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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 5 U 159/02
Rechtsgebiete: DÜG, ZPO, BGB


Vorschriften:

DÜG § 1
ZPO § 448
ZPO § 531
ZPO § 531 II
BGB § 847 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 24.07.2002 - 11 O 184/00 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das vorgenannte Urteil dahingehend abgeändert, dass die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen wird.

Auf die Berufung des Beklagten zu 1), die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 24.07.2002 - 11 O 184/00 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 25.564,59 EUR nebst 7 % Zinsen seit dem 01.09.1999 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftigen immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihr infolge der fehlerhaften Behandlung im Mai 1999 in der I in A entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu 1) zu 1/4.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin in vollem Umfang, ferner diejenigen des Beklagten zu 1) zur Hälfte.

Der Beklagte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1/4.

Im übrigen tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die zum damaligen Zeitpunkt 38 jährige Klägerin wurde im Mai 1999 - vom 11. - 16.05.1999 - in der I stationär behandelt. Am 12.05.1999 entfernte der Beklagte zu 1. ihre Gebärmutter.

Dieser Operation war folgendes vorausgegangen: Am 04.05.1999 hatte der Hausarzt der Klägerin an der Gebärmutter rechts ein Myom festgestellt, nach dem die Klägerin ihn wegen einer Blasenentzündung, an welcher sie auch in früheren Zeiten schon wiederholt gelitten hatte, aufgesucht hatte. Der Hausarzt empfahl eine Entfernung des Myoms; eine Krebsvorsorgeuntersuchung im März 1999 hatte von Seiten des Frauenarztes der Klägerin keinen krankhaften Befund insoweit ergeben.

Nach Vorsprache der Klägerin veranlasste der Beklagte zu 1, der die I als Privatklinik betreibt, zunächst eine vaginale Ultraschalluntersuchung und bestätigte hierauf die Diagnose des Hausarztes. Die Größe des Myoms beschrieb er mit 3,5 cm. Am 11.05.1999 erfolgte die stationäre Aufnahme der Klägerin in der I und zwar gemäß Krankenjournal zur "vaginalen Hysterektomie mit Laparoskopie, Ultraschallfoto: Uterus myomatosus, gestieltes Myom, Aufklärungsgespräch über OP". Letzteres fand am Abend des 11.05.1999 statt, wobei der von der Klägerin unterzeichnete Aufklärungsbogen den Vermerk enthält: "mit erforderlichen, auch unvorhergesehenen Erweiterungen der Operation bin ich ebenfalls einverstanden". Die Operation vom 12.05.1999 führte der Beklagte zu 1) unter Assistenz der Beklagten zu 2) durch. Hierbei nahm er zunächst eine Laparoskopie vor; anschließend entfernte er die Gebärmutter. Eine nach der Operation erfolgte histopathologische Untersuchung ergab einen 84 g schweren Uterus. In dem untersuchten Material wurden keine Anhaltspunkte für Malignität festgestellt; auch Anzeichen für ein Myom fanden sich nicht. Im Anschluss an die Operation kam es zu einer Infektion mit Abszedierung im Operationsfeld. Die Entlassung der Klägerin erfolgte am 16.05.1999, wobei streitig ist, ob auf eigenen Wunsch der Klägerin oder auf ärztliche Veranlassung. Im Anschluss an ihre Entlassung führte ihr Frauenarzt eine Behandlung mit Antibiotika durch.

