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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.02.2004
Aktenzeichen: 9 TaBV 24/03
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 19
BetrVG § 14
BetrVG § 7
WO § 4 Abs. 3
WO § 7 Abs. 2
WO § 8
WO § 14
WO § 24
1. Ein schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung eines Wahlvorschlages gemäß § 7 Abs. 2 WO liegt nur dann vor, wenn es der Vorsitzende des Wahlvorstandes unterlassen hat, eine sofortige Sitzung des Wahlvorstandes anzuberaumen, obwohl nach Einreichung eines fehlerhaften Wahlvorschlages bis zum Ablauf der Einreichungsfrist ein ausreichender Zeitraum für die Prüfung des Wahlvorschlages, die Vorbereitung der Sitzung und die Ladung der Mitglieder des Wahlvorstandes zur Verfügung gestanden hätte.

2. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung eines Wahlvorschlages führt dann nicht zur Anfechtbarkeit der Wahl im Rahmen des § 19 Abs. 1 BetrVG, wenn in einer sofort einberufenen Sitzung des Wahlvorstandes keine Maßnahme mehr möglich gewesen oder getroffen worden wäre, die zu einer Behebung des festgestellten Mangels noch vor Ablauf der Einreichungsfrist geführt hätte.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

9 TaBV 24/03

in dem Beschlussverfahren

wegen Anfechtung der Betriebsratswahl

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth und die ehrenamtlichen Richter Wiedemann und Beigel aufgrund der Anhörung vom 13. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 08.01.2003, Az.: 3 BV 3/02 C, wird zurückgewiesen. 2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der im Betrieb der Beteiligten zu 3) durchgeführten Betriebsratswahl vom 14.03.2002.

Im Betrieb der Beteiligten zu 3) fand am 14.03.2002 die Wahl eines aus 19 Mitgliedern bestehenden Betriebsrates statt. Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine in diesem Betrieb vertretene Gewerkschaft.

Unter dem Kennwort dieser Gewerkschaft ist bei dem Wahlvorstand am 13.02.2002 eine Vorschlagsliste eingereicht worden, die auf einem zusammenhängenden Parteienpierbogen 36 Wahlbewerber und die Unterschriften von 35 Unterzeichnern der Liste sowie auf einem weiteren losen Blatt weitere 34 Stützunterschriften aufwies. Der Wahlvorschlag ist um 9.00 Uhr im Büro des Wahlvorstandes abgegeben und um 12.30 Uhr dem Wahlvorstandsvorsitzenden zur Kenntnis gebracht worden.

Um 13.21 Uhr ist beim Wahlvorstand eine weitere Vorschlagsliste unter dem Kennwort "Unabhängige Kandidaten" eingereicht worden.

Der Wahlvorstand überprüfte die Rechtmäßigkeit beider Vorschlagslisten am selben Tag in dem bereits zuvor anberaumten Sitzungstermin um 16.15 Uhr. Zu diesem Termin war die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen (16.00 Uhr) bereits abgelaufen. In dieser Sitzung wurde ausweislich des Protokolls (Kopie Bl. 19/20 d.A.) die Liste mit dem Kennwort "A..." wegen der losen Blätter beanstandet. Nach dem Zusammenheften der Blätter in der Wahlvorstandssitzung wurde mit 4 : 1 Stimmen beschlossen, diese Liste trotz des festgestellten Mangels zur Wahl zuzulassen.

In einer weiteren Sitzung des Wahlvorstandes vom 27.02.2002 (Kopie des Protokolls Bl. 9 bis 11 d.A.) wurde nach inzwischen eingeholtem Rechtsrat beschlossen, den Beschluss vom 13.02.2002 aufzuheben und die eingereichte Liste mit dem Kennwort "A..." nicht zur Wahl zuzulassen.

Die Antragstellerin und die beiden Listenführer C... und D... beantragten daraufhin beim Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - dem Wahlvorstand per einstweiliger Verfügung zu untersagen, die für den 14.03.2002 anberaumte Wahl des Betriebsrates durchzuführen; hilfsweise dem Wahlvorstand aufzugeben, die Liste "A..." zu dieser Betriebsratswahl zuzulassen. Mit Beschluss vom 08.03.2002 hat das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - dem Wahlvorstand untersagt, die für den 14.03.2002 anberaumte Betriebsratswahl durchzuführen.

