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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 46/05
Rechtsgebiete: JVEG


Vorschriften:

JVEG § 4
JVEG § 4 Abs. 1
JVEG § 8 Abs. 1 Ziff. 1
JVEG § 8 Abs. 2 Satz 1
JVEG § 9
JVEG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 4 Sa 46/05

Stuttgart, den 19.12.2006

In der Rechtssache

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter ohne mündliche Verhandlung am 19.12.2006

beschlossen:

Tenor:

Die Vergütung des Beteiligten Ziff. 1, die diesem für sein am 16.10.2006 erstelltes Gutachten zusteht, wird auf € 1.154,27 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte Ziff. 1, der im vorliegenden Berufungsverfahren bestellte Sachverständige (im Folgenden: Sachverständiger), begehrt die gerichtliche Festsetzung seiner Vergütung.

Zwischen den Beteiligten Ziff. 3 (Arbeitgeber/Beklagte, im Folgenden: Beklagte) und 4 (Arbeitnehmer/Kläger, im Folgenden: Kläger) war in der Berufungsinstanz ein Kündigungsschutzrechtsstreit anhängig. In dessen Rahmen stritten die Beteiligten Ziff. 3 und 4 darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.09.2004 mit Ablauf des 30.04.2005 geendet hat. Kündigungsgrund waren krankheitsbedingte Fehlzeiten des Klägers ab dem Jahr 2000. Ab dem 02.06.2003 war der Kläger - jedenfalls nahezu - durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeit beruhte auf einem LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, einer Cervicobrachialgie und einer endoreaktiven Depression. Während der Arbeitsunfähigkeit fanden eine Rehabilitationsmaßnahme sowie zwei Wiedereingliederungsmaßnahmen statt. Nach der letzten Wiedereingliederungsmaßnahme war der Kläger weiterhin arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit endete erst am 06.10.2004, d.h. kurze Zeit nach Ausspruch der Kündigung vom 28.09.2004.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei im Zeitpunkt der Kündigung vom 28.09.2004 aufgrund seiner Erkrankung auf Dauer außer Stande gewesen, seine vertragsgemäße Leistung als Sachbearbeiter zu erbringen. Der Kläger hat dieses Vorbringen bestritten. Mit Beschluss vom 12.12.2005 beschloss die Berufungskammer, über die bestrittene Behauptung der Beklagten, der Kläger sei im Zeitpunkt vom 28.09.2004 auf Dauer außer Stande gewesen, seine vertragsgemäße Leistung als Sachbearbeiter zu erbringen, durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben. Mit Beschluss vom 09.05.2006 wurde der Beweisbeschluss im Anschluss an einen Hilfsantrag des Klägers dahingehend ergänzt, dass sich die Begutachtung auch auf die Frage beziehen solle, ob bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.04.2005 von einer positiven gesundheitlichen Prognose auszugehen war.

Mit Beschluss vom 11.07.2006 beauftragte der Vorsitzende Herrn Dr. Hans Joachim Bülow, Arzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin beim Bundeswehrkrankenhaus Ulm mit der Erstattung des Sachverständigengutachtens. Der Kläger übersandte dem Sachverständigen hierzu die Befundunterlagen der ihn behandelnden Ärzte. Unter dem Datum des 16.10.2006 erstattete der Sachverständige ein fachorthopädisches Gutachten, das 26 Seiten umfasste. Der Sachverständige befasste sich hierin mit dem Sachverhalt und der Beweisfrage (Seite 2-4), mit den Vorgutachten und Befundberichten (Seite 5-10), mit der Vorgeschichte der jetzigen Erkrankung (Seite 11-13), mit den Befunden (Seite 13-22) und mit der Beurteilung (Seite 23-26).

Für seine Tätigkeit rechnete der Sachverständige mit Schreiben vom 16.10.2006 insgesamt 16 Stunden mit einem Stundensatz von € 80,00 zuzüglich Porto und Schreibgebühren, insgesamt einschließlich Umsatzsteuer € 1.524,66 ab. Mit Berechnung vom 25.10.2006 setzte die Kostenbeamtin die Sachverständigenvergütung auf € 1.154,27 einschließlich Umsatzsteuer fest. Sie legte hierbei die vom Sachverständigen angegebenen Tätigkeitsstunden zugrunde, ging jedoch von einem Stundensatz nach der Honorargruppe M 2 in Höhe von € 60,00 aus.

