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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 13 U 7/02
Rechtsgebiete: SpkVO NW, BGB, ZPO


Vorschriften:

SpkVO NW § 5 Abs. 2
SpkVO NW § 5 Abs. 2 lit. d
BGB § 242
BGB § 627
BGB § 675
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 936
ZPO § 940
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Im Namen des Volkes Urteil

13 U 7/02

Verkündet am: 15.05.2002

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.12.2001 - 3 O 680/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, das bei ihr unter der Nummer eingerichtete Girokonto des Verfügungsklägers zu den bisherigen Bedingungen weiterzuführen, längstens jedoch bis zur Entscheidung in einem Hauptsacheprozess über die Wirksamkeit der durch die Verfügungsbeklagte erklärten Kündigungen. Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Soweit es um das sog. Privatgirokonto Nr. geht, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht sowohl einen Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers als auch einen Verfügungsgrund bejaht. Hinsichtlich des sog. Geschäftsgirokontos Nr. hat die Verfügungsbeklagte dagegen eine wirksame Kündigung glaubhaft gemacht.

Kündigung des sog. Privatgirokontos Nr.

1. Die Beklagte war nicht nach Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen berechtigt, die gesamte Geschäftsverbindung und damit das Privatgirokonto des Klägers fristlos zu kündigen. Die - gleichlautenden - fristlosen Kündigungen vom 30.11. und 3.12.2001 waren insoweit unwirksam, weil es an einem wichtigen Grund i.S. von Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen fehlt, aufgrund dessen der Beklagten die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nicht zugemutet werden kann. Auf das als Kündigungsgrund angeführte (Bl. 49, 53, 197, 199) rechtsradikale Verhalten des Klägers und den Vertrieb der von ihm mit rechtsextremem Inhalt herausgegebenen Zeitschrift "S." über das Geschäftsgirokonto kann sich die Beklagte nicht berufen.

a) Es kann offen bleiben und damit für die Entscheidung des Rechtsstreits unterstellt werden, dass der Verfügungskläger und die von ihm herausgegebene Zeitschrift "S." - worauf auch der vorgelegte Verfassungsschutzbericht 1998 (Bl.40 f. GA) und der Zwischenbericht des Innenministeriums NRW 2001 (Bl. 42 ff. GA) hindeuten - der rechtsextremen Szene (sog. Neue Rechte) zuzuordnen sind. Die nach außen hervorgetretene Zugehörigkeit eines Kunden zur rechtsextremen Szene, wie sie insbesondere durch die Verbreitung entsprechender Publikationen dokumentiert wird, kann nach Auffassung des Senats auch einen wichtigen Grund zur Kündigung der Geschäftsbeziehung gem. Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen darstellen. Die Unterhaltung einer Geschäftsverbindung zu solchen Personen begründet den äußeren Anschein, die Verfolgung rechtsradikaler Ziele zu unterstützen oder zu billigen und bedeutet damit für eine Sparkasse zumindest die Gefahr einer Rufschädigung, die sie als öffentlich-rechtliches Kreditinstitut bei Abwägung der beiderseitigen Interessen grundsätzlich nicht hinzunehmen braucht.

Dass nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung angesichts der beispielhaft in Nr. 26 Abs. 2 S. 3 AGB-Sparkassen angeführten Kündigungsgründe nur solche Umstände als wichtiger Grund gelten sollen, die die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen des Kunden oder die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Sparkasse gefährden (so wohl Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2.Aufl. § 24 Rdnr. 62 a.E.; Westermann WM 93, 1865, 1874), lässt sich dem Wortlaut der Klausel nicht entnehmen: Danach ist für die Sparkasse ein solcher Kündigungsgrund "insbesondere" bei Eintritt eines der vorgenannten Gefährdungstatbestände gegeben. Es können daher auch andere Umstände eine fristlose Kündigung rechtfertigen, sofern sie nur die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung für die Sparkasse unzumutbar machen.

b) Die vorstehenden Gesichtspunkte bedürfen jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Die Verfügungsbeklagte war jedenfalls deshalb nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt, weil sie nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit dem Verfügungskläger unzumutbar ist:

