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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.01.2006
Aktenzeichen: 3 K 2563/03 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 60 Abs 1 Nr 4
ErbStG § 13a Abs 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit des

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 19.01.2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ...

Richterin am Finanzgericht ...

Richterin am Finanzgericht ...

Ehrenamtliche Richterin ...

Ehrenamtlicher Richter ...

aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Voraussetzungen des Nachversteuerungstatbestandes des § 13 a Abs. 5 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) im Streitfall erfüllt sind.

Der Vater des Klägers (Kl.), N. X. war alleiniger Gesellschafter der Eisengießerei F. GmbH. Mit Vertrag vom 22.01.1998 schenkte er dem Kl. die gesamten Geschäftsanteile an der GmbH. Die Schenkung erfolgte unter dem Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchs zu Gunsten des Vaters des Kl. Nach seinem Tod sollte der Nießbrauch seiner Ehefrau bzw. der Mutter des Kl. zustehen. Weiter ist in dem Schenkungsvertrag die Erklärung enthalten, dass der Freibetrag für Betriebsvermögen mit dieser Schenkung ausgeschöpft werden solle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Vertrag vom 22.01.1998 (URNr. 38/1998 des Rechtsanwalt R. als amtlich bestellter Vertreter des Notars N. in A-Stadt).

Zum Vermögen der Eisengießerei F. GmbH gehörte das Grundstück, auf dem die Eisengießerei betrieben worden ist.

Das Finanzamt (FA) folgte der Ermittlung des Werts des Erwerbs des Kl. in der Erbschaftsteuererklärung und setzte die Schenkungsteuer unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 16 ErbStG i.H.v. 400.000 DM und unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 13 a ErbStG i.H.v. 612.269 DM auf 0 DM fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schenkungsteuerbescheid vom 20.07.1999 Bezug genommen, der nach § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich des Umfangs und der wertbildenden Eigenschaften des anzusetzenden Betriebsvermögens für vorläufig erklärt worden war.

Mit Bescheiden vom 14.09.2000 und vom 20.09.2000 änderte das FA den Schenkungsteuerbescheid erneut aus hier nicht streitigen Punkten. Es setzte die Schenkungsteuer von einem Wert des Erwerbs von 496.000 DM unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 16 ErbStG i.H.v. 400.000 DM und nach Berücksichtigung des Freibetrags nach § 13 a i.H.v. 496.000 DM weiterhin auf 0 DM fest. Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO für endgültig erklärt worden.

Mit Schreiben vom 18.06.2001 teilte der Kl. dem FA mit, dass sich die Eisengießerei F. GmbH im Insolvenzverfahren befinde. Der Insolvenzverwalter veräußerte das Betriebsgrundstück mit aufstehenden Gebäuden und Betriebsvorrichtungen mit Vertrag vom 15.08.2001.

Das FA vertrat die Auffassung, dass in der Veräußerung des Betriebsgrundstücks durch den Insolvenzverwalter ein Verstoß gegen die Behaltensvorschrift des § 13 a Abs. 4 ErbStG liege. Es änderte den Schenkungsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO und setzte die Schenkungsteuer von einem Wert des Erwerbs von 496.000 DM unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 16 ErbStG i.H.v. 400.000 DM von einem steuerpflichtigen Erwerb von 96.000 DM auf 6.720 DM fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schenkungsteuerbescheid vom 21.02.2003 Bezug genommen.

Der Kl. legte gegen den Schenkungsteuerbescheid Einspruch ein. Der Einspruch blieb unbegründet. Bereits am 17.02.2003 hatte der Kl., nachdem die beabsichtigte Änderung des Schenkungsteuerbescheids angekündigt worden war, mitgeteilt, er werde auf jeden Fall Einspruch einlegen, da er keine Steuer für ein wertloses Geschenk zahlen wolle; auf die telefonische Notiz der Sacharbeiterin des FA wird hingewiesen.

In einem weiteren Gespräch vom 03.04.2003 teilte er der Sachbearbeiterin des FA mit, dass er die fehlende Einspruchsbegründung nicht einreichen wolle. Er wolle direkt eine Einspruchsentscheidung (EE) und dann nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt entscheiden, ob er dagegen klagen werde. Auf die Telefonnotiz wird hingewiesen.

Mit EE vom 09.04.2003 hat das FA den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Es seien wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert worden, damit habe der Kl. freibetragsschädlich gem. § 13 a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG über das Betriebsvermögen verfügt.

Der Kl. erhob Klage. Das FA habe über den Einspruch entschieden, ohne die angekündigte Einspruchsbegründung abzuwarten.