Mit Schreiben vom 02.11.2006 teilte der Sachverständige mit, dass er mit der Berechnung nicht einverstanden sei. Es habe sich um eine schwierige Fragestellung gehandelt. Es habe gegolten, bei einem multimorbiden Patienten für einen mehrere Jahre zurückliegenden Zeitraum die Prognose bezüglich der Arbeitsfähigkeit zu ermitteln. Diese Fragestellung komme in vollem Umfang einer Kausalitätsbeurteilung für die gesetzliche Unfallversicherung gleich, eine Fragestellung, die nach der Honorargruppe M 3 vergütet werde. Daher beantrage er die richterliche Festsetzung nach § 4 JVEG.

Mit Verfügung vom 06.11.2006 erhielten die Beteiligten Ziff. 3 und 4 sowie der Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht als Beteiligter Ziff. 2 die Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Bezirksrevisor hat mit Aktenvermerk vom 13.11.2006 mitgeteilt, dass er eine Abrechnung nach der Honorargruppe M 2 für angemessen und ausreichend halte. Die Beteiligten Ziff. 3 und 4 haben sich nicht geäußert.

II.

Die Vergütung des Sachverständigen ist - wie von der Kostenbeamtin berechnet - auf € 1.154,27 einschließlich Umsatzsteuer festzusetzen.

1. Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung eines Sachverständigen durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte die gerichtliche Festsetzung beantragt. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige die gerichtliche Festsetzung beantragt, und zwar mit der Begründung, der Stundensatz für seine Tätigkeit belaufe sich nicht auf € 60,00 (so die Kostenbeamtin), sondern auf € 80,00.

a) Nach § 8 Abs. 1 Ziff. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung u.a. ein Honorar für seine Leistungen. Die Höhe des Honorars ergibt sich aus § 9 Abs. 1 JVEG. Das in dieser Norm vorgesehene Honorargruppensystem ist aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718) mit Wirkung vom 01.07.2004 an die Stelle des bis dahin geltenden Systems einer Rahmenentschädigung mit Zuschlagsmöglichkeiten getreten. Hiermit verfolgte der Gesetzgeber die Absicht, ein neues leistungsgerechtes Vergütungsmodell zu schaffen. Für die am häufigsten in Anspruch genommenen Sachverständigenleistungen wurden insgesamt 13 Honorargruppen mit festen Stundensätzen geschaffen. Für die Sachverständigenleistungen auf medizinischem Gebiet wurden die Honorargruppen M 1 bis M 3 eingeführt. Die Zuordnung richtet sich nach dem konkreten Gegenstand des medizinischen Gutachtens. Hierbei hat der Gesetzgeber die Zuordnung nach den Vorschlägen der Bundesärztekammer vorgenommen (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 142, 182 und 186; ferner Meyer/Höver/Bach, JVEG, 23. Aufl., § 9 Rz. 9.3; Zimmermann, JVEG, § 9 Rz. 3 ff.).

b) In der Anlage 1 zum JVEG werden die medizinischen Gutachten je nach Schwierigkeitsgrad in die Honorargruppen M 1, M 2 und M 3 wie folgt eingeteilt.

M 1 einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere .... € 50,00

M 2 beschreibende (Ist-)Zustands-Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittilchem Schwierigkeitsgrad, insbesondere ... € 60,00 M 3 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzial-diagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere ... € 85,00

Der Gesetzgeber hat den abstrakten Begriffsdefinitionen der einzelnen Honorargruppen nach dem Wort "insbesondere" jeweils Beispielsfälle angefügt, um die Regelung praktisch handhabbarer zu machen. Ob es sich um Richt-/Regelbeispiele oder um Zuordnungen ohne Wertungsmöglichkeiten handelt, kann hier dahingestellt bleiben. Denn Begutachtungen im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen sind in den Beispielskatalogen nicht aufgeführt.

Bei der Zuordnung der Sachverständigenleistungen in eine der Honorargruppen ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber keine gleichmäßige Abstufung der Honorargruppen vorgenommen hat. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache a.a.O. S. 186) soll die Honorarstaffelung aufwandsbezogen ausgestaltet sein, d.h. je höher der Schwierigkeitsgrad, desto höher der Aufwand. Für den Honorarsprung von M 2 auf M 3 (€ 60,00 auf € 85,00) folgt hieraus, dass ein nach der Honorargruppe M 3 vergütetes Gutachten einen deutlich höheren Schwierigkeitsgrad aufweisen muss als ein nach der Honorargruppe M 2 vergütetes Gutachten. Es genügt hierbei nicht, dass ein schwieriges Gutachten in Auftrag geben wurde. Aus dem Gutachten selbst muss sich vielmehr ergeben, dass der Sachverständige den von der Honorargruppe M 3 geforderten hohen Schwierigkeitsgrad zu bewältigen hatte (LSG Baden-Württemberg, 15.09.2004 - L 12 U 3685/04; und vom 22.09.2004 - L 12 RJ 3686/04 - zitiert nach Juris).

c) Zu Sachverständigengutachten im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigung sind einschlägige Entscheidungen der Arbeitsgerichte nicht ersichtlich. Seit Inkrafttreten des neuen Vergütungssystems haben sich verständlicherweise vor allem die Sozialgerichte mit der Zuordnung von medizinischen Gutachten zu den Honorargruppen befasst. Gewisse Anhaltspunkte ergeben sich hieraus auch für Sachverständigengutachten zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen. In der Sozialgerichtsbarkeit werden im Wesentlichen zwei Arten von Gutachten unterschieden (LSG Baden-Württemberg, 22.09.2004, a.a.O.):

- Die sog. Zustandsgutachten zur Feststellung des Leistungsvermögens im Rahmen der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung oder im Bereich des Schwerbehindertenrechts, die Gutachten betreffend die Leidensverbesserung oder -verschlimmerung bei Neufeststellung in der gesetzlichen Unfallversicherung oder im sozialen Entschädigungsrecht sowie die Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern. Diese Gutachten sind sämtlich der Honorargruppe M 2 zuzuordnen.

- Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinandersetzen sowie Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. Diese Gutachten sind der Honorargruppe M 3 zuzuordnen.

Hiernach sind von den Sozialgerichten folgende Gutachten der Honorargruppe M 2 zugeordnet worden: Feststellung einer verminderten Erwerbsunfähigkeit (LSG Baden-Württemberg, 22.09.2004, a.a.O.; Thüringer LSG, 04.04.2005 - L 6 SF 83/05 -zitiert nach Juris), Gutachten zur Frage eines traumatischen Bandscheibenvorfalls (SG Gelsenkirchen, 20.01.2005 - S 21 AR 4/05 - zitiert nach Juris), Anerkennung einer Berufskrankheit (LSG Nordrhein-Westfalen, 25.02.2005 - L 4 B 7/04 - zitiert nach Juris), Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft (LSG Baden-Württemberg, 05.04.2005 - L 12 SB 795/05 - und SG Koblenz, 02.01.2006 - S 8 SB 460/05 - jeweils zitiert nach Juris) und Gutachten zur Feststellung des Leistungsvermögens bei einer Rentenversicherungsstreitigkeit (Hessisches LSG, 11.04.2005 - L 2/9 SF 82/04 - zitiert nach Juris).

d) Medizinische Sachverständigengutachten im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen erfordern regelmäßig ebenso wie die oben genannten sozialrechtlichen Gutachten zunächst die Erhebung eines gesundheitlichen Ist-Zustands. Die wesentliche Besonderheit der arbeitsrechtlichen Fragestellung liegt jedoch darin, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten eine Kündigung nur dann rechtfertigen können, wenn objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Aufgrund des kündigungsrechtlichen Prognoseprinzips kommt es nicht maßgebend auf die in der Vergangenheit angefallenen Fehlzeiten, sondern vielmehr darauf an, ob auch in der Zukunft mit betrieblichen Beeinträchtigungen zu rechnen ist. Es bedarf somit der Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose. Diese Prognose hat sich auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu beziehen. Da dieser Zeitpunkt in aller Regel mehrere Monate vor dem Zeitpunkt der Gutachtenvergabe liegt, handelt es sich um eine retrospektive Prognose. Die spätere Entwicklung einer Krankheit kann bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz weder zur Bestätigung noch zur Korrektur der Prognose herangezogen werden (vgl. nur BAG, 29.04.1999 - 2 AZR 431/98 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 36).

Zu diesem Prüfungsmaßstab haben Wendler/Mahle-Wendler/Schmahl (in: Das medizinische Gutachten im Kündigungsschutzprozess - eine kritische Analyse zum Beweisthema, Der medizinische Sachverständige 1992, S. 22 ff.) aus medizinischer Sicht u.a. folgendes ausgeführt:

"Die Prognose beruht letztlich auf der ärztliche Analyse eines multifaktoriellen Systems, in das mit unterschiedlicher Gewichtung neben Stadium und Verlauf der aktuellen Erkrankung(en) auch Parameter wie anamnestische Ereignisse mit evt. Residuen, die individuelle Therapie und die Compliance eingehen." / "Die retrospektive Prognose ist, unmittelbar einleuchtend, lediglich eine Hilfskonstruktion ..." / "Vom Gutachter wäre idealerweise zu fordern, dass er sein Wissen über den späteren Verlauf der Erkrankung kurzerhand ausblendet. Diese Forderung ist wirklichkeitsfremd."

