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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.10.1999
Aktenzeichen: 6 U 93/99
Rechtsgebiete: ZPO, MarkenG, UWG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 936
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 294 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 545 Abs. 2
MarkenG § 5 Abs. 1
MarkenG § 5 Abs. 3
MarkenG § 152 Abs. 1
MarkenG § 15 Abs. 1
MarkenG § 15 Abs. 2
MarkenG § 15 Abs. 4
UWG § 25
UWG § 1
UWG § 16 Abs. 1
UWG § 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 U 93/99 81 O 37/99 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 29.10.1999

Verkündet am 29.10.1999

Berghaus, JS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 1999 durch seine Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 30.04.1999 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 37/99 - geändert.

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 01.02.1999 - 81 O 37/99 - wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlaß gerichteten Antrags aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist zu ändern und der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, weil der geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Antragstellerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Namentlich kommt zu ihren Gunsten Werktitelschutz aus §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2 MarkenG nicht in Betracht, weil die Bezeichnung "European Classics" und/oder "European Classic" für eine Musik-CD mit klassischen, europäischen Musikstücken rein beschreibend und damit nicht schutzfähig ist.

Nicht gefolgt werden kann allerdings der Auffassung der Antragsgegnerin, für das Verfügungsbegehren fehle es bereits an der notwendigen Dringlichkeit. Die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG, die nach wohl überwiegender Meinung (Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage 1998, § 25 UWG Rdnr. 5) gleichermaßen für Ansprüche aus dem Markengesetz gilt, ist nicht widerlegt. Denn der Vortrag der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe bereits vor Januar 1999 von der als Verstoß gegen das Markengesetz und § 1 UWG gerügten Verletzungshandlung Kenntnis gehabt, ist nicht gemäß § 936, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und dem juristischen Schrifttum (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 Rdnr. 13) geht die nach Maßgabe des § 25 UWG zu vermutende Dringlichkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dann verloren, wenn die antragstellende Partei trotz positiver Kenntnis der Verletzungshandlung mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet, indem sie den Verletzter längere Zeit weder abgemahnt hat noch gegen ihn gerichtlich vorgegangen ist. Denn wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und ihm fortdauernd drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs objektiv verzögert, hat damit offenbart, dass es ihm mit dem erstrebten Verbot in Wirklichkeit nicht so eilig ist, als dass es ihm nicht zugemutet werden könnte, dieses im Wege eines Hauptsacheverfahrens zu erwirken (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 Rdnr. 13 und Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kapitel 54 Rdnrn.24 und 28, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum).

Von einem solchen dringlichkeitsschädlichen Zuwarten der Antragstellerin kann im Streitfall jedoch auch auf der Basis des Berufungsvorbringens der Antragsgegnerin nicht ausgegangen werden. Soweit die Antragstellerin die Firma J.-C. mit anwaltlichem Schreiben vom 22.12.1998 (Blatt 14 d.A.) darauf aufmerksam gemacht hat, diese Firma habe von der Antragstellerin ein Angebot über die Produktion einer CD "European Classics" erhalten, sich dann aber für einen Mitbewerber, die Antragsgegnerin, entschieden, die der Firma J.-C. die "gleiche CD mit exakt der gleichen Titelzusammenstellung" angeboten habe, bedeutet das nicht die positive Kenntnis der Antragstellerin davon, dass die Antragsgegnerin diese CD auch unter der Bezeichnung "European Classics" vertrieben hat. Jedenfalls hat die Antragstellerin ihrerseits durch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers (Blatt 25 d.A.) glaubhaft gemacht, dass sie erst am 21.01.1999 von der Benutzung des identischen oder doch fast identischen Bezeichnung "European Classic(s)" erfahren hat. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang gerügt hat, mit einer weiteren eidesstattlichen Versicherung, die Gegenstand eines Düsseldorfer Gerichtsverfahrens gewesen sei, habe der Geschäftsführer der Antragstellerin Abweichendes an Eides statt versichert, indem er ausgeführt habe, er habe erst Anfang Februar 1999 von der Titelbenutzung erfahren, hat die Antragstellerin dies überzeugend und nunmehr im übrigen von der Antragsgegnerin unbestritten erklärt, indem sie ausgeführt hat, im Düsseldorfer Verfahren sei es um eine andere Frage gegangen, nämlich die, wann die Antragstellerin positive Kenntnis von dem Vertrieb einer CD mit dem Titel "European Classic(s)" durch die Firma J. C. erlangt hatte.

Auch die von der Antragsgegnerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Herrn W.-D. C. vom 12.04.1999 (Blatt 127 d.A.) ist nicht geeignet, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen. Denn aus ihrem Inhalt erschließt sich nicht, woraus die Antragstellerin bzw. ihr Geschäftsführer schon im April 1998 hätten folgern können, dass die Antragsgegnerin von ihr im Markt angebotene CD's unter der Bezeichnung "European Classics" vertreiben würde.

In der Sache scheitert das Verfügungsbegehren aber daran, dass das Vorbringen der Antragstellerin den gestellten Verfügungsantrag nicht rechtfertigt, folglich damit unschlüssig ist.

Die Vorschriften der nach § 152 Abs. 1 MarkenG seit dem 01.01.1995 anzuwendenden §§ 5 Abs. 1 u. 3, 15 Absätze 1, 2 u. 4 MarkenG tragen das Unterlassungsbegehren nicht. Zwar sind nach § 5 Abs. 1 MarkenG Werktitel, zu denen nach § 5 Abs. 3 MarkenG die Namen oder besondere Bezeichnungen u.a. von Tonwerken zählen, geschützt. Der Erwerb des Schutzes eines solchen Werktitels gewährt dem Inhaber gemäß § 15 Abs. 1 MarkenG ein ausschließliches Recht mit der Folge, dass er Dritte, die den geschützten Werktitel oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem geschützten Werktitel hervorzurufen, auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann. Voraussetzung für den ohne sachliche Änderung an die Stelle des § 16 Abs. 1 UWG a.F. getretenen § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG (vgl. hierzu die amtliche Begründung zum Markenrechtsreformgesetz, abgedruckt in: von Mühlendahl, Deutsches Markenrecht, Seite 137), ist jedoch, dass der gewählte Titel nicht lediglich den Inhalt des Werkes bezeichnet, sondern bestimmt und geeignet ist, das damit benannte Werk von anderen zu unterscheiden (vgl. hierzu Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 5. Auflage 1997, § 5 Rdnr. 16 sowie zur inhaltsgleichen Regelung des § 16 UWG a.F. Großkommentar/Teplitzky, § 16 UWG Rdnr. 70 und Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Auflage 1993, § 16 UWG Rdnr. 118 a, jeweils mit weiteren Nachweisen). Besitzt ein Werktitel von Haus aus, d.h. ohne Verkehrsgeltung, eine wenn auch nur geringfügige Unterscheidungskraft, rechtfertigt dies den Titelschutz mit dem Zeitpunkt der Ingebrauchnahme des Werktitels (allgemeine Meinung; vgl. nur Althammer/Ströbele/Klaka und Baumbach/Hefermehl, jeweils a.a.O.). An die den Titelschutz rechtfertigenden Voraussetzungen sind nach allgemeiner Meinung nur relativ geringe Anforderungen zu stellen, weil sich der Verkehr an mehr oder weniger farblose oder auch Bezeichnungen mit beschreibenden Elementen gerade bei Titeln gewöhnt hat (statt vieler: Althammer/Ströbele/Klaka, a.a.O., mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Anders ist es dann, wenn der gewählte Titel lediglich den Inhalt des Werkes bezeichnet, also rein beschreibend ist. In diesem Fall ist der Werktitel nicht bestimmt und geeignet, das mit ihm benannte Werk von anderen zu unterscheiden. So liegt es hier. Der Titel "European Classics" oder auch "European Classic" wird vom Publikum, was die Mitglieder des Senats als Teil des angesprochenen Verkehrs aufgrund eigener Sachkunde und Erfahrung zu beurteilen in der Lage sind, ausschließlich als Inhaltsbezeichnung dergestalt verstanden, dass auf diesem Tonträger, der CD, klassische Musikstücke europäischer Provenienz enthalten sind. Anders als z.B. der Titel "Pizza & Pasta" für ein Bildkochbuch mit Rezepten für alle Arten italienischer Teigwaren, dem der Bundesgerichtshof die namensmäßige Unterscheidungskraft zuerkannt hat (BGH GRUR 1991, 153, 154 - "Pizza & Pasta"-), weil der Titel trotz seines inhaltsbeschreibenden Hinweises wie eine Phantasiebezeichnung aus zwei sprachlich verwandten italienischen Worten wirke, erschöpft sich die auf einer CD abgedruckte Angabe "European Classics" oder auch "European Classic" in den Augen des angesprochenen Verkehrs in der inhaltsbeschreibenden Angabe, die ihm offerierte CD beinhalte bekannte europäische Musikstücke klassischer Natur. Insoweit unterscheidet sich die Angabe von ihrem Sinngehalt her nicht von beschreibenden und daher nicht schutzfähigen Angaben wie z.B. "Deutsche Weihnachtslieder", "Rockmusik" oder "Russische Volkslieder".

Ist die von der Antragstellerin benutzte Bezeichnung "European Classics" ebenso wie "European Classic" für einen Tonträger damit mangels hinreichender Unterscheidungskraft nicht schutzfähig im Sinne des § 5 Absätze 1 und 3 MarkenG, kommt es im übrigen in tatsächlicher Hinsicht nicht darauf an, wer im Streitfall von wem welche Rechte abgeleitet haben will und wer für sich zu Recht in Anspruch nehmen kann, "Erfinder" der Bezeichnung "European Classic(s)" zu sein.

Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz aus § 1 UWG kommt zugunsten der Antragstellerin im Streitfall nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung des Landgerichts vermag der Senat nicht zu erkennen, was die Antragsgegnerin sich erspart haben soll, wenn sie eine CD, die beide Parteien nach ihrem übereinstimmenden Sachvortrag von einer Drittfirma beziehen, die auch über die Titelrechte bezüglich der auf der CD enthaltenen Musikstücke verfügt, zulässigerweise mit den gleichen Titeln, aber anderem Cover unter der nicht schützenswerten Bezeichnung "European Classic(s)" vertreibt. Die Tatbestände der offenen oder versteckten Anlehnung im Sinne des § 1 UWG scheiden offensichtlich aus. Gleiches gilt für den Tatbestand der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung. Durch die Verwendung einer nach dem Vorgesagten nicht schutzfähigen Kennzeichnung kann über die betriebliche Herkunft nicht getäuscht werden. Im übrigen scheitert ein auf den Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung geschützter Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus § 1 UWG bereits daran, dass sie keine Tatsachen vorgetragen hat, die den Rückschluss auf die wettbewerbliche Eigenart ihres Produkts, die Verwechslungsfähigkeit der sich gegenüberstehenden Produkte etc. zulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Ende der Entscheidung

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