Auf die Beschwerde des Wahlvorstandes und der Beteiligten zu 3) hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 13.03.2002 den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.03.2003 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowohl hinsichtlich des Haupts- als auch des Hilfsantrages zurückgewiesen (vgl. Kopie Bl. 120 bis 136 d.A.).

Die Betriebsratswahl am 14.03.2002 wurde als Persönlichkeitswahl unter den auf der Liste "Unabhängige Kandidaten" aufgeführten Wahlbewerber durchgeführt. Vom Wahlvorstand wurde am 19.03.2002 das endgültige Ergebnis der Betriebsratswahl mitgeteilt, nachdem sich das zunächst am 15.03.2002 (Kopie Bl. 292 bis 294 d.A.) mitgeteilte Ergebnis aufgrund der Nichtannahme der Wahl seitens vier gewählter Wahlbewerber nochmals veränderte. Auf das mit der geringsten Stimmenzahl gewählte Betriebsratsmitglied E... entfielen 399 Stimmen und auf das erste Ersatzmitglied F... 396 Stimmen.

Mit der noch am selben Tag beim Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - eingegangenen Antragsschrift vom 28.03.2002 begehrt die Antragstellerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 14.03.2002.

Bezüglich der gestellten Anträge und des Sachvortrages der Beteiligten in erster Instanz wird auf die Gründe der Entscheidung des Erstgerichts vom 08.01.2003 (Kopie Bl. 191 bis 201 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - hat mit Beschluss vom 08.01.2003 den Antrag abgewiesen.

Gegen den ihr am 22.04.2003 zugestellten Beschluss hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin per Telefax vom 19.05.2003 Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingelegt und sie innerhalb der bis zum 23.07.2003 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 23.07.2003 begründet.

Die Antragstellerin meint, es lägen Rechtsverstöße vor, die zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führen würden.

Der Wahlvorstand habe noch vor Ablauf der Einreichungsfrist die offensichtliche Unwirksamkeit des Wahlvorschlages "A..." beanstanden müssen. Es sei innerhalb einer halben Stunde möglich gewesen, die erforderlichen zwei Unterschriften der hauptamtlichen Gewerkschaftssekretäre für den Wahlvorschlag einer Gewerkschaft einzuholen. Da es sich um einen heilbaren Mangel im Sinn des § 8 Abs. 2 WO gehandelt habe, hätte dem Listenführer eine Nachfrist von drei Arbeitstagen für die Behebung des Mangels gesetzt werden müssen.

Der Beschluss des Wahlvorstandes vom 27.02.2002 sei deshalb fehlerhaft, da eine ordnungsgemäße Ladung der Wahlvorstandsmitglieder unter Mitteilung einer Tagesordnung nicht erfolgt sei.

Sämtlichen Nachtschichtarbeiter hätten die Briefwahlunterlagen ohne entsprechenden Antrag zugesandt werden müssen.

Dem Mitarbeiter G... seien vor Antritt seines Urlaubs am 25.02.2002 Briefwahlunterlagen nicht ausgehändigt worden, da sie noch nicht fertiggestellt gewesen seien; aufgrund des Aufenthalts in Thailand sei eine nachträgliche Versendung der Briefwahlunterlagen unsinnig gewesen. Zwei weiteren urlaubsabwesenden Mitarbeitern hätten die Briefwahlunterlagen unaufgefordert zugesandt werden müssen. In diesem Fall hätten beide Mitarbeiter an der Wahl teilgenommen.

Einem langzeiterkrankten Mitarbeiter sei das aktive Wahlrecht vorenthalten worden, da ihm die Briefwahlunterlagen erst drei oder vier Tage vor der Wahl zugeleitet worden seien.

Briefwahlunterlagen seien Mitarbeitern über Kollegen ohne Vorlage einer entsprechenden Vollmacht zugeleitet worden. Ferner seien Briefwahlunterlagen auch ohne Angabe eines Verhinderungsgrundes herausgegeben worden.