Die Klägerin hat geltend gemacht, von den Beklagten im Rahmen der Operation grob fehlerhaft behandelt worden zu sein. Sie hat hierzu vorgetragen, die Operation sei nicht indiziert gewesen, weil spätestens nach der Laparoskopie festgestanden habe, dass ein Myom nicht vorgelegen habe und die Entfernung der Gebärmutter daher auch nicht erforderlich gewesen sei. Der von ihr im Vorfeld der Operation unterzeichnete Aufklärungsbogen sei nachträglich durch weitere Eintragungen verändert worden. Die Operation habe bei ihr zu massiven Folgebeschwerden geführt, insbesondere einer schweren traumatischen Pankreas-Insuffizienz, einer neurogen bedingten Funktionsstörung des muskulären Haltungsapparates und der Bauchmuskulatur sowie einem immer wieder stark anschwellenden Bauch. Es komme zu Herzrasen mit hohem Blutdruck, so dass sie Betablocker einnehmen müsse. Geschlechtsverkehr sie ihr unmöglich, weil hierbei starke Schmerzen aufträten. In ihrem erlernten Beruf als Kranken- und OP-Schwester könne sie wegen ihrer mannigfachen Beschwerden nicht mehr arbeiten. Auch könne sie keine weiteren Kinder mehr bekommen und nicht einmal den Haushalt komplett selbst erledigen.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aus der fehlerhaften Behandlung vom Mai 1999 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch DM 150.000,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des DÜG vom 9. Juni 1998, mindestens verzinslich jedoch mit 8 % Zinsen, seit dem 12.05.1999, spätestens jedoch seit dem 1.09.1999;

2.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche künftigen immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihr aus der fehlerhaften Behandlung vom Mai 1999 entstanden sind bzw. noch entstehen, zu ersetzen, soweit diese Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, die Hysterektomie sei angesichts der Ergebnisse der Ultraschalluntersuchung und der Laparoskopie, die beide zur Diagnose eines Uterus myomatosus mit Myometriumhyperlasie geführt hätten, indiziert gewesen. Eine eventuelle diesbezügliche Fehldiagnose sei ihnen nicht vorzuwerfen. Manipulationen an dem Aufklärungsbogen seien nicht erfolgt. Die von der Klägerin geklagten Folgebeschwerden haben sie bestritten, jedenfalls auch eine Kausalität zwischen Operation und geklagten Beschwerden.

Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeuginnen und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H mit nachfolgender mündlicher Erläuterung hat das Landgericht der Klage - hinsichtlich des Schmerzensgeldes in Höhe eines solchen von 100.000,00 DM - stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagten hätten spätestens im Rahmen der Laparoskopie erkennen müssen und auch erkannt, dass tatsächlich kein Myom vorlag; gleichwohl hätten sie ungeachtet dieser Erkenntnis die Operation fortgeführt, obwohl dies wegen des Wegfalls der ursprünglich angenommenen Indikation nicht mehr von der erteilten Einwilligung gedeckt gewesen sei. All dies ergebe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen.

Gegen dieses am 30.07.2002 (Klägerin) bzw. 25.07.2002 (Beklagte) zugestellte Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagten fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb der gewährten Fristverlängerung ordnungsgemäß begründet.

Die Beklagten verfolgen unter Vertiefung und Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung das Ziel umfassender Klageabweisung. Sie rügen fehlerhafte Tatsachenfeststellung und Rechtsfehler und tragen vor, es habe im Hinblick auf die vielfältigen Vorbeschwerden der Klägerin sehr wohl eine Operationsindikation bestanden, wie sich auch aus dem Sachverständigengutachten von Prof. H eindeutig ergebe. Außerdem fehle es an einem dauerhaften Schaden der Klägerin. Die gesamten von ihr geklagten Folgebeschwerden seien nicht auf die Uterusentfernung zurückzuführen; diese Gebärmutterentfernung bedeute für die Klägerin auch keinen gravierenden Einschnitt, weil deren Familienplanung ohnehin abgeschlossen gewesen sei, wie die Klägerin gegenüber behandelnden Ärzten wiederholt erklärt habe.

