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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.02.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 247/02
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 57
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 247/02

In der Freiheitsentziehungssache

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 05.02.2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 28.10.2002 - 4 T 479/02 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 20.08.2002 - 51 XIV 188. B - rechtswidrig war.

Die Antragstellerin hat dem Betroffenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten.

Das Prozesskostenhilfegesuch des Betroffenen wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die nach der Zurückschiebung des Betroffenen in die T im Verlaufe des Erstbeschwerdeverfahrens mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaftanordnung zulässigerweise eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist begründet.

Die Voraussetzungen für eine Haftanordnung lagen nicht vor.

Die Haftanordnung war schon deshalb unzulässig, weil der Betroffene erst 17 Jahre alt ist und die Antragstellerin in ihrem Haftantrag nicht dargelegt hatte, warum mildere Mittel zur Vermeidung von Abschiebungshaft nicht in Frage kommen, sie also Ziff. 2.1 i. V. m. Ziff. 1.1 Abs. 1, S. 4, Abs. 2 S. 3 der Richtlinien zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft in der Fassung des Erlasses des Innenministeriums vom 17.07.2002 - 14.1 / VI - 4.1.1 - nicht beachtet hat.

Minderjährige werden von der Vollziehung einer Haftanordnung erheblich betroffen und können hierdurch dauerhafte psychische Schäden davontragen. Bereits der verfassungsmäßige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allen Verwaltungshandelns verpflichtet daher die Ausländerbehörde im Falle minderjähriger Ausländer alle Möglichkeiten zu prüfen, die auf mildere und weniger einschneidende Weise die beabsichtigte Abschiebung sichern können. Dass eine entsprechende Prüfung erfolgt ist und warum mildere Mittel zur Vermeidung von Abschiebungshaft im Einzelfall nicht in Betracht kommen, ist daher im Haftantrag darzustellen, und zwar unabhängig von den Ergänzungen der Richtlinien zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft durch den Erlass vom 17.07.2002, mit dem Grundsätze, die sich bereits unmittelbar aus der Verfassung ergeben, für die Ausländerbehörden umgesetzt worden sind. Fehlt es an einer solchen Darlegung im Haftantrag ist davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde die erforderliche Prüfung unterlassen hat und daher die Haftvoraussetzungen nicht vorliegen (vgl. zum Ganzen: Senatsbeschluss vom 11.09.2002 - 16 Wx 164/02 -).

Vorliegend enthält der Antrag keinerlei Darlegungen dazu, ob die Antragsgegnerin in die erforderliche Prüfung eingetreten ist. Es ist noch nicht einmal erkennbar, dass sie sich überhaupt der entsprechenden Problematik bewusst war. Alleine der Umstand, dass der Betroffene in einem Zug bei der Einreise aus der T aufgegriffen worden war, er hier also offenbar keine Unterkunftsmöglichkeiten und/oder Kontakte zu etwaigen Vertrauenspersonen hatte, machte die Darlegung etwaiger milderer Maßnahmen, etwa im Hinblick auf eine Unterbringung in einer Jugendeinrichtung nicht entbehrlich.

2.

Auf die weiteren von dem Landgericht aufgeworfene Fragen, ob die Erklärung des Betroffenen vor dem Haftrichter, er beabsichtige in Deutschland Asyl zu beantragen ein Ersuchen um Asyl darstellt und ob es für ein solches Gesuch einer Begründung bedarf, kommt es nicht an. Der Senat hat allerdings Anlass darauf hinzuweisen, dass er an seiner u. a. in dem Beschluss vom 15.04.2002 - 16 Wx 58/02 - (OLGR 2002, 365 LS) vertretenen Rechtsauffassung festhält. Gerade in dem auch hier gegebenen Fall, dass ein Betroffener bei der Anhörung durch den Haftrichter nicht anwaltlich vertreten ist und wegen der Übermittlung von Äußerungen durch einen Dolmetscher Kommunikationsprobleme auftreten können, gebieten es § 12 FGG und das besondere Gewicht, dass dem Freiheitsgrundrecht zukommt, durch gezieltes Befragen zu klären und sodann im Protokoll unmissverständlich zu dokumentieren, was der Betroffene genau will. Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht meint, ein etwaiges Asylgesuch sei wegen der Einreise des Betroffenen aus einem sicheren Drittstaat unbeachtlich. Die von dem Landgericht abgelehnte Auffassung des OLG Frankfurt in dem Beschluss vom 18.05.1998 - 20 W 193/98 - (AuAS 98,99 = NVwZ 1998, Beilage Nr. 11, 125) wird sowohl vom Senat wie auch sonst in der obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt (vgl. z. B. Senatsbeschluss vom 11.06.2001 - 16 Wx 73/01 -; vorher schon 9. Zivilsenat des OLG Köln v. 23.1.2001 - 9 Wx 4/ 01-; KG KGR 2001, 48 = FGPrax 2001, 40). Die Ausführungen des Landgerichts geben auch insoweit keinen Anlass hiervon abzuweichen.

3.

Wegen der Kosten des gerichtlichen Verfahrens ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst, da die unterlegene Antragstellerin nach § 15 Abs. 2 FEVG von der Entrichtung der Gerichtskosten befreit ist. Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen fallen nach § 16 FEVG der Antragstellerin zur Last.

Das Prozesskostenhilfegesuch des Betroffenen war zurückzuweisen, da er seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dargetan hat und damit eine Bedürftigkeit i. S. d. §§ 14 FGG, 114 ZPO nicht festgestellt werden kann. Die im Erstbeschwerdeverfahren eingereichte und auf die Verhältnisse während der Inhaftierung bezogene Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO ist wegen der zwischenzeitlichen Zurückschiebung des Betroffenen in die T nicht mehr aktuell.

Beschwerdewert: 4.000,00 €

Ende der Entscheidung

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