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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 29 U 2420/07
Rechtsgebiete: UrhG, VerlG


Vorschriften:

UrhG § 41
VerlG § 17
VerlG § 30
VerlG § 32
Das Rückrufsrecht des § 41 UrhG ist auch im Anwendungsbereich des Verlagsgesetzes anwendbar; es steht dort Urhebern neben anderen Behelfen, insbesondere einem Vorgehen nach §§ 32, 30, 17 VerlG zu, wird also durch die verlagsrechtliche Regelung nicht ausgeschlossen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 2420/07

Verkündet am 06.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein, Richter am Oberlandesgericht Lehner und Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15.02.2007 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

I. Der Hauptantrag des Klägers auf Feststellung, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gem. § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind, wird abgewiesen.

II. Der Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung, dass sämtliche der Beklagte vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." aufgrund der Kündigung des Verlagsvertrags vom 18.11.1999 durch das (vorsorgliche) Kündigungsschreiben der Verdi vom 12.08.2005 erloschen sind, wird abgewiesen.

III. Es wird entsprechend dem weiteren Hilfsantrag des Klägers festgestellt, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nebenrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

IV. Der weitere Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung, dass der Kläger zur Veranstaltung einer neuen Auflage des Romans mit dem Titel "Sp. S." berechtigt ist, wird abgewiesen.

V. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger 7/10 und die Beklagte 3/10 zu tragen.

VI. Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird bis zum 30.08.2006 auf 7.500,-- € und für die Zeit danach auf 7.000,-- € festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Autor, macht in erster Linie geltend, dass die von ihm der Beklagten, einem Verlag, durch Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte an dem Werk mit dem Titel "Sp. S." aufgrund Rückrufs erloschen sind.

Der Kläger hat in erster Instanz mit Schriftsatz vom 28.06.2006 folgende Anträge angekündigt:

I. Es wird festgestellt, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

Hilfsweise (Hilfsantrag (a)):

Es wird festgestellt, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." aufgrund der Kündigung des Verlagsvertrags vom 18.11.1999 durch das (vorsorgliche) Kündigungsschreiben der Verdi vom 02.07.2004 an den Kläger zurückgefallen sind.

Hilfsweise (Hilfsantrag (b)):

Es wird festgestellt, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nebenrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

II. Die Beklagte wird verurteilt, das dem Kläger gegenüber der Beklagten aus dem Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 aus der etwaigen Verwertung der Verlags- und Nebenrechte zustehende Honorar für die Jahre 2004 und 2005 abzurechnen.

III. Die sich aus der Abrechnung gem. II. etwaig ergebenden Zahlungen zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu leisten.

Im Termin vom 30.08.2006 haben die Parteien die Anträge Nr. II und Nr. III übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." aufgrund der Kündigung des Verlagsvertrags vom 18.11.1999 durch das (vorsorgliche) Kündigungsschreiben der V. vom 02.07.2004 an den Kläger zurückgefallen sind.

Weiter hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nebenrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Hilfswiderklage hat die Beklagte in erster Instanz beantragt:

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 9.948,92 € zu bezahlen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Das Landgericht hat mit am 15.02.2007 verkündetem Urteil Folgendes entschieden:

I. Es wird festgestellt, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

II. Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.

Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 15.02.2007, Az.: 7 O 11467/06, wird die Klage abgewiesen.

Hilfsweise (Hilfsantrag 1) beantragt die Beklagte für den Fall, dass das Gericht feststellen sollte, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Verlagsnebenrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind:

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 15.02.2007, Az.: 7 O 11467/06, wird die Klage abgewiesen, soweit festgestellt wurde, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Verlagsrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

Weiter hilfsweise (Hilfsantrag 2) beantragt die Beklagte für den Fall, dass das Gericht feststellen sollte, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) oder nur die Verlagsrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind, auf Widerklage hin wie folgt zu erkennen:

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 9.948,92 € zu bezahlen.

Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. hilfsweise:

festzustellen, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999 eingeräumten Nutzungsrechte (d.h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." aufgrund der Kündigung des Verlagsvertrags vom 18.11.1999 durch das (vorsorgliche) Kündigungsschreiben von V. vom 12.08.2005 erloschen sind;

3. hilfsweise:

a) festzustellen, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nebenrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind.

b) festzustellen, dass der Kläger zur Veranstaltung einer neuen Auflage des Romans mit dem Titel "Sp. S." berechtigt ist.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 08.11.2007 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

1. Der Hauptantrag des Klägers auf Feststellung, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 (Anlage K 1) eingeräumten Nutzungsrechte (d. h. Verlagsrechte und Nebenrechte) an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 (Anlage K 6) gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind, ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO), aber nicht begründet.

a) Allerdings ist das Rückrufsrecht des § 41 UrhG auch im Anwendungsbereich des Verlagsgesetzes anwendbar; es steht dort Urhebern neben anderen Behelfen, insbesondere einem Vorgehen nach §§ 32, 30, 17 VerlagsG zu, wird also durch die verlagsrechtliche Regelung nicht ausgeschlossen (vgl. Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 32, Rdn. 9 m.w.N. bezüglich der herrschenden Meinung). Dies ergibt sich aus § 41 Abs. 7 UrhG i.V.m. den Gesetzesmaterialien hierzu. In der Begründung zum UrhG-Entwurf vom 23.03.1962 (abgedruckt bei Marcel Schulze, Materialien zum Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Band 1, S. 469) wird u.a. ausgeführt:

"Absatz 7 sieht vor, daß neben dem Rückrufsrecht wegen Nichtausübung Rechte und Ansprüche der Beteiligten nach anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben, z. B. das erwähnte Rücktrittsrecht nach dem Verlagsgesetz und die Rechte aus den §§ 323 bis 326 BGB."

