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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 01.03.1999
Aktenzeichen: 15 W 6/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 42 ff
ZPO § 406
Frist zur Geltendmachung nachträglich bekannt werdender Ablehnungsgründe gegen einen Sachverständigen

ZPO §§ 42 ff, 406

Die gegen einen Sachverständigen nachträglich bekannt werdenden Ablehnungsgründe sind gemäß § 406 II S. 2 ZPO unverzüglich geltend zu machen, was aber nicht einer starren Zeitgrenze unterliegt und Raum für Prüfung und Überlegung geben muß.

Die frühere Tätigkeit des Sachverständigen als Angestellter einer Partei spricht i.d.R. gegen seine Unbefangenheit.

- 15 W 6/99 - Beschluß vom 01.03.1999 - unanfechtbar.


OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

028 15 W 6/99 89 OH 2/97 LG Köln

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln

unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Jährig und der Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Diederichs und Scheffler,

am 1. März 1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 13.01.1999 wird unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 22.12.1998 - 89 OH 2/97 - der Antrag der Antragsgegnerin vom 05.10.1998, den Sachverständigen Prof. Dr. H. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet erklärt.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

Gründe:

Der Sachverständige wurde im vorliegenden Verfahren durch Beschluss vom 13.01.1998 zum Sachverständigen bestellt. Es geht um die Überprüfung von streitigen Baumängeln an einer Halle in B., K. Weg. Für die Firma C. A. et de Transport C. GmbH wurde das Bauvorhaben durch eine Arbeitsgemeinschaft - "ARGE" der Antragstellerinnen errichtet. Weitere Firmen waren als Subunternehmer tätig, so etwa die Firma Z. Bau GmbH und die hiesige Antragsgegnerin. Der Sachverständige Prof. Dr. H. ist nicht nur im vorliegenden Verfahren, sondern auch in weiteren Verfahren über die Baumaßnahme als Sachverständiger tätig, nämlich in den Verfahren 7 OH 2/96 und 7 OH 13/97 LG Köln und 89 O 181/97 LG Köln.

Im Verfahren 89 O 181/97 LG Köln klagen die Antragstellerinnen des vorliegenden Verfahrens gegen die Antragsgegnerin sowie die Firma R. Handelsgesellschaft auf Zahlung von über 300.000,-- DM, was ebenfalls im Zusammenhang steht mit der ordnungsgemäßen Erstellung des Hallenbodens und der Einbringung einer Wasserleitung im Bodenbereich durch die Antragstellerin. In 89 O 181/97 ist sowohl der Firma Z. als auch der Firma C. der Streit verkündet worden.

Der Sachverständige Prof. H. soll in 89 0 181/97 ein Gutachten zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Rohrverlegung und Verfüllung des umgebenden Bodens erstellen. (Vgl. Beschluss vom 13.01.1998, Bl. 411 ebenda). Mit Schriftsatz vom 07.09.1998 (Bl. 520 ebenda) hat die Fa. C. den gerichtlich ernannten Sachverständigen Prof. Dr. H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und mitgeteilt, sie habe am 04.09.1998 erfahren, dass der Sachverständige noch vor zwei bis vier Jahren bei der dortigen Klägerin P. H. AG in führender Position tätig gewesen sei. Dies überschneide sich mit höchster Wahrscheinlichkeit mit der Zeit, in der die Planung für die streitige Halle und die Errichtung erfolgt sei. Am 04.09.1998 sei das Gutachten des Sachverständigen Prof. H. vom 22.07.1998, welches dieser im Verfahren 7 OH 13/97 erstellt habe, bei der Firma C. besprochen worden. Ein privater Sachverständiger der Firma C., Prof. GünHHH ter habe bei dieser Besprechung die Frage aufgeworfen, ob Prof. H. nicht früher bei der Firma P. H. AG tätig gewesen sei, wovon die anderen Gesprächsbeteiligten nichts gewusst hätten. Prof. Dr. G. habe diesen Punkt durch einen Anruf überprüft und erfahren, der Sachverständige sei bei P. H. AG noch vor zwei bis vier Jahren tätig gewesen. Die tatsächlichen Angaben zu diesem Befangenheitsantrag wurden durch Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen von Gesprächsteilnehmern glaubhaft gemacht. Der Antrag ging am 07.09.1998 beim Landgericht ein und wurde mit Verfügung vom 15.09. an die Prozessbevollmächtigten übersandt, ferner an den Sachverständigen Prof. Dr. H. mit der Bitte um Äußerung zu diesem Befangenheitsantrag. Rechtsanwälte L. und Partner teilten durch Schreiben vom 21.09.1998 mit, ihnen sei die Eingabe der C. am 18.09.1998 über Gerichtsfach zugegangen. Sie bäten, die Entscheidung über den Befangenheitsantrag der C. zurückzustellen (Bl. 527 ebenda).

