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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.01.2000
Aktenzeichen: 16 U 28/99
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 323 Abs. 1
BGB § 323 Abs. 3
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2
BGB § 626
BGB § 628
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2
BGB § 818 Abs. 3
HGB § 84
HGB § 89 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES SCHLUSSURTEIL

16 U 28/99 10 O 279/98 LG Duisburg

Verkündet am 14. Januar 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. , die Richterin am Oberlandesgericht R und den Richter am Oberlandesgericht Sch

für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Dezember 1998 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der jährlichen Bereitstellungspauschale verlangen kann, weil er unmittelbar nach Inkrafttreten des zwischen den Parteien geschlossenen Handelsvertretervertrages diesen mit Schreiben vom 20.04.1998 berechtigt aus wichtigem Grund gekündigt hat (§ 812 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB, § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. Ziff. 9.7. des Vertrages vom 24.03.1998).

1. Dabei mag es dahinstehen, ob sich schon im Wege der - ergänzenden - Auslegung des unter dem 24.03.1998 geschlossenen Vertrages ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch des Klägers ergibt, weil in Ziff. 9.7. Satz 3 eine - auch teilweise Rückerstattung der Bereitstellungspauschale nur für den Fall ausgeschlossen wird, dass das Vertragsverhältnis durch den SA = Systemanbieter - die Beklagte - außerordentlich gekündigt wird.

Offen bleiben kann auch, ob sich ein Rückzahlungsanspruch aus § 323 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. §§ 812 ff. BGB ergibt, weil die der Beklagten obliegende Leistung - die Überlassung der Gebietsrepräsentanz und der damit verbundenen Leistungs- und Nutzungsmöglichkeiten - infolge der von keiner der Parteien zu vertretenden krankheitsbedingten fristlosen Kündigung des Klägers nachträglich unmöglich geworden ist.

Ein Rückzahlungsanspruch des Klägers ergibt sich jedenfalls aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB, weil der rechtliche Grund für die Leistung der Bereitstellungspauschale - der zwischen den Parteien unter dem 24.03.1998 geschlossene Handelsvertretervertrag - nachträglich durch die unter dem 20.04.1998 von dem Kläger ausgesprochene fristlose Kündigung entfallen ist.

2. Das zwischen den Parteien mit Wirkung zum 15.04.1998 begründete Vertragsverhältnis ist als Handelsvertreterverhältnis im Sinne des § 84 HGB mit der Folge zu qualifizieren, dass die von der Beklagten für die Vertragsbeendigung angeführten Vorschriften der §§ 626, 628 BGB hier keine Anwendung finden (vgl. hierzu nur: Münchener Kommentar/von Hoyningen-Huene Rdnr. 3 ff. zu § 89 a HGB).

Nach dem Vertragsinhalt sollte der Kläger als selbständiger Gewerbetreibender im Sinne des § 84 HGB ständig damit betraut sein, für die Beklagte Geschäfte mit Endkunden zu vermitteln (vgl. Ziff. 4.1. des Vertrages, Bl. 6 GA).

Dieses Handelsvertreterverhältnis hat der Kläger unter dem 20.04.1998 aus wichtigem Grund fristlos gekündigt (§ 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. Ziff. 9.7. des Vertrages, Bl. 8 GA).

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB liegt dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder - im Falle eines auch hier vorliegenden befristeten Vertrages - bis zur vereinbarten Vertragsdauer nicht zugemutet werden kann (vgl. nur: Münchener Kommentar/von Hoyningen-Huene, HGB, Rdnr. 12 zu 89 a, m. w. N.).

Ist der Handelsvertreter infolge langfristiger Berufs- oder Arbeitsunfähigkeit unverschuldet daran gehindert, seinen Vertragspflichten dauerhaft nachzukommen, berechtigt ihn dies in der Regel nur dazu, das Vertragsverhältnis durch ordentliche Kündigung zu beenden, sofern die Umstände länger voraussehbar sind und daher durch eine rechtzeitige ordentliche Kündigung die Folgen einer späteren fristlosen Kündigung hätten vermieden werden können. Etwas anders gilt jedoch dann, wenn der nicht nur vorübergehend, sondern auf längere Dauer erkrankte Handelsvertreter das Handelsvertreterverhältnis nicht durch eine fristgerechte Kündigung beenden kann, weil das Handelsvertreterverhältnis auf bestimmte Zeit abgeschlossen ist (vgl. nur: Küstner/von Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. I, 6. Aufl., Rdnr. 1851) oder wenn er unvorhergesehen plötzlich in einer Weise erkrankt, die ihm ein Fortsetzen des Vertrages bis zu einem Vertragsende durch ordentliche Kündigung unmöglich (unzumutbar) macht.

So liegt der Fall hier. Der Kläger ist infolge seiner Erkrankung an Leukämie jedenfalls für die Dauer des zunächst auf ein Jahr unkündbar befristeten Vertragsverhältnisses gehindert gewesen, seinen Vertragspflichten nachzukommen. Er hat nicht nur nachgewiesen, dass er infolge dieser Erkrankung seit Ende April 1998 arbeitsunfähig, sondern auch, dass er mit Wirkung vom 17.04.1998 als Schwerbehinderter mit einer 80 %igen Behinderung eingestuft ist (Bl. 10, 34 GA). Da das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen worden ist, entfiel für ihn die Möglichkeit, es vorzeitig durch ordentliche Kündigung zu beenden, so daß der Senat nicht zu entscheiden hat, ob ihm ein Festhalten am Vertrag bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist möglich und zumutbar gewesen wäre.

Von seinem Recht, das Vertragsverhältnis infolge der nachträglich eingetretenen schweren Erkrankung sofort zu beenden, hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 20.04.1998 und nicht erst mit Anwaltsschreiben vom 25.05.1998 Gebrauch gemacht. Dabei ist es unschädlich, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 20.04.1998 (Bl. 11 GA) - anders als in dem späteren Anwaltsschreiben - nicht ausdrücklich die fristlose Kündigung ausgesprochen hat. Ausreichend ist es, wenn der Kündigungsempfänger aus dem Inhalt der Kündigungserklärung unzweifelhaft den Willen des Kündigenden zur außerordentlichen Kündigung erkennen kann (vgl. nur: Münchener Kommentar/von Hoyningen-Huene, HGB, Rdnr. 61 zu 89 a). Dem Schreiben des Klägers vom 20.04.1998 ist sein Wille zur vorzeitigen fristlosen Beendigung des Vertragsverhältnisses klar und eindeutig zu entnehmen, denn er führt in diesem aus, dass er seinen Teil des Vertrages infolge der eingetretenen Erkrankung nicht erfüllen könne und daher um Erstattung der bereits geleisteten Bereitstellungspauschale bitte (Bl. 11 GA).

3. Da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Kläger in den ersten Tagen des am 15.04.1998 in Kraft getretenen Vertragsverhältnisses die ihm mit der Gebietsrepräsentanz eröffneten Leistungen und Nutzungsmöglichkeiten in Anspruch genommen hat, ist die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB auch verpflichtet, ihm die Bereitstellungspauschale in voller Höhe und nicht nur anteilig (d.h. abzüglich 331,73 DM für eine Woche) zu erstatten (so wohl auch BGH NJW 1982, 181 zur Rückzahlung einer Vertragsanschlußgebühr bei Kündigung innerhalb der Probezeit unter II. 4.).

4. Dem Erstattungsanspruch des Klägers kann die Beklagte bereicherungsmindernde Aufwendungen im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB nicht entgegenhalten.

Dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß verpflichtet war, "an die mit der Partnergewinnung beauftragte Unternehmensberatung P GmbH eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 6.960 DM" ungeachtet einer unmittelbar nach Vertragsbeginn ausgesprochenen fristlosen Kündigung zu zahlen, ist schon nicht näher dargetan (Bl. 83 GA). Überdies ist die von dem Kläger bestrittene Zahlung nicht durch die vorgelegte Rechnung vom 08.04.1998 (Bl. 91 GA) belegt.

Ebensowenig hat die Beklagte näher dargelegt, dass das nach dem Vertrag nicht geschuldete Einrichten von drei verschiedenen Fax-Abruf-Werbelines und einer individuellen 0190 Rufnummer auf einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Kläger beruhte (s. dagegen Ziff. 5.2. und Ziff. 6.1. des Vertrages, Bl. 7 GA). Ungeachtet dessen aber hat sie auch nicht näher ausgeführt und belegt, dass die von der Telekom hierfür berechneten Gebühren von ihr geleistet worden sind.

Ohne Substanz ist schließlich auch ihr Vorbringen, für das Erstellen individueller Druckvorlagen sei ein zweitägiger Arbeitsaufwand des Grafikers entstanden und desweiteren sei für den Kläger die gesamte Software-Ausstattung erstellt, die Datenbank für individuelle Transfers vorbereitet und dem Kläger die Startausstattung inklusiver diverser Werbemittel mit dem internationalen Marketing-Handbuch übersandt worden. Welche Kosten der Beklagten hierdurch entstanden sind, ist noch nicht einmal ansatzweise dargelegt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 17.250 DM.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Rechtsstreit nicht auf.

Ende der Entscheidung

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