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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.02.2004
Aktenzeichen: 9 (3) Sa 866/02
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 78 a
Bei dem Volontariat in einem Unternehmen der Filmbranche handelt es sich um kein Ausbildungsverhältnis im Sinne des § 78 a BetrVG, wenn nach dem Inhalt des Einzelvertrages die Erbringung der Arbeitsleistung und nicht die Aus- oder Fortbildung im Vordergrund steht und weder ein kollektivvertragliches noch ein zwischen den Unternehmen abgestimmtes betriebliches Ausbildungskonzept existiert.
9 (3) Sa 866/02

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

wegen Bestandsstreitigkeiten (§ 61 a ArbGG)

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth und die ehrenamtlichen Richter Wiede und Beer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20.11.2002 - Az.: 2 Ca 2138/02 - wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 28.02.2002 hinaus.

Die am 04.04.1967 geborene Klägerin leistete nach ihrem Studium der Theaterwissenschaft und Publizistik bei der Beklagten, die einen regionalen Fernsehsender betreibt, in der Zeit vom 01.06. bis 30.09.2000 ein unbezahltes Praktikum ab. Anschließend war sie in der Zeit vom 01.10.2000 bis 28.02.2001 im Rahmen eines entgeltlichen Praktikantenverhältnisses tätig und zuletzt auf der Basis des schriftlichen Vertrages vom 19.02.2001 (Kopie Bl. 6 - 12 d.A.) in der Zeit vom 01.03.2001 bis 28.02.2002 als Volontärin gegen ein Bruttomonatsgehalt von DM 1.800,--.

Am 18.09.2001 fanden bei der Beklagten Betriebsratswahlen statt, zu der die Klägerin kandidierte. Sie wurde als Ersatzmitglied gewählt und rückte mit Wirkung ab dem 10.12.2001 in den Betriebsrat ein.

Mit Schreiben vom 25.01.2002 begehrte die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung gemäß § 78 a BetrVG über den 28.02.2002 hinaus. Die Beklagte verweigerte eine Weiterbeschäftigung der Klägerin als Redakteurin.

Aus diesem Grund hat die Klägerin mit ihrer am 05.03.2002 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingereichten Klage vom 04.03.2002 die Weiterbeschäftigung über den 28.02.2002 hinaus als Redakteurin gegen eine monatliche Vergütung von EUR 2.500,-- brutto geltend gemacht.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit Urteil vom 20.11.2002 hat das Arbeitsgericht Nürnberg die Klage abgewiesen.

Zur Begründung führt das Erstgericht aus, das Volontariat der Klägerin habe nicht dem Charakter eines Ausbildungsverhältnisses i.S.d. § 78 a BetrVG gehabt, weshalb die Klägerin aus dieser Vorschrift keinen Anspruch darauf ableiten könne, als ausgebildete Redakteurin weiterbeschäftigt zu werden.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.12.2002 zugestellte Ersturteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20.12.2002, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 23.12.2002, Berufung eingelegt und sie innerhalb der verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 05.03.2003 begründet.

Die Klägerin behauptet, aufgrund ihres schriftlichen Weiterbeschäftigungsbegehrens sei die Beklagte verpflichtet, sie nach dem vertraglich vereinbarten Ende des Volontariats als Fernsehredakteurin weiterzubeschäftigen. Bei ihrem Volontariat handle es sich nämlich um ein Ausbildungsverhältnis i.S.d. § 78 a BetrVG. Zwar bestünden für die Ausbildung zur Fernsehredakteurin keine gesetzlichen, tariflichen oder sonstigen allgemeinen Richtlinien. Es existierten jedoch betriebliche Ausbildungsregelungen, die bei der Beklagten generell für Volontäre gelten würden und die aufgrund ihrer weitgehenden Identität mit den betrieblichen Ausbildungsregelungen anderer Medienunternehmen auch von diesen anerkannt würden. Insoweit könne von einem geordneten Ausbildungsgang zur Fernsehredakteurin gesprochen werden. Die von § 25 Abs. 2 Ziff. 2 BBiG geforderte Ausbildungsdauer von mindestens 2 Jahren habe in ihrem konkreten Fall abgekürzt werden können, da sie bereits ein abgeschlossenes Hochschulstudium habe vorweisen können, vgl. § 29 BBiG. Im Rahmen ihres Volontariats habe sie eine geordnete Ausbildung durchlaufen, denn sie habe die zur Berufsausübung notwendigen Kenntnisse im redaktionellen und technischen Bereich bei ihrer Tätigkeit in mehreren Betriebsabteilungen vermittelt bekommen. Den erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung habe die Beklagte mit Zeugnis vom 16.04.2002 (Kopie Bl. 33 d.A.) bestätigt.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20.11.2002, Az 2 Ca 2138/02 wird aufgehoben und die Beklagte gemäß Klageantrag vom 04.03.2002 verurteilt.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Berufungsklägerin auferlegt.

