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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 11 ME 455/07
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 178/2002, VO (EG) Nr. 2073/2005


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 14 Abs. 1
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 14 Abs. 2a
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 14 Abs. 3
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 50
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 52
VO (EG) Nr. 2073/2005
Zu den nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an eine Schnellwarnmeldung an die Europäische Union bei einem nicht sicheren Lebensmittel.
Gründe:

Die Antragstellerin begehrt im Beschwerdeverfahren die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung, die von dieser an die Europäische Kommission weitergeleitete Schnellwarnmeldung hinsichtlich eines von der Antragstellerin hergestellten und vertriebenen Lebensmittels zu widerrufen.

Die Antragstellerin ist Herstellerin des Erzeugnisses "Hähnchenschnitzel", mit dem Zusatz "Paniert und knusprig gebacken", das in Fertigpackungen über den Lebensmitteleinzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland, in geringen Mengen auch in Ungarn, in den Verkehr gebracht wird. Das Etikett der Verpackung enthält den Zubereitungshinweis, dass das Lebensmittel vor dem Verzehr in der Pfanne, dem Backofen oder der Friteuse zu erhitzen ist.

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit stellte bei einer am 24. September 2007 in der Betriebsstätte der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin gezogenen und nach Lagerung bei + 6 °C am 24. Oktober 2007, dem auf der Verpackung genannten Mindesthaltbarkeitsdatum, untersuchten Probe des Produkts "Hähnchenschnitzel" den Keim Listeria monocytogenes in einer Zahl von 6.000 KbE/g fest. Es stufte deshalb in seinem Untersuchungsbericht vom 2. November 2007 die Probe als gesundheitsschädlich gemäß § 5 LFGB i. V. m. Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 a VO (EG) 178/2002 ein, und erklärte seine Absicht, der Antragsgegnerin eine Meldung hinsichtlich des beanstandeten Produkts zu übermitteln, damit diese wiederum die Meldung an die Europäische Kommission zur Einstellung in das Schnellwarnsystem der Europäischen Union für Lebensmittel und Futtermittel weiterleite.

Dagegen suchte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Mit Beschluss vom 9. November 2007 - M 18 E 07.5017 - lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit u. a. zu untersagen, bezüglich des Produkts "Hähnchenschnitzel" selbst eine Meldung in das Schnellwarnsystem der Europäischen Union einzustellen bzw. die Antragsgegnerin zwecks einer Einstellung der Meldung in das Schnellwarnsystem mit dem Sachverhalt zu befassen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Mit Blick auf eine denkbare Verletzung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei die Antragstellerin antragsbefugt. Der Anordnungsgrund sei gegeben, weil das Landesamt angekündigt habe, eine Mitteilung in das Schnellwarnsystem einstellen zu lassen. Die Antragstellerin habe jedoch nicht einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anspruch auf Unterlassung der fraglichen Mitteilung bestehe nicht, weil die beabsichtigte Meldung mit großer Wahrscheinlichkeit mit den gesetzlichen Vorschriften zu vereinbaren sei. Gemäß Art. 50 Abs. 2 VO (EG) 178/2002 i. V. m. § 7 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Durchführung des Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel sowie für Meldungen über Futtermittel (AVV Schnellwarnsystem - AVV SWS) seien Meldungen zu Lebensmitteln in das Schnellwarnsystem einzustellen, wenn von den Lebensmitteln ein ernstes unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit ausgehe. Hiervon sei nach dem Gutachten des Landesamtes vom 2. November 2007 auszugehen, demzufolge der bei der Probe festgestellte Wert die zulässige Höchstmenge an Keimen von 100 KbE/G ganz erheblich und eindeutig übersteige. Da der Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums am 24. Oktober 2007 weder ein absolutes Verkehrsverbot für die betroffenen Waren darstelle noch eine strikte Warnung vor dem Verzehr, stehe der seit dem genannten Datum abgelaufene Zeitraum nicht der Einstellung einer Mitteilung in das Warnsystem entgegen. Die Antragstellerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass von der hier fraglichen Partie, die 2,5 t umfasse, lediglich 72 Verpackungseinheiten á 250 g nach Ungarn ausgeliefert worden seien. Eine Bagatellgrenze sähen die Vorschriften zum Schnellwarnsystem nicht vor. Die beabsichtigte Mitteilung sei auch nicht wegen einer völlig zu vernachlässigenden Gefährdungslage unverhältnismäßig. Der Großteil der betroffenen Charge des fraglichen Produkts sei zwar vermutlich inzwischen verbraucht. Restbestände könnten aber noch vorhanden sein, z. B. nach einem zwischenzeitlichen Einfrieren der Ware.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 14. November 2007 - 25 CE 07.2990 - als unbegründet zurück.

