Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 23 W 46/01
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, VOB/B, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812
BGB § 242
BGB § 401 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 771
BGB § 404
AGBG § 9 ff.
AGBG § 1
VOB/B § 17 Nr. 4
ZPO § 935
ZPO § 91
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

23 W 46/01

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Richter am Oberlandesgericht T die Richterin am Oberlandesgericht F und den Richter am Landgericht Dr. M 9. August 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Juli 2001 aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird untersagt, die Gewährleistungsbürgschaft der B vom 21.10.1996, mit welcher sich diese für die Bauunternehmung E. H zugunsten der A zu einem ursprünglichen Betrag von 895.850,- DM verbürgt hat, in einer Höhe von 560.850,- DM in Anspruch zu nehmen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 186.950,- DM.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht ein auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu, die Durchsetzung ihrer Rechte gegen die B (im Folgenden: Bürgin) aus der als Bürgschaft auf erstes Anfordern ausgestalteten "Gewährleistungsbürgschaft" vom 21.10.1996 (Anlage ASt5, Bl. 50 GA) zu unterlassen.

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig (§ 935 ZPO); ihm fehlt auch nicht der erforderliche Verfügungsgrund.

1.

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern dient der schnellen Durchsetzung der von ihr gesicherten Ansprüche. Sie soll - ebenso wie die insoweit vergleichbare Garantie auf erstes Anfordern - anstelle des früher gebräuchlichen "Bardepots" sicherstellen, dass dem Gläubiger sofort oder jedenfalls innerhalb kürzester Zeit liquide Mittel zur Verfügung stehen, wenn er den Sicherungsfall für eingetreten hält. Diese Funktion kann die bewusst erklärte Haftungsverpflichtung nur erfüllen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen weitgehend formalisiert, die Einwendungsmöglichkeiten stark eingeschränkt und alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art in den Rückforderungsprozess verwiesen werden, sofern nicht ausnahmsweise klar auf der Hand liegt, dass der Gläubiger schon formal nicht berechtigt ist. Die Klausel "auf erstes Anfordern" führt daher dazu, dass der Bürge oder Garant auf Verlangen des Begünstigten die geforderte Summe sofort zahlen muss und Einwendungen gegen die materielle Berechtigung der Ansprüche des Begünstigten erst nach Zahlung durch Rückforderungsklage aus § 812 BGB geltend machen kann (vergl. zur Bürgschaft: BGHZ 74, 244, 247 f. = NJW 1979, 1500; BGH NJW 1994, 380, 381 mwN.; NJW 1997, 255; NJW 1997, 1445, 1436; NJW 1998, 2280; NJW 1999, 2361, 2362 f.; NJW 2001, 1857; zur Garantie: BGHZ 90, 287, 292 f., 294 = NJW 1984, 2030, 2031 f.; BGHZ 90, 287, 294 = NJW 1984, 2030, 2032; BGH BauR 1987, 98, 99; NJW 1999, 570, 571; NJW 2001, 282 f.).

Der Gläubiger braucht daher die gesicherte Forderung nicht schlüssig darzulegen. Zum Nachweis eines Anspruchs aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern reicht es vielmehr aus, wenn er das erklärt, was als Voraussetzung der Zahlung auf erstes Anfordern in der Bürgschaft niedergelegt ist; nur in Bezug auf die vertragsgemäße Anforderung der Bürgenleistung hat. auch der Zahlungspflichtige die Schlüssigkeit zu prüfen (BGH NJW 1984, 923 f.; NJW 1994, 380, 381; NJW 1997, 255; NJW 1998, 2280, 2281). Danach darf der Bürge zwar einwenden, seine Verpflichtung sichere nach der Vertragsurkunde nicht die dem Zahlungsbegehren des Gläubigers zugrunde liegende Hauptforderung (BGH NJW 1996, 717 f.; NJW 1999, 2361, 2362). Alle anderen Einwendungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, die sich nicht gegen das Vorliegen der in dieser Urkunde akzeptierten formalen Voraussetzungen der Zahlungsaufforderung richten, sind jedoch erst in einem künftigen Rechtsstreit auf Rückforderung der Bürgenleistung auszutragen, es sei denn, dass ausnahmsweise der Einwand einer missbräuchlichen, für jedermann klar erkennbaren Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung gemäß § 242 BGB durchgreift (zur Bürgschaft BGH NJW 1988, 2610; NJW 1994, 380, 381; NJW 1997, 255; NJW 1997, 1445, 1436 mwN.; zur Garantie: BGHZ 90, 287, 292 f. = NJW 1984, 2030, 2031; BGH BauR 1987, 98, 99; NJW 1989, 1480, 1481; NJW 1999, 570, 571). Dies gilt nicht nur für Streitfragen, welche die Begründetheit der Hauptforderung betreffen (dazu BGH aaO.); auch ein Streit darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen der materielle Anspruch aus der Bürgschaft entsteht, hindert die Verurteilung zur Zahlung nicht, wenn die formalen Voraussetzungen der Pflicht zur Zahlung gegeben sind (BGH NJW 1985, 1694 f.; BauR 1989, 618, 620; NJW 1996, 717, 718).

Wegen dieser geringen Anforderungen an die Zahlungspflicht des Bürgen muss dem Schuldner nach allgemeiner Auffassung die Möglichkeit eingeräumt werden, sich im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen die Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger zur Wehr zu setzen (OLG München BauR 1996, 859 f.; KG BauR 1997, 665 f.; OLG Hamburg BauR 2000, 445 f.; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl. 1999, Rn. 372 mwN.).

2.

Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt ist die Bürgin weder willens noch - jedenfalls bis zum Erlass einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Verfahren (vergl. dazu BGH NJW 2001, 282, 284 mwN.) - in der Lage, sich der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu entziehen.

a)

Die Antragsgegnerin ist Gläubigerin der Bürgschaftsforderung. Die Antragstellerin hat durch Vorlage des Anwaltsschreibens der Antragsgegnerin vom 2.7.1997 (Anlage ASt6, Bl. 52 GA) sowie der Schreiben der Firma A vom 4.7. und 6.8.1997 (Anlagen ASt6 und ASt7, Bl. 51 und 53 GA) glaubhaft gemacht, dass die ursprüngliche Gläubigerin die verbürgten Gewährleistungsansprüche an die Antragsgegnerin abgetreten hat; mit Schreiben vom 8.7.1997 hat die Bürgin die Abtretung bestätigt (Anlage ASt8, Bl. 54 GA). Mit der Abtretung einer Forderung gehen gemäß § 401 Abs. 1 BGB auch die zu ihrer Sicherung bestellten Bürgschaften oder Garantien einschließlich der Befugnis zur Abgabe der für die Fälligstellung erforderlichen Erklärungen auf den Zessionar über (BGHZ 90, 287, 292 = NJW 1984, 2030, 2031; BGH NJW 1987, 2075; OLG Köln BauR 1998, 555, 556).

b)

Der Bürgin stehen keine Einwendungen zu, die sie der den Anforderungen der Bürgschaftserklärung entsprechenden anwaltlichen Zahlungsaufforderung der Antragsgegnerin entgegenhalten könnte.

aa)

Der Einwendungsausschluss gegen eine Bürgschaft oder Garantie auf erstes Anfordern (oben 1.) unterliegt zwar den Maßstäben von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Bei Vorliegen einer form- und fristgerechten Anforderung findet aber das Recht des Gläubigers, sofort und ohne Nachweis seiner materiellen Berechtigung Zahlung verlangen zu können, seine Schranke nur im Falle des Missbrauchs. Dieser Einwand ist deshalb auf die Fälle beschränkt, in denen die missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung für jedermann klar ersichtlich ist; alle übrigen Streitfragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind nach der Zahlung in einem etwaigen Rückforderungsprozess auszutragen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten muss sich der Gläubiger, der vereinbarungsgemäß seine materielle Berechtigung weder darzulegen noch zu beweisen hat, daher nur dann entgegenhalten lassen, wenn offensichtlich oder für jedermann liquide beweisbar ist, dass trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der (materielle) Bürgschafts- oder Garantiefall nicht eingetreten ist (vergl. zur Bürgschaft BGH NJW 1985, 1694, 1695; NJW 1988, 2610; BauR 1989, 618, 620; NJW 1994, 380, 381; NJW 1996, 717, 718; NJW 1997, 255, 256; NJW 1997, 1445, 1436; NJW 1998, 2280, 2281; NJW 2000, 1563, 1564; NJW 2001, 1857; zur Garantie: BGHZ 90, 287, 292 f., 294 = NJW 1984, 2030, 2031 f.; BGH BauR 1987, 98, 99 und 101; NJW 1988, 2610; NJW 1989, 1480, 1481; NJW 1999, 570, 571; NJW 2001, 282 f.). Derartige Einwendungen stehen der Bürgin nicht zu.

bb)

Diese kann nicht in einer diesen Anforderungen entsprechenden Weise geltend machen, dass die verbürgte Hauptschuld verjährt sei. Der Eintritt der Verjährung ist wegen der vielfältigen gesetzlichen Hemmungs- und Unterbrechungsgründe nicht allein aufgrund der Dauer der Verjährungsfrist für jedermann offensichtlich; die Berechtigung des Verjährungseinwandes kann daher erst im Rückforderungsprozess geklärt werden (vergl. OLG Hamm BauR 1994, 775). Hiervon geht offenbar auch die Beschwerdebegründung aus, die auf diesen Gesichtspunkt nicht mehr zurückgekommen ist.

cc)

Die Bürgin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Antragstellerin wegen Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen des Generalunternehmervertrages vom 31.1.1994 (Anlage ASt2, Bl. 14 ff. GA; im Folgenden: GU-Vertrag) zur Beibringung der Bürgschaft nicht verpflichtet gewesen sei.

Allerdings kann der Bürge bereits im Erstprozess einwenden, der Gläubiger dürfe ihn aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht in Anspruch nehmen, weil er nach dem Inhalt des Vertrags mit dem Hauptschuldner keinen Anspruch auf eine solche Sicherung habe (BGH NJW 2000, 1563, 1564); ihm steht daher auch der Einwand zu, dass eine zur Ablösung eines Gewährleistungseinbehalts beigebrachte Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht geschuldet war, weil die zugrunde liegenden Vertragsklauseln gegen Bestimmungen des AGBG verstoßen (BGH NJW 2001, 1857 f.; OLG Hamm BauR 2000, 1350, 1351). Auch in diesem Fall kann aber der Einwand des Rechtsmissbrauchs nur dann durchgreifen, wenn seine tatsächlichen Grundlagen auf der Hand liegen oder zumindest liquide beweisbar sind (oben aa), die Berechtigung des Einwandes sich also aus dem unstreitigen Sachverhalt oder dem Inhalt der Vertragsurkunden ohne weiteres ergibt (BGH aaO.; OLG Hamburg BauR 2000, 445 f.; OLG Hamm aaO.).

Diesen Nachweis vermag die Bürgin nicht zu führen. Eine Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG setzt voraus, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 1 AGBG handelt, da die beanstandeten Bestimmungen des GU-Vertrags als Ausfluss der Vertragsfreiheit individualvertraglich ohne weiteres zulässig sind (BGH NJW 1998, 2280, 2881; Werner/Pastor aaO., Rn. 1260). Gleichlautende Vertragsurkunden der Verwenderin hat auch die Antragstellerin nicht vorgelegt; ein Anscheinsbeweis kommt der Bürgin insoweit nicht zugute.

Ein Anscheinsbeweis steht selbst bei Vorliegen feststehender Tatsachen und einem hierauf anwendbaren Erfahrungssatz einem Vollbeweis nicht gleich; er kann vielmehr vom Gegner des Beweispflichtigen widerlegt werden (vergl. Greger in: Zöller, ZPO, 22. Auf. 2001, Vor § 284, Rn. 29 mwN.). Dies gilt auch dann, wenn aufgrund objektiver Umstände ein erster Anschein für das Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen besteht (BGHZ 118, 229, 240 = NJW 1992, 2160, 2163). Die Nachweisobliegenheiten des Bürgen gegenüber einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gehen jedoch darüber hinaus; er kann seine Einwendungen im Streitfall nur auf Umstände stützen, die sich aus dem Inhalt der Vertragsurkunden ohne weiteres ergeben und deshalb für jedermann auf der Hand liegen (BGH NJW 2001, 1857 f. und oben b.aa mwN.). Ein lediglich aus Erfahrungssätzen abgeleiteter und auf widerlegbaren Schlussfolgerungen gestützter "erster Anschein" steht jedoch schon begrifflich einer "Offensichtlichkeit" im dargelegten Sinne nicht gleich. Die Anwendung des Anscheinsbeweises gegenüber Verpflichtungen auf erstes Anfordern würde zudem bereits unterhalb der Schwelle des Rechtsmissbrauchs die unbedingte Leistungszusage des Bürgen oder Garanten unterlaufen und die mit ihr bezweckte kurzfristige Durchsetzung der gesicherten Ansprüche (oben 1.) zunichte machen. Solange allenfalls ein Anschein für den Charakter der beanstandeten Vertragsklauseln als allgemeine Geschäftsbestimmungen besteht, ist deren Wirksamkeit daher erst im Rückforderungsprozess zu klären (so wohl auch OLG Hamm BauR 2000, 1350, 1351).

c)

Die Antragstellerin kann auch nicht erwarten, dass sich die Bürgin ungeachtet dieser Rechtslage ihrer Zahlungspflicht entziehen werde. Sie - die Antragstellerin - hat im Beschwerdeverfahren durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts K vom 31.7.2001 (Anlage C 5, Bl. 166 GA) glaubhaft gemacht, dass die Bürgin lediglich bis zum Abschluss des vorliegenden Verfahrens keine Auszahlung vornehmen werde.

II.

Es mangelt auch nicht am Verfügungsgrund. Die Antragstellerin kann aus § 812 Abs. 1 BGB von der Antragsgegnerin verlangen, die Inanspruchnahme der Bürgin aus der "Gewährleistungsbürgschaft" vom 21.10.1996 zu unterlassen.

1.

Hat der Hauptschuldner dem Gläubiger eine Sicherheit gewährt, auf die jener keinen Anspruch hatte, kann er nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB deren Rückgewähr verlangen (BGH NJW 2000, 1563, 1564.). Dies gilt nicht nur, wenn der Schuldner eine nach den Vertragsabsprachen mit dem Gläubiger nicht geschuldete Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt hat (KG BauR 1997, 665, 666 f.), sondern auch dann, wenn die zugrunde liegenden Formularklauseln nach § 9 AGBG unwirksam sind (BGHZ 136, 27, 31 ff. = NJW 1997, 2598, 2599; NJW 2000, 1863, 1864; NJW 2001, 1857, 1858; OLG München BauR 1996, 859; OLG Hamburg BauR 2000, 445, 447).

2.

Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Die Regelungen in den Besonderen (BVB) und Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) des GU-Vertrages unter Ziffer 4.1 Abs. 3 BVB Seite 4, Bl. 17 GA) i.V. mit Ziffer 17.1 ZVB Seite 30, Bl. 43 GA unterliegen dem AGB-Gesetz und halten einer Inhaltskontrolle nicht stand.

a)

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die beanstandeten Bestimmungen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG darstellen.

aa)

Allerdings muss grundsätzlich der Vertragspartner des Verwenders das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen darlegen und beweisen (BGHZ 118, 229, 238 = NJW 1992, 2160, 2162 mwN.; Werner/Pastor aaO., Rn. 2167; Heinrichs in: Palandt, BGB, 60. Aufl. 2001, § 1 AGBG, Rn. 20); dies gilt auch im einstweiligen Verfügungsverfahren, da dessen Einleitung auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ohne Einfluss und lediglich die Beweisführung erleichtert ist (Zöller-Vollkommer, Vor § 916 ZPO, Rn. 6 f. mwN.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts brauchte die Antragstellerin den Rechtsmissbrauch der Antragstellerin und infolgedessen auch die Anwendbarkeit jedoch nicht "liquide nachzuweisen"; es genügte vielmehr, dass sie die zur Anwendbarkeit eines Anscheinsbeweises erforderlichen Tatsachen glaubhaft machte.

Soweit in Rechtsprechung und Literatur Einwendungen des Hauptschuldners ohne jede Differenzierung den für den Bürgen entwickelten Beweisanforderungen unterstellt werden (KG BauR 1997, 665, 666 f.; OLG Köln BauR 1998, 555, 557 f.; OLG Hamburg BauR 2000, 445 f.; OLG Hamm BauR 2000, 1350, 1351; Werner/Pastor aaO., Rn. 373), vermag der Senat dem nicht zu folgen, da hierbei nicht hinreichend zwischen dem Bürgschaftsverhältnis und den Rechtsbeziehungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unterschieden wird.

Macht der Schuldner im Rechtsstreit gegen den Gläubiger Einwendungen geltend, die sich gegen den materiellen Anspruch aus der Bürgschaft oder Bestand und Durchsetzbarkeit der verbürgten Hauptschuld richten, können hieran allerdings keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an die Rechtsverteidigung des Bürgen selbst. In diesem Fall müssen die den Einwand des Rechtsmissbrauchs tragenden Tatsachen deshalb auch vom Schuldner durch "liquide" Beweismittel im dargelegten Sinne (oben I.2.b.aa) belegt werden (OLG Hamm MDR 1991, 636; OLG Düsseldorf [22. Zivilsenat] OLGR 1995, 29, 30 und NJW-RR 1998, 776, 777; KG aaO.; OLG Köln BauR 1998, 555, 557 f.). Aus diesem Grunde kann sich die Antragstellerin ebenso wie die Bürgin auch nicht auf eine Verjährung der Gewährleistungsansprüche berufen (oben I.2.b.bb).

Hierin erschöpft sich das Vorbringen der Antragstellerin jedoch nicht. Soweit sie die Antragsgegnerin aus dem Rechtsverhältnis der Parteien auf Unterlassung in Anspruch nimmt, macht sie keine Einwendungen des Bürgschaftsverpflichteten, sondern eigene Ansprüche geltend. Für den Bürgen ist die Berufung auf die Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung zur Beibringung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern zwar erst unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs beachtlich (oben I.1.2.b.cc); für den Hauptschuldner begründet er im Falle seiner Berechtigung jedoch ohne Weiteres den Rückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 BGB (oben 1.). Dieser allein dem Hauptschuldner zustehende Anspruch gilt jedoch für jede rechtsgrundlos erbrachte Sicherheit und nicht nur für Bürgschaften auf erstes Anfordern; er setzt tatbestandlich keinen "offensichtlichen Rechtsmissbrauch" voraus und bedarf daher auch keines "liquiden Beweises" (vergl. BGH NJW 2000, 1563, 1564; NJW 2001, 1857, 1859). Damit unterliegt aber auch der Nachweis, dass die der Sicherheitsgewährung zugrundeliegenden Vertragsbestimmungen allgemeine Geschäftsbedingungen sind, im Rechtsstreit zwischen Schuldner und Gläubiger als Parteien des Sicherungsvertrages nicht den für die Einwendung des Bürgen geltenden strengen Beweisanforderungen (i.E. ebenso OLG München BauR 1996, 859 f.; aA. KG BauR 1997, 665, 666; OLG Hamburg BauR 2000, 445 f.; OLG Hamm BauR 2000"1350, 1351).

bb)

Die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises sind vorliegend gegeben.

Der Vertragspartner des Verwenders genügt seiner Nachweisobliegenheit bereits durch Vorlage der Vertragsurkunde, wenn schon die äußere Form des Vertragstextes auf deren Vorformulierung und standardisierte Verwendung schließen lässt; handelt es sich um einen Vertrag, der nach seiner inhaltlichen Gestaltung aller Lebenserfahrung nach für eine mehrfache Verwendung geschaffen wurde und vom anderen Teil gestellt worden ist, so spricht der erste Anschein für einen vom anderen Teil verwendeten Formularvertrag, der der Kontrolle nach dem AGBG unterliegt (BGHZ 118, 229, 238 ff. = NJW 1992, 2160, 2162 f.; Palandt-Heinrichs, § 1 AGBG, Rn. 20). Dies gilt - unabhängig von der Art des konkreten Bauvorhabens - insbesondere im Falle eines Bauträgervertrages, weil Bauträger erfahrungsgemäß mit Formularverträgen arbeiten und typischerweise selbst oder durch von ihnen beauftragte Dritte auf die Gestaltung der mehrfach zu verwendenden Bedingungen Einfluss nehmen (BGH aaO.; Kniffka, ZfBR 92, 195 f.; Werner/Pastor aaO., Rn. 2149).

Sie liegt der Fall hier. Die Vertragspartnerin der Klägerin war nach ihrer Firmierung ("Gesellschaft für Wohnungs- und Industriebau) Bauträgerin. Der GU-Vertrag vom 31.1.1994 enthält aus den von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26.7.2001 (Seiten 3 ff., Bl. 68 ff. GA) zutreffend dargelegten Gründen zahlreiche formelhafte Klauseln, die typischerweise in Bauträgerverträgen enthalten sind. Dies gilt auch und gerade für die beanstandeten Regelungen zu Gewährleistungseinbehalt und Austauschrecht des Auftragnehmers, die dem ständig mit Bausachen befassten Senat in nahezu wortgleicher Form aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt sind und mit denen auch andere Gerichte wiederholt zu beschäftigen hatten (vergl. unten b) mwN.). Dieser äußere Anschein eines für eine mehrfache Verwendung entworfenen Vertrages wird entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass einzelne andere Bestimmungen der Besonderen Vertragsbedingungen "projektbezogen" seien; ein dem AGBGesetz unterliegender Formularvertrag liegt auch dann vor, wenn die das Vertragsobjekt selbst betreffenden Angaben individuell gestaltet oder einzelne Teile des Vertrages (z.B. Baubeschreibung und Fertigstellungstermin) ausgehandelt worden sind (BGH aaO. mwN.). Da nicht nur Ziffern 4.1 Abs. 3 BVB und 17.1 ZVB, sondern auch eine Reihe anderer Klauseln zum Nachteil der Antragstellerin von den Regelungen der gemäß § Ziffer 1.2.8 ZVB nachrangig vereinbarten VOB/B abweichen, spricht auch der erste Anschein dafür, dass die vorformulierten Bestimmungen nicht von der Antragstellerin verfasst, sondern ihr von ihrer Vertragspartnerin als Verwender gestellt worden sind.

b)

Ziffern 4.1 Abs. 1 und 3 BVB i.V. mit Ziffern 17.1.1 Satz 1 und 17.1.3 ZVB verstoßen gegen § 9 AGBG und sind deshalb unwirksam.

Nach Ziffer 4.1 Abs. 1 BVB sollte die Beklagten berechtigt sein, 5 % der Gesamtauftragssumme aus der Schlussrechnung einzubehalten. Eine derartige Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages benachteiligt den Unternehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen, wenn ihm kein angemessener Ausgleich zugestanden wird (BGHZ 136, 27, 31 ff. = NJW 1997, 2598, 2599; NJW 2000, 1863, 1864; NJW 2001, 1857, 1858; Werner/Pastor aaO., Rn. 1262). Hieran fehlt es vorliegend. Ziffer 4.1 Abs. 3 BVB i.V. mit Ziffern 17.1.1 Satz 1 und Ziffern 17.1.3 ZVB räumte der Antragstellerin lediglich das Recht ein, den Gewährleistungseinbehalt "unter Verwendung eines vom AG vorgeschriebenen und zur Verfügung gestellten Formblatts einer Bürgschaftserklärung" durch eine Gewährleistungsbürgschaft abzulösen; der Austausch dieser Bürgschaft gegen andere Sicherheiten war ausgeschlossen. Diese Regelung ist nach § 9 AGBG unwirksam; dies gilt unabhängig davon, ob das der Antragstellerin unter dem 29.3.1996 unter Bezugnahme auf jene Klauseln des GU-Vertrages als Muster übersandte Formblatt über eine Bürgschaft auf erstes Anfordern (Anlage ASt3, Bl. 45 f., 47 GA) in die Inhaltskontrolle einzubeziehen ist.

Mit der Formulierung "unter Verwendung eines vom AG vorgeschriebenen und zur Verfügung gestellten Formblatts" bleibt anders als bei § 17 Nr. 4 VOB/B unklar (§ 5 AGBG), mit welcher Art der Bürgschaft der Gewährleistungseinbehalt vom Auftragnehmer ersetzt werden kann, da damit etwa eine Bürgschaft mit der Einrede der Vorausklage gem. § 771 BGB, eine selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage oder eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gemeint sein kann. Dadurch ist die Vertragsklausel intransparent; der Auftragnehmer kann aus ihr nicht entnehmen, mit welcher Bürgschaft er den Gewährleistungseinbehalt ablösen kann (BGH NJW 2000, 1863, 1864). Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die in dem Formblatt vorgeschriebene Bürgschaft auf erstes Anfordern als Ersetzungsalternative keinen angemessenen Ausgleich darstellt (BGH aaO.; BGHZ 136, 27, 31 ff. = NJW 1997, 2598, 2599; BGH NJW 2001, 1857).

3.

Der Verstoß gegen § 9 AGBG führt dazu, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist und dem Sicherungsgeber ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der Bürgschaftsurkunde gegen den Gläubiger zusteht (BGH aaO.; OLG München BauR 1996, 859 f.; OLG Dresden BauR 1997, 671, 672). Infolgedessen kann der Hauptschuldner vom Gläubiger auch verlangen, die Durchsetzung dieser Rechte gegen den Bürgen zu unterlassen (BGH NJW 2000, 1563, 1564). Dieser Anspruch, den der Antragsstellerin gemäß § 404 BGB auch gegenüber der Antragsgegnerin als Zessionarin der Rechte aus der Bürgschaft zusteht (vergl. OLG Hamburg BauR 2000, 445, 447), kann nach § 935 ZPO durch die begehrte Unterlassungsverpflichtung gesichert werden (OLG München BauR 1996, 859; OLG Hamburg aaO.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück