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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 26.01.1999
Aktenzeichen: 9 U 16/98
Rechtsgebiete: VVG, AKB, ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

VVG § 1 Abs. 1
AKB § 12 Abs. 1
AKB § 15
ZPO § 296 a
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 291
GKG § 19 Abs. 3
GKG § 22 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 16/98 9 O 407/95 LG Aachen

Anlage zum Protokoll vom 26.01.1999

Verkündet am 26.01.1999

Meinecke, JHS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, den Richter am Oberlandesgericht Pietsch und den Richter am Landgericht Menzel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen beider Parteien wird das am 31. Oktober 1997 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen (9 O 407/95) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 54.891,28 DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 13. Juli 1995 bis 29. September 1995 sowie 13,5 % Zinsen seit dem 30. September 1995 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Berufungen beider Parteien werden zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens fallen zu 25 % dem Kläger und zu 75 % der Beklagten zur Last.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 16 % und die Beklagte zu 84 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beklagte ist eine Versicherungsgesellschaft. Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistung aus einer mit dieser abgeschlossenen Kfz-Kaskoversicherung betreffend einen Pkw Marke BMW 325 i C aufgrund eines von ihm behaupteten Diebstahls des Fahrzeugs.

Der Kläger kaufte das seinerzeit fabrikneue Fahrzeug bei der Firma K. Automobile zu einem Preis von 74.049,98 DM, es wurde ihm am 23. Dezember 1994 ausgeliefert. Die Verkäuferin behielt sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor. Der Kläger bezahlte den Kaufpreis zunächst nicht, ein von ihm angestrebter Leasingvertrag mit der BMW-Bank GmbH kam nicht zustande. Ende März 1995 leistete er einen Teilbetrag von 5.000,00 DM. Erst im September 1995 wurde der Restkaufpreis beglichen, nachdem der Kläger ein entsprechendes Darlehen bei der BMW-Bank aufgenommen hatte. Der Darlehensvertrag sah bei einer Laufzeit von 5 Jahren ab dem 30. September 1995 einen effektiven Jahreszins von 13,5 % vor.

Der Kläger schloss mit der Beklagten betreffend das von ihm erworbene Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 300,00 DM für den Fall des Diebstahls ab. Das Fahrzeug war mit einer Diebstahlwarnanlage und einer elektronischen Wegfahrsperre ausgestattet.

Der Kläger hat behauptet, das versicherte Fahrzeug sei ihm am 19. März 1995 gestohlen worden. Er sei an diesem Tag - einem Sonntag - mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin P., spazierengefahren. Gegen 15:00 Uhr sei man zurück gewesen. Er habe das Fahrzeug unmittelbar vor dem gemeinsam bewohnten Haus in H. abgestellt, dabei habe er Alarmanlage und Wegfahrsperre aktiviert. Gegen 20:30 Uhr habe er das Fahrzeug vor dem Haus noch stehen sehen. Er habe vorgehabt, in der Nacht aus geschäftlichen Gründen nach Greifswald zu fahren. Vor der geplanten Fahrt habe er von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr geschlafen. Als er kurz nach 00:00 Uhr habe losfahren wollen, sei das Fahrzeug verschwunden gewesen. Die Zeugin P. sei sowohl beim Abstellen des Fahrzeugs zugegen gewesen als auch bei dessen späteren Nichtwiederauffinden.

Der Kläger suchte noch in der Nacht die Polizei in Aachen auf und erstattete Diebstahlsanzeige. Er wurde dort zu den Einzelheiten des Hergangs vernommen, wobei der Vernehmungsbeamte nach einem schematisierten Fragenkatalog vorging. Die Frage: "War eine Person dabei, als Sie den Pkw dort abstellten?" verneinte der Kläger.

Der Kläger hat mit der Klage den Wiederbeschaffungswert des angeblich entwendeten Fahrzeugs verlangt. Er hat behauptet, dieser betrage mindestens 74.000,00 DM, davon hat er einen Teilbetrag von 71.125,98 DM geltend gemacht.