Die wahlberechtigten Mitarbeiter H... und I... seien nicht in die Wählerliste aufgenommen worden. Hätten sie an der Betriebsratswahl teilgenommen, hätte hierdurch auch das Wahlergebnis beeinflusst werden können.

Der Wahlvorstand selbst sei am 04.12.2001 nicht wirksam eingesetzt worden, da zu dieser Sitzung des Betriebsrats willkürlich Ersatzmitglieder geladen worden seien.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 08.01.2003, Az. 3 BV 3/02 C, wird aufgehoben. 2. Die Betriebsratswahl vom 14.03.2002 wird für unwirksam erklärt.

Der Beteiligte zu 2) und Antragsgegner beantragt:

Die Beschwerde vom 19.05.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 3) beantragt:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - Aktenzeichen: 3 BV 3/02 C vom 08.01.2003 wird zurückgewiesen.

Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, die Vorgehensweise des Wahlvorstandes sei rechtlich nicht zu beanstanden, denn es habe sich um einen unheilbaren Mangel im Sinne des § 8 Abs. 1 WO gehandelt; ferner um keinen Wahlvorschlag der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, der innerhalb von 30 Minuten hätte erneut eingereicht werden können. Der Regelungsgehalt des § 24 Abs. 2 WO werde von der Antragstellerin verkannt. Im Übrigen seien die Briefwahlunterlagen korrekt ausgegeben worden. Der Wahlvorstand sei vom Betriebsrat wirksam eingesetzt und von ihm der Beschluss am 27.02.2002 rechtlich einwandfrei getroffen worden.

Die Beteiligte zu 3) trägt vor, auch bei einer früheren Sitzung des Wahlvorstandes hätte dieser versucht, den festgestellten Mangel des Wahlvorschlages "A..." durch die nachträgliche Verbindung der losen Blätter zu heilen. Insoweit wirkt sich die unterlassene sofortige Einberufung des Wahlvorstandes nicht nachteilig aus. Der Wahlvorstand habe die fehlerhafte Vorgehensweise vor Durchführung der Wahl noch rechtzeitig korrigiert. Bei der Herausgabe von Briefwahlunterlagen habe sich der Wahlvorstand an die Bestimmungen des § 24 WO gehalten. Die Mitarbeiter H... und I... seien im EDV-System der Beteiligten zu 3) fehlerhafterweise nicht als Mitarbeiter erfasst gewesen. Es wäre an ihnen gelegen, gegen die Wählerliste Einspruch einzulegen.

Bezüglich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 87 Absatz 1 ArbGG, und auch in zulässiger Weise eingelegt und begründet worden, §§ 87 Absatz 2 Satz 1, 89 Absätze 1 und 2 ArbGG, 517, 519 ZPO. 2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat zu Recht den Antrag zurückgewiesen, denn die Betriebsratswahl vom 14.03.2002 kann von der Antragstellerin nicht gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG wirksam angefochten werden. Bei der Wahl ist nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden, dass hierdurch das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden konnte. a) Der Wahlvorstand bzw. der für ihn handelnde Vorsitzende hat § 7 Abs. 2 Satz 2 WO nicht verletzt, indem die Vorschlagsliste mit dem Kennwort "A..." nicht noch vor Ablauf der Einreichungsfrist um 16.00 Uhr sondern erst kurz nach deren Ablauf um 16.15 Uhr geprüft worden ist. Selbst wenn eine zeitliche Vorverlagerung des anberaumten Sitzungstermins um 16.15 Uhr stattgefunden hätte, hätte dies an der Unwirksamkeit der eingereichten Liste nichts mehr zu ändern vermocht. aa) Der Wahlvorstand bzw. sein Vorsitzender hat die in § 7 Abs. 2 Satz 2 geregelte Prüfungspflicht ohne schuldhaftes Zögern, § 121 BGB, durchgeführt.

Bei § 7 Abs. 2 Satz 2 handelt es sich um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG (vgl. hierzu GK-BetrVG, 7. Aufl., § 7 Rz. 10; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt - im Weiteren: FKHES - BetrVG, 21. Aufl., § 7 Rz. 5).

Diese Vorschrift verlangt, dass der Wahlvorstand die eingereichte Vorschlagsliste unverzüglich prüft.

