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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.04.2003
Aktenzeichen: 13 U 138/02
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 278
VerbrKrG § 9
VerbrKrG § 9 Abs. 3
VerbrKrG § 9 Abs. 4
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10. Juli 2002 - 11 O 513/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Rückzahlung eines wegen Zahlungsverzugs gekündigten Darlehens in Anspruch, das ihre Rechtsvorgängerin (im folgenden nur noch Klägerin) den Beklagten mit Vertrag vom 30.05./25.07.1996 zur Finanzierung ihrer Beteiligung an einer von der WGS Wohnungsbaugesellschaft mbH und Herrn K. N. gegründeten Immobilienfonds-GbR gewährt hat.

Mit Urteil vom 10.07.2002, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und seiner rechtlichen Beurteilung durch das Landgericht verwiesen wird, ist die Klage mit Ausnahme eines Betrages von 387,47 EUR (entspricht 757,83 DM) für Vorfälligkeitsentschädigung zugesprochen worden. Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihre Rechtsverteidigung unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens nach Maßgabe der Berufungsbegründung vom 28.08.2002, auf die Bezug genommen wird, weiter. Sie beanstanden als rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch die Klägerin sowie einen Einwendungsdurchgriff der Beklagten gemäß § 9 Abs.3, 4 VerbrKrG wegen der arglistigen Täuschungshandlungen des Anlage- und Kreditvermittlers P. verneint hat.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 23.09.2002, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, entgegen.

II.

Das angefochtene Urteil hält den Berufungsangriffen in allen Punkten bedenkenfrei stand. Da die Berufung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht etwas Neues bringt, kann im Wesentlichen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen gibt dem Senat lediglich Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1. Zur Aufklärungspflichtverletzung:

Die Berufung meint zu Unrecht, die Klägerin habe die Beklagten darüber aufklären müssen, dass "die Darlehensraten niemals durch die Mietausschüttungen aus den Anteilen an der GbR gedeckt werden können", weil die Klägerin "aufgrund langjähriger Zusammenarbeit und aufgrund der Vielzahl der finanzierten Verträge über die finanzielle Situation der WGS und somit der GbR Stuttgart/Fellbach bestens Kenntnis" gehabt habe und hier "sowohl die Vertragsanbahnung als auch der Abschluß des gesamten Vertragspaketes in einer Hand" gelegen und die Beklagten "Geschäftsräume der Klägerin nie betreten und auch niemals einen Mitarbeiter der Klägerin persönlich kennengelernt" haben (Seite 2 BB = Bl. 207). Das reicht alles auch nicht annähernd aus, eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch die Klägerin zu begründen:

1. Eine Aufklärungspflicht wegen Überschreitung der Kreditgeberrolle setzt voraus, dass die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Anlageobjekts gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts in nach außen erkennbarer Weise Funktionen oder Aufgaben des Veräußerers oder Vertreibers übernommen und damit einen zusätzlichen auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BGH, BKR 2003, 112, 113). Anhaltspunkte für ein solches nach außen in Erscheinung getretenes, über die Kreditgeberrolle hinausgehendes Engagement der Klägerin zeigt auch die Berufung nicht auf. Dass Objekt- und Finanzierungsvermittlung in einer Hand liegen und den Interessenten das Anlagemodell als ein die Finanzierung einschließendes Gesamtpaket angeboten wird, genügt hierzu nicht. Auch die Übernahme einer Vielzahl von Finanzierungen aus demselben Anlagemodell rechtfertigt nicht die Annahme, die Bank habe ihre Rolle als Kreditgeberin überschritten. Dazu bedarf es vielmehr der Übernahme besonderer Aufgaben im Bereich der Planung, der Durchführung oder des Vertriebs des Anlageobjekts.

1. Auch für einen konkreten Wissensvorsprung der Klägerin im Zusammenhang mit der finanziellen Lage der WGS gibt das Vorbringen der Beklagten nichts her. Insbesondere lässt der Umstand, dass die WGS Mitte 1997 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt hat, nicht den Schluss zu, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Fondsbeitritts der Beklagten und seiner Finanzierung Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder gar bereits bestehender Konkursreife der WGS gehabt habe. Dass die WGS angeblich bereits 1996 ganz erhebliche Umsatzeinbußen erlitten habe, weil viele Objekte nicht bzw. nicht wieder vermietet werden konnten (so die Behauptung der Beklagten Bl. 137), reicht hierfür nicht aus (und ist im übrigen auch von der Berufung weder näher konkretisiert noch unter Beweis gestellt).

1. Falsche Angaben des Anlagevermittlers dazu, wie sich der finanzierte Immobilienfondsbeitritt für die jeweiligen Anleger "rechnet", betreffen das allein vom Darlehensnehmer zu tragende Kreditverwendungsrisiko. Den Beklagten mag die Finanzierung des Anteilserwerbs (mit Tilgungsaussetzung in Kombination mit einer Kapitallebensversicherung) von dem Vermittler P. wirtschaftlich als Bestandteil eines den Versicherungsschutz der Beklagten erweiternden "Sparvertragsmodells", in das die Darlehensaufnahme nur integriert sei, "da dadurch Steuern gespart werden könnten" (Bl. 91), schmackhaft gemacht worden sein (Seite 3/4 BB = Bl. 208 f.). Die Darstellung des Anlagemodells und des damit verbundenen wirtschaftlichen Risikos gehört jedoch nicht zum Pflichtenkreis der finanzierenden Bank. Wenn die Beklagten alles das, was unübersehbar zu dem Kreditvertrag gehörte und von ihnen zu unterschreiben war (Bl. 10 - 23, 27 - 42 GA: Darlehensvertrag mit Auszahlungsanweisung, Widerrufsbelehrung, Selbstauskunft, Abtretung von Lebensversicherungsansprüchen, Verpfändung der GbR-Geschäftsanteile), nicht einmal ansatzweise zur Kenntnis genommen, sondern blindlings unterzeichnet haben, können sie dies nicht der Klägerin anlasten. Diese hat in einem gesonderten Hinweisblatt zum Darlehensvertrag (Bl. 13) unter anderem darauf hingewiesen, dass sie zu den steuerlichen Auswirkungen des Anlagemodells keine Aussage machen kann und dass die Vermittler, die das Modell vertreiben, nicht berechtigt waren und sind, im Namen der Bank irgendwelche Erklärungen abzugeben. Ferner ist in Fettdruck die "Funktion der L-Bank" wie folgt umschrieben: "Die L-Bank beschränkt sich bei dem Modell ausschließlich auf die Rolle als Kreditgeberin und ist darüber hinaus an dem Modell nicht beteiligt. Die L-Bank nimmt insbesondere keinerlei Überwachungs-, Beratungs- und Betreuungsfunktion für den/die Darlehensnehmer wahr." Eine solche Zusatzerklärung kann nicht als unzulässiger Haftungsausschluss bewertet werden; sie stellt vielmehr einen zutreffenden Aufklärungshinweis dar, welcher der bestehenden Rechtslage entspricht (BGH, BKR 2003, 106). Der gegenüber der Klägerin erhobene Vorwurf einer Aufklärungspflichtverletzung entbehrt daher jeglicher Substanz.

2. Zum Einwendungsdurchgriff gemäß § 9 Abs.3, 4 VerbrKrG:

Der Bundesgerichtshof hat bisher offen gelassen, ob Kreditgeschäft - sofern es sich nicht um einen Realkredit handelt (BGH, BKR 2003, 106, 108) - und Beteiligung an einer Immobilienfonds-GbR überhaupt als verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG angesehen werden können. Das bedarf auch hier keiner Entscheidung.

a) Ein im Wege des Einwendungsdurchgriffs auch der Bank entgegenzusetzender Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Fonds-GbR setzt zum einen eine wirksame Kündigung des Beitritts voraus (BGH, NJW 2000, 3558 und NJW-RR 2000, 1576). Von einer solchen - ausdrücklichen oder sinngemäßen - Erklärung, die gegenüber der Fondsgesellschaft abzugeben gewesen wäre (BGH, a.a.O.), haben die Beklagten indessen erklärtermaßen abgesehen, um ihre Fondsanteile als Darlehenssicherheit nicht zu gefährden. Die Verpfändung dieser Anteile hinderte die Beklagten jedoch nicht an einer solchen Kündigung; einer Zustimmung der Klägerin hätte es hierzu nicht bedurft (vgl. OLG Stuttgart, BKR 2002, 828, 834 m.w.Nachw.). Soweit die Berufung einen Vollzug des Beitritts in Frage stellt, ist dies ebenfalls nicht haltbar. Ein Beitritt ist dann vollzogen, wenn Rechtstatsachen geschaffen worden sind, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann. Das ist der Fall, wenn Erträge des Fonds ausgeschüttet worden sind, die den Beitretenden zugute gekommen sind (BGH NJW 2000, 35558 und NJW-RR 2000, 1576). So haben auch die Beklagten bis einschließlich Oktober 2001 insgesamt 9.140,00 DM, die von der Klägerin auf die Zinsschuld der Beklagten angerechnet worden sind, aus dem Fonds erhalten. Dass die Erträge von Anfang an nicht ausreichend waren, die Zinsbelastung zu tragen, und sich ab Mitte 1997 weiter reduzierten, weil die WGS als Mietgarantin infolge Konkurses ausfiel, ändert nichts daran, dass der Beitritt der Beklagten vollzogen ist und demgemäß im Rahmen eines Einwendungsdurchgriffs nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung finden.

b) Im Übrigen würde sich ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aus Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten sowie aus deliktischem Verhalten des Anlagevermittlers auch nicht gegen die Fondsgesellschaft richten; diese muss sich das Fehlverhalten der Anlagevermittler bei der Aufnahme neuer Mitglieder nicht entsprechend §§ 31, 278 BGB zurechnen lassen. Die Anlagevermittler sind insoweit nicht als Organe oder Erfüllungsgehilfen der GbR und deren Gesellschafter tätig geworden. Die anderen Gesellschafter werden häufig in ähnlicher Weise getäuscht worden sein wie die Beklagten selbst, die sich sicherlich dagegen verwahren würden, allein aufgrund ihres Beitritts für das Fehlverhalten P.s bei der Aufnahme weiterer Gesellschafter einstehen zu sollen. Die Zulassung eines derartigen Schadensersatzanspruchs gegen die Fondsgesellschaft würde zudem die Gefahr heraufbeschwören, dass das Vermögen jener GbR auf diejenigen der getäuschten Anleger, welche die Gesellschaft als erste in Anspruch nehmen, zu Lasten der übrigen Gesellschafter in ungerechtfertigter Weise verteilt würde (vgl. auch hierzu OLG Stuttgart, BKR 2002, 828, 832 m.w.Nachw.). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat sich denn auch bereits vorprozessual mit dem Anliegen, die Beteiligung der Beklagten an der Immobilienfonds-GbR wegen Falschberatung durch den Vermittler P. rückgängig zu machen, richtigerweise an die WGS gewandt (Schreiben vom 29.11.1996, Bl. 144), ebenso wie zuvor bereits die Beklagten selbst (Bl. 149).

c) Schließlich fehlt es auch an ausreichenden Umständen, die den kreditfinanzierten Gesellschaftsbeitritt zu einem verbundenen Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG machen könnten. Allein aus dem die Finanzierungsvermittlung einschließenden "Komplettangebot" des Vertriebs lässt sich ein solcher Einwendungsdurchgriff nicht herleiten (siehe auch Senatsurteil vom 16.01.2002 - 13 U 102/01 -, OLGR 2002, 148 = ZIP 2002, 607). Die Bank muss schon erkennbar über ihre Finanzierungsrolle hinausgehen und Funktionen des Veräußerers oder Vertreibers wahrnehmen und/oder mit diesem eng verflochten sein, wie dies in den sog. Securenta-Entscheidungen des BGH vom 17.09.1996 (- XI ZR 164/94 -, NJW 1996, 3414 -; - XI ZR 197/95 -, NJW 1996, 3416) der Fall war: Dort war unstreitig, dass die finanzierende Bank und die Gründungsgesellschaft das zugrunde liegende Konzept gemeinschaftlich entwickelt und vertrieben haben; obendrein war der Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft, der auch Geschäftsführer des Fonds war und treuhänderisch die Anteile hielt, Alleinaktionär und Generalbevollmächtigter der Bank. Vergleichbare Umstände sind hier nicht ersichtlich (zu einem anderen, aber in gleicher Weise ausgestalteten WGS-Fonds siehe ebenfalls OLG Stuttgart, BKR 2002, 828, 834) und werden von der Berufung auch nicht geltend gemacht.

III.

Nach alledem stellt sich die Berufung ersichtlich als unbegründet dar, ohne dass ein gesetzlicher Grund i.S.d. § 543 Abs.2 ZPO n.F. besteht, die Revision zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Beklagten durch dieses Urteil: 43.100,29 EUR.

Ende der Entscheidung

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