Der Kläger hat ferner die Ansicht vertreten, die Beklagte habe die Schadensregulierung schuldhaft ungebührlich verzögert. Mitte Juni 1995 schaltete er unstreitig seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten in die Bemühungen um Regulierung ein, welcher sich dann mit der Beklagten in Verbindung setzte. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Verzug befunden. Sie müsse ihm deshalb eine von seinem Rechtsanwalt berechnete, im Klageverfahren nicht anzurechnende außergerichtliche Besprechungsgebühr in Höhe von 1.637,37 DM erstatten. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Klageschrift vom 5. Juli 1997 sowie die weiteren erstinstanzlichen Schriftsätze des Klägers Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 72.763,35 DM nebst 4 % Zinsen aus 69.050,00 DM für die Zeit vom 13. Juli 1995 (Zeitpunkt der Klagezustellung) bis zum 29. September 1995, nebst 13,5 % Zinsen aus dieser Teilsumme seit dem 30. September 1995 sowie nebst 4 % Zinsen aus 3.713,35 DM seit dem 13. Juli 1995 zu zahlen.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Firma Automobile K. GmbH, Neuenhofstraße 160, 52078 Aachen, 71.125,98 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Juli 1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Diebstahl des versicherten Fahrzeugs bestritten. Sie hat behauptet, das Fahrzeug sei mit einem zugehörigen Originalschlüssel weggefahren worden. Es sei nämlich technisch unmöglich, das Fahrzeug ohne Verwendung eines passenden Schlüssels wegzufahren, solange die Wegfahrsperre aktiviert sei, diese lasse sich nur mit einem passenden Schlüssel lösen. Der Kläger hat unstreitig sämtliche Originalschlüssel vorgelegt. Die Beklagte hat ein Gutachten des Sachverständigen G. vom 26. April 1995 erstellen lassen, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Daraus ergibt sich, dass keiner der Originalschlüssel kopiert worden ist. Die Beklagte hat ferner darauf hingewiesen, dass die Alarmanlage auch bei Anheben oder Wegschleppen des Fahrzeugs angesprochen hätte. Sie hat behauptet, der Alarm hätte in diesem Fall so laut ertönt, dass der Kläger diesen auf jeden Fall im angrenzenden Haus hätte bemerken müssen.

Das Landgericht hat gemäß den Beschlüssen vom 3. November 1995, 23. Februar 1996 und 15. November 1996 Beweis erhoben durch persönliche Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugin P. zum Diebstahlsgeschehen, durch Einholung eines Gutachtens zu den mit der Wegfahrsperre und der Alarmanlage zusammenhängenden Fragen sowie durch Einholung eines weiteren Gutachtens zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 19. Januar 1996 und 15. November 1996 sowie auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 4. Juli 1996 und 23. Januar 1997 Bezug genommen.

Das Landgericht hat sodann der Klage in Höhe von 63.447,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Juli 1995 stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Landgericht ging davon aus, dass der Kläger das äußere Bild eines Diebstahls nachgewiesen habe, Anhaltspunkte, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des Versicherungsfalls sprächen, seien nicht gegeben. Die Klage sei der Höhe nach jedoch nur teilweise begründet, weil der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs niedriger sei als vom Kläger veranschlagt und zudem diverse Posten abzusetzen seien. Ein Anspruch auf Erstattung von Anwaltsgebühren bestehe nicht, auch könnten keine höheren Zinsen als 4 % verlangt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 11. November 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Dezember 1997 Berufung eingelegt. Er hat diese nach entsprechender Fristverlängerung mit einem am 10. Februar 1998 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung zwei Positionen seiner ursprünglichen Klage weiter, soweit das Landgericht ihnen nicht stattgegeben hat:

Er begehrt weiterhin die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwalts-Besprechungsgebühr in Höhe von 1.637,37 DM. Hierzu wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen, auf das er die Ansicht stützt, die Beklagte habe sich mit der Regulierung des Diebstahlschadens bereits zur Zeit der Einschaltung seines Rechtsanwalts, Mitte Juni 1995, im Verzug befunden. Auf die Berufungsbegründung vom 10. Februar 1998 wird Bezug genommen.

Der Kläger begehrt ferner Zahlung zusätzlicher 9,5 % Zinsen aus 65.082,14 DM seit dem 30. September 1995. Diese Zinsen sollen als Verzugsschaden auf folgende Hauptforderungen gezahlt werden:

- 63.447,80 DM Wiederbeschaffungswert des entwendeten Fahrzeugs (in dieser Höhe vom Landgericht bereits zuerkannt)

- 1.637,37 DM außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, wie sie nunmehr mit der Berufung des Klägers erneut geltend gemacht werden (infolge eines Übertragungsfehlers hat der Kläger für die Zinsen hier nur 1.634,34 DM zugrunde gelegt, daraus errechnet sich die Summe der Hauptforderung von 65.082,14).