Die gesetzliche Prüfungspflicht "des Wahlvorstands" beinhaltet konkret, dass der Wahlvorstandsvorsitzende als Vertreter des Wahlvorstandes (vgl. Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 7. Aufl., § 1 WO Rz. 8) eine ihm übergebene Liste dahin überprüfen muss, ob diese den rechtlichen Vorgaben entspricht oder Mängel aufweist, die der Gültigkeit entgegenstehen. Im letzteren Fall ist eine Entscheidung ohne schuldhaftes Zögern herbeizuführen und der Listeneinreicher möglichst vor Ablauf der Einreichungsfrist zu verständigen (vgl. hierzu GK-BetrVG, 7. Aufl., § 7 WO Rz. 10; LAG Nürnberg vom 17.12.2003 - 7 TaBV 57/02 -, n.v.).

Gegen diese Verpflichtung haben der Wahlvorstand bzw. sein Vorsitzender am Tag der Einreichung des Wahlvorschlages nicht verstoßen.

Es wurde bereits vor diesem Tag und ohne Kenntnis der konkret eingereichten Listen ein Sitzungstermin für die Zeit nach Ablauf der Einreichungsfrist um 16.00 Uhr festgelegt. Dies hat der zeitlichen Vorgabe des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO entsprochen und hätte bei der Einreichung wirksamer Vorschlagslisten keinerlei rechtliche Probleme aufgeworfen.

Aufgrund der an diesem Tag um 09.00 Uhr im Betriebsratsbüro eingereichten Vorschlagsliste mit dem Kennwort "A...", die dem Wahlvorstandsvorsitzenden um 12.30 Uhr zur Kenntnis gebracht worden ist, wäre unter rein objektiven Kriterien zwar eine sofortige Sitzung des Wahlvorstandes erforderlich gewesen, um den Einreichen eine Behebung des Mangels zu ermöglichen. Eine schuldhafte Verzögerung seitens des Wahlvorstandsvorsitzenden kann hier gleichwohl nicht festgestellt werden. Die rechtliche Problematik, ob Stützunterschriften auf losen Blättern stets unbeachtlich sind oder nicht doch im Falle einer bisher nur losen Verbindung (z.B. in einer Umlaufmappe, Klarsichthülle o.ä.) noch vor Einreichung beim Wahlvorstand, trotz Einreichung bei diesem noch vor Ablauf der Einreichungsfrist - nach erfolgter Klarstellung der bisher gegebenen stets losen Verbindung - oder gar noch nach Ablauf der Einreichungsfrist nachträglich fest verbunden werden können, bedurfte angesichts der Rechtsmeinungen in Literatur und Rechtsprechung hierzu einer gewissenhaften rechtlichen Prüfung. Ferner war zu prüfen, ob nicht bereits die Unterschriften der Wahlbewerber und die sich mit den Wahlbewerbern auf einer Urkunde befindlichen Stützunterschriften ausreichten, um die erforderliche Mindestzahl an Unterstützern für die eingereichte Liste zu erreichen (vgl. hierzu FKHES, a.a.O., § 6 Rz. 13; Faecks/Meik, NZA 1988, 193; Heinze, NZA 1988, 568; jeweils m.w.N.). Zu prüfen war auch, ob es sich um einen nicht heilbaren Mangel im Sinne des § 8 Abs. 1 WO handelte, der ein sofortiges Tätigwerden nahe legte, oder um einen behebbaren Mangel i.S.d. § 8 Abs. 2 WO, der auch noch in der bereits anberaumten Sitzung des Wahlvorstandes behandelt werden konnte. Diese gebotene Prüfung nimmt Zeit in Anspruch. Auch für eine sofortige Einberufung des Wahlvorstandes wird eine Vorlaufszeit benötigt. Dem Wahlvorstandsvorsitzenden J... kann in diesem Zusammenhang kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, wenn er nicht innerhalb der kurzen ihm zur Verfügung stehenden Zeit zwischen 12.30 Uhr und 16.00 Uhr nach erfolgter Prüfung des eingereichten Wahlvorschlages sofort eine vorgezogene Sitzung des Wahlvorstandes anberaumt hat.

