Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.11.1999
Aktenzeichen: 4 U 2/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 767
ZPO § 794 Nr. 5
ZPO § 795
ZPO § 797
§§ 767, 794 Nr. 5, 795, 797 ZPO

Das Verlangen der sofortigen Rückzahlung des ausstehenden Darlehnskapitals von 9.240 DM und die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde über den auf einer Schadensersatzverpflichtung des Gläubigers beruhenden Darlehnsvertrag über 11.000 DM verstoßen gegen Treu und Glauben und stellen eine unzulässsige Rechtsausübung dar, wenn der Darlehnsvertrag zwar eine Verfallkausel für den Fall enthält, daß der Schuldner mit einer Rate ganz oder teilweise länger als drei Wochen in Rückstand gerät, der aufgelaufene Rückstand des Schuldners aber lediglich darauf beruht, daß er - ebenso wie der Gläubiger - die vereinbarte Erhöhung der jährlichen Tilgungsrate nach 15 Jahren von 110 auf 220 DM während mehrerer Jahre übersehen hat.

Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 23. November 1999 - (4 U 2/99) - rechtskräftig


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

4 U 2/99 2 O 287/98 LG Kleve

Verkündet am: 23. November 1999

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der B K B GmbH & Co. KG, gesetzlich vertreten durch die B K V GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Herrn H V, W, K,

Beklagte und Berufungsklägerin,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

1. Herrn K J,

2. Frau E J, von B straße, K,

Kläger und Berufungsbeklagte,

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. H, Dr. - C, Dr. A B, Dr. H, Dr. K und Dr. O C in D,

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht O für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Oktober 1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. H in K vom 05. Februar 1979 (UR-Nr.: / ) wird für derzeit unzulässig erklärt mit Ausnähme der weiterhin zulässigen Zwangsvollstreckung wegen einer Zinsforderung in Höhe von 8% aus 9.240,-- DM für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 6. Juli 1998 abzüglich jeweils am 15. Januar 1996, 1997 und 1998 gezahlter 110,-- DM.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz wie auch die des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich mit ihrer Vollstreckungsgegenklage gegen die Zulässigkeit der von der Beklagten angekündigten Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. H in K vom 05. Februar 1979 (UR -Nr.: )

Die Beklagte betreute in den 70er Jahren die Finanzierung des Bauvorhabens der Kläger, für das diese auch zinsgünstige Darlehen der Wohnungsbauförderungsanstalt des Landes Nordrhein - Westfalen in Anspruch nehmen wollten. In einem Ende der 70er Jahre vor dem Landgericht Kleve geführten Rechtsstreit warfen die Kläger auch der Beklagten vor, die rechtzeitige Vorlage der Geburtsurkunde eines Kindes versäumt zu haben, so daß ihnen das Darlehen der Wohnungsbauförderanstalt versagt worden sei. Mit ihrer damaligen Klage nahmen sie die Beklagte auf Ersatz des ihnen hierdurch entstandenen Schadens in Anspruch. Der Rechtsstreit wurde von den Parteien vergleichsweise beigelegt. In Erfüllung des geschlossenen Prozeßvergleichs gewährte die Beklagte den Klägern ein zinsloses Darlehen in Höhe von 11.000 DM. Dieses Darlehen ist Gegenstand der notariellen Urkunde des Notars Dr. H in K vom 5. Februar 1979 (UR -Nr.: ), in der sich die Kläger ab dem 1. Januar 1980 zu einer jährlichen Tilgungsleistung von 1% des Darlehenskapitals verpflichteten, die sich ab dem 1. Januar 1995 auf 2% erhöhen sollte. Der Vertrag enthält ferner eine Verfallklausel, nach der die Beklagte das restliche Darlehenskapital ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sollte zurückfordern können, falls die Kläger mit einer Tilgungsrate ganz oder teilweise länger als 3 Wochen in Rückstand geraten würden. Für den Fall, daß die Kläger mit einer Tilgungsrate länger als 2 Wochen in Rückstand geraten würden, sollte das dann noch geschuldete Restdarlehen vom Zeitpunkt der Fälligkeit der Rate an für die Dauer des Verzugs mit 8% verzinst werden. In der notariellen Urkunde haben sich die Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung wegen der in ihr geregelten Zahlungsverpflichtungen unterworfen.

In der Folgezeit überwiesen sie der Beklagten per Dauerauftrag jeweils Anfang Januar eines Jahres den festgelegten Tilgungsbetrag in Höhe von 110,-- DM. Mit Schreiben vom 2. April 1998 kündigte die Beklagte das Darlehen, weil die Kläger ihre Tilgungsleistungen entgegen der vertraglichen Vereinbarung aus dem Jahr 1979 nicht ab dem 1. Januar 1995 auf 220,-- DM erhöht hatten. Nach Erhalt des Kündigungsschreibens glichen die Kläger den Rückstand von 440,-- DM am 7. Juli 1998 aus. Gleichwohl kündigte die Beklagte an, aus der notariellen Urkunde die Zwangsvollstreckung gegen sie betreiben zu wollen.

Die Kläger vertreten die Auffassung, es verstoße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, daß die Beklagte ohne vorherige Mahnung das Darlehen gekündigt habe.

Sie haben beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars Dr. H aus K vom 05.02.1979, UR-Nr.: für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor.

Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt, da sie gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer zulässigen Berufung.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihren Vortrag erster Instanz.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des langerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß nur die Feststellung begehrt wird, die Zwangsvollstreckung derzeit für unzulässig zu erklären.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist nur insoweit begründet, als das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. H in K vom 05.02.1979 (UR Nr.: ) auch wegen der für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 6. Juli 1998 angefallenen Zinsen für unzulässig erklärt hat. Im übrigen war die weitergehende Zwangsvollstreckung nur für derzeit unzulässig zu erklären, nachdem die Kläger auf Hinweis des Senats ihren Antrag klarstellend entsprechend beschränkt haben.

1. Die Vollstreckungsgegenklage der Kläger ist gemäß §§ 767, 794 Nr. 5, 795, 797 ZPO zulässig.

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, da die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde ernstlich angedroht hat. Die Einwendung der Kläger betrifft auch den Anspruch selbst, nämlich die Frage, ob der Anspruch der Beklagten auf vollständige Rückzahlung und Verzinsung des Darlehens infolge des Eintritts der in der vertraglichen Verfallsklausel vereinbarten Bedingung geltend gemacht werden kann oder nicht. Selbst der Umstand, daß (bei der Begründetheit der Klage) ein Recht der Beklagten zur Vollstreckung aus der Urkunde für die Zukunft nicht auszuschließen ist, hindert die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage nicht, da mit ihr auch lediglich zeitlich befristete Einwendungen geltend gemacht werden können (vgl. Herget in Zöller, ZPO - Kommentar, 20. Aufl., § 767, Rn. 1 m.w.Nw.).

2. Während die Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehenskapitals derzeit unzulässig ist (a), ist die Zwangsvollstreckung wegen der in der Zeit des Zahlungsrückstands der Kläger vom 1. Januar 1996 bis zum 6. Juli 1998 angefallenen Zinsen statthaft (b). Insoweit waren das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

a) Die von der Beklagten wegen der Rückzahlung des gesamten offenen Darlehenskapitals angedrohte Zwangsvollstreckung hat das Landgericht zu Recht als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet. Das Verlangen der sofortigen Rückzahlung des Darlehenskapitals stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar. Denn die an den Eintritt der Voraussetzungen der vertraglichen Verfallsklausel geknüpfte Folge der Fälligkeit des Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehenskapitals, ist im Entscheidungsfall grob unverhältnismäßig und überzogen (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB - Kommentar, 57. Aufl., § 242, Rn. 38 ff., 53 f.).