Auch die Aufklärung sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe sich bei dem Beklagten wegen vielfältiger Vorbeschwerden, insbesondere auch Blasenbeschwerden und Miktionsstörungen, vorgestellt und vor diesem Hintergrund den Wunsch geäußert, die Gebärmutter "müsse raus". Im Rahmen des Aufklärungsgespräches sei der gesamte gesundheitliche Komplex mit der Klägerin intensiv erörtert worden, wobei man ihr auch die Möglichkeit nicht operativer Methoden vor Augen geführt habe; dies allerdings unter Hinweis darauf, dass eine dauerhafte Behebung der geklagten Unterleibsbeschwerden dadurch nicht zu erreichen sei. Zum Zeitpunkt des Aufklärungsgespräches sei die Klägerin voll präsent gewesen. Das Landgericht habe fehlerhaft von einer Parteivernehmung der Beklagten zu Umfang und Inhalt des Aufklärungsgespräches abgesehen, obwohl die diesbezügliche Dokumentation lückenlos sei und keinen Anlass zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit und zeitnahen Erstellung gebe. Tatsächlich hätten sowohl die Beklagte zu 2) als nachfolgend auch der Beklagte zu 1) mit der Klägerin ein eingehendes Aufklärungsgespräch geführt, bei dem die Indikation Hysterektomie nicht etwa nur auf das angenommene Myom beschränkt worden sei. Im übrigen hätte die Klägerin ohnehin in die Gebärmutterentfernung eingewilligt, weil sie ausdrücklich geäußert habe, keine Kinder mehr zu wollen.

Für eine Haftung der Beklagten zu 2) sei im übrigen keinerlei Anhaltspunkt ersichtlich.

Das zuerkannte Schmerzensgeld von 100.000,00 DM sei gänzlich überhöht.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24.07.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1.

unter entsprechender Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 24.07.2002 - 11 0 184/00 - die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld von EUR 25.564,59 (= DM 50.000,00), insgesamt also ein Schmerzensgeld von EUR 76.693,78 (= 150.000,00) nebst 7 % Zinsen seit dem 1.09.1999 zu zahlen,

2.

der Klägerin für den Fall der Anordnung einer Sicherheitsleistung zu gestatten, diese auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.

Ferner beantragt die Klägerin,

Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

Die Beklagten beantragen ferner,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verfolgt mit ihrer Berufung das Ziel eines höheren Schmerzensgeldes, nämlich eines solchen in der von Anfang an geltend gemachten Höhe von 150.000,00 DM. Die Klägerin vertritt nach wie vor die Ansicht, ihre gesamte Beschwerdesymptomatik beruhe auf der Gebärmutterentfernung. Im übrigen beanstandet die Klägerin die Kostenentscheidung des Landgerichts, da sie ihrer Ansicht nach mit der Feststellungsklage in vollem Umfang obsiegt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen des weiteren Parteivorbringens auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abweisung der Klage hinsichtlich der Beklagten zu 2); die Berufung des Beklagten zu 1) hat teilweise Erfolg. Der Klägerin steht nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.564,59 EUR (= 50.000,-- DM) gegen den Beklagten zu 1. zu.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat somit keinen Erfolg.

1. Der Senat bejaht - insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht - eine Haftung des Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin.

Dem Beklagten zu 1) ist im Rahmen der Behandlung der Klägerin ein Behandlungsfehler in Form eines vorwerfbaren Diagnoseirrtums anzulasten, weil er fehlerhaft einen Uterus myomatosus angenommen und auf der Grundlage dieser Diagnose die Operationsentscheidung getroffen und durchgeführt hat. Zwar sind Diagnosefehler im Sinne von Fehlerinterpretationen erhobener Befunde nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur mit Zurückhaltung als zur Haftung führende Behandlungsfehler zu werten, nämlich in erster Linie dann, wenn elementare Kontrollbefunde nicht erhoben worden sind oder wenn eine gebotene Überprüfung einer ersten Diagnose (Arbeitsdiagnose) im weiteren Behandlungsverlauf unterblieben ist (siehe die Rechtsprechungsnachweise bei Steffen/Dressler Arzthaftungsrecht 8. Auflage, Randziffer 154, 155). Ein vorwerfbarer Diagnosefehler ist vorliegend festzustellen. Selbst wenn der Beklagte zu 1) nach der Befundung durch den Vorbehandler, den Allgemeinmediziner P und den selbst durchgeführten Untersuchungen (Ultraschallaufnahme) von einem Uterus myomatosus ausging und dieser Irrtum verständlich erscheint, so war dieser Diagnose jedenfalls durch die Laparoskopie der Boden entzogen. Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Beklagten zu 1) anlässlich der Laparoskopie das Fehlen eines Myoms nicht verborgen geblieben ist, falls doch, läge eine Verkennung eines evidenterweise nicht gegebenen Krankheitsbildes vor, was ebenfalls als Behandlungsfehler zu werten ist (vgl. BGH VersR 94, 52; 95, 46). Diese Überzeugung beruht auf der Feststellung des Sachverständigen, der ausdrücklich darauf hingewiesen hat, der Beklagte zu 1) als Operateur habe im OP-Bericht als Ergebnis der Laparoskopie kein Myom beschrieben, weshalb er sich auch nicht über das Vorliegen eines Myoms geirrt haben könne, was ohne weiteres überzeugt. Der Beklagte zu 1) hat im übrigen selbst nicht einmal ausdrücklich behauptet, auch nach dem Ergebnis der Laparoskopie noch vom Vorliegen eines Myoms bzw. eines Uterus myomatosus ausgegangen zu sein.

Durch diesen haftungsrechtlich relevanten vorwerfbaren Fehler ist die Klägerin geschädigt worden, denn es ist zu einer unerlaubten Uterusentfernung gekommen. Die Klägerin hat in die Uterusentfernung nur unter der Diagnose "Myom" eingewilligt, denn ihr wurde mitgeteilt, dass deswegen die Operation indiziert sei, was im übrigen nach den Darlegungen von Prof. Dr. H sachlich nicht richtig, jedenfalls zweifelhaft erscheint, weil "heute" bei einem Myom von einer Größe von 3,8 cm nicht operiert werde. Dass der Sachverständige die Hysterektomie zur Behebung der nach seinen Feststellungen präoperativ vorhanden gewesenen therapieresistenten Beschwerden für indiziert gehalten hat, ist im Streitfall schadensrechtlich ohne Belang, denn es lag keine zwingende, gar vitale Indikation zur Uterusentfernung vor. Es muss der Entscheidung des Patienten überlassen bleiben, ob er sich der relativen Indikation beugt und den Verlust der Gebärfähigkeit und die mit der Operation verbundenen Risiken in Kauf nimmt.

Eine Aufklärung über die dargelegte alternative Operationsindikation ist nicht bewiesen. Das geht zu Lasten des Operateur (Bekl. zu 1). Aus der vorliegenden Behandlungsdokumentation ergibt sich für eine solche Aufklärung nichts.

Aus den vorliegenden Aufklärungsbögen ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Klägerin auch über eine mögliche alternative Indikation aufgeklärt worden ist, was die Klägerin auch entschieden in Abrede gestellt hat. Der Aufklärungsbogen vom 11.05.1999 bietet keinen Hinweis auf eine dahingehende umfassende Aufklärung der Klägerin. Dokumentiert ist lediglich eine Basisinformation zum Aufklärungsgespräch über eine Hysterektomie; hieraus folgt jedoch nicht, dass abgesehen von der seinerzeit noch angenommenen Diagnose eines Uterus myomatosus und einer diesbezüglichen Operationsindikation auch noch die Möglichkeit bzw. Indikation einer Hysterektomie wegen sonstiger Unterleibsbeschwerden der Klägerin angesprochen und die Klägerin insoweit aufgeklärt worden ist. Der Beklagte zu 1) hat im übrigen in erster Instanz weder in der Klageerwiderung noch in den weiteren Schriftsätzen vom 19.03.2001 und 18.03.2002 behauptet, die Klägerin auch über eine alternative Operationsindikation aufgeklärt zu haben; eine derartige Aufklärung ergibt sich insbesondere auch nicht aus der weiteren Anmerkung in dem Aufklärungsformular "Gebärmutterentfernung durch die Scheide, gegebenenfalls kombiniert mit einer Bauchspiegelung". Dieser Hinweis beschreibt lediglich die technische Durchführung einer Operation, nicht aber die diversen Möglichkeiten einer diesbezüglichen Indikation. Auch aus dem weiteren Vermerk "über den geplanten Eingriff sowie eventuell erforderliche Erweiterungsmaßnahmen wurde ich in einem Aufklärungsgespräch ausführlich informiert" ergibt sich lediglich, dass mit der Klägerin über die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit gesprochen worden ist, dass sich bei einer Bestätigung des Verdachts auf Uterus myomatosus im Rahmen der Laparoskopie sodann nachfolgend eine Uterusentfernung durchgeführt werden solle; hieraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass die Klägerin darüber belehrt worden ist, dass nach der Laparoskopie die Hysterektomie statt wegen des angenommenen Myoms wegen ein alternativen Indikation (Unterleibsbeschwerden) vorgenommen werde und sie hierzu ihre Einwilligung erteilt habe. Eine umfassende Einwilligung der Klägerin zur Hysterektomie nach Aufklärung über sämtliche diesbezüglichen denkbaren Operationsindikationsstellungen ist nach allem weder dokumentiert noch vom Beklagten zu 1), erstinstanzlich behauptet worden. Damit geht die Rüge, der Beklagte habe hierzu vernommen werden müssen, ins Leere. Im übrigen lagen die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Beklagten nach § 448 ZPO offensichtlich nicht vor.

Soweit sich der Beklagte erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz und mit der Berufungsbegründung auf den Gesichtspunkt der hypothetischen Einwilligung beruft, kann er hiermit nicht gehört werden. Das Landgericht war verfahrensrechtlich nicht gehalten, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Im Berufungsverfahren ist dieses neue Vorbringen nicht zuzulassen, da es unschwer bereits vor der Schlussverhandlung erster Instanz hätte vorgebracht werden können und müssen. Mit diesem Vorbringen ist der Beklagte zu 1) in zweiter Instanz demzufolge ausgeschlossen, § 531, II ZPO (vgl. auch Beschluss des Senats vom 27. November 2002 - 5 U 101/02 -).

2. Eine Haftung der Beklagten zu 2) ist demgegenüber zu verneinen. Weder dem Vortrag der Klägerin noch den vorliegenden Behandlungsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2) in einer haftungsbegründenden Weise tätig geworden ist. Sie hat die Operation nicht selbst durchgeführt, sondern hierbei lediglich assistiert, insoweit jedoch keine Entscheidungen selbst treffen und auch die Durchführung der Operation nicht beeinflussen können. Die Klägerin behauptet selbst nicht, die Beklagte zu 2. habe nach Durchführung der Laparoskopie erkannt oder erkennen müssen, dass die angenommene Indikation tatsächlich sich nicht bestätigt hatte und sie damit einverstanden war, die Hysterektomie ohne Rücksicht auf die fehlende Einwilligung der Klägerin durchzuführen.

Auch ein haftungsrechtlich relevantes Aufklärungsversagen ist der Beklagten zu 2. im übrigen nicht vorzuwerfen. Sie hat die Klägerin präoperativ auf der Grundlage der zunächst vertretbaren Diagnose "Myom" zutreffend aufgeklärt. Anderes behauptet die Klägerin im Kern auch gar nicht.

3. Die Berufung des Beklagten zu 1) hat allerdings der Höhe nach teilweise Erfolg, nämlich insoweit als sie zur Herabsetzung des vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes auf 25.564,59 EUR (= 50.000,-- DM) führt.

Maßgeblich für die Bemessung der nach § 847 BGB a.F. zu gewährenden billigen Entschädigung sind die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigungen durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers (BGHZ 138, 388, 391). Alle diese Umstände sind in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen und in eine angemessene Beziehung zur Entschädigung zu setzen (BGH VersR 1988, 943; 1991, 350, 351; BGHZ 138, 388, 391). Dabei soll das Schmerzensgeld in erster Linie einen Ausgleich für die erlittenen Beeinträchtigungen darstellen, daneben auch der Genugtuung des Geschädigten für erlittenes Unrecht dienen.

Hiervon ausgehend ergibt sich auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens und des Ergebnisses der Sachverständigenbegutachtung folgendes:

Die Klägerin hat durch einen rechtwidrigen Eingriff den Verlust der Gebärmutter erlitten und damit ihre Gebärfähigkeit verloren. Das wiegt schwer, auch wenn sie bereits 38 Jahre alt war und jedenfalls in Ansehnung der ihr als Eingriffsgrundlage dargestellten Indikation die weitere Familienplanung (weitere Kinder) abgeschlossen hatte. Zu ihren Gunsten muss nämlich davon ausgegangen werden, dass sie bei zutreffender Unterrichtung die Gebärfähigkeit erhalten hätte mit der Möglichkeit einer anderweitigen Zukunftsperspektive. Außerdem hat sie die mit dem Eingriff als solchem verbundene Schmerzen und Unannehmlichkeiten erlitten, der überdies nicht komplikationslos verlaufen ist. In der obergerichtlichen Rechtsprechung sind im Fall des Verlustes der Gebärmutter Schmerzensgeldbeträge zwischen 20.000,-- und 30.000,-- DM zuerkannt worden (vgl. OLG Hamm, OLGR 2000, 372; OLG München VersR 94, 1113; Zf 391, 43; OLGR 1998, 107).

Im Streitfall ist ein deutlich höherer Betrag angemessen, weil dem Beklagten zu 1. ein erhebliches Verschulden zur Last fällt, wie oben bereits ausgeführt. Allerdings kann entgegen der Annahme des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte vorsätzlich das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin verletzt hat. Das ist nicht bewiesen, mag der vom Beklagten zu 1. behauptete Irrtum auch nicht nachvollziehbar sein, zumal auch nicht völlig auszuschließen ist, dass er nach dem Ergebnis der Laparoskopie sich (auch) deshalb für befugt hielt, die Gebärmutter zu entfernen, um der Klägerin weitere Beschwerden zu nehmen, wie Prof. H es für vertretbar erachtet hat. Nach Abwägung aller Umstände erscheint ein Schmerzensgeld von 25.564,59 EUR angemessen. Ein höheres Schmerzensgeld wäre nur in Betracht gekommen, wenn weitere körperliche (oder psychische) Beeinträchtigungen als Folge der Gebärmutterentfernung zu beklagen wären. Den ihr insoweit obliegenden Beweis hat die Klägerin indessen nicht erbracht. Nach den - ebenso wie das Landgericht - auch den Senat überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. H ist nicht bewiesen, dass die von der Klägerin als Eingriffsfolgen behaupteten Beschwerden und Krankheitsbilder (Bauchspeicheldrüsenerkrankung, Hypertonus, Gewichtszunahme, Funktionsstörungen des muskulären Halteapparates, Blasenbeschwerden, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Herzrasen) tatsächlich darauf zurückzuführen sind. Eine Reihe von Beschwerden hat bereits präoperativ vorgelegen (urologische Komplikationen, erhöhter Blutdruck, Bauchspeicheldrüsenerkrankung, erschlaffte Bauchdecke), im übrigen kann eine Ursächlichkeit aus medizinisch-anatomischen Gründen ausgeschlossen werden. Die Klägerin hat denn auch die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H erstinstanzlich nicht angegriffen.

