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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 83 Ss 32/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 21
StGB § 46
StGB § 47 Abs. 1
StGB § 49
StGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Angeklagte "wegen Diebstahls geringwertiger Sachen" zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat die Angeklagten Berufung eingelegt und diese auf die Anfechtung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt. Das Landgericht hat die Rechtsmittelbeschränkung für wirksam gehalten und die Berufung verworfen.

Die Revision der Angeklagten rügt Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die Revision hat (vorläufigen) Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Zu Recht hat die Strafkammer die Beschränkung der Berufung für wirksam gehalten und demgemäß in eigener Verantwortung nur über die Rechtsfolgenseite entschieden. Die Feststellungen des Amtsgerichts zum Schuldspruch lassen den Unrechts -und Schuldgehalt der Tat hinreichend erkennen.

Die Rechtsfolgenentscheidung des Landgerichts hält indes rechtlicher Überprüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand.

Zur Strafzumessung heißt es im Berufungsurteil:

"Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Zu Gunsten der Angeklagten war zu berücksichtigen, dass sie die Tat eingeräumt hat. Die von ihr gestohlenen Gegenstände sind an die geschädigte Firma zurück gelangt, so dass ein bleibender Schaden nicht entstanden ist. Der Wert der entwendeten Sachen war mit 28,95 Euro zudem gering. Zu Gunsten der Angeklagten kann auch nicht sicher ausgeschlossen werden, dass die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten im Sinne von § 21 StGB vermindert war. Hiervon geht die Kammer aufgrund des Umstandes aus, dass die Angeklagte sich in der Vergangenheit wiederholt über einen längeren Zeitraum in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung befunden hat, was auf eine behandlungsbedürftige Erkrankung hindeutet. Schließlich war zu ihren Gunsten in Rechnung zu stellen, dass sie sich in der Vergangenheit in ärztliche Behandlung begeben hat, um gegen ihre verhängnisvolle Neigung zu Diebstahlshandlungen anzugehen. Die Angeklagte hat auf Grund ihres Alters zudem als besonders haftempfindlich zu gelten. Ebenfalls hat sich strafmildernd ausgewirkt, dass sie den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in zwei Verfahren zu gewärtigen hat.

Demgegenüber musste sich zu Lasten der Angeklagten auswirken, dass sie mehrfach und einschlägig vorbestraft ist. Sie stand bei Begehung der hier abzuurteilenden Tat unter laufender Bewährung.

Den Strafrahmen des § 242 StGB hat die Kammer sodann (Hervorhebung durch den Senat) gemäß §§ 21, 49 StGB gemildert. Bei Abwägung der vorstehenden sowie der weiteren in § 46 StGB normierten Strafzumessungserwägungen hält auch die Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Monaten für tat- und schuldangemessen sowie als zur Einwirkung auf die Angeklagte für erforderlich. Die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe war gemäß § 47 Abs. 1 StGB unerlässlich. Die Angeklagte ist vielfach und einschlägig vorbestraft. Sie ist in den letzten 14 Jahren in neun Strafverfahren wegen Diebstahls verurteilt worden. ..."

Danach leidet die Strafzumessung der Strafkammer an einem methodischen Fehler.

Das Tatgericht ist - im Strafverfahren gegen Erwachsene - grundsätzlich gehalten, zunächst die Frage zu entscheiden, von welchem Strafrahmen es im konkreten Einzelfall ausgeht (BGH NStZ 1983, 407; Fischer, StGB, 56. Auflage, § 46 Rn. 16; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 4. Auflage, Rn. 487).

Erst danach hat es - innerhalb des so festgelegten Strafrahmens - die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen (BGH a.a.O.), das heißt die Strafe auf der Grundlage der individuellen Schuld des Täters unter Berücksichtigung der Strafzwecke und des Schutzzwecks des verwirklichten Tatbestandes zu bestimmen (Fischer a.a.O. § 46 Rn. 20; Schäfer a.a.O. Rn. 490).

Der nächste Schritt betrifft dann insbesondere die Strafartwahl (u. a.: Freiheitsstrafe oder Geldstrafe? Strafaussetzung zur Bewährung?) und berücksichtigt vor allem präventive Aspekte (Schäfer a.a.O. Rn. 491).

Die schriftlichen Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass diese drei Schritte gedanklich nacheinander vollzogen worden sind (Schäfer a.a.O. Rn. 493).

Hier hat die Strafkammer - von dieser Reihenfolge abweichend - zunächst die Strafzumessung im engeren Sinne vorgenommen und erst danach den anzuwendenden Strafrahmen bestimmt.

Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Rechtsfehler die Strafzumessung zu Ungunsten der Angeklagten beeinflusst hat, etwa in dem Sinne, dass das Tatgericht die Strafzumessung gedanklich zunächst im Regelstrafrahmen des § 242 StGB vorgenommen und das auf diese Weise gewonnene Ergebnis ganz oder im Wesentlichen - unbewusst - in den gemilderten Strafrahmen übertragen hat.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Es dürfte sich empfehlen, die Frage der etwaigen Erkrankung der Angeklagten unter Hinzuziehung eines Sachverständigen einer näheren Klärung zuzuführen, und zwar einerseits, um die Prüfung der - möglicherweise dann auch positiv feststellbaren - Voraussetzungen des § 21 StGB auf einer sichereren Grundlage vornehmen zu können, und andererseits, um eine Hilfestellung bei der Strafaussetzungsentscheidung (ggf. günstige Prognose wegen erteilter Weisungen, vgl. § 56 c StGB) zu erlangen.

Krankheiten oder die psychische Disposition bestimmende persönliche Umstände können, auch wenn sie nicht den Schweregrad des § 21 StGB erreichen, die Vorwerfbarkeit der Missachtung der Warnwirkung von Vorverurteilungen oder Strafaussetzungen vermindern (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 248; OLG Stuttgart NStZ 2007, 37).

Ende der Entscheidung

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