Der Verfügungskläger unterhielt unstreitig bereits von 1987 bis Anfang 1997 ein Girokonto bei der Verfügungsbeklagten. Diese Geschäftsbeziehung wurde von der Verfügungsbeklagten im Januar 1997 unter Hinweis auf einen Missbrauch des Kontos - nämlich den Vertrieb seiner damals unter dem Titel "E.v." herausgegebenen Zeitschrift über das Konto - gekündigt. Zuvor war ihr ein Schreiben des Bundes der A. vom 28.12.1996 zugegangen, in dem der Verfügungskläger als einer der gefährlichsten Neonazis der BRD bezeichnet, die von ihm herausgegebene Zeitschrift als "N." beschrieben und die Verfügungsbeklagte zur Kontokündigung aufgefordert wurde, um den "schmutzigen Geschäften" des Klägers nicht auch noch eine Geschäftsgrundlage zu bieten. Trotz ihrer daraus resultierenden - und auch eingeräumten (Bl. 200 GA) - Kenntnis von der rechtsextremen Gesinnung des Verfügungsklägers und des Inhalts seiner Pressepublikationen hat sich die Verfügungsbeklagte im August 2000 darauf eingelassen, die streitgegenständlichen Girokonten für den Kläger zu eröffnen. Eine Verpflichtung hierzu gem. § 5 Abs. 2 SpkVO NW i.d. Fassung vom 21.6.1999, wonach Sparkassen für natürliche Personen aus dem Gewährträgergebiet auf Antrag Girokonten auf Einlagenbasis zu führen haben, bestand nicht. Nach § 5 Abs. 2 lit. d) SpkVO NW entfällt nämlich eine Verpflichtung zur Führung eines Girokontos, wenn die Aufnahme oder Fortführung der Geschäftsbeziehung der Sparkasse aus anderen wichtigen Gründen nicht zumutbar ist. Die - im Wesentlichen fortbestehenden - Gründe für die Kündigung des Girovertrages im Januar 1997 hätten die Verfügungsbeklagte dazu berechtigt, den - erneuten - Abschluss eines Girovertrages mit dem Verfügungskläger abzulehnen.

Schließlich hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 19.4.2001 (Bl. 12 GA) dem Verfügungskläger unter Hervorhebung der "angenehmen Geschäftsverbindung" auf dem Girokonto Nr. einen unbefristeten Dispositionskredit von 7.500 DM eingeräumt.

c) Unter diesen Umständen verstößt die fristlose Kündigung der Verfügungsbeklagten mit der Begründung, die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung sei ihr im Hinblick auf das rechtsradikale Verhalten des Verfügungsklägers und die Nutzung des (Geschäfts)Kontos zum Vertrieb seiner Publikationen nicht zuzumuten, gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, § 242 BGB. Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn in der Zeit zwischen der Einräumung des Dispositionskredits am 19.4.2001 und der Kündigungserklärung eine nachhaltige Änderung der Sach- und Interessenlage eingetreten wäre. Insoweit fehlt es jedoch an einer Glaubhaftmachung:

aa) Die Verfügungsbeklagte stützt sich in diesem Zusammenhang darauf, dass der Absatz rechtsextremer Publikationen des Verfügungsklägers durch das Internet in starkem Maße zugenommen habe und das geschäftliche Girokonto für die Bezahlung des Bezugs der rechtsradikalen Publikationen verwendet werde. Damit habe sie bei Eröffnung der beiden Konten nicht zu rechnen brauchen (Bl. 200).

Dies reicht - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Girokontos Nr. als für die Beklagte unzumutbar anzusehen. Dass der Verfügungskläger auf einem der beiden Konten die Gelder für den Bezug seiner rechtsextremen Zeitschrift vereinnahmen würde, konnte die Verfügungsbeklagte nicht überraschen, nachdem die Nutzung eines Kontos zur finanziellen Abwicklung des Zeitschriftenvertriebes zur Kündigung des bis 1997 bestehenden Girovertrages geführt hatte. Wenn die Verfügungsbeklagte ungeachtet dieser Erfahrung nunmehr zwei Girokonten für den Verfügungskläger einrichtet und dieser eines davon wiederum für derartige Zwecke in Anspruch nimmt, macht dies die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nicht ohne weiteres unzumutbar. Es ist deshalb auch für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Privatkontos unerheblich, ob der Verfügungskläger den Geschäftsverkehr für seine Publikationen über das private Girokonto Nr. abwickeln würde, wenn das Geschäftskonto nicht mehr bestünde.

bb) Die behauptete Absatzzunahme der Zeitschrift "S." durch die Internetnutzung des Verfügungsklägers führt ebenfalls nicht dazu, die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung als für die Verfügungsbeklagte unzumutbar anzusehen. Aus dem zur Glaubhaftmachung u.a. vorgelegten Verfassungsschutzbericht 1998 (Bl. 40, 41 GA) lässt sich gerade kein erhöhter Absatz der Zeitschrift ableiten: Darin heißt es, dass der Verfügungskläger die Zugriffszahlen auf die seit Mitte August 1998 eingestellte S.-Homepage als zu gering beklagt habe. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob für die Unzumutbarkeit pauschal auf den Einsatz des Internets als Verbreitungsmittel für die Zeitschrift abgestellt werden kann.

Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, sie habe bei Eröffnung der Konten den Verfügungskläger nicht als Kernfigur der rechtsextremen Szene angesehen und auch die inzwischen verstärkte politische Bekämpfung des Rechtsextremismus - wie etwa der N.-Verbotsantrag zeige - nicht voraussehen können, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Verfügungsbeklagte lässt außer Acht, dass sie Ende 1996 das bereits erwähnte Schreiben des Bundes der A. erhalten hatte, in dem der Verfügungskläger als einer der gefährlichsten Neonazis der Bundesrepublik bezeichnet wird. Sie selbst beruft sich in ihrer Berufungsbegründung auf die in dem Schreiben erhobenen massiven Vorwürfe gegen die Person des Verfügungsklägers und seine rassistische Einstellung, um die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zu belegen. Es ist daher kaum nachvollziehbar, jedenfalls aber nicht glaubhaft gemacht, dass sie den Verfügungskläger bei Eröffnung der Konten nur als Randfigur oder Mitläufer der Neonaziszene angesehen haben will. Im übrigen kommt es - wie dargelegt - nicht nur auf den Zeitpunkt der Kontoeröffnung an, sondern auch auf das Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 19.4.2001, mit dem diese dem Verfügungskläger unter Hinweis auf die angenehme Geschäftsbeziehung einen Dispositionskredit eingeräumt hat. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Anträge der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesrates auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der N. - wie aufgrund der Rundfunk- und Fernsehberichterstattung allgemein bekannt ist - bereits gestellt und wurden öffentlich diskutiert. Danach kann keine Rede davon sein, dass die öffentliche politische Bekämpfung des Rechtsextremismus erst nach dem 19.4.2001 eingesetzt hat.

2. Ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes konnte die Verfügungsbeklagte den Girovertrag über das Privatkonto weder gem. §§ 627, 675 BGB (vgl. dazu Schimansky, in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 47 Rdnr. 17) noch ordentlich gem. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen kündigen. Angesichts der in § 5 Abs. 2 SpkVO NW bestimmten Kontrahierungspflicht gegenüber dem Verfügungskläger als natürlicher Person scheidet eine Kündigung unter beiden Gesichtspunkten aus (vgl. OLG Köln WM 93, 325, 327; Schimansky a.a.O.). Auf die in § 5 Abs. 2 lit. d) SpkVO NW geregelte Ausnahme von der Kontrahierungspflicht wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung aus wichtigem Grund kann sich die Verfügungsbeklagte aus den unter 1) angeführten Gründen ebenso wenig wie auf Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen berufen. Die - auch vom Landgericht zitierten - Entscheidungen des OLG Köln (ZIP 00, 2159) und des OLG Brandenburg (ZIP 00, 2293), in denen die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung von N.-Konten bejaht wurde, geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass, denn in beiden Fällen fehlte es an einem Kontrahierungszwang.

Ohne Erfolg macht die Verfügungsbeklagte geltend, der Kontrahierungszwang beziehe sich nur auf ein im Guthaben geführtes Girokonto, während der Verfügungskläger in der Vergangenheit seine Konten häufiger überzogen habe. Dieser Einwand übersieht, dass die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger auf dem Privatgirokonto ausdrücklich einen Überziehungskredit in Höhe von 7.500 DM eingeräumt hat. Angesichts dessen müssten Zeitraum und Umfang der angeblichen Überziehungen konkret dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Daran fehlt es. Aus den Kündigungsschreiben ergibt sich vielmehr, dass Kontoüberziehungen nicht - auch - ein Grund für die Verfügungsbeklagte waren, die Geschäftsbeziehung zu beenden. Hinsichtlich des sog. Privatgirokontos wäre dies auch nicht gerechtfertigt gewesen, weil dieses Konto im Zeitpunkt der Kündigung am 30.11.2001 nur mit 3.825,73 EUR (= 7.482,48 DM) im Soll stand und die Überziehungskreditlinie von damals 7.500 DM bis dahin nicht gekündigt war.

3. Nachdem der Kläger bei weit über 100 deutschen Banken und Sparkassen sowie bei Niederlassungen ausländischer Kreditinstitute (Bl. 76) erfolglos die Eröffnung eines Girokontos beantragt hat (Bl. 52, 54 ff. GA), ist der erforderliche Verfügungsgrund glaubhaft gemacht, §§ 940, 936, 920 Abs. 2 ZPO. Ohne Girokonto wäre dem Kläger der Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Teilnahme am Wirtschaftsleben verwehrt.

Kündigung des sog. Geschäftskontos Nr.

1. Ein außerordentliches Kündigungsrecht gem. Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen steht der Beklagten auch insoweit nicht zu. Auf die sinngemäß geltenden Ausführungen zum Privatgirokonto (oben 1.) nimmt der Senat Bezug.

Die fristlose Kündigung kann ebenso wenig auf eine ungenehmigte Kontoüberziehung gestützt werden. Der im Kündigungsschreiben genannte Sollsaldo von 3.317,53 EUR ( = 6.488,52 DM) hielt sich innerhalb des für dieses Konto eingeräumten Überziehungskredits von 7.000 DM (Bl. 11 GA).

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Girovertrag über das Geschäftskonto jedoch durch ordentliche Kündigung der Verfügungsklägerin nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen beendet worden. Zwar ist das - ordentliche - Kündigungsschreiben der Verfügungsbeklagten vom 16.11.2001 aus den vom Landgericht dargelegten Gründen dem Kläger nicht zugegangen. Die - unwirksame - fristlose Kündigung vom 30.11. bzw. 3.12.2001 ist jedoch hinsichtlich des Geschäftskontos in eine ordentliche Kündigung umzudeuten (§ 140 BGB):

a) Die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung eines - wie hier (vgl. Schimansky a.a.O.) - Dauerschuldverhältnisses kann vorgenommen werden, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, dass die ordentliche Kündigung dem Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung für den Empfänger der Kündigung erkennbar zum Ausdruck kommt (vgl. BGH NJW 98, 76 - Dienstverhältnis; NJW 81, 976, 977 - Mietverhältnis). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Im Kündigungsschreiben vom 30.11.2001 erklärt die Verfügungsbeklagte u.a., dass sie an einer Fortsetzung der Geschäftsverbindung nicht mehr interessiert sei und die auf den streitgegenständlichen Konten vorhandenen Sollsalden mit dem Guthaben auf einem dritten Konto verrechnen würde. Daraus ergibt sich, dass die Verfügungsbeklagte die Geschäftsverbindung bzw. die Giroverträge in jedem Fall beenden wollte. Dieser Wille ist gegenüber dem Verfügungskläger auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, denn er wird in dem Schreiben ausdrücklich um Rückgabe seiner EC-Karten und nicht verbrauchten Scheckvordrucke gebeten (vgl. BGH NJW 98, 76).

b) Die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung scheitert auch nicht daran, dass die Kündigung - als ordentliche - entgegen Nr. 26 Abs. 1 S. 2 AGB-Sparkassen zur Unzeit erfolgt ist, weil sie dem Kläger keine Möglichkeit ließ, sich anderweitig um die Eröffnung eines Girokontos zu kümmern. Eine Kündigung zur Unzeit soll zwar nach Bunte (Bankrechts-Handbuch § 24 Rdnr. 59) unwirksam sein, weil Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen - im Gegensatz zu Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken - nicht auf eine angemessene Kündigungsfrist verweist, sondern das Verbot einer Kündigung zur Unzeit ausdrücklich aufführt. Dieser Differenzierung vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Nr. 26 Abs. 1 S. 2 AGB-Sparkassen verpflichtet die Sparkasse, im Falle einer Kündigung den berechtigten Belangen des Kunden "angemessen" Rechnung zu tragen, insbesondere nicht zur Unzeit zu kündigen. Bei wertender Betrachtung heißt das nichts anderes, als dass die Sparkasse - neben der angemessenen Berücksichtigung sonstiger Belange des Kunden - auch mit angemessener Frist zu kündigen hat und - im Umkehrschluss - eine Kündigung zur Unzeit unangemessen ist. Im Kern besteht daher kein wesentlicher Unterschied zu der Regelung in Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken. Das Fehlen jeglicher Fristen im Kündigungsschreiben schließt danach weder eine Umdeutung aus - sie würde in derartigen Fällen dann stets ausscheiden - noch macht es die ordentliche Kündigung unwirksam. Die unangemessene - fristlose - Kündigung setzt vielmehr eine angemessene Frist in Lauf, deren genaue Dauer allerdings offen bleiben kann. Eine angemessene Frist wäre nämlich zum jetzigen Zeitpunkt - d.h. etwa fünf Monate nach Zugang der Kündigung - in jedem Fall abgelaufen.

c) Die Umdeutung ist auch nicht im Hinblick auf § 5 Abs. 2 SpkVO NW ausgeschlossen, denn hinsichtlich des sog. Geschäftsgirokontos unterliegt die Verfügungsbeklagte nach Auffassung des Senats keiner Kontrahierungspflicht. Dies folgt zwar - anders als die Verfügungsbeklagte meint - nicht daraus, dass das Konto Nr. schon wegen seiner Eigenschaft als Geschäftskonto vom Kontrahierungszwang ausgenommen sei. § 5 Abs. 2 SpkVO NW differenziert nicht zwischen Privatkonten und Geschäftskonten, sondern bestimmt den Kontrahierungszwang generell in Bezug auf natürliche Personen.

Entscheidend ist vielmehr, dass für den Kläger - wie oben dargelegt - der Girovertrag zum Konto Nr. fortbesteht und er - bei Annahme einer Kontrahierungspflicht - weiterhin zwei Girokonten bei der Beklagten unterhalten könnte. Dass Sparkassen verpflichtet sind, für ein und dieselbe natürliche Person mehrere - ggfls. wie viele? - Girokonten zu führen, ist im Hinblick auf die Zielsetzung des § 5 Abs. 2 SpkVO NW, allen Bevölkerungsgruppen die Teilnahme am Überweisungsverkehr zu ermöglichen, nicht ohne weiteres einzusehen. Die Teilnahme am Überweisungsverkehr wird auch durch die Einrichtung eines Girokontos gewährleistet.

In § 5 Abs. 2 SpkVO heißt es zwar: " Die Sparkassen sind verpflichtet, für natürliche Personen aus dem Gewährträgergebiet auf Antrag Girokonten .... zu führen." Dies könnte gegen eine Beschränkung auf ein Girokonto sprechen. Andererseits findet sich der Plural in den weiteren Bestimmungen der Vorschrift nicht mehr; in § 5 Abs. 2 S.2 SpkVO ist durchgängig nur noch von einem ("eines") Girokonto oder von dem ("das") Konto die Rede. Vor diesem Hintergrund und der Zielsetzung der Vorschrift sieht der Senat die einmalige Verwendung des Plurals als lediglich sprachlich bedingt an ("Girokonten für natürliche Personen"), ohne ihr eine entsprechende Regelungsabsicht beizumessen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 15.338,76 EUR

Ende der Entscheidung

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