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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: 1 K 4221/03 G,F
Rechtsgebiete: EStG, FördG


Vorschriften:

FördG § 4
EStG § 4 Abs 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 27.04.2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein für Investitionen in abnutzbare Wirtschaftsgüter gewährter öffentlicher Zuschuss im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die AfA-Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Festsetzung oder der Zahlung mindert und ob daher die Fördergebiets-AfA nach dem gekürzten oder ungekürzten Betrag zu ermitteln ist.

Die Kläger (Kl.) sind Beteiligte der T /C GbR (GbR; Klin.). Sie erzielt gewerbliche Einkünfte aus der Vermietung einer Ferienanlage und ermittelt ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-/Überschussrechnung.

Die GbR erwarb im Jahr 1995 eine alte Schule in ... (...) und baute sie in den Jahren 1995 - 1997 zu einer Ferienanlage um. Im Zuge des Umbaus sind Herstellungskosten in Höhe von 1.541.184 DM und Anschaffungskosten für das Inventar von 527.510 DM entstanden.

Mit Bewilligungsbescheid vom 10.06.1997 gewährte der Freistaat ..., vertreten durch die U Bank, der GbR einen öffentlichen Zuschuss in Höhe von 840.000 DM. Bezuschusst wurden die baulichen Investitionen sowie die Einrichtung des Objektes, nicht jedoch der Erwerb des Schulgebäudes. Die U Bank zahlte die Mittel in zwei Raten aus. Im Jahr 1998 erfolgte eine Auszahlung in Höhe von 601.600 DM. Weitere 238.400 DM gingen bei der GbR im Jahr 1999 ein.

Der Investitionszuschuss wurde zweckgebunden gewährt. Das Objekt muss ab dem Investitionsende über 10 Jahre fremdenverkehrsgewerblich genutzt werden. Mit Abschluss der Investitionen zum 31.12.1997 müssen zwei dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen und für mindestens fünf Jahre tatsächlich besetzt oder dauerhaft auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden.

Die GbR verteilte den Zuschuss im Jahr der Zahlung auf die Anschaffungskosten des Grund und Bodens, des Gebäudes und des Inventars sowie auf die nachträglichen Herstellungskosten. Die Fördergebiets-AfA hatte sie auf der Basis der nicht um den Zuschuss gekürzten Bemessungsgrundlage vorgenommen.

Im Rahmen einer im Jahr 2002 durchgeführten Betriebsprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, der Zuschuss dürfte entsprechend dem Bewilligungsbescheid nur auf die baulichen Investitionen und das Inventar aufgeteilt werden. Darüber hinaus sei die AfA-Bemessungsgrundlage des Gebäudes und des Inventars bereits im Jahr der Bewilligung (1997) um den Zuschuss zu mindern. Auf den späteren Zufluss der Geldbeträge sei auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht abzustellen.

Diese Rechtsauffassung hatte zur Folge, dass die Fördergebiets-AfA nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b Fördergebietsgesetz (FördG) nach Kürzung um den Zuschuss vorgenommen wurde. Wegen der Einzelheiten der Ermittlung wird auf den Bp-Bericht vom 13.01.2003 (Tz. 2.2, 2.3, Anlagen 1-3) Bezug genommen.

Der Beklagte (Bekl.) änderte im Anschluss an die Betriebsprüfung die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Jahre 1997 bis 2000 sowie die Bescheide über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1997 und 1998.

Zur Begründung der dagegen erhobenen Einsprüche machten die Kl. geltend, eine Kürzung der AfA-Bemessungsgrundlage habe erst im Zeitpunkt der Zuschussauszahlung zu erfolgen. Bei Zuschussbewilligung habe nicht festgestanden, ob und ab wann die Mittel tatsächlich zur Verfügung gestellt werden könnten. Dies sei von der jeweiligen Haushaltslage des Landes abhängig gewesen und habe durch die Kl. nicht beeinflusst werden können. Veränderungen der Zuschusshöhe seien weiterhin möglich, falls die Kl. sich nicht an die Bedingungen der Gewährung hielten. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass es aufgrund schlechter Belegung der Ferienanlage nicht möglich gewesen sei, zwei Mitarbeiter fest anzustellen.

Der Bekl. wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 24.07.2003 zurück. Der Zeitpunkt der Zuschusszahlung sei steuerlich unerheblich. Seien Zuschussbeträge zurückzuzahlen, sei die AfA-Bemessungsgrundlage vom Jahr des Entstehens der Rückzahlungsverpflichtung an um den Rückzahlungsbetrag zu erhöhen. Gleiches hätte für den - nicht eingetretenen - Fall der Nichtauszahlung des Zuschusses gegolten. Im Übrigen verwies der Bekl. auf den Bp-Bericht.

Gegen die EE erhoben die Kl. durch Schreiben vom 30.07.2003 Klage. In Ergänzung ihres Vortrags aus dem Vorverfahren führen sie aus, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG lasse ein Vorziehen von Erträgen oder Aufwendungen nicht zu, da das Zufluss-/Abflussprinzip gelte. Nach dem Zuflussprinzip könne der Zuschuss erst in den Jahren 1998 bzw. 1999 berücksichtigt werden.

Es sei zu würdigen, dass die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich die Möglichkeit eröffne, vor dem Hintergrund der Zweckbindung des Zuschusses eine Rückstellung zu bilden und diese entsprechend erfolgswirksam aufzulösen. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sei die Bildung einer Rückstellung ausgeschlossen. Wegen dieses Unterschiedes der beiden Gewinnermittlungsarten müsse für die Behandlung des Zuschusses im Streitfall das strenge Zuflussprinzip gelten.