Das Verwaltungsgericht hat den bereits am 5. November 2007 eingeleiteten Eilrechtsschutzantrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, hinsichtlich des Produktes "Hähnchenschnitzel" eine Meldung in das Schnellwarnsystem der Europäischen Union einzustellen, mit Beschluss vom 16. November 2007 abgelehnt. Es hat unter Bezugnahme auf die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 9. November 2007 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 2007 die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches verneint.

Nach Erhebung der Beschwerde am 16. November 2007 hat die Antragsgegnerin noch am selben Tag die Schnellwarnmeldung an die Europäische Union weitergeleitet.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die weitergeleitete Schnellwarnung gegenüber der Europäischen Kommission zu widerrufen.

Die Antragsgegnerin hält den im Beschwerdeverfahren neu gestellten Antrag für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Es kann auf sich beruhen, ob die Umstellung des vorläufigen Rechtsschutzantrages im Beschwerdeverfahren zulässig ist. Der von der Antragstellerin angeführten Sachdienlichkeit ihres prozessualen Vorgehens hält die Antragsgegnerin mit erwägenswerter Begründung entgegen, das von der Antragstellerin angestrebte Rechtsschutzziel sei nicht mehr erreichbar, weil ihr, der Antragsgegnerin, keine rechtliche Handhabe zur Verfügung stehe, die weitergeleitete Schnellwarnmeldung gegenüber der Europäischen Kommission zu widerrufen. Ein Widerruf komme in Betracht, wenn das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ihr gegenüber den Entwurf der Meldung nach § 5 AVV SWS zurückziehe. Das sei nicht geschehen. Der Senat muss sich in diesem, auf eine zügige Entscheidung angelegten Verfahren nicht näher damit auseinandersetzen, ob die Antragsgegnerin eine eigenständige rechtliche Kompetenz zum Widerruf hat. Es bedarf auch keiner Vertiefung der Frage, unter welchen Voraussetzungen im Beschwerdeverfahren die Umstellung eines auf ein anderes Rechtsschutzziel gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrages noch möglich ist, und ob der begehrte Widerruf in einem Verfahren nach § 123 VwGO erreichbar ist. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Weiterleitung der Schnellwarnmeldung vorliegen. Ein im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchsetzbarer Anspruch der Antragstellerin auf Folgenbeseitigung besteht deshalb nicht.

Die Weiterleitung der Schnellwarnmeldung steht mit großer Wahrscheinlichkeit in Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften und verletzt deshalb nicht grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Antragstellerin.