Zur Begründung trägt sie vor, bei dem aufgrund der wirksamen Befristungsabrede zum 28.02.2002 beendeten Rechtsverhältnis der Parteien habe es sich um kein Berufsausbildungsverhältnis i.S.d. § 78 a BetrVG gehandelt. Aus dieser Vorschrift könne die Klägerin deshalb keinen Weiterbeschäftigungsanspruch ableiten. Bei dem Volontariat zur Vorbereitung auf den Beruf der Fernsehredakteurin handele es sich um keinen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf. Diesbezüglich würden auch keine tariflichen Regelungen existieren, die eine geordnete Ausbildung zum Inhalt hätten. Es existiere auch kein betriebsinternes schriftliches Ausbildungskonzept, das zwischen den Unternehmen der Filmbranche abgestimmt worden sei. Insoweit könne von einem anerkannten geordneten Ausbildungsgang nicht die Rede sein.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen, denn der Klägerin steht kein Anspruch gegenüber der Beklagten zu, ab dem 01.03.2002 als Redakteurin weiterbeschäftigt zu werden.

1. Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Rahmen eines gemäß § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG begründeten Arbeitsverhältnisses ist im Urteilsverfahren geltend zu machen (vgl. BAG vom 23.06.1983 - 6 AZR 595/80 - BAGE 43, 115 bis 129, AP Nr. 10 zu § 78 a BetrVG 1972, m.w.N.).

2. Zwischen den Parteien ist nicht gemäß § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Arbeitsverhältnis als Redakteurin begründet worden.

Bei der Klägerin handelte es sich nämlich um keine "Auszubildende" im Sinne dieser Vorschrift.

a) In § 78 a BetrVG werden die Begriffe "Auszubildende" und "Berufsausbildungsverhältnis" verwandt und nicht die in § 5 Abs. 1 BetrVG zur Bestimmung des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs enthaltene Formulierung "der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten". Damit orientiert sich § 78 a BetrVG an den entsprechenden Begriffsbestimmungen des BBiG. Gleichwohl ist § 78 a BetrVG nicht nur auf die nach §§ 25 ff BBiG staatlich anerkannten Ausbildungsverhältnisse anzuwenden, sondern jedenfalls auch auf Ausbildungsverhältnisse, die tariflichen Regelungen entsprechen und eine geordnete Ausbildung von zwei Jahren Dauer (vgl. § 25 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) vorsehen.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 23.06.1983 (a.a.O.) handelt es sich bei § 78 a BetrVG um keine Ausnahmevorschrift, die einengend auszulegen ist, vielmehr soll durch sie eine Lücke im Schutz der Mitglieder von Betriebsverfassungsorganen geschlossen werden. Aus diesem Grund kann § 78 a BetrVG auch andere als staatlich anerkannte Ausbildungsverhältnisse umfassen. Als ein solches anderes Vertragsverhältnis im Sinne des § 19 BBiG hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung das Redaktionsvolontariat in einem Zeitungsverlag angesehen. Denn dieses hatte nach der konkreten Ausgestaltung des zwischen den Parteien geschlossenen Ausbildungsvertrages und den Regelungen im Tarifvertrag über Ausbildungsrichtlinien für Redaktionsvolontäre an Tageszeitungen eine umfassende und gründliche Ausbildung in möglichst allen redaktionellen Ressorts der Zeitung zum Inhalt. Da sowohl nach der inhaltlichen Ausgestaltung der Ausbildung als auch nach der tarifvertraglich geregelten Ausbildungsdauer von 2 Jahren von einem geordneten Ausbildungsgang gesprochen werden konnte, hat das Bundesarbeitsgericht für diese Art des Volontariats den Schutzbereich des § 78 a BetrVG eröffnet gesehen.

Es hat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt, dass der Anwendung von § 78 a BetrVG die Privilegierung von Tendenzunternehmen gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht entgegenstehe.

Dagegen ist nach dem Eingangssatz des § 19 BBiG von keinem Ausbildungsverhältnis auszugehen, wenn die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart haben. Für die Abgrenzung ist entscheidend darauf abzustellen, ob nach dem Inhalt des Vertrages die Leistung von Arbeit nach Weisung des Arbeitgebers im Vordergrund steht oder der Lernzweck. Es genügt nicht, wenn im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auch eine berufliche Fortbildung des Arbeitnehmers bezweckt werden soll (vgl. BAG vom 05.12.2002 - 6 AZR 216/01 - DB 2004, 141).