Soweit sie nunmehr erstmals mit der Berufung die Richtigkeit von Teilen der Feststellungen in Zweifel zieht, hat sie damit keinen Erfolg, wobei dahinstehen kann, ob sie mit diesem Vortrag nicht ohnehin aus prozessualen Gründen ausgeschlossen ist (§ 531 II ZPO). Es mag sein, dass sich anlässlich einer Untersuchung der Klägerin im März 1999 unauffällige Laborwerte ergeben haben und sie auch sonst körperlich und geistig gesund erschien. Damit wird aber nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin - wie dargelegt - zu anderen Zeiten unter den vom Sachverständigen festgestellten Beschwerden gelitten hat und deswegen behandelt worden ist. Es mag auch sein, dass Dr. R im Jahre 1999 nach der Operation eine Pankreatitis diagnostiziert hat; damit ist aber die Ursächlichkeit nicht belegt, die der Sachverständige rundweg verneint hat ("kann nicht Folge einer Gebärmutterentfernung sein"). Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der Sachverständige das ärztliche Attest vom 13.09.2000 sehr wohl beachtet hat (s.S. 9 des Gutachtens vom 13.12.2001).

Dass die Klägerin bereits vorprozessual unter einer Blasenentzündung litt und deswegen Dr. P am 30.04.1999 aufgesucht hat, ist unstreitig. Ferner hat die Klägerin (durch Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte Parteigutachten von Prof. Dr. O vom 23.09.1999 selbst vorgetragen, dass dies für sie nichts Ungewöhnliches sei, der Entzündung also ähnliche Entzündungen vorausgegangen seien. Für die nunmehr behauptete operationsbedingte Nervverletzung, für die der Sachverständige keinen Anhaltspunkt gefunden hat, ist nichts dargetan. Darüber hinaus wird durch das nunmehr vorgelegte Attest des Dr. S belegt, dass "es in den letzten Jahren rezidivierende Harnwegsinfekte" gegeben hat. Die "Atonie der Blase postoperativ" beruht auf anamestischen Angaben, nicht auf eigenen Feststellungen von Dr. S, schon gar nicht hat Dr. S eine Schadensursächlichkeit festgestellt. Letztlich verhält sich auch die von der Klägerin im letzten Verhandlungstermin vorgelegten Epikrise des Dr. Sa vom 17.02.2003 nicht über die Schadensursächlichkeit.

4. Hinsichtlich der Zuerkennung des Feststellungsantrages hat es bei der landgerichtlichen Entscheidung, bezogen auf den Beklagten zu 1) zu verbleiben, wobei auf die dortige Begründung Bezug genommen werden kann.

Eine Teilabweisung des Feststellungsantrags ist nicht veranlasst. Zwar kann der Senat nicht feststellen, dass sämtliche von der Klägerin für die Bemessung des Schmerzensgeldes geltend gemachten Schadensfolgen dem Beklagten zu 1. zuzurechnen sind; das hat aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Feststellungsanspruch. Der Schmerzensgeldanspruch bildet einen eigenen Streitgegenstand, so dass es der Klägerin unbenommen bleibt, auf der Grundlage des Feststellungsanspruches weitere Schadensfolgen zu behaupten und geltend zu machen.

5. Aus dem vorstehend Gesagten ergibt sich, dass die Berufung der Klägerin zur Schmerzensgeldhöhe keinen Erfolg hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 I ZPO) liegen ersichtlich nicht vor.

Der Streitwert für den ersten Rechtszug und das Berufungsverfahren wird in Abänderung der früheren Festsetzungen wie folgt festgesetzt:

Schmerzensgeld: 150.000,-- DM

Feststellung der künftigen immateriellen Schäden: 10.000,-- DM.

Feststellung der materiellen Schäden:

1. Verdienstausfall: 1.000,-- DM x 60 Monate = 60.000,-- DM, davon 50 % = 30.000,-- DM.

2. Haushaltshilfekosten: 1.350,-- DM x 60 Monate = 81.000,-- DM, davon 20 % = 16.200,-- DM.

3. sonstige: 10.000,-- DM

Insgesamt: 216.200,-- DM = 110.541,30 Euro.

Bei der Bewertung des Feststellungsantrags ist auch der Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritt nach Grund und Höhe als Folge des haftungsbegründenden Ereignisses zu berücksichtigen (BGH Anm Bl 92, 451). Diese Bewertung führt hier zu einer Herabsetzung auf 50 % bzw. 20 %.

Ende der Entscheidung

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