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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.07.1999
Aktenzeichen: 16 Sa 547/99
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 9
ArbGG § 64 Abs. 6
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
Für die Zulässigkeit einer Berufung ist es erforderlich, dass ihre Begründung konkret auf den Streitfall zugeschnitten ist. Der Berufungskläger muss sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung im einzelnen inhaltlich auseinandersetzen. Er muss konkret darlegen, warum er sie im Tatsächlichen und/oder Rechtlichen für unzutreffend hält. Insbesondere im Arbeitsgerichtsprozess gelten hierfür im Hinblick auf § 9 ArbGG strenge Anforderungen. SachverhaltDie Parteien streiten über die Berechtigung eines ärztlichen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben und die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF VERWERFUNGSBESCHLUSS

Geschäftsnummer: 16 Sa 547/99

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 27.07.1999 ­ ohne mündliche Verhandlung ­ durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Schöps und Lorenz

beschlossen:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 09.02.1999 ­ 1 Ca 655/98 ­ wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

2. Streitwert: unverändert (9.869 DM).

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Zahlung von Arbeitsentgelt.

Die am 26.03.1968 geborene Klägerin ist seit Januar 1992 als kaufmännische Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Sie war im Herbst 1997 schwanger. Als Beginn der Mutterschutzfrist war der 03.04.1998 angegeben. Mit Schreiben vom 15.12.1997 teilte der behandelnde Arzt der Krankenkasse der Klägerin mit:

die oben angeführte Patientin, die bei Ihnen versichert ist, befindet sich in der 19. Schwangerschaftswoche. Sie ist berufstätig. Das Tätigkeitsfeld erstreckt sich auf Büroarbeiten. Frau S.te berichtet mir in zahlreichen Gesprächen über ihre Probleme am Arbeitsplatz. Sie fühlt sich von ihren Kollegen und Kolleginnen geschnitten. Als sie nach einer durchgemachten Grippe am Arbeitsplatz erscheint, hat man die ihr sonst normalerweise zustehende Arbeit nicht mehr zugeteilt; sie also praktisch vom gesamten Arbeitsprozess ausgeschlossen. Ferner würden kaum noch Gespräche mit ihr geführt werden. Einmal sei ihr sogar nach einem Arztbesuch anschließend der gesamte Arbeitsplatz fast ganz leer geräumt worden. Der Chef habe ihr mitgeteilt, sie käme sowieso nicht wieder. Frau S.te, S.il leidet mittlerweile unter dieser Arbeitssituation so sehr, daß sie pyschosomatisch reagiert mit Schlafstörungen, Atemnotattacken und Herzrasen. Eine körperliche Untersuchung bei Frau Dr. med. E.lisabe C.alamin ergab keinen pathologischen Befund an Herz und Lunge, unauffälliges EKG. Ich, als betreuender Arzt, habe keine Zweifel an der Aussage der Patientin und sehe bei einer weiter fortdauernden Beschäftigung Gesundheit für Mutter und Kind gefährdet. Nach § 3 Absatz 1 der Mutterschaftsrichtlinien spreche ich hiermit ein Beschäftigungsverbot bis zur gesetzlichen Schutzfrist aus."

Mit Ablauf des 19.12.1997 war die Klägerin nicht mehr bei der Beklagten tätig. Am 12.01.1998 informierte die Krankenkasse die Beklagte über das Arztschreiben vom 15.12.1997. Die Beklagte zahlte ab Januar 1998 kein Gehalt an die Klägerin. Sie ist der Auffassung, das vom Arzt mit Schreiben vom 15.12.1997 erklärte Beschäftigungsverbot beruhe auf einer unzutreffenden Schilderung der Klägerin über ihre Arbeitsplatzsituation. Insbesondere sei es falsch, daß die Klägerin irgendwelchen Hetzereien" ausgesetzt gewesen oder geschnitten" worden sei.