Unter Berücksichtigung dieser vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze handelte es sich bei der Klägerin um keine Auszubildende i.S.d. § 78 a BetrVG.

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Dauer des Volontariats von lediglich 12 Monaten auch unter Einbeziehung des vorgeschalteten Praktikums von 5 Monaten, auf das der Volontariatsvertrag nach seinem § 2 aufbaut, wegen des Unterschreitens der vorgeschriebenen Ausbildungsdauer von 2 Jahren, vgl. § 25 Abs. 2 Ziff. 2 BBiG, der Annahme eines geordneten Ausbildungsganges entgegensteht.

b) Entscheidend ist, dass nach dem Inhalt des vorliegenden Volontariatsvertrages der wesentliche Inhalt der Vertragsbezeichnung nicht die Vermittlung beruflicher Kenntnisse ist, sondern die Erbringung von Arbeitsleistung. Der vorliegende Fall ist mit dem vom Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 23.02.2000 - 2 Sa 1248/99 - ARST 2000, 281) entschiedenen Fall eines Volontariats bei einem Unternehmen der Filmbranche vergleichbar, denn der vorliegende Volontariatsvertrag enthält wesentliche Inhalte eines ganz normalen Arbeitsvertrages und trägt nicht den Besonderheiten eines Ausbildungsverhältnisses Rechnung.

In § 8 Abs. 1 des Volontariatsvertrages verpflichtet sich der Volontär "zur Arbeitsleistung im Rahmen der von der Firma erteilten Anweisungen" und darüber hinaus, "die angebotenen Möglichkeiten zur Weiterbildung durch eigenes Bemühen voll zu nutzen".

In mehreren anderen Bestimmungen des Vertrages - § 3 Arbeitszeit, § 6 Urlaub, § 7 Arbeitsverhinderung, § 9 Rechteübertragung - steht ebenfalls die Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Vordergrund, aber nicht die Vermittlung beruflicher Kenntnisse. Die Beklagte hat sich in dem Vertrag nicht verpflichtet, besondere Ausbildungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten oder durchzuführen. Vielmehr gibt sie dem Volontär lediglich Gelegenheit, im Rahmen der Verrichtung der geschuldeten Arbeitstätigkeit berufliche Kenntnisse hinzu zu erwerben.

Die Klägerin konnte sicher mehrere Abteilungen des Unternehmens im Rahmen ihres Volontariats kennen lernen, besondere Ausbildungs- oder Einweisungspflichten des Unternehmens werden in dem Vertrag jedoch nicht begründet. Insoweit lässt sich nicht feststellen, ob die Klägerin, sowohl was die Tiefe als auch die Breite der Vermittelung berufspraktischer Kenntnisse anlangt, eine auf dem Arbeitsmarkt verwertbare und von anderen Unternehmen anerkannte berufliche Ausbildung genossen hat. Diesbezüglich gibt es nach den Angaben der Beklagten weder ein schriftlich fixiertes Ausbildungskonzept noch eine Abstimmung zwischen den Unternehmen der Filmbranche. Die Klägerin ist diesem Sachvortrag nicht konkret entgegen getreten, weshalb er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Da gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen fehlen, wäre zumindest eine abgestimmte Ausbildungspraxis Voraussetzung dafür, eine gleichartige Ausbildung in den unterschiedlichen Unternehmen sicher zu stellen und insoweit von einem geordneten Ausbildungsgang in der Fernseh- und Filmbranche sprechen zu können.

Aus diesen Gründen kann das Volontariat der Klägerin nicht einem Ausbildungsverhältnis gleichgesetzt werden, wie es für die Anwendung des § 78 a BetrVG erforderlich wäre. 3. Da zwischen den Parteien gemäß § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein Arbeitsverhältnis als Redakteurin zustande gekommen ist, kann die Klägerin von der Beklagten auch nicht die tatsächliche Beschäftigung gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung in Höhe von EUR 2.500,-- brutto begehren.

III.

1. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, da der Rechtssache über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies in Bezug auf die Anforderungen an ein Volontariat in einem Unternehmen der Filmbranche, um die Anwendbarkeit des § 78 a BetrVG zu begründen, da hier kollektivvertragliche Regelungen der Ausbildungsinhalte fehlen.

Ende der Entscheidung

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