die Steuerakten und die Feststellungen der betriebsnahen Veranlagung 1996 bis 2001 vom 22.12.2003, die Einspruchsentscheidung und die im Laufe des Verfahrens eingereichten und ausgetauschten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Die Eltern der Klägerin wurden mit Beweisbeschluss vom 20.04.2007 schriftlich als Zeugen befragt. Auf deren Beantwortung der Beweisfragen wird verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

II. Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte war nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, soweit die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide endgültig ergangen waren, und im Übrigen nach § 164 Abs. 2 AO zu den vorgenommenen geänderten Steuerfestsetzungen berechtigt, da die Kläger weder ein anzuerkennendes Mietverhältnis nachgewiesen haben, noch dem Kläger der Nachweis von weiteren Fahrtkosten 1999 gelungen ist.

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann; es kann sich handeln um Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Eine irrtümlich falsche rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts ist keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache. Wird eine Tatsache nachträglich dem Finanzamt bekannt, so ist nach ständiger Rechtsprechung eine Änderung des Bescheides nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn diese Tatsache dem Finanzamt bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht (§ 88 AO) nicht verborgen geblieben wäre. Eindeutigen Steuererklärungen braucht das Finanzamt allerdings nicht mit Misstrauen zu begegnen, es kann regelmäßig von deren Richtigkeit ausgehen. Nur wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen aufdrängen, ist das Finanzamt zu Ermittlungen verpflichtet. Andererseits muss auch der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten (§ 90 AO) erfüllt haben. Haben es sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann. Die Ermittlungspflicht verstärkt sich im Allgemeinen nur bei Unklarheiten und Zweifeln, die sich aus der Erklärung selbst ergeben. Der Umfang der beiderseitigen Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. So löst die Erwähnung von Verträgen, die erklärten Einkünften zu Grunde liegen, für sich allein noch keine Verpflichtung des Finanzamts aus, diese Verträge anzufordern. Dies gilt auch dann, wenn an der Erstellung der Steuererklärung kein Angehöriger eines steuerberatenden Berufes mitgewirkt hat (Bundesfinanzhof -BFH-Urteil vom 07.07.2004 XI R 10/03, BStBl II 2004, 911).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt kein Ermittlungsverschulden des Beklagten vor. Insbesondere trifft nicht zu, dass der Beklagte aus der Einkommensteuererklärung 1995 oder zu einem späteren Zeitpunkt hätte erkennen können, dass es sich um ein Angehörigenmietverhältnis handelt. Nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt auch kein Ermittlungsverschulden deshalb vor, weil sich der Beklagte den Mietvertrag nie vorlegen ließ, sondern die Verluste erklärungsgemäß anerkannt hat.

b) Das Mietverhältnis der Kläger mit den Eltern der Klägerin war nicht anzuerkennen.

Mietverträge zwischen nahen Angehörigen -zu denen auch Geschwister und Verschwägerte gehören -sind in der Regel der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich). Maßgebend ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, bei der Prüfung eines Mietverhältnisses zwischen nahen Angehörigen am Maßstab des Fremdvergleichs eine Gesamtwürdigung der Beweisanzeichen des jeweiligen Sachverhalts vorzunehmen, bei der einzelnen Beweisanzeichen unterschiedliches Gewicht zukommen kann (BFH-Urteil vom 27.07.2004 IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192). Nicht jede Abweichung vom Üblichen schließt die steuerliche Anerkennung eines Vertrages unter Angehörigen aus. Je mehr Umstände aber auf eine private Veranlassung hindeuten, desto strengere Anforderungen sind an den Fremdvergleich zu stellen (BFH-Beschluss vom 03.01.2006 IX B 182/04, BFH/NV 2006, 711).

Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, ist dem vorliegenden Mietverhältnis die steuerliche Anerkennung zu versagen. Die Eltern der Klägerin haben in ihren schriftlichen Zeugenaussagen angegeben, sie hätten ihre Tochter drei bis vier Monate jährlich besucht, um die Enkelkinder zu sehen und um ihre Tochter bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Dies sei aufgrund der häufigen Abwesenheit des Klägers erforderlich gewesen, und hierfür hätten sie die Dachgeschosswohnung als Zweitwohnung angemietet. Der Senat hält ein derartiges Mietverhältnis grundsätzlich auch für einkommensteuerlich beachtlich, sofern es den Maßstäben des Fremdvergleichs standhält. Dies ist jedoch nicht der Fall. Gegen eine Vermietung wie unter Fremden spricht eine Vielzahl von Umständen. So konnten die Kläger keinerlei Mietzahlungen nachweisen, obwohl die Miete laut Mietvertrag auf ihr Konto zu überweisen gewesen wäre. Auch für die Zeit der Nutzungsüberlassung an die Schwester der Klägerin konnten die Kläger keine Mietüberweisungen belegen. Ihr Vortrag, die Miete sei von den (Schwieger-)Eltern bar übergeben worden, widerspricht jedenfalls dem Vertragstext. Ein Nachweis der Zahlungen ist auch deshalb unverzichtbar, weil weitere Verträge zwischen den Klägern und den Zeugen bestanden (zinsloses Darlehen über 130.000 DM), die neben dem Angehörigenverhältnis einen weiteren Grund für eine kostenlose Nutzungsüberlassung zu den Besuchszeiten geboten hätten.

Weiter waren zwar eine Nebenkostenzahlung und eine jährliche Abrechnung vereinbart, diese Abrechnung wurde jedoch nie durchgeführt. Über die Höhe der Miete und der Nebenkosten bestand auch keine Klarheit, denn die Kläger geben in den Einkommensteuererklärungen Einnahmen von 5.400 DM zzgl. Nebenkosten von 1.800 DM jährlich an, wogegen die vereinbarte Miete 500 DM und die Nebenkosten 100 DM monatlich betragen sollten.

Besonders schwer wiegt jedoch, dass das Dachgeschoss bei Beginn des Mietverhältnisses offensichtlich noch nicht ausgebaut war (vgl. Baufertigstellungsanzeige vom 20.12.1994: "Dachgeschoss noch nicht ausgebaut" und Aufstellung der nachträglichen Herstellungskosten als Anlage zur Einkommensteuererklärung 1995), dass sich im Dachgeschoss keine Küche befand (die ursprünglich bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung aufgeführte Kücheneinrichtung stellte die Küche der Klägerin dar), dass das Mietverhältnis ohne formelle Kündigung beendet wurde und dass die Wohnung in erheblichem Umfang an fremde Dritte überlassen wurde. Die glaubhaften Zeugenaussagen belegen, dass die Familien ... und ... die Wohnung gelegentlich bzw. dauerhaft zum Aufenthalt genutzt haben; dies hat die Klägerin gegenüber dem Prüfer nach Aktenlage ebenso dargestellt. Folglich kann von einer Überlassung "nur pro forma" keine Rede sein. Die Familien ... (4 Personen) und ... (2 Personen) waren in der Wohnung gemeldet, ebenso die Schwester der Klägerin. Bei dieser Sachlage erscheint auch das Argument der Zeugen, sie hätten sich Anfang 1996 nur abgemeldet, um Müllgebühren zu sparen, als unglaubwürdig.

Bei Würdigung der Gesamtumstände stellt sich die Wohnraumüberlassung demnach als eine Besuchszwecken dienende Unterbringung naher Angehöriger und nicht als entgeltliches, einkommensteuerlich anzuerkennendes Mietverhältnis dar.

c) Werbungskosten des Klägers für Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte von Oktober bis Dezember 1999 waren nicht zu berücksichtigen. Der Senat bezieht sich insoweit auf die Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung betreffend Einkommensteuer 1999 vom 19.12.2005, Seiten 5/6, und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO).

d) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück