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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.05.2000
Aktenzeichen: 2b Ss 109/00 - 40/00 I
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 275 Abs. 2 Satz 2
StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Altern. 2
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2
StPO §§ 275 Abs. 2 Satz 2, 244 Abs. 3 Satz 2 Altern. 2; BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2

1. Zur Abfassung des Vermerks durch den Vorsitzenden oder ältesten Beisitzer, dass ein Richter verhindert sei, das Urteil zu unterschreiben.

2. Wird ein in der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt, so muß der ablehnende Beschluß angeben, ob die Bedeutungslosigkeit auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht, und diese Gründe mitteilen.

3. Zur tatrichterlichen Feststellung einer nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels (hier: Heroin) im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, wenn das Betäubungsmittel nicht sichergestellt und deshalb der Wirkstoffgehelt nicht exakt bestimmt werden konnte.

OLG Düssealdorf, 1. Strafsenat, Beschluß vom 29.05.2000 - 2b Ss 109/00 - 40/00 I


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss 109/00 - 40/00 I 1 Ws 285/00 612 Js 1530/96 StA Düsseldorf

In der Strafsache

gegen

S E J geboren am in B O /M , zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt ,

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht H und am

29. Mai 2000

auf den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Beschluß der XII. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2000 und auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XIIIa großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf - als Jugendkammer - vom 18. Oktober 1999 nach Anhörung des Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft, zu 2. und zu 3. (auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft) einstimmig,

beschlossen

Tenor:

1. Der Beschluß der XII. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2000 wird aufgehoben.

2. Das angefochtene Urteil wird, soweit der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen verurteilt worden ist, und im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Der danach rechtskräftige Teilschuldspruch lautet wie folgt:

Der Angeklagte ist schuldig des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Düsseldorf hat den Angeklagten am 24. Februar 1999 unter Freisprechung im übrigen (zu den Anklagepunkten 1, 2 und 3) wegen gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in 21 Fällen, wobei es sich in sechs Fällen um Betäubungsmittel in nicht geringer Menge gehandelt hat, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Dagegen haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

1. a) In dem angefochtenen Urteil heißt es, der Angeklagte erstrebe mit seiner Berufung einen weitergehenden Teilfreispruch und insgesamt eine deutlich mildere Bestrafung. Darin liegt keine wirksame Beschränkung der Berufung, denn es ist nicht erkennbar, daß und gegebenenfalls hinsichtlich welcher der abgeurteilten Taten der Angeklagte den Schuldspruch hat anerkennen wollen. Da das Rechtsmittel auch in der Berufungsschrift nicht beschränkt worden ist und die Sitzungsniederschrift ebenfalls keine Beschränkungserklärung enthält, ist die Berufung unbeschränkt eingelegt worden.

b)

In dem angefochtenen Urteil ist ferner - zutreffend - ausgeführt, die Staatsanwaltschaft habe ihre Berufung in der Berufungsbegründung vom 28. März 1999 darauf beschränkt, daß sie eine Verurteilung des Angeklagten auch zu Anklagepunkt 2. und eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe erstrebe. In der Sitzungsniederschrift vom 17. September 1999 heißt es demgegenüber:

"Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde wirksam auf das Strafmaß beschränkt (Bl. 1028 ff. d.A.)".

Darin liegt keine weitere Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft, denn es handelt sich bei dem Vermerk ersichtlich um keine hierauf gerichtete Erklärung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft. Eine Zustimmungserklärung des Angeklagten ist auch in das Protokoll nicht aufgenommen worden. Wie die Bezugnahme auf die Seiten 1028 ff. der Akten erkennen läßt, sollte durch den Protokollvermerk nur der Umfang der eingelegten Berufungen festgestellt werden, wobei fälschlich die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft nur auf das Strafmaß und nicht auch auf die weitere Verfolgung des Anklagepunktes 2. angenommenen wurde. Wie sich aus der Sitzungsniederschrift und dem angefochtenen Urteil entnehmen läßt, ist im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung und im Urteil jedoch zutreffend von der Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch und auf Anklagepunkt 2. ausgegangen worden.

2. Durch das angefochtene Urteil hat die Jugendkammer den Angeklagten unter Abänderung des Strafausspruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die weitergehende Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten verworfen.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Durch Beschluß vom 26. Januar 2000 hat die XII. Strafkammer die Revision als unzulässig verworfen, da sie verspätet begründet worden sei. Hiergegen richtet sich der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts.

II.

Der Beschluß der XII. Strafkammer, durch den die Revision als unzulässig verworfen worden ist, ist auf den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts aufzuheben, da die Revisionsbegründung rechtzeitig eingegangen ist. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger am 22. Dezember 1999 und dem Angeklagten am 23. Dezember 1999 zugestellt worden. Da die Revisionsbegründung am 24. Januar 2000, einem Montag, eingegangen ist, ist die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO nach § 43 Abs. 2 StPO eingehalten worden.

Mit der infolgedessen gebotenen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist die Revision des Angeklagten zulässig.

III.

Die Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

1. Die Verfahrensrügen sind nicht begründet.

a) Zutreffend beanstandet die Revision, daß die Unterzeichnung des Urteils:

M zugleich für RinLG F , die in Urlaub ist"

nicht den Anforderungen des § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Bereits inhaltlich ist der Vermerk fehlerhaft, da die beisitzende Richterin das Urteil nicht für die verhinderte Vorsitzende, also an deren Stelle, zu unterschreiben hatte, sondern den Vermerk zu unterzeichnen hatte, durch den die Verhinderung der Vorsitzenden förmlich festgestellt wird. Ein solcher Vermerk ersetzt nicht die Unterschrift des verhinderten Richters; er enthält vielmehr die Erklärung, daß die Bestätigung des Urteils mit seinen Gründen durch den verhinderten Richter nicht möglich ist (BGHSt 31, 212, 214; KK-Engelhardt, StPO, 4. Aufl., § 275 Rn 35). Infolgedessen erfordert der dem § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Vermerk eine gesonderte Unterschrift des Vorsitzenden bzw. des dienstältesten beisitzenden Richters. Die hier gewählte Formulierung, die zwar häufig angewandt und allgemein nicht beanstandet wird, entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes und - so Engelhardt aaO - sollte deshalb vermieden werden (s. auch BGH NStE StPO § 275 Nr. 13).

Darüber hinaus ist die Erklärung, daß die Vorsitzende sich in Urlaub befinde - auch wenn der Vermerk allgemein gehalten werden kann (BGHSt 31, 212, 214) - nicht hinreichend aussagekräftig, um deren Verhinderung zweifelsfrei feststellen zu können. Entscheidend ist, ob die Vorsitzende ortsabwesend und deshalb an der Unterschriftleistung gehindert war. Da jedoch Urlaub überwiegend nicht am Dienstort verbracht wird und deshalb generell geeignet ist, den Richter von der Unterschrift abzuhalten, besteht im Rechtsmittelzug in der Regel kein Anlaß zur Prüfung, ob der Hinderungsgrund im Einzelfall tatsächlich vorgelegen hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschwerdeführer behauptet, daß der Verhinderungsvermerk auf willkürlichen, sachfremden Erwägungen beruht und eine Verhinderung tatsächlich nicht vorlag (BGHSt aaO). Das jedoch macht der Angeklagte nicht geltend.

Der BGH hat in der fehlerhaften Unterzeichnung des Verhinderungsvermerks dann keinen unüberwindlichen Verstoß gegen § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO gesehen mit der Folge, daß das Urteil nicht vollständig ist und ein absoluter Revionsgrund nach § 338 Nr. 7 StPO vorliegt, wenn sich dem Verhinderungsvermerk und der Unterschrift zweifelsfrei entnehmen läßt, daß sich die Unterschrift auch auf den Verhinderungvermerk bezog (BGH NStE StPO § 275 Nr. 13). In dem vom BGH entschiedenen Fall befand sich der Verhinderungsvermerk zwar unmittelbar über der Unterschrift, während er sich hier an die Unterschrift anschließt. Die Sachlage ist jedoch vergleichbar. Da der Vermerk mit der Verbindung "zugleich" an die Unterschrift anknüpft, ist unzweifelhaft erkennbar, daß sich die Unterschrift auch auf den Vermerk bezieht und zugleich die Verhinderung der Vorsitzenden förmlich feststellt.

b) Die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung des Zeugen M E H ist zwar in fehlerhafter Weise erfolgt, jedoch beruht das Urteil nicht auf diesem Mangel (§ 337 Abs. 1 StPO).

Die Strafkammer hat den Beweisantrag ohne eigene Begründung lediglich unter Wiederholung des Gesetzeswortlauts des § 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO abgelehnt, "weil die unter Beweis gestellte Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung ist."

Im Fall der Bedeutungslosigkeit muß jedoch angegeben werden, ob sie auf. tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht und welche diese sind (BGH NJW 1980, 1533, 1534: MDR 1987, 218 (Pf./M).

Obwohl danach die Ablehnung des Beweisantrages fehlerhaft war, führt dies nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da dieses nicht auf dem Fehler beruht. Die von der Strafkammer angenommenen Gründe der Bedeutungslosigkeit liegen auf der Hand und waren für den Angeklagten erkennbar, so daß er in seiner Prozeßführung nicht beeinträchtigt wurde (BGH NStZ 1981, 309, 310; 1984, 42, 43; KK-Engelhardt, StPO, 4. Aufl., § 244 Rn 73).

Der Angeklagte hat die Vernehmung des Zeugen M E H zum Beweis der Tatsache beantragt, daß dem Zeugen "seitens der Verfolgungsbehörden Versprechungen hinsichtlich des ihn treffenden Strafmaßes etc. gemacht wurden, um seine Aussagebereitschaft zu erreichen". Das Ziel seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages hat er bei dessen Anbringung nicht dargelegt.

Soweit der Angeklagte damit die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben in Frage stellen wollte, war die unter Beweis gestellte Tatsache ersichtlich ohne Bedeutung. Soll durch einen Beweisantrag die Unglaubwürdigkeit eines Zeugen bewiesen werden, ist er bedeutungslos, wenn das Gericht die zu beweisende Tatsache auch im Falle ihres Nachweises unberücksichtigt lassen würde (BGH StV 1990, 340).

Wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt, hat die Strafkammer die Aussage des Zeugen M E H nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet. Von der unter 2. angeklagten Tat, an der der Zeuge beteiligt gewesen sein sollte, ist der Angeklagte freigesprochen worden. An den unter den Anklagepunkten 4. bis 24. aufgeführten Drogengeschäften des Angeklagten war der Zeuge nach den Urteilsfeststellungen nicht beteiligt. Ausweislich der Beweiswürdigung hat er hierzu auch keine Angaben gemacht.

Auch soweit der Angeklagte mit der Revisionsrechtfertigung geltend macht, die positive Beantwortung der Beweisfrage durch den Zeugen M E H hätte einen Rückschluß auf die fehlende Glaubwürdigkeit der vernehmenden Polizeibeamten L und Z ermöglicht, war die behauptete Tatsache bedeutungslos. Einen Zeugen auf die Strafmilderungsmöglichkeiten des § 31 BtMG hinzuweisen, um seine Aussagebereitschaft zu erreichen oder zu bestärken, gehört zu den Rechten und u.U. auch Pflichten eines vernehmenden Polizeibeamten. Deshalb wird, wenn - wie unter Beweis gestellt - die Zeugen L und ein Zeugen diese Hinweise erteilt haben sollten, ihre Glaubwürdigkeit dadurch nicht in Frage gestellt. Daß die Polizeibeamten die entsprechende Belehrung des Zeugen in ihren Aussagen wahrheitswidrig in Abrede gestellt haben, wird von dem Angeklagten nicht behauptet.

2.

Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

a)

Soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen verurteilt worden ist, enthält das Urteil einen sachlich-rechtlichen Fehler.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte

- im Fall 19 der Anklage gemeinsam mit dem Zeugen A M den Zeugen E H und A 50 Gramm Heroin für 900,-- DM,

- im Fall 20 der Anklage dem Zeugen S E H mindestens 25 Gramm Heroin für 550,-- DM,

- im Fall 21 der Anklage gemeinsam mit dem Zeugen A M dem Zeugen S E H 35 Gramm Heroin zu einem nicht bekannten Preis und

- in den Fällen 22 - 24 der Anklage dem Zeugen S E H jeweils 50 Gramm Heroin für 900,-- DM

verkauft.

Zu den Wirkstoffgehalten des veräußerten Heroins enthalten die Urteilsfeststellungen keine Angaben. Zu allen Fällen ist lediglich festgestellt, daß keiner der Abnehmer die Qualität der Drogen beanstandet habe.

In der Beweiswürdigung ist hierzu ausgeführt:

"Die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Heroins, mit dem der Angeklagte in den Fällen 19.) bis 24.) gehandelt hat, beruhen auf folgenden Überlegungen:

Keiner der Zeugen hat etwas dazu bekundet, daß die Qualität des Heroins schlecht gewesen sei oder die Abnehmer sich darüber beschwert hätten. Der Zeuge S hat ausgesagt, die Qualität sei durchschnittlich gewesen. Der Angeklagte selbst hat keine Angaben dazu gemacht. Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, daß das Rauschgift bei jeder Tat jedenfalls der üblichen Straßenqualität entsprach und einen Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % Heroinhydrochlorid besaß."

Diese Ausführungen reichen für die Begründung, daß der Angeklagte in den sechs Fällen mit Heroin in nicht geringer Menge i.S.d. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gehandelt hat, nicht aus.

Ein Heroingemisch, das mindestens 1,5 g Heroinhydrochlorid enthält, stellt eine nicht geringe Menge dar (BGHSt 32, 162; Körner BtMG, 4. Aufl., § 29a Rn. 53 m.w.N.). Danach lägen, wenn - wie von der Strafkammer angenommen - die von dem Angeklagten veräußerten Drogenmengen Wirkstoffkonzentrationen von mindestens 10 % Heroinhydrochlorid enthalten hätten, nicht geringe Mengen vor. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer die Annahme von Wirkstoffgehalten von mindestens 10 begründet hat, sind jedoch unzureichend.

Soweit konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt nicht getroffen werden können, da die Betäubungsmittel nicht sichergetellt werden konnten und deshalb für eine Untersuchung nicht zur Verfügung stehen, muß das Tatgericht unter Berücksichtigung anderer hinreichend sicher festgestellter Tatumstände wie der Herkunft, des Preises, des Aussehens und der Verpackung der Drogen sowie der Beurteilung durch die Tatbeteiligten, der Qualität eines bestimmten Lieferanten und des Grundsatzes in "dubio pro reo" die für den Angeklagten günstigste Wirkstoffkonzentration und BtM-Qualität bestimmen (BGH StV 1988, 925; StV 1989, 4). Liegen danach ausreichende Anhaltspunkte für eine Bestimmung vor, ist es rechtsfehlerfrei, wenn das sachkundige Tatgericht auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen mit nachvollziehbaren Erwägungen zu einem 10%igen Heroinwirkstoffgehalt gelangt.ist (BGH NStZ 1986, 232).

Da im Straßenhandel Heroingemische mit Wirkstoffkonzentrationen auch weit unter 10 % üblich sind, genügen die Darlegungen der Strafkammer zur Bestimmung des Wirkstoffgehalts diesen Anforderungen jedoch nicht. Wenn sie die Annahme eines mindestens 10%igen Wirkstoffgehaltes wesentlich darauf stützt, daß die Konsumenten die Qualität nicht beanstandet haben, so reicht das für die Annahme einer "üblichen Straßenqualität" nicht aus. Die Strafkammer hat keine Feststellungen zu den Abnehmern getroffen und insbesondere nicht dargelegt, ob es sich dabei um feste Kunden des Zeugen S E H handelte, die im Konsum von Drogen erfahren und zur Unterscheidung von Qualitäten in der Lage waren, oder ob es sich um "Laufkunden" handelte. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß Beanstandungen von Drogen wegen mangelhafter Qualität durch die Konsumenten, soweit es sich nicht um "Stammkunden" handelt, - weil zwecklos - nicht zu erwarten sind, sondern mangelhafte Ware eher zum Wechsel des Dealers führt.

Wenn es in der Beweiswürdigung ferner heißt, keiner der Zeugen habe etwas dazu bekundet, daß die Qualität des Heroins schlecht gewesen sei, so läßt sich daraus nicht entnehmen, ob die Zeugen hierzu ausdrücklich befragt worden sind. Darüber hinaus handelte es sich bei den vernommenen Zeugen nicht um Konsumenten, sondern um an dem Handel beteiligte Personen. Daß diese selbst von den veräußerten Lieferungen konsumiert oder sich in sonstiger Weise über die Qualität vergewissert haben, hat die Strafkammer nicht festgestellt.

Auch die Angabe des Zeugen S E H , die Qualität sei durchschnittlich gewesen, ist keine geeignete Grundlage für die Bestimmung des Wirkstoffgehalts. Den getroffenen Feststellungen läßt sich nicht entnehmen, ob der Zeuge S E H , der nach seinen Angaben erst kurze Zeit vorher nach der Festnahme seines Bruders M B H in das Drogengeschäft eingestiegen war, in der Lage war, die Qualität des Heroins zu beurteilen, auf welche Weise er gegebenenfalls überprüft hat, daß es sich um eine durchschnittliche Qualität handelte, und welchen Wirkstoffgehalt er für durchschnittlich hielt. Schließlich sprechen die festgestellten Preise von 18,-- bis 22,-- DM pro Gramm eher für eine schlechte Qualität und geringe Wirkstoffgehalte der von dem Angeklagten veräußerten Drogen.

Da nach alledem die getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen nicht tragen, war das Urteil insoweit im Schuldspruch und damit auch hinsichtlich der insoweit erkannten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO).

b) Soweit die Strafkammer den Angeklagten des (gewerbsmäßigen) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen für schuldig befunden hat, war die Revision zu verwerfen. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO). Insbesondere ist die von dem Angeklagten gerügte Beweiswürdigung weder lückenhaft noch widersprüchlich und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.

Der Urteilsausspruch war jedoch insoweit richtig zu stellen, als die Strafkammer den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Handelns verurteilt hat. Zwar hat die Strafkammer die tatsächlichen Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit rechtsfehlerfrei festgestellt. Das gewerbsmäßige Handeln ist jedoch nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG als Regelbeispiel des besonders schweren Falles nur eine gesetzliche Strafbemessungsregel (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 46 Rn. 41). Sie gehört als solche nicht zum Schuldspruch, sondern zur Strafzumessung und ist deshalb nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist (BGHSt 23, 254, 256; 27, 287, 289).

c) Das angefochtene Urteil enthält schließlich einen sachlich-rechtlichen Fehler, der auch die wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen erkannten Einzelstrafen beeinflußt hat. Die Strafkammer hat nämlich unter Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG eine getilgte Verurteilung des Angeklagten zu dessen Nachteil verwertet.

Die im Erziehungsregister eingetragene Verurteilung des Angeklagten vom 30. Januar 1995 zu zwei Jugendfreizeitarresten war nach § 63 Abs. 1 BZRG mit Vollendung des 24. Lebensjahres, also am 23. Mai 1999, zu entfernen und ist auch getilgt worden, weil im Zentralregister keine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe und keine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen waren (§ 63 Abs. 2 BZRG).

Da diese Verurteilung in den Urteilsgründen aufgeführt und die Annahme eines minderschweren Falles unter Berücksichtigung "aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände" abgelehnt worden ist, ist davon auszugehen, daß die gegen den Angeklagten sprechende Vorbelastung hierbei Verwertung gefunden hat. Dementsprechend heißt es zum Abschluß der Erwägungen zum minderschweren Fall auch:

"Zudem ist der Angeklagte einmal und zwar einschlägig vorbestraft."

Im Rahmen der Erwägungen zur Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe wird sodann nochmals auf die "oben bereits genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungstatsachen" und auf sein Vorleben verwiesen, wozu auch seine Vorbelastung zählt.

Wegen dieses Fehlers konnten die für die 15 Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verhängten Einzelstrafen keinen Bestand haben. Infolgedessen war das angefochtene Urteil auch insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO).

Gemäß § 354 Abs. 2 StPO war die Sache im Umfange der Urteilsaufhebung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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