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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.09.2003
Aktenzeichen: 14 UF 171/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GewSchG, FGG, HausratsVO


Vorschriften:

BGB § 1371b
BGB § 1361b
BGB § 1361b Abs. 1
ZPO § 620 Nr. 9
ZPO § 620a
ZPO § 620b
ZPO § 620c
ZPO § 620c Satz 1
ZPO § 620d
ZPO § 620e
ZPO § 620f
ZPO § 620g
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 621g
ZPO § 621g Satz 2
ZPO § 621g
ZPO § 890
ZPO § 892
GewSchG § 1
GewSchG § 1 Abs. 1
GewSchG § 1 I Nr. 2
GewSchG § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
GewSchG § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
FGG § 64b III
HausratsVO § 15
HausratsVO § 18a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Familiengericht Königswinter vom 31. Juli 2002 7a F 174/02 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind seit 1981 miteinander verheiratet und haben drei Töchter im Alter von 20, 19 und 14 Jahren. Die Antragstellerin will sich von dem Antragsgegner trennen. Die Eheleute sind - die Antragstellerin zu 1/4, der Antragsgegner zu 3/4 - Miteigentümer des Hausgrundstücks B.str. 79. Dort befindet sich die Ehewohnung. Der Antragsgegner ist manisch-depressiv erkrankt und befindet sich seit Februar 2002 nach einem Klinikaufenthalt in einer Rehabilitationsmaßnahme, die voraussichtlich bis Ende Mai 2003 andauern wird. In diesem Zusammenhang bewohnt er ein ihm zur Verfügung gestelltes Appartement in K.. Den Schlüssel zum Haus B.str. 79 hat er der Antragstellerin im Februar 2002 herausgegeben. Die laufenden Kosten des Hauses, insbesondere der Finanzierung, werden von der Antragstellerin getragen. Spätestens seit 1993 kam es zu ehelichen Spannungen, 1997 zu einem Antrag der Ehefrau auf Wohnungszuweisung, der dann aber zurückgenommen worden ist (7 F 186/97 AG Königswinter).

Der Antragsgegner beabsichtigte, Anfang August 2002 für zwei Wochen auf das eheliche Grundstück zurückzukehren, um "technische Maßnahmen" durchzuführen. Die Antragstellerin hat vorgetragen, eine solche Rückkehr sei für sie und die gemeinsamen Kinder nicht tragbar, insbesondere im Hinblick auf die psychische Erkrankung des Antragsgegners und mehrfache Handgreiflichkeiten und Beschimpfungen. Das Haus sei ihr ganz zuzuweisen, da eine Teilung das Nutzungsrecht der Antragstellerin erschweren bzw. vereiteln würde. Der weitere Verbleib des Antragsgegners im ehelichen Haushalt stelle eine unbillige Härte in Sinne von § 1371 b BGB dar, wobei auch das Wohl der im Haushalt lebenden Kinder zu berücksichtigen sei.

Mit Antrag vom 22. Juli 2002 hat die Antragstellerin das Wohnungszuweisungsverfahren eingeleitet und beantragt,

ihr und den gemeinsamen Kindern das Einfamilienhaus B.str. 79 B. H. zur alleinigen Benutzung zuzuweisen und dem Antragsgegner aufzugeben, das Hausgrundstück nicht mehr zu betreten, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner gemäß § 1361b BGB in Verbindung mit § 621 g ZPO aufgegeben, bis zur Entscheidung über den Hauptsacheantrag, das Haus nicht mehr zu betreten, die Antragstellerin zu ermächtigen, sich zur Durchsetzung der einstweiligen Anordnung der Hilfe des Gerichtsvollziehers bedienen, der sich seinerseits der Hilfe der Polizei bedienen könne, für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Betretungsverbot ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Seit 10 Jahren sei es nicht mehr zu Handgreiflichkeiten gekommen, mit Ausnahme einer Ohrfeige 1997, als die Antragstellerin gemeinsames Eigentum beiseite geschafft habe. Seine Erkrankung trete zyklisch auf; gemäß Bescheinigung des Diplom-Psychologen H. vom 31.07.2002 sei er so unter Kontrolle, dass keine reale Gefahr für die Familie bestehe.

Nach mündlicher Verhandlung hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfang entsprochen und ergänzend dem Antragsgegner untersagt, sich dem Grundstück B.strasse 79 auf mehr als 50 Meter zu nähern. Die antragsgemäß erfolgte Androhung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, ist auf das Annäherungsverbot erstreckt worden. Diese ergänzenden Anordnungen hat das Amtsgericht mit der Anwendung von § 1 I Nr. 2 des Gewaltschutzgesetzes begründet. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den angefochten Beschluss verwiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist in formeller Hinsicht unbedenklich, insbesondere gemäß §§ 621g Satz 2, 620c Satz 1 ZPO statthaft, da das Amtsgericht nach mündlicher Verhandlung über einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung entschieden hat.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

1. Allerdings hat das Amtsgericht seine Entscheidung zu Unrecht auf das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) gestützt.

Die formelle Grundlage für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in diesem Rahmen ergibt sich nicht unmittelbar aus § 621g ZPO. Anders als im Zusammenhang mit Ehesachen - dort geregelt in § 620 Nr. 9 ZPO - sieht die Zivilprozessordnung für selbständige Verfahren nach dem GewSchG den Erlass einstweiliger Anordnungen unmittelbar nicht vor, im Katalog des § 621g ZPO sind diese Verfahren nicht enthalten. Vielmehr ergibt sich die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes aus § 64b III FGG, welche Vorschrift dann allerdings wieder auf die entsprechende Geltung der §§ 620a bis 620g ZPO verweist. Erforderlich ist danach in formeller Hinsicht ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nach dem GewSchG, was wiederum einen dahingehenden Antrag der betroffenen Partei voraussetzt, § 1 GewSchG. Ein Antrag ist weiterhin für den Erlass der einstweiligen Anordnung als solcher erforderlich. Im vorliegenden Fall gibt es aber weder ein entsprechendes Hauptsacheverfahren noch - insoweit - einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Soweit das Amtsgericht in diesem Zusammenhang meint, "in Erweiterung des Antrags" Maßnahmen nach dem GewSchG ergreifen zu können, wird verkannt, dass einstweilige Anordnungen in selbständigen Familiensachen nur hinsichtlich des gleichen Verfahrensgegenstandes wie das Hauptsacheverfahren erlassen werden dürfen (vgl. Zöller/Philippi, Zivilprozeßordnung, 23. Aufl. 2002, Rdn. 2 zu § 621g).

Abgesehen von diesen formellen Bedenken sind aber auch die materiellen Voraussetzungen für Maßnahmen nach dem GewSchG nicht gegeben. Das Amtsgericht hat weder einen Angriff des Antragsgegners im Sinne von § 1 Abs. 1 GewSchG - einen zeitnahen Angriff behauptet die Antragstellerin selbst nicht - noch eine Drohung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG festgestellt; auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewSchG sind nicht gegeben.

2. Die vorstehenden Erwägungen führen indes nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil die getroffenen Anordnungen allein schon im Rahmen des Wohnungszuweisungsverfahrens nach §§ 1361b Abs. 1 BGB, 15, 18a HausratsVO, 621g, 621 Abs. 1 Nr. 7, 890, 892 ZPO gerechtfertigt sind.

Wenn auch - wie von der Beschwerde gerügt - einzelne Formulierungen aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses zweifelhaft erscheinen, so hat das Amtsgericht doch im Kern zutreffend darauf abgestellt, dass bei der beabsichtigten vorübergehenden Rückkehr des Antragsgegners auf das Grundstück erhebliche Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten drohen. Andererseits erscheinen auch dem Senat die von dem Antragsgegner vorgebrachten Gründe für seinen Wunsch nach vorübergehender Rückkehr wenig überzeugend, weswegen die Schlussfolgerung des Amtsgerichts, der Antragsgegner sei tatsächlich nur auf Provokation und die Herbeiführung von Konfliktsituationen aus, nahe liegt. Die Voraussetzung der "unbilligen Härte" im Sinne von § 1361b Abs. 1 BGB (nach der Reform dieser Vorschrift bedarf es nicht mehr einer "schweren" Härte) ist daher nach der erforderlichen vorläufigen Prüfung im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben.

Nach § 15 HausratsVO - die Vorschrift gilt gemäß § 18a HausratsVO auf für Entscheidungen nach § 1361b BGB - hat das Gericht die für die Durchführung einer Wohnungszuweisung erforderlichen Anordnungen zu treffen. Dazu kann auch das Verbot an einen Ehegatten gehören, die Wohnung wieder zu betreten (Schwab, Zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten bei häuslicher Gewalt, FamRZ 1999, 1317ff [1322]; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1185). Ebenso ist das Verbot, sich der Ehewohnung auf eine bestimmte Distanz hin zu nähern, noch von § 1361b BGB gedeckt (Schwab, a.a.O.)

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Beschwerdewert: 2.000 EUR, § 30 II KostO

Ende der Entscheidung

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