Zur Begründung verweist der Kläger darauf, dass er - wie bereits erwähnt - im September 1995 - bereits nach Klageerhebung - zur Finanzierung des Kaufpreises für das Fahrzeug unstreitig ein Darlehen bei der BMW-Bank GmbH über 69.049,98 DM aufgenommen hat und dafür mit Wirkung ab 30. September 1995 einen effektiven Jahreszins von 13,5 % bezahlen muss. Das Darlehen ist jederzeit vorzeitig rückzahlbar. Der Kläger behauptet, er habe die Kreditraten fortlaufend bezahlt.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte über das Urteil des Landgerichts hinausgehend zusätzlich zu verurteilen, an ihn 1.637,37 DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 13. Juli 1995 bis 29. September 1995 und 9,5 % Zinsen aus 65.082,14 DM seit dem 30. September 1995 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie tritt der Auffassung entgegen, dass Verzug mit der Regulierung des geltend gemachten Schadens eingetreten sei. Das gelte schon deswegen, weil die Hauptforderungen insgesamt unbegründet seien. Im übrigen sei keine schuldhafte Verzögerung der Bearbeitung des Versicherungsfalls eingetreten. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger die Kreditraten bezahlt habe und meint, der Kläger könne deshalb allenfalls Zahlung an die BMW-Bank verlangen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 7. November 1997 zugestellte landgerichtliche Urteil ihrerseits mit einem am Montag, den 8. Dezember 1997, eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 9. Februar 1998 begründet.

Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die gänzliche Klageabweisung. Hierbei wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen, wonach sie den Diebstahl des versicherten Fahrzeugs bestreitet. Sie verweist insbesondere darauf, dass der Kläger sich nach dem angeblichen Vorfall widersprüchlich zur Frage geäußert habe, ob die Zeugin P. beim Abstellen des Fahrzeugs zugegen gewesen sei.

Im übrigen beruft sich die Beklagte im Berufungsverfahren auf eine Vielzahl weiterer Indizien, die ihrer Ansicht nach dafür sprechen, dass der Versicherungsfall vorgetäuscht sei. Sie verweist darauf, dass der Kläger - was zwischen den Parteien unstreitig ist - mit einer Frau M. L. bekannt ist, welche als Sachbearbeiterin bei ihr - der Beklagten - beschäftigt ist. Zwischen dem Kläger und Frau L. bestand in den Jahren 1990/91 eine partnerschaftliche Beziehung. Diese endete, als Frau L. einen Herrn Lu. kennenlernte und mit diesem eine Beziehung einging. Sie ist jedoch nach wie vor mit dem Kläger befreundet und hilft ihm zuweilen in seinen Versicherungsangelegenheiten mit Rat und Tat. Beispielsweise besorgte sie ihm im Zusammenhang mit der Abwicklung des hiesigen Versicherungsfalls eine Bescheinigung seiner früheren Versicherung über einen früher vom Kläger erlittenen Schaden. Sie holte für den Kläger darüber hinaus in der vorliegenden Sache weitere Erkundigungen bei Beteiligten ein und führte Korrespondenz. Im übrigen gab es im Jahre 1992 einen gemeinsamen Unfall, bei dem der Kläger auf das Fahrzeug von Frau L. auffuhr. Frau L. verschaffte dem Kläger bei der Beklagten einen günstigeren Schadensfreiheitsrabatt für seinen laufenden Versicherungsvertrag.

Die Beklagte behauptet, Frau L. und Herr Lu. stünden mit einer Vielzahl von Fällen des Versicherungsbetruges in Verbindung. Sie listet insgesamt 13 näher beschriebene Versicherungsfälle auf, bei denen in wechselnder Beteiligung von Frau L., Herrn Lu. und weiteren Personen seit 1991 Schäden unterschiedlicher Art im Zusammenhang mit versicherten Fahrzeugen geltend gemacht wurden. Sie behauptet, diese Schäden seien sämtlich vorgetäuscht oder absichtlich herbeigeführt worden. Auch der gemeinsame Unfall des Klägers mit Frau L. im Jahr 1992 sei vorgetäuscht worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 2. Februar 1998 nebst Anlagen Bezug genommen. Die Beklagte hat ferner diverse Unterlagen, insbesondere Eigen-Computerauszüge vorgelegt, aus denen sich weitere Verbindungen des Klägers zu Frau L. ergeben sollen, insbesondere, dass der Kläger Beträge für Versicherungen gezahlt habe, die auf den Namen von Frau L. gelaufen seien. Insoweit wird auf die weiteren Schriftsätze der Beklagten im Berufungsverfahren nebst Anlagen verwiesen.

Die Beklagte hat schließlich hilfsweise die Aufrechnung erklärt mit Beitragsrückständen in Höhe von 3.249,50 DM. Sie behauptet, der Kläger sei diese Beiträge für weitere Versicherungsverträge schuldig geblieben.

Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung, die Klage unter entsprechender teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er bestreitet die von der Beklagten aufgelisteten Versicherungsfälle unter Beteiligung von Frau L. und Herrn Lu. mit Nichtwissen. Insbesondere sei er daran in keiner Weise beteiligt gewesen. Der Kläger bestreitet ferner die von der Beklagten aus Computerauszügen abgeleiteten Verbindungen zu anderen Versicherungsverträgen als unrichtig und nicht nachvollziehbar. Dass in einem Fall sein Name zusammen mit dem von Frau L. auf dem Beleg erscheine, erkläre sich mit der Übertragung eines Schadensfreiheitsrabatts. Der Kläger behauptet ferner, der hilfsweise aufgerechnete Prämienrückstand sei nicht von ihm geschuldet, sondern von der zwischenzeitlich in Konkurs gefallenen Firma St. M. GmbH.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen, die in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurden, Bezug genommen. Die Akte der Staatsanwaltschaft Aachen 13 UJs 3769/95 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 23. Juni 1998 über die Umstände des behaupteten Diebstahls erneut Beweis erhoben durch persönliche Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugin P.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. November 1998 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht unbedenklichen Berufungen beider Parteien haben teilweise Erfolg. Die Berufung der Beklagten führt zu einer Reduzierung der Klageforderung auf den tenorierten Betrag. Die Berufung des Klägers führt hingegen zur Zuerkennung eines höheren Zinsanspruchs. Im übrigen sind die Berufungen unbegründet.

Ein Anspruch auf Entschädigung aus der Kaskoversicherung (§§ 1 Abs. 1 VVG, 12 Abs. 1, I b AKB) wegen des Diebstahls vom 19. März 1995 ist dem Grunde nach gegeben. Der Kläger hat das äußere Bild des Diebstahls nachgewiesen. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des Ergebnisses der nochmals durchgeführten Beweisaufnahme fest.

Der Kläger und die Zeugin P. haben zu den Umständen, unter denen das Fahrzeug am fraglichen Tag vor ihrem seinerzeitigen Wohnhaus in H. abgestellt und später nicht mehr aufgefunden worden ist, sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch bei ihrer jetzigen Vernehmung konstante und übereinstimmenden Angaben gemacht. Ihre Aussagen stimmen zudem mit dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers überein. Die Vorgeschichte, wonach man spazieren gefahren ist, als auch die für die folgende Nacht geplante Geschäftsreise des Klägers nach Ostdeutschland, welche aufgrund des Diebstahls letztlich nicht stattfand, sind ebenfalls konstant dargelegt worden. Die Glaubhaftigkeit dieser Angaben wird durch einen positiven persönlichen Eindruck, den der Senat vom Kläger und der Zeugin gewonnen hat, gestützt. Gegen zurechtgelegte und unwahre Aussagen spricht ferner, dass der Kläger und die Zeugin ihrem Erinnerungsvermögen kritisch gegenüber standen - der Vorfall liegt über 3 1/2 Jahre zurück - und deshalb nicht mehr sagen konnten, ob man das Auto zu einer Zeit nach dem Abstellen nochmals vor dem Haus hat stehen sehen.

Der Senat mißt wie das Landgericht der Tatsache, dass der Kläger in der Tatnacht bei der Polizei angegeben hat, beim Abstellen des Fahrzeugs sei niemand dabei gewesen - worin ein Widerspruch zum späteren Vorbringen liegt - keine maßgebliche Bedeutung bei. Eine solche Aussage lässt sich - so der Kläger bei seiner jetzigen Anhörung - durchaus noch damit erklären, dass der Kläger gemeint hat, es sei nach unbeteiligten Zeugen gefragt worden und er seine Lebensgefährtin, die Zeugin P., nicht als eine solche Zeugin angesehen hat. Das hier zutage getretene Aussageverhalten spricht nach Auffassung des Senats sogar eher dagegen, dass der Kläger den Diebstahl fingiert haben könnte. Hätte er beispielsweise eine dritte Person mit dem Beiseiteschaffen des Fahrzeugs beauftragt, wäre zu erwarten gewesen, dass er sich der Zeugin P. als Alibizeugin versichert und diese auch sogleich präsentiert hätte.