Fraglich ist, ob der Vorgang der Übermittlung der Schnellwarnmeldung an die Europäische Kommission einen Eingriff in Rechtsgüter der Antragstellerin darstellt. Die Antragstellerin macht geltend, die Einstellung einer Meldung in das Schnellwarnsystem diene unmittelbar dem Zweck, die Öffentlichkeit über das beanstandete Produkt zu unterrichten. Sie müsse deshalb mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen rechnen, insbesondere mit einer Rufschädigung und mit dem Abbruch gefestigter Kundenbeziehungen. Es ist zweifelhaft, ob diese Auffassung zutreffend ist. In der Europäischen Union besteht aufgrund der Bestimmung in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 178/2002 ein Schnellwarnsystem in Gestalt eines Informationsnetzes für die Meldung eines von Lebensmitteln ausgehenden unmittelbaren oder mittelbaren Risikos für die menschliche Gesundheit. Liegen einem Mitglied des Netzes Informationen über das Vorhandensein eines ernsten unmittelbaren oder mittelbaren Risikos für die menschliche Gesundheit vor, das von Lebensmitteln ausgeht, so werden diese Informationen nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Kommission unverzüglich über das Schnellwarnsystem gemeldet. Die Kommission leitet diese Informationen nach Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift unverzüglich an die Mitglieder des Netzes weiter. Im Anschluss daran entscheiden die Mitglieder des Netzes darüber, welche Maßnahmen sie ergreifen. Art. 52 VO (EG) 178/2002 verpflichtet die Mitglieder, bestimmte Vertraulichkeitsregeln zu beachten. Richtig ist zwar, dass Art. 52 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 178/2002 eine Verknüpfung zwischen Meldungen im Schnellwarnsystem und behördlichen Informationen der Öffentlichkeit herstellt, in dem bestimmt wird, dass den Mitgliedern des Netzes vorliegende Informationen über Risiken für die menschliche Gesundheit aufgrund von Lebensmitteln in der Regel in Übereinstimmung mit dem Informationsprinzip nach Art. 10 VO (EG) 178/2002 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind. Die Informationsweitergabe unterliegt aber verschiedenen Einschränkungen. Hierauf hat bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. November 2007 - 25 CE 07.2990 - hingewiesen. Wörtlich heißt es in dem Beschluss:

"Diese Verknüpfung ist aber in verschiedener Hinsicht gefiltert, wie bereits der Wortlaut des Art. 52 Abs. 1 Satz 1 der VO (EG) 178/2002 mit der Einschränkung, dass diese Verpflichtung zur Weitergabe von vorliegenden Informationen über Gesundheitsrisiken an die Öffentlichkeit nur "in der Regel", also nicht ausnahmslos gilt, zum Ausdruck bringt. Ausnahmen ergeben sich insbesondere aus Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 2 der VO (EG) 178/2002, wonach Informationen, die ihrer Natur gemäß der Geheimhaltung unterliegen, grundsätzlich nicht weitergegeben werden. Zum anderen darf nach Art. 52 Abs. 2 der VO (EG) 178/2002 der Schutz der Geheimhaltung die Weitergabe von Informationen, die für die Wirksamkeit der Marktüberwachung und der Durchsetzungsmaßnahmen im Bereich der Lebensmittel relevant sind, an die zuständigen Behörden gerade nicht verhindern. Es liegt vielmehr in der Verantwortung der jeweils im Vollzug konkret betroffenen Behörden, die Informationen über das Schnellwarnsystem erhalten haben, einerseits darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und Gesundheit zu treffen sind, und in diesem Rahmen andererseits auch darüber zu befinden, ob und in welchem Umfang die Öffentlichkeit durch behördliche Produktwarnungen aufgeklärt werden oder aber Vertraulichkeit der Informationen nach den inhaltlichen Maßstäben des Art. 52 Abs. 1 der VO (EG) 178/2002 gewährleistet werden soll. Diese Verantwortung der Behörden der Mitgliedstaaten, zwischen Handlungsbedarf - gegebenenfalls auch durch behördliche Produktwarnung - und Geheimhaltungsbedürfnis entscheiden zu müssen, wird überhaupt erst real, wenn sie über das Schnellwarnsystem mit den erforderlichen Informationen versorgt werden."

Angesichts dieses abgestuften Systems ist zweifelhaft, ob allein die Einstellung einer Meldung in das Schnellwarnsystem zwangsläufig zu den von der Antragstellerin befürchteten Rechtsnachteilen führt. Dem Vortrag der Antragstellerin, eine Schnellwarnung werde in nicht anonymisierter Form in den Wirtschaftskreisen verbreitet, hält die Antragsgegnerin entgegen, dass eine Weitergabe von Informationen über eine Meldung an die Öffentlichkeit, z. B. über das Internet, in anonymisierter Form erfolge, so dass die hinter einer Meldung stehende Firma nicht ermittelbar sei. Der Senat muss diesen sich widersprechenden Angaben in dem vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgehen. Die Antragsgegnerin war befugt, die Schnellwarnmeldung an die Europäische Kommission weiterzuleiten.

Bei dem von dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit untersuchten Produkt "Hähnchenschnitzel" liegen die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 a VO (EG) 178/2002 vor. Es handelt sich um ein Lebensmittel, das als nicht sicher gilt, weil von seiner Gesundheitsschädlichkeit auszugehen ist. Das Produkt darf deshalb nicht in den Verkehr gebracht werden. Nach dem Untersuchungsbericht des Landesamtes vom 2. November 2007 wies die Probe einen Befall mit dem Erreger Listeria monocytogenes in einer Größenordnung von 6.000 KbE/g auf. Die Zahl der Erreger übersteigt den als Lebensmittelsicherheitskriterium in Anhang I, Kap. 1, Nr. 1.2 zu Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 2073/2005 festgelegten Grenzwert von 100 KbE/g um das 60-fache.

Die Antragstellerin beruft sich ohne Erfolg darauf, dass wegen des Hinweises auf dem Etikett des Erzeugnisses, das Lebensmittel sei vor dem Verzehr in der Pfanne, dem Backofen oder der Friteuse zu erhitzen, ein Gesundheitsrisiko nicht bestehe. Nach Art. 14 Abs. 3 b VO (EG) 178/2002 sind bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel sicher ist oder nicht, die dem Verbraucher vermittelten Informationen einschließlich der Angaben auf dem Etikett oder sonstige ihm normalerweise zugängliche Informationen über die Vermeidung bestimmter die Gesundheit beeinträchtigender Wirkungen eines bestimmten Lebensmittels zu berücksichtigen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat die Informationen auf dem Etikett bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Soweit es trotz der Etikettierung zu der Einschätzung gelangt ist, das Lebensmittel sei gesundheitsschädlich, ist diese Bewertung nicht zu beanstanden.

Die Antragstellerin verweist zu Unrecht auf das Ergebnis der Beratung einer kleinen Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Führung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 13. November 2007 zur Auslegung und Anwendung der Lebensmittelsicherheitskriterien der VO (EG) 2073/2005. Nach Nr. 3 dieser Auslegungs- und Anwendungshilfe dürfen die in der VO (EG) 2073/2005 geregelten Lebensmittelsicherheitskriterien nicht mit herkömmlichen Grenzwerten verwechselt werden. Lebensmittel, die Lebensmittelsicherheitskriterien nicht einhalten, können im Falle einer amtlichen Überwachung nicht generell als "nicht sichere" Lebensmittel eingeordnet werden. Es ist vielmehr eine Einzelfallprüfung am Maßstab des Art. 14 VO (EG) 178/2002 erforderlich, wobei nach Abs. 3 b dieser Vorschrift die Kennzeichnung und Aufmachung der Erzeugnisse (z. B. der Hinweis "Vor Verzehr erhitzen") bei der Bewertung zu berücksichtigen sind. Diese Erwägungen stehen der Einstufung des Produkts der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin als gesundheitsschädlich im Sinne des Art. 14 VO (EG) 178/2002 nicht entgegen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hebt in seinem Untersuchungsbericht vom 2. November 2007 nicht nur auf die hohe Überschreitung des Grenzwertes für den festgestellten Erreger ab. Wie ausgeführt, hat es vielmehr auch die dem Verbraucher vermittelten Informationen bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Dabei hat das Landesamt den auf dem Etikett angebrachten Zubereitungshinweis, das Erzeugnis sei vor dem Verzehr in der Pfanne, dem Backofen oder der Friteuse zu erhitzen, nicht nur wegen seines Hinweischarakters, sondern auch wegen der Schriftgröße und wegen seiner Platzierung als nicht ausreichend angesehen. Es kann deshalb auf sich beruhen, ob die zuständige Landesbehörde bei einem für den Verbraucher größer und auffälliger platzierten Erhitzungshinweis das Lebensmittel als nicht gesundheitsschädlich eingeordnet hätte. Dies dürfte mit Blick auf die erhebliche Überschreitung des Grenzwertes fraglich sein.

Die Antragstellerin macht weiter geltend, angesichts des inzwischen weit zurückliegenden Ablaufs des Mindesthaltbarkeitsdatums am 24. Oktober 2007 sei es unwahrscheinlich, dass ein Verbraucher das beanstandete Erzeugnis noch verzehre. Diesem Einwand ist das Verwaltungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Die Möglichkeit, dass ein Verbraucher das Produkt zunächst einfriert, um es später zu verzehren, begründet nach wie vor eine Gesundheitsgefahr, die, wie ausgeführt, auch nicht durch den aufgenommenen Zubereitungshinweis ausgeschlossen wird.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass im Falle des Einfrierens das anschließende Durcherhitzen zu den "normalen Bedingungen" der Verwendung des Produkts durch den Verbraucher im Sinne des Art. 14 Abs. 3 a VO (EG) 178/2002 gehört und diese Vorgehensweise des Verbrauchers bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel sicher ist oder nicht, zu berücksichtigen ist. Angesichts des Zusatzes "paniert und knusprig gebraten" kommt aus der Sicht des Verbrauchers auch ein Verzehr ohne nochmaliges Erhitzen in Betracht. Wie schon dargestellt, hat der Erhitzungshinweis in der hier vorliegenden Gestalt nicht die erforderliche Warnfunktion vor einer Gesundheitsgefahr.

Der Beschwerde verhilft auch nicht zum Erfolg, dass in dem Entwurf der Schnellwarnmeldung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit unter dem Punkt "Öffentlicher Rückruf" ("public recall") die Entscheidung mit "Nein" angegeben wird. Der Rückruf ist nur eine von mehreren Handlungsmöglichkeiten bei einem unbefriedigenden Untersuchungsergebnis im Sinne des Art. 7 VO (EG) 2053/2005. Aus dem Verzicht auf diese die Antragstellerin wegen der Wirkung in der Öffentlichkeit deutlich stärker belastenden Maßnahme kann nicht hergeleitet werden, dass das beanstandete Produkt sicher ist und deshalb die Voraussetzungen für die Weiterleitung der Schnellwarnmeldung nicht gegeben sind.

Die Weiterleitung der Schnellwarnmeldung ist auch nicht unverhältnismäßig. Der von der Antragstellerin vorgetragene Umstand, dass nur ein verschwindend geringer Teil der Charge, aus der das amtlicherseits beanstandete Lebensmittel stamme, an einen einzigen Mitgliedstaat, nämlich Ungarn, geliefert worden sei, steht der Erforderlichkeit der Warnmeldung nicht entgegen. Wie bereits vom Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 9. November 2007 - M 18 E 07.5017 - dargelegt, sehen die Vorschriften zum Schnellwarnsystem nicht eine mengenmäßige Bagatellgrenze vor.

Eine ausschließliche Information des betroffenen Mitgliedstaates Ungarn als milderes Mittel scheidet aus, weil das Schnellwarnsystem dazu dient, alle Mitgliedstaaten über Risiken für die menschliche Gesundheit im Bereich des Lebensmittelrechts zu informieren.

§ 7 Abs. 6 AVV SWS greift ebenfalls nicht ein. Danach werden abweichend von Abs. 1 der Vorschrift Meldungen zu Lebensmitteln, die nachweislich nicht über einen eng begrenzten regionalen Bereich hinaus in den Verkehr gelangt sind, in der Regel nicht in das Schnellwarnsystem eingestellt. Die Verwaltungsvorschrift regelt für die zuständigen Behörden in der Bundesrepublik Deutschland die Kriterien für Meldungen zu Lebensmitteln. Mit dem "eng begrenzten regionalen Bereich" ist deshalb lediglich ein Teilgebiet in der Bundesrepublik Deutschland gemeint, nicht aber ein solches in einem anderen Mitgliedstaat.

Ende der Entscheidung

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