Ähnlich formuliert Lepke aus arbeitsrechtlicher Sicht in seinem Standardwerk (Kündigung bei Krankheit, 12. Aufl. S. 186, vgl. auch S. 307):

"Eine Prognose ex post erscheint schon begrifflich ausgeschlossen und ist ein Widerspruch in sich." / "Auch ein medizinischer Sachverständiger wird hinsichtlich seiner Gesundheitsprognose die Entwicklung der Krankheit vom Zeitpunkt der Kündigung bis zur Erstattung des Gutachtens kaum völlig ausblenden können."

Diese Aussagen werden durch die Erfahrungen der gerichtlichen Praxis bestätigt. Regelmäßig beruhen krankheitsbedingten Fehlzeiten von Arbeitnehmern auf einer Mehrzahl von Erkrankungen. Die von den Arbeitsgerichten formulierte Beweisfrage kann bei dieser Sachlage nur allgemein dahin gefasst werden, ob bei dem betreffenden Arbeitnehmer auch in der Zukunft mit krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als 30 Arbeitstagen jährlich zu rechnen sei. Der medizinische Sachverständige soll aufgrund seiner besonderen Fachkunde dem Gericht das Wissen verschaffen, das zur Bildung der richterlichen Überzeugung notwendig ist. Er steht damit vor einer Aufgabe, die aus medizinischer Sicht mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist.

Aufgrund dieser besonderen Problematik und Schwierigkeit bei Begutachtungen im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen kann nach Auffassung der Kammer nicht angenommen werden, Gutachten zur Feststellung einer Gesundheitsprognose seien typischerweise der Honorargruppe M 2 zuzuordnen. Gerade aufgrund des Umstands, dass eine Aussage zur Gesundheitsprognose von zahlreichen Faktoren abhängig ist, wird es sich häufig um Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, also um ein Gutachten der Honorargruppe M 3 handeln. Hierauf weist auch der Klammerzusatz in der allgemeinen Begriffsdefinition der Honorargruppe M 3 hin, wonach ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad u.a. im Falle der Beurteilung einer Prognose vorliegen kann.

e) Im vorliegenden Fall ist die Kostenbeamtin jedoch zutreffend ausgegangen, dass das erstattete Gutachten nach der Honorargruppe M 2 zu vergüten ist. Der zu beurteilende Sachverhalt ist seinerseits durch mehrere Besonderheiten gekennzeichnet, die ihn vom typischen Fall einer Begutachtung im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen unterscheiden. An erster Stelle ist insoweit die eingegrenzte Beweisfrage zu nennen. Sie lautete nicht wie typischerweise dahingehend, ob künftig mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers von mehr als 30 Arbeitstagen jährlich zu rechnen sei, sondern beschränkte sich auf die Fragestellung, ob im Zeitpunkt der Kündigung bzw. ersatzweise im Zeitpunkt des Ablauf des Kündigungsfrist von einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit des Klägers ausgegangen werden konnte. Die weitere Besonderheit war, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung vom 28.09.2004 zwar mehr als 1 1/4 Jahre arbeitsunfähig erkrankt gewesen war, jedoch kurz nach Ausspruch der Kündigung (am 06.10.2004) die Arbeitsunfähigkeit geendet hatte. Der Kläger verrichtete die von ihm geschuldete Tätigkeit als Sachbearbeiter sodann ohne nennenswerte Fehlzeiten. Auch wenn nachträgliche eingetretene Entwicklungen nach der oben zitierten Rechtsprechung für die Prognose außer Betracht zu bleiben haben, legte dieser Umstand zumindest nahe, dass der Arbeitnehmer bereits im Zeitpunkt der Kündigung auf dem Weg der Genesung war. An letzter Stelle ist anzuführen, dass die Erkrankung des Klägers zwar auf mehrere Ursachen zurückzuführen war, sich die Begutachtung aber aufgrund des Fachgebiets des Sachverständigen auf den orthopädischen Aspekt beschränkte.

Der Sachverständige kam sodann auch aufgrund der von ihm vorgenommenen Untersuchung, der ihm vorliegenden Vorgutachten und Befundberichte sowie der Erhebung der Krankengeschichte zu dem eindeutigen Ergebnis, aus orthopädischer Sicht anamnestisch und auch nach Aktenlage hätten im Zeitpunkt der Kündigung nicht die geringsten Zweifel bestanden, dass die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers binnen kurzem wieder eintreten werde. Bereits im Jahr 2004 sei der Zustand nach Schultereckgelenksprengung weitgehend restituiert gewesen, so dass sich diesbezüglich nur geringe Belastungseinschränkungen ergäben. Für einen kaufmännischen Angestellten sei die Prognose bezüglich der Arbeitsfähigkeit/Erwerbsfähigkeit aus orthopädischer Sicht durchweg gut gewesen. Zum Zeitpunkt der genannten Kündigung sei außer Frage gestanden, dass Arbeitsfähigkeit binnen weniger Tage bis maximal Wochen wieder eintreten werde.

Würdigt man diese Feststellung/Prognose vor dem Hintergrund, dass die gesetzliche Honorarstaffel für die Zuordnung eines medizinischen Gutachtens zur Honorargruppe M 3 einen deutlich höheren Schwierigkeitsgrad als im Durchschnitt erfordert, so kann im vorliegenden Fall eine Zuordnung zur Honorargruppe M 3 nicht vorgenommen werden. Diese Feststellung soll die Leistung des Sachverständigen nicht schmälern. Sie ergibt sich ausschließlich aus den Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls. Der Sachverständige hat anlässlich der Untersuchung des Klägers zunächst eine typische Zustandsbegutachtung vorgenommen (Seite 13 bis 22 des Gutachtens). Nachdem eine "retrospektive Prognose" aus arbeitsrechtlicher Sicht gefordert war, hat er die von ihm getroffenen Feststellungen anhand der Vorgutachten und Befundberichte sowie der Angaben des Arbeitnehmers zur Krankengeschichte überprüft. Er gelangte daraufhin zum eindeutigen Ergebnis, dass die von ihm selbst getroffenen Feststellungen von den Vorbefunden in vollem Umfang bestätigt wurden. Hieraus folgte für den Sachverständigen ohne jeden Zweifel, dass im Zeitpunkt der Kündigung mit der kurzfristigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers zu rechnen war. Bei dieser Sachlage kann von einer Prognose, die mit einem hohen Schwierigkeitsgrad verbunden war, nicht gesprochen werden.

2. Die Kostenbeamtin hat die Vergütung des Sachverständigen auch im Hinblick auf die erforderliche Stundenzahl zutreffend errechnet.

a) Es folgt aus § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG, dass sich die Anzahl der zu vergütenden Stunden nicht daran orientiert, wie viele Stunden der Sachverständige zur Erstattung des Gutachtens aufgewandt hat, sondern daran, wie viele Stunden für die Erstattung des Gutachtens erforderlich waren (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. § 8 Rz. 20). Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte, der sich die Kammer anschließt, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewandte Zeit richtig sind und dass die vom Sachverständigen angesetzten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Dementsprechend findet regelmäßig nur eine Plausibilitätsprüfung der Vergütungsabrechnung anhand allgemeiner Erfahrungswerte statt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Sachverständige eine Vergütungsabrechnung vorgelegt hat, anhand derer eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen werden kann (LSG Baden-Württemberg, 22.09.2004, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, 25.02.2005, a.a.O.; Hessisches LSG, 11.04.2005, a.a.O.).

b) Im vorliegenden Fall genügt die Abrechnung des Sachverständigen diesen Anforderungen. Der Sachverständige hat seine Abrechnung nach vier Arbeitsschritten vorgenommen. Diese Aufgliederung entspricht einer weit verbreiteten Praxis (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, 25.02.2005, a.a.O.). Soweit das Landessozialgericht Baden-Württemberg von einer etwas anderen Aufteilung der Arbeitsschritte ausgeht, so musste der Sachverständige diese Aufteilung nicht zugrunde legen, weil es an einer entsprechenden Vorgabe fehlt. Die vom Sachverständigen jeweils angesetzten Stunden sind bei einer Plausibilitätsprüfung nicht zu beanstanden.

4. Die Kostenbeamtin hat die Vergütung des Sachverständigen rechnerisch zutreffend ermittelt. Unter Berücksichtigung von Schreibgebühren und Porto ergibt sich ein Nettobetrag von € 995,06. Unter Einschluss der Umsatzsteuer beläuft sich die Gesamtvergütung auf € 1.154,27.

III.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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