Keine maßgeblichen Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers und der Zeugin ergeben sich ferner daraus, dass das Ziel der vom Kläger für die Nacht geplanten Geschäftsreise, welches vor dem Senat erstmals erörtert worden ist, unterschiedlich angegeben worden ist. Der Kläger hat schriftsätzlich vorgetragen, er habe nach Greifswald gewollt, nach seinen Angaben in der mündlichen Anhörung lag sein Ziel auf der Insel Rügen. Beides liegt in derselben Region. Soweit die Zeugin P. bekundet hat, das geplante Ziel der Reise könne im Raum Berlin gelegen haben, deutet dies in diese Fahrtrichtung. Die Zeugin sollte dem Kläger auf seiner Reise nicht begleiten, das mag erklären, dass sie lediglich die ungefähre Richtung angeben konnte.

Der vom Kläger geschilderte Ablauf, wonach das Fahrzeug trotz aktivierter Alarmanlage und Wegfahrsperre abhanden gekommen ist, ist nicht technisch unmöglich. Der vom Landgericht am 15. November 1996 mündlich angehörte Sachverständige Dr. H. hat dargelegt, dass sogenannte "Polenschlüssel" existieren, mit deren Hilfe der Schließzylinder an der Tür überwunden werden könne. Damit könnten bei dem hier vorliegenden Fahrzeugmodell sowohl die Alarmanlage als auch die Wegfahrsperre außer Kraft gesetzt werden. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Angaben des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

Der Beklagten ist es nicht gelungen, Umstände darzutun, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf eine Vortäuschung des Versicherungsfalls hindeuten könnten. Aus der Verbindung des Klägers zu Frau L. mögen sich gewisse Verdachtsmomente ergeben, die vorgetragenen Indizien reichen jedoch nicht aus, um - im Falle ihres Nachweises - von Unredlichkeit des Klägers auszugehen.

Zum einen bestehen bereits keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass Frau L. in serienmäßigen Betrug zu Lasten der Beklagten verwickelt war. Eine strafgerichtliche Verurteilung wegen einer solchen Tat ist von der Beklagten nicht dargetan. Die Beklagte hat bisher auch keine Veranlassung gesehen, das Arbeitsverhältnis mit Frau L. zu beenden. Gegen serienmäßige Manipulationen in den vorgetragenen Fällen spricht zudem, dass es sich um Schäden ganz unterschiedlicher Art handelt, die nach keinem einheitlichen Muster zustande kamen, oft wurde nur eine relativ kleine Entschädigung liquidiert. Es mag sein, dass Herr Lu. bereits derartige Betrügereien begangen hat, was er angeblich gestanden hat. Es gibt aber keine ausreichenden Hinweise, dass auch der Kläger und Frau L. an solchen Taten beteiligt gewesen sind.

Selbst wenn aber Frau L. in der Vergangenheit Versicherungsbetrug begangen haben sollte, lässt sich aus der Verbindung des Klägers zu dieser Person nicht der Schluss ziehen, dass dieser ebenfalls unredlich ist und zudem gerade den vorliegenden Fall vorgetäuscht hat. Eine solche Schlussfolgerung rechtfertigt sich insbesondere nicht deswegen, weil der Kläger sich von Frau L. bei der Abwicklung des hiesigen Falles hat helfen lassen. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger sich insoweit gedacht hat, Frau L. könne unter dem Briefkopf einer Versicherung diverse von der Beklagten angeforderte Unterlagen schneller beschaffen und dass sich die Regulierung auf diese Weise beschleunige. Der Kläger war - seine Redlichkeit unterstellt - auf die schnelle Entschädigung wegen der ungeklärten Finanzierung des Fahrzeugs in besonderem Maße angewiesen. Entsprechendes gilt für die Überschreibung eines Schadensfreiheitsrabatts und den gemeinsamen Unfall des Klägers und Frau L.. Die Beklagte trägt nicht vor, dass der Unfallschaden aus dem Jahr 1992 nicht reguliert worden wäre oder dass insoweit gar strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts des Betruges eingeleitet worden wären. Die mögliche Einbeziehung des Klägers in den Dunstkreis einer ungeklärten Häufung von Versicherungsfällen allein reicht aufgrund der vorgetragenen Tatsachen nicht aus, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür nahezulegen, dass die Entwendung des hier versicherten Fahrzeugs nicht stattgefunden hat.