Mit der am 27.02.1998 beim Arbeitsgericht Wesel eingegangenen Klage hat die Klägerin zuletzt für den Zeitraum 01.01.1998 bis 03.04.1998 die Zahlung von insgesamt 9.869,-- DM brutto nebst näher bezeichneten Zinsen geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluß vom 27.10.1998 Beweis erhoben und die Klage sodann mit Urteil vom 09.02.1999 ­ 1 Ca 655/98 ­ abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, daß das Beschäftigungsverbot im Arztschreiben vom 15.12.1997 aufgrund unzutreffender Angaben der Klägerin zustande gekommen sei. Der Beweiswert des Beschäftigungsverbots sei nach Darlegung der tatsächlichen Umstände seitens der Beklagten und nach Durchführung der Beweisaufnahme erschüttert worden. Die Arbeitsplatzsituation sei von der Klägerin unzutreffend geschildert worden, das Beschäftigungsverbot nicht haltbar. Auf ein eigenes Beweisangebot habe die Klägerin betontermaßen verzichtet.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Berufung, mit der sie geltend macht, das Arbeitsgericht habe verkannt, daß die von ihr subjektiv empfundene Belastungssituation am Arbeitsplatz zu einer Gefahr für die Gesundheit von Mutter oder Kind geführt und bereits ihren objektiven Niederschlag in näher benannten Leidensbezeichnungen gefunden habe. Auch das Ergebnis der Beweisaufnahme ändere nichts an den Gefährdungsmomenten.

II.

Die vorgelegte Berufung der Klägerin ist unzulässig. Sie entspricht nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen.

1. Zwar hat die Klägerin die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 23.03.1999 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 22.04.1999 fristgerecht eingelegt. Auch ist ihr Berufungsbegründungsschriftsatz nach entsprechender Fristverlängerung am 22.06.1999 fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

2. Jedoch enthält die Berufungsbegründung der Klägerin nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen, die nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 3 ZPO an eine Berufungsbegründung zu stellen sind.

a) Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung unter anderem die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Allein aus der Berufungsbegründung sollen Gegner und Gericht erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrundelegt, insbesondere welche tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich dafür stützen will (BGH vom 25.06.1992, NJW-RR 1992, 1340; BAG vom 11.03.1998 - 2 AZR 497/97 - AP Nr. 49 zu § 519 ZPO, zu I der Gründe). Auf entgegenstehende tatsächliche Feststellungen muß eingegangen werden (BGH vom 06.03.1997, MDR 1997, 682). Die Erklärung, der Vortrag aus erster Instanz werde wiederholt, genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung der Berufungsgründe selbst dann nicht, wenn der Streit nur eine einzelne Rechtsfrage betrifft oder wenn der Sachverhalt sonst zwischen den Parteien unstreitig ist und das angefochtene Urteil sich auf rechtliche Erörterungen beschränkt. Selbst in einem solchen Fall muß der Berufungskläger deutlich machen, inwieweit er die rechtliche Würdigung für unrichtig hält oder in welche Richtung seine Einwendungen gegen die Beurteilung durch die Vorinstanz gehen. Umso mehr gilt dies, wenn mehrere tatsächliche und rechtliche Fragen zu entscheiden sind (BGH vom 24.02.1994, NJW 1994, 1481). Der Berufungsführer muß konkret auf den Streitfall eingehen. Es reicht nicht, die Auffassung der Vorinstanz als falsch oder die Anwendung einer oder mehrerer Vorschriften als irrig zu rügen, ebensowenig eine Bezugnahme auf das - von der Vorinstanz angeblich nicht oder unrichtig gewürdigte - erstinstanzliche Vorbringen des Berufungsklägers (BGH vom 09.03.1995, AP Nr. 46 zu § 519 ZPO). Vielmehr muß sich der Berufungskläger im einzelnen inhaltlich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung argumentativ auseinandersetzen sowie darlegen, was er an der angefochtenen Entscheidung zu beanstanden hat und warum er sie für unrichtig hält (vgl. auch BAG vom 27.10.1987 - 1 ABR 9/86 - AP Nr. 41 zu § 112 BetrVG 1972). Dies macht eine inhaltliche Stellungnahme zu den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zwingend erforderlich (vgl. insgesamt auch Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 519 Rdn. 35; zur Revisionsbegründung entsprechend: BAG vom 29.10.1997 - 5 AZR 624/96 - AP Nr. 30 zu § 554 ZPO = NZA 1998, 336). Mit Rücksicht auf § 9 ArbGG sind dabei besonders im Arbeitsgerichtsprozeß hohe Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung zu stellen ( BAG vom 11.03.1998 ­ 2 AZR 497/97 ­ a. a. O.). Entsprechend sieht der Gesetzgeber dafür den Vertretungszwang in § 11 Abs. 2 ArbGG vor, wonach sich die Prozeßparteien vor den Landesarbeitsgerichten durch Rechtsanwälte oder sonst zugelassene Personen als Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen müssen.