Insoweit schließt sich die erkennende Kammer der Rechtsansicht der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg in dem einstweiligen Verfügungsverfahren (Az.: 2 TaBV 13/02) an, wonach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO nicht verletzt worden ist. ab) Selbst wenn man verlangen würde, dass der Wahlvorstandsvorsitzende noch vor Ablauf der Einreichungsfrist eine Sitzung des Wahlvorstandes anberaumt hätte, in der der eingereichte Wahlvorschlag tatsächlich und rechtlich geprüft worden wäre, hätte dies nicht zur Behebung des Mangels führen können. Nach erfolgter Prüfung seitens des Wahlvorstandsvorsitzenden und erforderlicher Zeit zur Einberufung des Wahlvorstandes wäre nur noch ein kurzer Zeitraum zur Verfügung gestanden, um die Angelegenheit im Wahlvorstand zu behandeln und den Einreichen der Listen Gelegenheit zu geben, festgestellte Mängel noch vor Ablauf der Einreichungsfrist zu beheben. Da der Wahlvorstand in seiner um 16.15 Uhr durchgeführten Sitzung mehrheitlich davon ausgegangen ist, die bisher losen Blätter könnten nachträglich noch verbunden werden, um die ausreichende Anzahl von Stützunterschriften zu gewährleisten, kann nicht davon ausgegangen werden, angesichts des immer akuter werdenden zeitlichen Problems für die Listeneinreicher wäre der Wahlvorstand in einer vorgezogenen Sitzung zu einem anderen Ergebnis gekommen. Dies insbesondere deshalb, da die im Wahlvorstand vertretenen Wahlbewerber K... und D... von der Wirksamkeit des von ihnen eingereichten Wahlvorschlages ausgegangen sind. Andernfalls hätten sie die losen Blätter bereits vor Einreichung beim Wahlvorstand fest verbunden. Dies erschien dem Wahlvorstand auch noch im Nachhinein möglich, wohl aufgrund der Annahme, die Bewerberliste und die lose Liste mit den Stützunterschriften Nr. 36 bis 69 seien bereits bisher bei den Mitarbeitern gemeinsam umgelaufen.

In der Beschwerde geht die Antragstellerin zwar davon aus, ein festgestellter Mangel wäre innerhalb von 30 Minuten zu beheben gewesen, verkennt hierbei jedoch, dass es sich bei dem eingereichten Wahlvorschlag um einen solchen wahlberechtigter Arbeitnehmer des Betriebes im Sinne des § 14 Abs. 3 und 4 BetrVG handelt und um keinen Wahlvorschlag der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft selbst gem. § 14 Abs. 3 und 5 BetrVG. Insofern war der Betriebsrat nicht verpflichtet, die örtliche Gewerkschaftsleitung zu informieren, um die Unterzeichnung durch zwei hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre zu bewirken, vgl. § 14 Abs. 5 BetrVG. Vielmehr hätte die Gewerkschaft selbst erstmals einen eigenen Wahlvorschlag erstellen müssen, was die Einverständniserklärung der in diesem Vorschlag aufgeführten Wahlbewerber erfordert hätte (vgl. hierzu FKHES, a.a.O., § 14 Rz. 65). Einen solchen Wahlvorschlag innerhalb weniger Minuten aufzustellen, kann angesichts der erforderlichen Anzahl von Wahlbewerbern mit ihren Namensunterschriften tatsächlich ausgeschlossen werden. b) Der Wahlvorschlag mit dem Kennwort "A..." war als Wahlvorschlag von wahlberechtigten Arbeitnehmern ungültig, da er nicht die erforderliche Anzahl der Stützunterschriften aufwies, vgl. § 14 Abs. 3 und 4 BetrVG.

Aufgrund der Größe des Betriebes der Beteiligten zu 3) mit über 2000 Mitarbeitern waren gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BetrVG mindestens 50 Stützunterschriften erforderlich.