Der Sachverständige Prof. Dr. H. teilte unter dem 24.09.1998 - eingegangen bei Gericht am 28.09.1998 - mit, sein Arbeitsvertrag als technischer Angestellter der P. H. AG in der Niederlassung Frankfurt sei am 31.08.1993 ausgelaufen. Während seiner gesamten Berufstätigkeit für die Firma P. H. AG sei er an keinem Projekt der Niederlassung K. beteiligt gewesen. Seit dem 01.09.1993 sei er als Universitätsprofessor an der RWTH A. tätig. Die noch ausstehenden Arbeiten für das Gutachten in 89 O 181/97 stelle er vorerst zurück.

Die Rechtsanwälte L. und H. beantragten unter dem 29.09.1998 (Bl. 535 ebenda), den Befangenheitsantrag der Firma C. zurückzuweisen. Der Bauvertrag über die streitige Halle sei zwischen den Klägern und der Streithelferin erst am 01.12.1993 abgeschlossen worden. Der Sachverständige Prof. Dr. H. habe mit diesem Bauvorhaben nie zu tun gehabt. Die Klägerin P. H. AG bestätigte diese Angaben in einem Schreiben, das beilag (Bl. 543 ebenda).

Durch Beschluss vom 30.09.1998 ist im Verfahren 89 O 181/97 der Antrag der Firma C., den Sachverständigen Prof. Dr. H. wegen Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen worden. Er sei unzulässig, da Firma C. als Streithelferin der Klägerin mit ihren Anträgen nicht in Widerspruch zu Handlungen der Hauptpartei treten dürfe (Bl. 560 ebenda). Der Ausfertigung dieses Beschlusses wurden gemäß Verfügung des Vorsitzenden (vgl. Bl. 560 ebenda) Ablichtungen der Stellungnahme des Sachverständigen beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 05.10.1998 - eingegangen bei Gericht am 08.10.1998 - beantragten die Rechtsanwälte M.-S. und Partner für die Beklagten im Verfahren 89 O 181/97 ebenfalls, Prof. H. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (Bl. 565, 566 d. GA). Sie begründeten dies damit, erst durch den Schriftsatz der Firma C. vom 07.09.1998 und der Erwiderung der Bevollmächtigten der Kläger vom 29.09.1998 hätten die dortigen Beklagten Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen erfahren.

Durch Beschluss vom 22.12.1998 wies die 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln im Verfahren 89 O 181/97 den Befangenheitsantrag der Beklagten zurück. Er sei verspätet gestellt und auch unbegründet. (Vgl. Bl. 606 ebenda). Gegen diesen am 28.12.1998 zugestellten Beschluss haben die Beklagten kein Rechtsmittel eingelegt.

Im Verfahren 7 OH 13/97, in dem die Firmen D. und P. H. AG ebenfalls Antragsteller sind, die Firma Z. Bau und die Firma C. Antragsgegnerinnen, war ursprünglich auch die Firma R. und Söhne GmbH & Co. als Antragsgegnerin beteiligt. Insoweit ist das Verfahren durch Beschluss der 7. Zivilkammer vom 11.12.1997 (vgl. Bl. 293 d.A.) an die 9. Kammer für Handelssachen abgegeben worden, da bereits das Streitverfahren 89 O 181/97 zwischen den Verfahrensbeteiligten anhängig war. Dies hat zum vorliegenden Verfahren 89 OH 2/97 geführt.