Die Voraussetzungen von § 13 a Abs. 5 ErbStG seien im Übrigen im Streitfall nicht erfüllt. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, eine freiwillige und willentliche Verfügung des Beschenkten über den Schenkungsgegenstand innerhalb der Fünfjahresfrist zu sanktionieren. Er als Beschenkter habe aber nicht freiwillig und willentlich verfügt. Das Amtsgericht A-Stadt habe durch Beschlüsse vom 15.02.2000 und 01.04.2000 auf seinen Antrag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und den Steuerberater S. zunächst zum vorläufigen und schließlich zum eigentlichen Insolvenzverwalter bestellt. Die rechtliche Verfügungsmacht über das Betriebsvermögen und damit auch über das zugehörige Betriebsgrundstück seien folglich auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Der Insolvenzverwalter habe das Betriebsgrundstück am 15.08.2001 veräußert. Es entspreche nicht dem Sinn und Zweck von § 13 a ErbStG, dass es von einer Handlung des Insolvenzverwalters abhänge, ob die Privilegierung wegfalle; insbesondere könne der Insolvenzverwalter selbst entscheiden, ob er vor Ablauf der fünfjährigen Bindungsfrist veräußere oder danach. Es entspreche nicht der gesetzgeberischen Intention, solche zufallsabhängigen Ergebnisse hinsichtlich des rechtlichen Schicksals des Steuerschuldners zuzulassen. Auch die im Zusammenhang mit der Privilegierung des Erwerbers von Betriebsvermögen oftmals genannte Sozialgebundenheit des erworbenen Vermögensgegenstandes im Hinblick auf die bestehenden Arbeitsplätze bewirke kein anderes rechtliches Ergebnis. So sei es zum einen denkbar, dass die Arbeitsplätze im Falle der Fortführungsprognose gleichwohl erhalten blieben, auch wenn wie im Streitfall das Betriebsvermögen verkauft werde. Ebenso sei es denkbar, dass ein Erwerber von Betriebsvermögen grundsätzlich privilegiert werde, obwohl eine Sozialbindung des Betriebsvermögens zu Arbeitsplätzen gar nicht bestehe, weil es sich um eine sogenannte Ein-Mann-GmbH handele. Entscheidend sei im Streitfall, dass bei Veräußerung von Betriebsvermögen durch den Insolvenzverwalter das wirtschaftliche Ergebnis allein der Insolvenzmasse zugute komme, sich mithin an der Situation der verminderten Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners nichts ändere. Der Steuerschuldner könne auf die Veräußerung keinerlei Einfluss nehmen.

Der Kl. beantragt,

den Bescheid vom 21.02.2003 und die EE vom 09.04.2003 aufzuheben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Anwendung der Missbrauchsklausel nach § 13 a Abs. 5 ErbStG richte sich ausschließlich danach, ob einer der dort aufgeführten Tatbestände objektiv erfüllt sei. Auf die Motive des Erwerbers, über das übertragene Vermögen im Sinne der Tatbestände von § 13 a Abs. 5 ErbStG zu verfügen, komme es nicht an. Notverkäufe, Konkurs und Insolvenz verhinderten die Anwendung der Missbrauchsklausel nicht, soweit der Tatbestand objektiv erfüllt sei. Entgegen der Auffassung des Kl. sei es nicht Sinn und Zweck der Vorschrift, freiwillige und willentliche Verfügungen zu sanktionieren. Es sei deswegen unerheblich, dass die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht durch den Kl. sondern durch den Insolvenzverwalter erfolgt sei. Veräußerungen durch den Insolvenzverwalter stünden Veräußerungen durch den Betriebsinhaber gleich, wie dies der BFH in seinem Urteil vom 03.07.1991 X R 163-164/87, X R 163/87, X R 164/87, BStBl. II 1991, 802 für das Ertragssteuerrecht entschieden habe. Für die Erbschaftsteuer gelte nichts anderes.

Der Senat hat am 19.01.2006 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Das FA durfte entgegen der Auffassung des Kl. über den Einspruch entscheiden, ohne eine Einspruchsbegründung des Kl. abzuwarten, nachdem er telefonisch mitgeteilt hatte, er werde den Einspruch nicht begründen, sondern nach Erhalt der Einspruchsentscheidung entscheiden, ob er klagen werde.

Das FA hat die Gewährung des Freibetrags und des Bewertungsabschlags für das Betriebsvermögen zu Recht gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO rückgängig gemacht und die Erbschaftsteuer dementsprechend festgesetzt.