Die Kl. beantragen,

unter Aufhebung der EE vom 24.07.2003 die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte und die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1997 - 2000 sowie die Bescheide über die Feststellung des vortagsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1997 und 31.12.1998 dahingehend zu ändern, dass der Zuschuss entsprechend seinem Zufluss in den Jahren 1998 und 1999 die Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten mindert,

hilfsweise, im Unterliegensfall,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die EE.

Am 18.03.2004 hat der Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Senat hat am 27.04.2005 mündlich verhandelt. Auf die Protokolle wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Bekl. ist zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Freistaat ... gewährte Investitionszuschuss bereits im Jahr 1997, dem Jahr der Bewilligung, die AfA-Bemessungsgrundlage der Wirtschaftsgüter "Gebäude" und "Inventar" mindert und die Fördergebiets-AfA nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b FördG von den um den bewilligten Zuschuss verringerten Bemessungsgrundlagen vorzunehmen ist.

Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist eine reine Geldrechnung, die nach dem Zu- und Abflussprinzip (§ 11 Abs. 1, 2 EStG) durchgeführt wird. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG, der einen Vorrang der AfA-Vorschriften vor § 11 EStG anordnet. Im Rahmen der Einnahme/Überschuss-Rechnung sind die Vorschriften über die AfA oder Substanzverringerung zu befolgen, die ihrerseits den Ansatz der Anschaffungs- und Herstellungskosten gemäß § 6 EStG voraussetzen. Für den Abzug der AfA sind daher bilanzsteuerrechtliche Grundsätze maßgebend (BFH, Urteil vom 16. April 2002 IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152 zu Überschusseinkünften). Die Anschaffungs-/Herstellungskosten wirken sich nur über die AfA gewinnmindernd aus (Heinicke in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 4 Rz. 392, Wacker in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4 EStG, Rz. 33; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 D 163).

Zu den Ausprägungen des Realisationsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB) gehört das Anschaffungskostenprinzip. Es besagt, dass Anschaffungs- und Herstellungskosten gewinnneutral behandelt werden sollen. Daraus folgt u.a., dass Minderungen der Anschaffungskosten von diesen abzusetzen sind (§ 255 Abs. 1 Satz 3 HGB). Das gilt nach dem Sinn und Zweck des Anschaffungskostenprinzips auch für Investitionszuschüsse Dritter (BFH, Urteil vom 23. März 1995 IV R 58/94, BFHE 177, 385, BStBl II 1995, 702 m.w.N.; der X. Senat des BFH - Urteil vom 22. Januar 1992 X R 23/89, BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488 - will ein Wahlrecht zwischen sofortiger Gewinnerhöhung und Absetzung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten annehmen. Ob ein solches Wahlrecht besteht, kann im Streitfall dahinstehen, weil die Kläger die Absetzung von den Herstellungskosten wünschen).

Daher ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Zeitpunkt der Vornahme von AfA bereits gezahlt hat (BFH, Urteil vom 16. April 2002 IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152; vom 16. Januar 1996 IX R 60/94, BFH/NV 1996, 600).

Kommt es aber für die Anschaffungs-/Herstellungskosten nicht auf deren Zahlung an, muss das gleiche im Fall der Anschaffungs-/Herstellungskostenminderung gelten. Die AfA-Bemessungsgrundlage ist nicht erst im Zeitpunkt der Zahlung, sondern im Zeitpunkt der Bewilligung der öffentlichen Zuschüsse zu mindern (Drenseck in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 7 Rz. 63, R 43 Abs. 4 Satz 2, R 163 Abs. 1 Satz 2 EStR). Im Streitfall sind im Ergebnis die vom Steuerpflichtigen getragenen Herstellungskosten Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen.

Im Anwendungsbereich des Fördergebietsgesetzes gilt nichts anderes. Insbesondere gilt kein vom allgemeinen abweichender Herstellungskostenbegriff. Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FördG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Wenn § 4 Abs. 2 FördG Sonderabschreibungen auf Anzahlungen und Teilherstellungskosten zulässt, wird lediglich der Zeitpunkt vorgezogen, zu dem Sonderabschreibungen vorgenommen werden können. Das auf der Basis der Anschaffungs-/Herstellungskosten gebildete Gesamtabschreibungsvolumen wird nicht erhöht (§ 7 a Abs. 2 Satz 2 EStG).

Sollten die Kl. zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichtet sein, weil sie die Voraussetzungen für deren Gewährung nicht erfüllen, ist die AfA-Bemessungsgrundlage vom Entstehungszeitpunkt der Rückführungsverpflichtung an entsprechend zu erhöhen.

Dass es im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG keine Möglichkeit zur Bildung einer Rückstellung für etwaige Rückzahlungsverpflichtungen aufgrund zweckwidrigen Verhaltens gibt, ist eine Folge der Besonderheiten der Einnahme/Überschuss-Rechnung als Geldrechnung. Der Gesetzgeber hat für Rückstellungen - anders als für den Bereich der Abschreibungen - keine Ausnahmen vom Zufluss-/Abfluss-Prinzip vorgesehen. Wenn ein Steuerpflichtiger sich für diese Gewinnermittlungsart entscheidet, muss er deren Folgen insgesamt tragen.

Wegen der im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitigen Ermittlung der Fördergebiets-AfA verweist der Senat auf die Anlagen 1-3 zum Bp-Bericht vom 13.01.2003.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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