Der Bogen mit den 36 Wahlbewerbern wies unter den Nummern 1 bis 35 lediglich 9 Stützunterschriften auf (unter den Nummern 26 bis 34), die nicht mit den Wahlbewerbern identisch waren. Auch unter Berücksichtigung der Unterschriften der Wahlbewerber selbst, bei denen man davon ausgehen konnte, dass sie ihre eigene Liste unterstützen wollten, führt dies dazu, dass lediglich 45 wahlberechtigte Arbeitnehmer diese Vorschlagsliste im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 2 BetrVG unterzeichnet haben.

Die weiteren Stützunterschriften auf dem gesonderten Blatt unter der laufenden Nr. 36 bis 69 konnten nicht berücksichtigt werden. Nach überwiegender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung (vgl. FKHES, a.a.O., § 14 Rz. 53; § 6 WO Rz. 13; LAG Nürnberg vom 13.03.1991 - 7 TaBV 6/91 - LAGE Nr. 4 zu § 18 BetrVG 1972; LAG Bremen vom 26.03.1998 - 1 TaBV 9/98 - LAGE Nr. 6 zu § 18 BetrVG 1972) muss ein aus mehreren Blättern bestehender Wahlvorschlag von Anfang an zu einer einheitlichen zusammenhängenden Urkunde verbunden und gegen Trennung gesichert worden sein, bevor die Stützunterschriften gesammelt werden.

Da sich unstreitig die weiteren Stützunterschriften Nr. 36 bis 69 auf einem gesonderten DIN 4-Blatt befanden, das mit dem Wahlvorschlag nicht fest verbunden gewesen ist, sondern erst in der Sitzung des Wahlvorstandes am 13.02.2002 nachträglich mittels Heftklammern mit dem Wahlvorschlag verbunden worden ist, konnten diese Stützunterschriften nicht mehr berücksichtigt werden. Voraussetzung hierfür wäre nämlich gewesen, dass von Anfang an dieses Blatt fest mit dem Wahlvorschlag verbunden gewesen wäre, um zu gewährleisten, dass jeder Unterstützer der Liste bei Abgabe seiner Unterschrift Kenntnis von den unterstützten Wahlbewerbern und ihrer Reihenfolge auf der Liste erlangen konnte und das Umlaufen loser Unterschriftenlisten ausgeschlossen wird.

Die fehlerhafte Vorgehensweise des Wahlvorstandes in seiner Sitzung vom 13.02.2002 wurde in der Sitzung vom 27.02.2002 noch rechtzeitig vor Durchführung der übrigen Wahlhandlungen korrigiert. Insoweit litt das weitere Wahlverfahren an keinem Mangel, der geeignet wäre, zur Unwirksamkeit der Wahl zu führen. c) Wie bereits das Landesarbeitsgericht Nürnberg in seiner Entscheidung vom 13.03.2002, Az.: 2 TaBV 13/02, festgestellt hat, handelt es sich bei dem Wahlvorschlag nicht um einen solchen der Gewerkschaft A... gemäß § 14 Abs. 3 und Abs. 5 BetrVG. Danach kann zwar eine Gewerkschaft neben den wahlberechtigten Arbeitnehmern eines Betriebes einen Wahlvorschlag einreichen. Dieser muss als solcher der Gewerkschaft erkennbar sein und von zwei Beauftragten unterzeichnet werden, § 14 Abs. 5 BetrVG.

Schon nach dem Inhalt und dem äußeren Erscheinungsbild des Wahlvorschlages handelt es sich hierbei um keinen einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft. An die Liste der Wahlbewerber schließt sich nämlich die der "Unterzeichner der Liste" an. Bei diesen wird die Art der Beschäftigung im Betrieb und die Betriebsabteilung aufgeführt. Damit wird deutlich, dass es sich bei diesen um Unterzeichner i.S.d. § 14 Abs. 4 BetrVG handelt, bei denen es sich um wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebes handeln muss. Letzteres wird durch die Art der Beschäftigung im Betrieb und die aufgeführte Abteilung dokumentiert.