Die von der Beklagten vorgelegten Eigenbelege, insbesondere Computerausdrucke, sind nur zum kleinen Teil nachvollziehbar und nach Auffassung des Senats nicht geeignet, weitergehende Verbindungen des Klägers zu Frau L. oder zu Personen aus deren Umfeld zu belegen, schon gar nicht zu angeblich vorgetäuschten Versicherungsfällen. Soweit die Namen des Klägers und der Frau L. auf solchen Belegen gemeinsam erscheinen, findet sich dafür eine plausible, von der Beklagten nicht widerlegte Erklärung in der Übertragung eines Schadensfreiheitsrabatts, wie der Kläger im einzelnen dargetan hat.

Soweit die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25. November 1998 die mit der nach Angaben des Klägers für die Tatnacht geplanten Geschäftsreise zusammenhängenden Tatsachen bestritten hat, insbesondere dass der Kläger die Reise am nächsten Morgen bei einem Herrn Pe. R.l abgesagt hat, war dieses Vorbringen nach § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Es besteht kein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die Umstände der Geschäftsreise gehören nicht mehr zum äußeren Bild des Diebstahls, das der Kläger nachzuweisen hat. Dazu genügt der - wie dargelegt - geführte Beweis, dass das Fahrzeug kurz nach 00:00 Uhr nicht mehr aufgefunden worden ist. Der nachgeschobene Vortrag der Beklagten könnte allenfalls weitere Indizien für eine von ihr darzulegende und zu beweisende erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls begründen. Die Beklagte hat für ihren neuen Tatsachenvortrag, der streitig geblieben ist, jedoch keinen Beweis angetreten.

Die Klage ist der Höhe nach nur teilweise begründet. Soweit das Landgericht hinsichtlich der geltend gemachten Versicherungsentschädigung einen Teil der Klage bereits abgewiesen hat, geht der Kläger mit seiner Berufung dagegen nicht mehr vor. Der vom Landgericht zuerkannte Betrag ist jedoch um weitere 8.556,52 DM zu kürzen, da dem Kläger auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs keine Mehrwertsteuer zusteht.

Maßgebend ist hierfür, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls das versicherte Interesse bei der Firma K. Automobile als Vorbehaltseigentümerin lag. Der Kaufpreis war seinerzeit noch nicht bezahlt. Die Vorbehaltsverkäuferin ist als Versicherte anzusehen, deren Interesse der Kläger als Versicherungsnehmer geltend machen konnte. Die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Entschädigung richtet sich allein nach dem tatsächlich verletzten Interesse. Da die Firma K. Automobile als Händlerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, ist ihr hinsichtlich des Mehrwertsteuerbetrages kein Schaden entstanden. Ob auch der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann dahinstehen. Nicht maßgebend ist ferner, dass der Kläger den Kaufpreis zwischenzeitlich gezahlt hat. Entscheidend ist allein die Sachlage zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls.

Im übrigen ist die Höhe des Wiederbeschaffungswerts durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 23. Januar 1997 nachvollziehbar belegt. Die diesbezüglichen Daten werden von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht mehr angegriffen.

Die geltend gemachte außergerichtliche Rechtsanwalts-Besprechungsgebühr von 1.637,37 DM steht dem Kläger nicht zu. Sie könnte allenfalls als Verzugsschaden (§ 286 Abs. 1 BGB) verlangt werden. Ein Verzug der Beklagten mit der Zahlung der Entschädigung lag jedoch zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Gebühr, Mitte Juni 1995, noch nicht vor. Nach § 15 AKB wird die Entschädigung erst innerhalb zweier Wochen nach ihrer Feststellung fällig, diese Vorschrift betrifft Grund und Höhe des Anspruchs (vgl. Prölss/Martin VVG, 26. Aufl., § 15 AKB Rdn. 1 m.w.N.). Dieser Zeitpunkt war Mitte Juni 1995 noch nicht eingetreten. Die Beklagte konnte beispielsweise den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs erst aufgrund einer Rechnung des Autohauses K. zuverlässig ermitteln, welche am 21. Juni 1995 ausgestellt wurde. Erst aus dieser Rechnung ließ sich die Ausstattung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Auslieferung entnehmen. Die Beklagte hat zudem in nicht vorwerfbarer Weise Zweifel am Anspruchsgrund der Entschädigung gehabt. Es gab einen Widerspruch zwischen den Angaben des Klägers bei der Polizei und denjenigen in der Schadensanzeige, ob beim Abstellen des Fahrzeugs eine Augenzeugin dabei gewesen sei. Diesen Widerspruch hatten der Kläger und die Zeugin P. bis Mitte Juni 1995 noch nicht hinreichend erklärt, sie mussten deshalb mehrfach angeschrieben werden.

Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Prämienrückständen aus anderen Verträgen in Höhe von 3.249,50 DM greift nicht durch. Zum einen ist der dahingehende Vortrag der Beklagten unsubstantiiert, weil nicht vorgetragen ist, welche Beiträge auf welche Versicherungsverträge im einzelnen offen stehen sollen. Eine solche Spezifizierung wäre im Hinblick auf die Tragweite der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung erforderlich. Es fehlt darüber hinaus jedenfalls an der Gegenseitigkeit der Forderungen. Nach den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen war Schuldnerin der Prämienrückstände die Firma St. M. GmbH, nicht hingegen der Kläger persönlich.

Der ausgeurteilte Betrag berechnet sich somit wie folgt:

Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs laut Gutachten 67.700,00 DM ./. anteiliger Betrag für die Radioanlage (laut Urteil des Landgerichts) 2.100,00 DM 65.600,00 DM ./. die in diesem Betrag ent- haltenen 15 % Mehrwertsteuer (65.600,00 DM : 115 x 15 = 8.556,52 DM ./. Selbstbeteiligung (laut Urteil des Landgerichts) 300,00 DM ./. offenstehende Versicherungs- prämien aus dem hiesigen Vertrag (laut Urteil des Landgerichts) 1.852,20 DM 54.891,28 DM

Dem Kläger stehen ferner über den Ausspruch des Landgerichts hinaus auf den ausgeurteilten Betrag von 54.891,28 DM Zinsen in Höhe von 13,5 % ab dem 30. September 1995 zu. Dies ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des bis dahin eingetretenen Verzuges. Die Fälligkeit der Entschädigungsleistung war zwischenzeitlich eingetreten. Die Mahnung ist durch die zwischenzeitlich erfolgte Klageerhebung ersetzt worden (§§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB). Jedenfalls liegt auch in dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung eine ernstliche und endgültige Leistungsverweigerung, die spätestens sowohl Fälligkeit als auch Verzug ausgelöst hat. Der Kläger hat durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachgewiesen, dass er zur Finanzierung des Kaufpreises bei der BMW-Bank ein Darlehen aufgenommen hat, auf das er mit Wirkung ab 30. September 1995 einen effektiven Jahreszins von 13,5 % zahlen muss. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich hierbei um einen Verzugsschaden, weil dem Kläger durch den Diebstahl des Fahrzeugs der Gegenwert für den finanzierten Kaufpreis entzogen wurde. Bei einer Entschädigungszahlung vor dem 30. September 1995 wäre zudem die Aufnahme dieses Kredits gar nicht erst erforderlich geworden.

Der Zinsanspruch für die Zeit vor dem 30. September 1995 beruht auf § 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren (abweichend vom Senatsbeschluss vom 12. März 1998):

Berufung des Klägers: 1.637,37 DM Berufung der Beklagten: 63.447,80 DM 65.085,17 DM

Die Hilfsaufrechnung der Beklagten (3.249,50 DM) wirkt nicht streitwerterhöhend, weil mangels Substantiierung der geltend gemachten Gegenforderung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung darüber nicht ergehen kann, § 19 Abs. 3 GKG.

Der mit der Berufung des Klägers geltend gemachte zusätzliche Zinsanspruch (9,5 % aus 65.082,14 DM) wirkt ebenfalls nicht streitwerterhöhend, weil es sich nur um eine Nebenforderung zu den im Berufungsverfahren weiterhin rechtshängig gebliebenen Hauptansprüchen (63.447,80 DM Wiederbeschaffungswert + 1.637,37 DM Rechtsanwaltskosten) handelt, § 22 Abs. 1 GKG.

Wert der Beschwer des Klägers: 10.193,89 DM

Wert der Beschwer der Beklagten: 54.891,28 DM

Ende der Entscheidung

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