Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 5 W 87/06
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, RVG


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 2
RPflG § 11 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 36
ZPO § 37
ZPO § 59
ZPO § 60
ZPO § 91
ZPO § 269 Abs. 3
RVG § 15
RVG § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
RVG § 19 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Erinnerung der Antragsgegner wird der Beschluss vom 10.11.2006, mit dem der Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen wurde, aufgehoben. Der Rechtspfleger wird angewiesen, über den Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner vom 22.8.2006 nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe erneut zu befinden.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Antragsteller.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die seitens der Antragsgegner eingelegte Erinnerung gegen die ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers ist als befristete Erinnerung gemäß § 11 Abs.2 RPflG an sich statthaft (vgl. dazu BayObLG NJW-RR 2000, 141) sowie fristgerecht eingelegt und damit insgesamt zulässig. Der erkennende Senat (gemäß §§ 568 Abs.1 Satz 1 ZPO, 11 Abs.2 Satz 4 RPflG durch den obligatorischen Einzelrichter) ist auch für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig. Entscheidet ein Rechtspfleger am Oberlandesgericht über die Festsetzung der Kosten aus einem Verfahren nach § 37 ZPO, ist "der Richter" im Sinne von § 11 Abs.2 Satz 3 RPflG, dem er die Sache vorzulegen hat, sein zuständiger Senat, nicht aber das Gericht, das für ein Hauptsacheverfahren (um das es hier gerade nicht geht) zuständig wäre.

Die Erinnerung ist auch begründet.

Der Senat hat mit Beschluss vom 8.8.2006 den Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts abgelehnt, weil ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand existierte. Der Senat hat ferner entsprechend der Rechtsprechung des BGH (MDR 1987, 735), der der Senat in zahlreichen Entscheidungen gefolgt ist, dem Antragsteller nach § 91 ZPO die Verfahrenskosten auferlegt. Diese Kostengrundentscheidung bedeutete allerdings noch nicht automatisch, dass tatsächlich Kosten zu erstatten seien, denn für die Kostengrundentscheidung ist es unerheblich, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen sind oder nicht (BGH aaO, a.E.; anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Senats vom 24.2.2003 - 5 W 9/03 - AGS 2003, 205; die gegenteilige Auffassung von Schneider AGS 2003, 205 ist nicht verständlich).

Ob in einem Fall wie dem vorliegenden tatsächlich Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen nach dem RVG geltend gemacht werden können, hängt davon ab, ob bzw. inwieweit ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach §§ 36, 37 ZPO zum "Rechtszug" im Sinne von § 19 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 RVG, und damit zum Hauptsacheverfahren, gehört. § 19 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 RVG regelt, dass zum Rechtszug auch "die Bestimmung des zuständigen Gerichts" gehört, womit unstreitig jedenfalls der Fall gemeint ist, dass es im Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO zu einer Bestimmung kommt. Für den hier gegebenen Fall, dass eine Zuständigkeitsbestimmung abgelehnt, oder für den Fall, dass ein entsprechender Antrag zurückgenommen wird, hat der BGH in der oben zitierten Entscheidung (MDR 1987, 735) wörtlich ausgeführt:

"Zwar gilt das Verfahren nach § 37 ZPO, das mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts endet, als Teil des Hauptsacheverfahrens, so dass auch die Kosten des Bestimmungsverfahrens Kosten der Hauptsache sind, die entsprechend der Kostenentscheidung in der Hauptsache zu erstatten sind. Dies gilt jedoch nicht im Falle der Ablehnung oder der Zurücknahme des Bestimmungsantrags. In diesen Fällen kann ein etwaiges gegen die Antragsgegner gerichtetes Klageverfahren nicht als Hauptsache zu dem ohne Bestimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossenen Verfahren nach § 37 ZPO angesehen werden; es erscheint daher (entgegen OLG Düsseldorf MDR 1983, 846) geboten, über die Kosten des Bestimmungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 91 oder des § 269 Abs.3 ZPO zu entscheiden und dem Antragsgegner auf diese Weise eine Möglichkeit einzuräumen, die durch die Stellung des unbegründeten oder des zurückgenommenen Antrags entstandenen Kosten erstattet zu erhalten. Dabei ist es unerheblich, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen sind."

Diese Ausführungen sind nach dem Verständnis des erkennenden Gerichts eindeutig. Ein mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossenes Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 37 ZPO gehört kostenrechtlich zur Hauptsache, ein zurückgewiesenes oder durch Rücknahme des Antrag erledigtes Verfahren hingegen nicht, letzteres stellt sich vielmehr als "Besondere Angelegenheit" im Sinne von § 15 RVG dar. Dieses Verständnis der BGH-Entscheidung legt ersichtlich auch das BayObLG (NJW-RR 2000, 141) zugrunde. Gleiches gilt zumindest für Teile der Literatur (Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, Rn. 45 zu § 19; Schneider NJW 2003, 2436; Schneider in Anwaltskommentar zum RVG § 15 Rn. 185; offen bei Hartmann Kostengesetze 35. Aufl. 2005, § 19 Rn. 14; Römermann in Hartung/Römermann/Schons Praxiskommentar zum RVG 2006 § 19 Rn. 42; von Eicken in Gerold/Schmidt RVG 16. Aufl. 2004, § 19 Rn. 25; Patzina in Münchner Kommentar - ZPO § 37 Rn. 7; a.A. Göttlich /Mümmler RVG 2004, Stichwort "Bestimmung"; Heinrich in Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 37 Rn. 10; Vollkommer in Zöller ZPO 26. Aufl., 2007, § 36 Rn. 33).

Die dem dezidiert entgegenstehende Auffassung des OLG Dresden (Beschluss vom 14.7.2005, Rechtspfleger 2006, 44), wonach der BGH die Frage "ausdrücklich offen gelassen" habe, ob ein Rechtsanwalt, der die Antragsgegner nach abgeschlossenem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren auch im Klageverfahren vertritt, damit Anspruch auf eine gesonderte Vergütung hat, leuchtet nicht ein. Die Erwägungen des BGH können sich nur auf die Frage des anwaltlichen Gebührenrechts beziehen. Welche andere rechtliche Bedeutung ihnen zukommen sollte, ist nicht erkennbar. Auch der letzte Satz des obigen Zitats, wonach es unerheblich sei, ob überhaupt Gebühren und Auslagen entstanden seien, widerspricht dem nicht. Da im Verfahren nach § 37 ZPO kein Anwaltszwang herrscht und im Übrigen die Antragsgegner zwar rechtliches Gehör erhalten, sich aber nicht melden müssen, mag durchaus die Situation eintreten, dass keine Gebühren und Auslagen anfallen, was allerdings nicht etwa im Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO zu prüfen und hiervon eine Kostenentscheidung abhängig zu machen ist.

Damit mag sich allenfalls die Frage stellen, ob die Ausführungen des BGH Raum für eine restriktive Handhabung lassen, die nur die Fälle erfasst, dass entweder ein Hauptsacheverfahren gar nicht erst betrieben wird oder ein Anwaltswechsel beim Hauptsacheverfahren stattfindet. Ein solcher Raum ist indes nicht zu erkennen. Die Erwägung des OLG Dresden aus der Systematik des RVG, dass nämlich das RVG bei der Frage, ob ein Gebührentatbestand vorliegt, grundsätzlich nicht zwischen Erfolg oder Nichterfolg des Verfahrens unterscheide, mag zwar zutreffen, ist jedoch mit der Entscheidung des BGH schlechterdings nicht in Einklang zu bringen, und kann daher allenfalls ein Grund sein, den BGH zur Änderung seiner bisherigen Auffassung zu bewegen.

Es besteht allerdings kein Anlass, von der klaren Linie des BGH abzuweichen, und zwar weder aufgrund der Erwägungen des OLG Dresden noch aufgrund sonstiger Erwägungen. Das systematische Argument des OLG Dresden erscheint nicht als durchschlagend. Tatsache ist, dass eine enge, untrennbare Verbindung besteht zwischen einem Bestimmungsverfahren, das mit einer Bestimmung des zuständigen Gerichts endet, und dem Hauptsacheverfahren. Es handelt sich letztlich nur um einen besonderen "Auftakt" des sich regelmäßig unmittelbar daran anschließenden Hauptsacheverfahrens, der an der untrennbaren Verbindung beider Verfahren aber nichts ändert. Das ist grundlegend anders bei einer Beendigung des Bestimmungsverfahrens durch Zurückweisung oder Rücknahme. Hier fehlt jede Verbindung zum Hauptsacheverfahren. Es gibt hier auch keine rechtliche Auswirkung, insbesondere keinerlei Bindungswirkung. Es handelt sich nun um zwei gänzlich getrennte Verfahren. Dass dieser grundlegende Unterschied auch kostenrechtliche Auswirkungen nach sich zieht, ist konsequent und sachgerecht. Gewichtiger erschiene da eher das Argument, dass es vom zu betreibenden Aufwand des Rechtsanwalts schwerlich einen Unterschied machen dürfte, welchen Ausgang das Bestimmungsverfahren nimmt. Allerdings unterscheidet das RVG auch ansonsten kaum je nach dem konkreten Arbeitsaufwand des Anwalts. Auch lässt der Katalog des § 19 Abs.2 RVG keine völlige Stringenz und innere Logik erkennen, sondern eher eine pragmatische Sicht des Gesetzgebers (Hartmann, aaO § 19 Rn. 2). Manche der dort aufgeführten Verfahren (bzw. Verfahrensabschnitte) hätten ohne weiteres auch als "Besondere Angelegenheiten" angesehen werden können.

Das Argument der Klarheit, Transparenz und praktischen Handhabbarkeit spricht denn auch bei der Frage der Vergütungsfähigkeit von Verfahren nach § 37 ZPO neben den obigen systematischen Erwägungen für die Richtigkeit der Auffassung des BGH. Die Unterscheidung danach, ob eine Bestimmung erfolgt ist oder das Verfahren durch Zurückweisung oder Rücknahme des Antrags beendet wurde, ist eindeutig. Eine Differenzierung danach, ob derselbe Anwalt das spätere Hauptsacheverfahren betreibt, ist es nicht. So entspricht es etwa allgemeiner Auffassung, dass eine Vergütungspflicht besteht, wenn ein Hauptsacheverfahren nicht nachfolgt oder von einem anderen Rechtsanwalt betrieben wird. Hier stellen sich jedoch die Fragen, wann für die etwaige Kostenfestsetzung feststehen soll, ob ein Hauptsacheverfahren folgt, wie zu entscheiden ist, wenn derzeit der weitere Verlauf ungewiss ist, und was der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren hier im einzelnen aufklären soll. Ferner bleibt unklar, was genau als nachfolgendes Hauptsacheverfahren anzusehen ist. Diese Frage stellt sich etwa, wenn die Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt wird, weil es an den Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO fehlt, und sich der Antragsteller daraufhin entschließt, nur einen der Antragsgegner in Anspruch zu nehmen, andere hingegen nicht. Alle diese Fragen stellen sich nicht, wenn das beendete Bestimmungsverfahren schlicht abgerechnet wird, sobald es anders als durch Bestimmung des zuständigen Gerichts endet. Auch daher ist diese Auffassung aus Sicht des erkennenden Gerichts letztlich vorzugswürdig.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO analog.

Da keine Abweichung zur Rechtsprechung des BGH vorliegt und die Frage durch den BGH hinreichend geklärt erscheint, kommt der Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung zu. Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde (nach vorheriger Verweisung an den Senat) bedurfte es daher nicht, auch wenn insoweit der Entscheidung des OLG Dresden widersprochen wird.

Streitwert: bis 300.- €.

Ende der Entscheidung

Zurück