Hinzu kommt, dass der Wahlvorschlag nicht von zwei Beauftragten der Gewerkschaft unterzeichnet worden ist, wie bereits in der Entscheidung vom 13.03.2002 vom Landesarbeitsgericht Nürnberg festgestellt worden ist. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Insoweit bestand keine Veranlassung des Wahlvorstandes, an die Antragstellerin heranzutreten und ihr gegenüber den Mangel zu rügen. d) Die vom Wahlvorstand beanstandete Liste war gemäß § 8 Abs. 1 Ziff. 3 WO unheilbar ungültig, da sie nicht die erforderliche Zahl von Stützunterschriften aufwies. Insoweit war vom Wahlvorstand keine Nachfrist für die Behebung des Mangels zu setzen, da es sich gerade um keinen Mangel im Sinne des § 8 Abs. 2 WO handelte.

Selbst wenn die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin zuträfe, der Wahlvorschlag sei als solcher der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft anzusehen, würde die fehlende Unterzeichnung durch zwei Beauftragte ebenfalls zur unheilbaren Unwirksamkeit des Vorschlages führen, vgl. §§ 14 Abs. 5 BetrVG, 27 Abs. 1 und 2 WO (vgl. FKHES, a.a.O., § 8 WO Rz. 1). e) Vom Wahlvorstand sind keine Verstöße gegen § 24 WO begangen worden, so dass hierdurch das Wahlergebnis beeinflusst worden wäre.

Die Briefwahlunterlagen sind gemäß § 24 Abs. 1 WO nur auf Verlangen des jeweiligen Mitarbeiters auszuhändigen oder zu übersenden. Hierzu kann sich der Wahlberechtigte auch Vertreter bedienen und der Wahlvorstand Boten einschalten (vgl. FKHES, a.a.O., § 24 WO Rz. 3, 6). In diesem Zusammenhang bedarf es nicht der Vorlage einer Vollmachtsurkunde, denn soweit ein Mitarbeiter die Briefwahlunterlagen nicht fristgerecht erhält, kann er sich unmittelbar an den Wahlvorstand wenden und seine Stimme auch persönlich abgeben, wenn er von der Briefwahl keinen Gebrauch machen wollte (so FKHES, a.a.O., Rz. 2). Vom Wahlvorstand muss eine abgegebene Begründung nicht überprüft werden, so dass es keine Rolle spielt, ob der Verhinderungsgrund tatsächlich vorgelegen hat oder nicht (vgl. FKHES, a.a.O., Rz. 3).

Unaufgefordert sind dem Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen nur dann zuzuleiten, wenn es sich hierbei um sogenannte "Außen"-Arbeitnehmer handelt, die nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht oder nur selten im Betrieb anwesend sind (vgl. hierzu FKHES, a.a.O., Rz. 14). Bei ihnen wird davon ausgegangen, dass sie ohne die von Amts wegen zu erfolgende Zusendung von der Wahl selbst und dem konkreten Wahlablauf nur unter erschwerten Bedingungen Kenntnis erlangen würden und insoweit ihr Wahlrecht beeinträchtigt wäre.

Bei Schichtarbeiternehmern, die regelmäßig den Betrieb aufsuchen, oder bei im Urlaub befindlichen Arbeitnehmern liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 WO nicht vor.

Der Wahlvorstand ist nicht gehalten, bereits so rechtzeitig Briefwahlunterlagen zu erstellen, dass jeder der in Urlaub befindlichen Mitarbeiter vor Antritt seines Urlaubs die Briefwahlunterlagen ausgehändigt bekommen kann. Insbesondere wegen der hier problematischen Prüfung der Zulässigkeit eines Wahlvorschlages kann auch eine kurzfristige Übersendung von Briefwahlunterlagen in Betracht kommen, soweit die rechtzeitige Stimmabgabe hierdurch nicht unmöglich gemacht wird.

In diesem Zusammenhang ist nicht zu beanstanden, dass dem Mitarbeiter G... noch nicht vor Antritt seines Urlaubs am 25.02.2002 die Briefwahlunterlagen ausgehändigt worden sind, sondern erst nach der weiteren Sitzung des Wahlvorstandes am 27.02.2002 zur Verfügung gestanden haben. Vom Wahlvorstand kann nicht jedwede Urlaubsplanung eines Mitarbeiters beachtet werden. Vielmehr fällt es in die Risikosphäre des einzelnen Mitarbeiters, wenn er aufgrund seiner konkreten Planung des Urlaubszeitraums und des Urlaubsortes auf technische Schwierigkeiten stößt, an der Betriebsratswahl teilzunehmen. Insoweit hätte der Mitarbeiter G... seinerseits Maßnahmen ergreifen müssen, die ihn in die Lage versetzt hätten, die Briefwahlunterlagen noch rechtzeitig zu erhalten und am Wahlverfahren teilzunehmen. Hierfür wird seitens der Antragstellerin kein konkretes Bemühen des Mitarbeiters behauptet.

Gleiches gilt hinsichtlich des Mitarbeiters L..., der die Briefwahlunterlagen erst drei bis vier Tage vor der Wahl erhalten haben soll. Dies war noch ausreichend, um bei sofortiger Durchführung der Briefwahl eine gültige Stimme abzugeben. In diesem Zusammenhang war nicht geboten, den Mitarbeiter bereits so rechtzeitig über die Betriebsratswahl zu informieren, dass dieser in der Lage gewesen wäre, einen eigenen Wahlvorschlag einzureichen. Die Bekanntgabe des Wahlausschreibens regelt § 3 Abs. 4 WO, der hier beachtet worden ist. Weitergehende Maßnahmen, dem Mitarbeiter L... gegenüber, waren vom Wahlvorstand nicht veranlasst. f) Die Anfechtung kann nicht darauf gestützt werden, es hätten die beiden wahlberechtigten Mitarbeiter I... und H... unter Verletzung des § 7 BetrVG nicht an der Wahl teilnehmen können. Diese beiden Mitarbeiter sind fehlerhafterweise zu dem damaligen Zeitpunkt in der EDV der Beteiligten zu 3) nicht als Mitarbeiter geführt und in die Wählerliste aufgenommen worden. Veränderungen in der Zusammensetzung der Belegschaft können gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 WO noch bis zum Tag vor dem Beginn der Stimmabgabe mitgeteilt werden, um vom Wahlvorstand berücksichtigt zu werden. Dagegen können Unrichtigkeiten oder Veränderungen am Wahltag selbst nicht mehr behoben bzw. berücksichtigt werden (vgl. hierzu FKHES, a.a.O., § 4 WO Rz. 15). Die Antragstellerin selbst trägt nicht vor, dass die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter H... und I... dem Wahlvorstand noch rechtzeitig vor dem Tag der Wahl mitgeteilt worden sei und es der Wahlvorstand pflichtwidrig unterlassen habe, das Wählerverzeichnis zu korrigieren. Dem Wahlvorstand kann deshalb ein Verstoß gegen § 4 WO nicht angelastet werden, wenn er am Wahltag selbst eine Korrektur des Wählerverzeichnisses ablehnt.

Hinzu kommt, dass nach der Nichtannahme der Wahl durch vier gewählte Wahlbewerber zwischen dem als 19. Mitglied gewählten Bewerber E... (399 Stimmen) und dem als 1. Ersatzmitglied gewählten Bewerber F... (396 Stimmen) ein Abstand von drei Stimmen liegt und folglich der Ausschluss von zwei wahlberechtigten Mitarbeitern auf den Ausgang der Betriebsratswahl keinen Einfluss hatte. g) Von der Antragstellerin wird nicht vorgetragen, inwieweit die Bestellung des Wahlvorstandes am 04.12.2000 auf einem konkreten Ladungsfehler beruhen sollte und inwieweit sich dies auf die Zusammensetzung des Wahlvorstandes und seine spätere Tätigkeit ausgewirkt haben könnte. Gleiches gilt hinsichtlich des behaupteten Ladungsfehlers für die Sitzung des Wahlvorstandes am 27.02.2002. Diesbezüglich wird nicht vorgetragen, welches Mitglied des Wahlvorstandes aufgrund der fehlerhaften Ladung übergangen worden sei und inwieweit sich dies auf die Entscheidung des Wahlvorstandes ausgewirkt haben könnte.

III.

Der Rechtssache wird hinsichtlich der Problematik der sofortigen Einberufung einer Wahlvorstandssitzung nach Abgabe eines - möglicherweise - unzulässigen Wahlvorschlages wenige Stunden vor Ablauf der Einreichungsfrist grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Aus diesem Grund wird die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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