Firma C., die im Verfahren 7 OH 13/97 als Antragsgegnerin beteiligt ist, hat auch dort mit Schriftsatz vom 07.09.1998 den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dem hat die 7. Zivilkammer durch Beschluss vom 14.01.1999 stattgegeben. (Vgl. Bl. 449 ff.).

Im vorliegenden Verfahren hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 05.10.1998 - eingegangen bei Gericht am 07.10.1998 - ebenfalls den Sachverständigen Prof. Dr. H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (Bl. 387 ff.).

Die Kammer hat dieses Gesuch durch Beschluss vom 22.12.1998 (vgl. Bl. 428 ff. GA) zurückgewiesen, da es verspätet gestellt, im Übrigen auch unbegründet sei. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerinnen bereits unter dem 21.09.1998 im Verfahren 89 O 181/97 auf den übersandten Ablehnungsantrag der Firma C. reagiert hätten, müsse man davon ausgehen, dass auch die Antragsgegnerinnen zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Ablehnungsantrag gehabt hätten, der sich auf dieselben Gründe wie der Ablehnungsantrag der vorliegenden Antragsgegnerin stütze. Der am 08.10.1998 bei Gericht eingegangene Ablehnungsantrag sei somit nicht mehr innerhalb des in § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO zum Ausdruck kommenden Zeitraums eingelegt. Der Antrag sei auch unbegründet, da es keine objektiven Tatsachen gäbe, die aus Sicht der Antragsgegnerin vernünftigerweise Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen erregen könnten. Bei einer großen Aktiengesellschaft wie der Firma P. H. könne das Bestehen eines früheren Beschäftigungsverhältnisses des Sachverständigen allein nicht ausreichen, da dieser nicht für Bauvorhaben der Hauptniederlassung K. tätig geworden sei.

Gegen diese der Antragsgegnerin am 30.12.1998 zugestellte Entscheidung hat diese mit Schriftsatz vom 13.01.1999 an das Landgericht Köln - eingegangen dort am gleichen Tage - per Fax Beschwerde eingelegt.

Sie macht geltend, der Schriftsatz der Firma C. im Verfahren 89 O 181/97 sei ihren Bevollmächtigten erst am 22.09.1998 per Gerichtsfach zugegangen. Erst am 30.09.1998 sei ihr die Durchschrift des Schriftsatzes der Klägerin des Verfahrens 89 O 181/97 vom 29.09.1998 zugegangen, die Entscheidung des Landgerichts in 89 O 181/97 vom 30.09.1998 erst am 06.10.1998. Ihr Ablehnungsantrag im vorliegenden Verfahren sei nicht verspätet gestellt, da man von ihr keine Ablehnung allein nach Kenntnisnahme vom Ablehnungsantrag der Firma C. vom 07.09.1998 verlangen könne. Sie habe die Stellungnahme der Gegenseite abwarten dürfen, um sich nicht auf bloßes Hörensagen von Dritten stützen zu müssen.

In der Sache bestehe aufgrund der früheren Beschäftigung des Sachverständigen bei Firma H. kein Zweifel an der Begründetheit des Befangenheitsantrags.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.

Ihr Antrag vom 05.10.1998 - eingegangen bei Gericht am 07.10.1998 - ist nach Auffassung des Senats nicht verspätet gestellt.

Nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen ist nach Ablauf der 2-Wochen-Frist des § 406 Abs. 2 ZPO ein erst dann bekannt gewordener Ablehnungsgrund allerdings unverzüglich geltend zu machen. Eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist ist jedoch einzuräumen (vgl. Baumbach-Lauterbach, Rdnr. 23 zu § 406 ZPO; Zöller-Greger, Rdnr. 10 zu § 406 ZPO; MüKo-Dammrau, Rdnr. 7 zu § 406 ZPO; OLG Koblenz in NJW-RR 1992, 1470 und in MDR 1994, 1147). Hierbei ist im Einzelfall ein Zeitraum von 18 Tagen als noch unschädlich angesehen worden (vgl. BayObLG MDR 1995, 412/413). Selbst bei strengerer Auffassung wird aber eine für den jeweiligen Einzelfall erforderliche Abwägung gefordert (vgl. Stein-Jonas, Rdnr. 19 zu § 406 ZPO).

Vorliegend war der Antrag als noch rechtzeitig anzusehen, da der Antragsgegnerin, wie sie glaubhaft gemacht hat, der Antrag der Firma C. vom 07.09.1998 im Verfahren 89 O 181/97 erst am 22.09.1998 zugegangen ist. Dann hätte sie mit dem Befangenheitsgesuch vom 07.10.1998 allerdings eine 14-Tage-Frist um einen Tag versäumt. Nach Wertung des Senates durfte sie aber vorliegend abwarten, wie sich der Sachverständige oder die Antragstellerin Firma H. zu diesem Gesuch stellen würden. Sie musste nicht ihrerseits sofort nach Kenntnis des Gesuchs vom 07.09.1998 entsprechende Anträge stellen und dem Inhalt des Antrags von Firma C. insoweit vertrauen. Auch waren ihr eigenständige Überprüfungen vor Eingang der Stellungnahme der Firma H. und/oder des Sachverständigen nicht abzuverlangen. Diese sind ihr, wie sie durch entsprechende Ablichtungen dargetan hat, erst am 06.10.1998 zugegangen. Die Tatsache, dass sie sich letztendlich schon einen Tag zuvor, nämlich am 05.10.1998 dazu entschlossen hatte, ihrerseits ebenfalls ein Ablehnungsgesuch zu stellen, schlägt nicht zu ihrem Nachteil aus.

Ihr Gesuch wird auch nicht dadurch unzulässig, dass sie zwar im vorliegenden Verfahren die Ablehnung durch Beschwerde weiterverfolgt, nicht aber im Verfahren 89 O 181/97. Hierin liegt keine Widersprüchlichkeit, die ihr Gesuch unzulässig machte.

Das Ablehnungsgesuch ist auch begründet. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass wirkliche Zweifel an der Objektivität des Sachverständigen bestünden. Es reicht vielmehr aus, wenn Tatsachen vorliegen, die vom Standpunkt der Antragsgegnerin aus geeignet sind, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Grund für eine solche Besorgnis kann insbesondere bestehen, wenn der Sachverständige Angestellter einer Partei ist oder auch nur war (vgl. Baumbach-Lauterbach, Rdnr. 5 zu § 406 ZPO, MüKo-Dammrau, Rdnr. 5 zu § 406 ZPO, Stein-Jonas, Rdnr. 10 zu § 406 ZPO und Zöller-Greger, Rdnr. 8 zu § 406 ZPO; OLG Köln in VersR 1993, 72; OLG Hamburg in MDR 1983, 412). Sowohl der Sachverständige als auch Firma H. haben bestätigt, dass Prof. Dr. H. lange Jahre in Diensten der Antragstellerin zu 1) stand. Dies reicht aus. Es ist nicht erforderlich, dass er bei Vorplanungen zu dem streitigen Verfahren mitgewirkt hätte oder zur K.er Niederlassung in engeren Beziehungen gestanden hätte, wofür nichts ersichtlich wäre. Bei einem früheren Angestellten lässt sich für einen außenstehenden Dritten nie ausschließen, dass dieser sich aufgrund des früheren Arbeitsverhältnisses der betreffenden Partei innerlich verbunden fühlt und in seinen Arbeitsergebnissen dadurch - möglicherweise auch ihm selbst gar nicht bewusst - beeinflusst werden könnte.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

Beschwerdewert: Wert des Hauptsacheverfahrens.

Ende der Entscheidung

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