Angesichts des unstreitigen Sachverhalts bedarf es keiner näheren Begründung, daß die Kläger nur geringfügig und unabsichtlich teilweise mit der Zahlung jährlicher Tilgungsleistungen für das von der Beklagten gewährte zinslose Darlehen in Rückstand geraten und daß der Beklagten hieraus nur geringfügige Nachteile entstanden sind. Die Beklagte hat die Säumnis zunächst selbst nicht bemerkt und nach 1995 noch zwei weitere Tilgungsraten in Höhe von lediglich 110,-- DM unwidersprochen entgegen genommen. Zudem diente die vereinbarte Verfallklausel, wie der Inhalt der ihr nachfolgenden Klauseln zu Ziffern 2. bis 5. des Vertrages erkennen läßt, der Sicherung des Rückzahlungsanspruchs der Beklagten. Die abredewidrige Nichtanhebung der jährliche Tilgungsleistung von 110,-- DM auf 220,-- DM ab dem 1. Januar 1995 beruhte jedoch ersichtlich nicht auf Liquiditätsschwierigkeiten der Kläger, sondern auf einem bloßen Versehen, nachdem die jährliche Tilgungsleistung in den vorangegangenen 15 Jahren infolge des erteilten Dauerauftrags "automatisch" erbracht worden war. Nicht außer Betracht bleiben darf in diesem Zusammenhang auch der Umstand, daß die Beklagte den Klägern das Darlehen als Schadensersatz für eine ihr zur Last zu legende Pflichtverletzung gewährt hat. Im übrigen ergibt sich aus dem Darlehensvertrag die Begrenzung der Verzinsung des Restkapitals auf die Dauer des Verzugs mit Tilgungsraten. Hieraus folgt, daß die Parteien bei Vertragsschluß selbst von der Möglichkeit ausgingen, unter Umständen einen Zahlungsrückstand mit Tilgungsraten auszugleichen, um den Vertrag anschließend wie geplant weiter abzuwickeln. Die vorstehend aufgezeigten Gesichtspunkte lassen die Rückforderung des Darlehenskapitals durch die Beklagte als im Entscheidungsfall rechtsmißbräuchlich erscheinen.

b) Die vorstehenden Erwägungen gelten jedoch nicht im Hinblick auf den durch den Zahlungsrückstand der Kläger begründeten Anspruch der Beklagten auf - zeitweise - Verzinsung des noch nicht getilgten Darlehensrestkapitals. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist in der Geltendmachung der Zinsen für den Verzugszeitraum durch die Beklagte nicht zu sehen, da die Kläger durch den Zinsanspruch, der überdies nur für die Dauer des Verzugs bestand, nicht über Gebühr belastet werden.

In dem Darlehensvertrag heißt es hierzu auf S. 1:

"Kommt der Schuldner mit der Zahlung einer Tilgungsrate länger als 2 Wochen in Rückstand, so ist das dann noch geschuldete Restdarlehen vom Zeitpunkt der Fälligkeit der Rate ab für die Dauer des Verzugs mit 8 vom Hundert zu verzinsen"

Erstmalig sind die Kläger am 16. Januar 1996 länger als 2 Wochen mit der Zahlung eines Betrages in Höhe einer Tilgungsrate in Verzug geraten (§§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB), so daß das damals noch geschuldete Restkapital in Höhe von 9.240,-- DM nach der vertraglichen Regelung ab dem 1. Januar 1996 zu verzinsen war. Dabei sind die auf das Darlehenskapital geleisteten Zahlungen in Höhe von 110,-DM am 15. Januar (vgl. d. Schreiben der Beklagten vom 4. April 1998 = GA 13) der Jahre 1996, 1997 und 1998 anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Wegen der Regelung des § 367 Abs. 1 BGB konnte diesen Zahlungen allerdings nicht durch Verminderung des zu verzinsenden Darlehenskapitals im Tenor Rechnung getragen werden. Die Pflicht zur Verzinsung endete vertragsgemäß mit Beseitigung des Rückstandes am 7. Juli 1998, so daß das Darlehenskapital von den Klägern bis zum 6. Juli 1998 zu verzinsen ist.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Begründeter Anlaß zur Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 S. 2 ZPO) besteht nicht.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 9.240,-- DM festgesetzt. Dies entspricht der Beschwer der Beklagten.

Der Wert der Vollstreckungsgegenklage bestimmt sich gemäß § 3 ZPO nach dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs. Für dessen Bewertung gelten die allgemeinen Grundsätze, so daß Zinsen gemäß § 4 ZPO außer Ansatz zu bleiben haben (vgl. Herget in Zöller, ZPO - Kommentar, § 3 "Vollstreckungsabwehrklage" m.w.Nw.). Das am 1. Januar 1996 noch nicht getilgte Darlehenskapital in Höhe von 9.240,-- DM hat sich durch die seit dem 1. Januar 1996 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgten Zahlungen nicht vermindert, weil die Zinsansprüche die Tilgungsleistungen überstiegen.

Der Streitwert beträgt deshalb 9.240 DM.



Ende der Entscheidung

Zurück