Gem. § 13 a Abs. 5 Nr. 4 Satz 1 ErbStG fallen der Freibetrag und der verminderte Wertansatz mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne des Abs. 4 ganz oder teilweise veräußert. Gleiches gilt gem. § 13 a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb der Frist aufgelöst oder ihr Nennkapital herabgesetzt wird, wenn diese wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert und das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird oder wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft auf eine andere Personengesellschaft, eine natürliche Person oder eine andere Körperschaft übertragen wird.

Im Streitfall ist die GmbH, deren Anteile dem Kl. von seinem Vater geschenkt worden sind, innerhalb der Fünfjahresfrist aufgelöst worden. Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 01.04.2000 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden. Nach § 60 Abs.1 Nr. 4 GmbH-Gesetz wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Die Voraussetzungen für den Wegfall des Freibetrags und des verminderten Wertansatzes im Sinne von § 13 a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG sind damit erfüllt.

Der Senat teilt nicht die vom Kl. vertretene Auffassung, § 13 Abs. 5 Nr. 4 ErbStG sei entgegen den Wortlaut einschränkend auszulegen, wenn die Auflösung der GmbH im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erzwungenermaßen erfolge. Die Kommentierungen zu § 13 a Abs. 4 ErbStG gehen überwiegend davon aus, dass es für den Wegfall des Freibetrags ohne Belang ist, welche Ursachen oder Motive für die Veräußerung bzw. die Aufgabe von ererbtem BV vorliegen (Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 13 a Rz. 111; Meincke, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 22; Kapp/Ebeling, Erbschaft und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 116). Jülicher erscheint allerdings im Fall der Insolvenz der Kapitalgesellschaft die Nachsteuer nicht gerechtfertigt (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Kommentar, § 13 a Tz. 335). Er begründet dies damit, dass sich die Leistungsfähigkeit des vormals begünstigten Erwerbes durch die Insolvenz nicht erhöhe.

Nach Auffassung des Senat erfasst der Nachversteuerungstatbestand des § 13 Abs. 5 Nr. 4 ErbStG auch die Auflösung der Kapitalgesellschaft innerhalb der Behaltensfrist durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gründe, den Betriebsvermögensfreibetrag und den Bewertungsabschlag trotz Auflösung der Kapitalgesellschaft zu gewähren, liegen nicht vor. Der Senat hat bereits im Urteil vom 19.07.2001 (3 K 2387/98 Erb, EFG 2001, 1511 rechtskräftig) und im Beschluss vom 18.02.2004 (3 V 6258/03 Erb, JURIS DokumentNr: STRE200471618, a.A. im Beschwerdeverfahren BFH, Beschluss vom 07.07.2004 II B 32/04, BStBl II 2004, 747) die Auffassung vertreten, dass auch im Fall eines Konkurses bzw. einer Insolvenz der Nachversteuerungstatbestand des § 13 a Abs. 5 ErbStG bzw. des § 13 Abs. 2 a ErbStG a.F. erfüllt ist.

Der BFH hat mit Urteil vom 16.02.2005 (II R 39/03, BStBl II 2005, 571) entschieden, dass der Wegfall der Steuerbegünstigung nach § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG a.F. unabhängig davon eintritt, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde; eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestandes komme insoweit nicht in Betracht. Wegen der weiteren Begründung nimmt der Senat auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen im Urteil des BFH vom 16.02.2005 II R 39/03, BStBl. II 2005, 571 unter II 2 a - c Bezug.

Der BFH hatte allerdings einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem eine KG, an der der Steuerpflichtige als Kommanditist beteiligt war, ihre Produktion eingestellt, sämtliche Arbeitnehmer entlassen und ihr Vermögen einschließlich des Betriebsgrundstücks an verschiedene Erwerber veräußert hatte. Im letzten Absatz der Entscheidung heißt es: "Soweit der Senat in seinem Beschluss in BFHE 206, 370, BStBl II 2004, 747 (unter II. 3.) bei lediglich summarischer Prüfung eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestandes in Betracht gezogen hat, hält er daran nicht mehr fest." Daraus schließt der Senat, dass der BFH auch für Insolvenzfälle den Nachversteuerungstatbestand anwenden will.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Revision zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da - wie oben ausgeführt - eine eindeutige Entscheidung des BFH zur Frage der Anwendbarkeit des § 13 a Abs. 5 ErbStG in den Fällen der Insolvenz noch nicht vorliegt.

Ende der Entscheidung

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