b) Diesen Anforderungen an eine Berufungsbegründung wird der von der Klägerin vorgelegte Berufungsbegründungsschriftsatz vom 22.06.1999 nicht gerecht. Das Arbeitsgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung eingehend damit befaßt, welche Konsequenzen es für den Zahlungsanspruch aus § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG hat, wenn das nach § 3 Abs. 1 MuSchG vom Arzt erklärte Beschäftigungsverbot durch unzutreffende Angaben der Schwangeren einschließlich der damit in einen Zusammenhang gebrachten Beschwerden zustande gekommen ist. Es hat Beweis darüber erhoben, ob unzutreffende Angaben der Klägerin vorgelegen haben, und die Aussagen der Zeugen im einzelnen gewürdigt. Es hat sich unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung (BAG vom 31.07.1996 und vom 12.03.1997, AP Nr. 8 und Nr. 10 zu § 3 MuSchG 1968) unter anderem mit Fragen der Darlegungs- und Beweislast befaßt und hieraus für den vorliegenden Fall nähere Schlüsse gezogen, nachdem es den Beweiswert des ärztlicherseits ausgesprochenen Beschäftigungsverbots im Schreiben vom 15.12.1997 als erschüttert (vgl. BAG vom 01.10.1997 ­ 5 AZR 685/96 ­ AP Nr. 11 zu § 3 MuSchG 1968) angesehen hat.

c) Auf diese Ausführungen des Arbeitsgerichts geht die Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 22.06.1999 überwiegend (überhaupt) nicht ein und im übrigen nur am Rande, wonach das Arbeitsgericht verkannt habe, daß die von der Klägerin subjektiv empfundene Belastungssituation am Arbeitsplatz zu einer Gefahr für die Gesundheit von Mutter oder Kind geführt habe. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts, inwieweit das ärztlich ausgesprochene Beschäftigungsverbot hier durch unzutreffende Angaben der Klägerin gegenüber dem Arzt über ihre Arbeitsplatzsituation erschüttert sei, geht die Berufung nicht ein, ebensowenig ob und gegebenenfalls inwieweit die Erwägungen des Arbeitsgerichts hierzu unzutreffend seien sollen. Auch die vorliegenden Zeugenaussagen werden nicht weiter behandelt. Inhaltliche Auseinandersetzungen mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung sowie Erwägungen darüber, inwieweit die vom Arbeitsgericht ausführlich erfolgte rechtliche Würdigung unrichtig sei, fehlen. Das Berufungsvorbringen beschränkt sich im wesentlichen darauf, daß das Arbeitsgericht die gegebene Situation verkannt habe. Dieses Berufungsvorbringen entspricht nicht den oben erwähnten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung.

d) Auf die nach entsprechendem Hinweis des Gerichts erfolgten ergänzenden Sachausführungen der Klägerin hierzu in ihrem Schriftsatz vom 16.07.1999 kommt es für die Zulässigkeit der Berufung nicht mehr an. Sie sind nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgt. Eine unzureichende Berufungsbegründung und die daraus folgende Unzulässigkeit der Berufung können nach Fristablauf nicht mehr geheilt werden (vgl. Zöller/Gummer, a. a. O., Rdn. 42 a).

III.

Die Berufung der Klägerin war demgemäß nach § 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 519 b Abs. 1 und 2 ZPO durch Beschluß der Kammer als unzulässig zu verwerfen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert blieb unverändert. Die im Falle eines Urteils für die Zulassung der Revision erforderlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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