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15.10.1987 - I ZR 114/85 = GRUR 1988, 303, 304 f. - Sonnengesang) ergibt sich für den hiesigen Streitfall nichts Abweichendes. In dem Fall, der dem genannten Urteil des Bundesgerichtshofes zugrunde lag, hatte das Berufungsgericht unter Anwendung des § 41 UrhG angenommen, dass der Rückruf der Werke durch die damalige Klägerin nicht begründet und daher nicht wirksam sei. Der Bundesgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Revision für nicht begründet erachtet und in diesem Zusammenhang ausgeführt, als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erklärten Rückruf sei im Streitfall (Musikverlagsvertrag mit Vervielfältigungs- und Verbreitungspflicht für den Verleger) zunächst das Rücktrittsrecht nach § 32 i.V.m. § 30 VerlG zu prüfen; aber auch nach dieser Bestimmung liege kein wirksamer Rücktritt der Klägerin vor (vgl. BGH GRUR 1988, 304 f.). Im hiesigen Streitfall hat das Landgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt nach § 32, § 30 VerlG nicht vorlägen (vgl. UA S. 6 f.); neben diesen Vorschriften ist, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, auch das Rückrufsrecht des § 41 UrhG grundsätzlich anwendbar.

b) Hinsichtlich des Verlagsrechts an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." (vgl. § 1 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000) kann der Beklagten keine unzureichende Ausübung des Nutzungsrechts gemäß § 41 Abs. 1 UrhG angelastet werden.

aa) Ob die Ausübung unzureichend ist, ist anhand des Vertrags zu bestimmen, wobei der Vertragszweck zu berücksichtigen ist (vgl. Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl., § 41, Rdn. 13 m.w.N.). Soweit, wie im Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 unter § 3, eine Ausübungspflicht des Verlegers vereinbart ist, kommt es für die Frage, ob eine unzureichende Ausübung vorliegt, neben der vertragsgemäßen Herstellung im Rahmen der Verbreitungspflicht insbesondere darauf an, ob der Verleger das zur Förderung des Absatzes Gebotene getan hat (vgl. Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 32, Rdn. 9 (S. 582)). In welchem Rahmen ein Verleger für ein ihm zur Veröffentlichung überlassenes Werk zu werben hat und wie weit seine Vertriebsbemühungen zu gehen haben, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. v. Becker in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 16, Rdn. 38; Wegner in Wegner/Wallenfels/Kaboth, Recht im Verlag, 2. Kap., Rdn. 118). In § 3 Abs. 3 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 ist vereinbart, dass Werbemaßnahmen von der Beklagten bestimmt werden.

Nach diesen Grundsätzen können der Beklagten im Streitfall keine unzureichenden Anstrengungen bezüglich Werbung und Vermarktung und damit keine unzureichende Nutzungsrechtsausübung bezüglich des Verlagsrechts angelastet werden. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 09.06.2006 mit den Anlagen B 1 bis B 11 sowie B 13 bis B 15 eine Vielzahl von ihr initiierter Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen zur Förderung des Verkaufs des Buches "Sp. S." belegt. Soweit der Kläger beanstandet, die Werbemaßnahmen der Beklagten seien nicht hinreichend zielgruppenaffin gewesen, weil sich die Beklagte bei diesen Maßnahmen für sein Werk, einen Krimimalroman im ...milieu, den der Kläger als belletristisches Werk einstuft, vornehmlich auf den ...sektor beschränkt habe, muss er sich entgegenhalten lassen, dass er in einem an die Beklagte übermittelten, von ihm selbst verfassten Werbetext geschrieben hat "Für ...!" (vgl. Anlagenkonvolut B 12, S. 5); damit hat er Werbemaßnahmen in dem genannten Sektor nahegelegt.

Auch der Umstand, dass die belegten Werbe- und Vermarktungsaktivitäten im Wesentlichen im Jahr 2001 stattfanden - der Roman "Sp. S." war ab 13.12.2000 lieferbar -, rechtfertigt nicht die Annahme einer unzureichenden Nutzungsrechtsausübung bezüglich des Verlagsrechts. Es kann nicht als unzureichend eingestuft werden, dass die Beklagte - angesichts der Vielzahl von Neuerscheinungen, die jedes Jahr auf den Markt kommen - den Schwerpunkt ihrer Werbe- und Vermarktungsaktivitäten auf die Zeit nach dem Erscheinen des Romans gesetzt hat.

Die Beklagte war im Übrigen nach § 3 Abs. 3 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 und nach den eingangs genannten Grundsätzen nicht verpflichtet, sämtlichen Anregungen des Klägers bezüglich Werbe- und Vermarktungsaktivitäten zu folgen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Anregung des Klägers bezüglich eines Fernsehspots auf dem Sender ... (vgl. Anlage B 18) bei ... nicht aufgegriffen hat. Derartige Werbemaßnahmen sind bei Buchwerbung regelmäßig - und so auch im Streitfall - nicht geboten (vgl. v. Becker in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 16, Rdn. 38).

bb) Soweit die Beklagte mit Schreiben vom 30.06.2004 (Anlage K 8) eine Verramschung bzw. Makulierung in Aussicht gestellt hat, kann auch dies nicht als unzureichende Nutzungsrechtsausübung bezüglich des Verlagsrechts eingestuft werden. Die genannte Ankündigung ist durch § 10 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 gedeckt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 ist die Beklagte berechtigt, den Restvorrat ganz oder teilweise zu verramschen oder zu makulieren, wenn der Absatz einer Auflage so nachlässt, dass sich der weitere Vertrieb nach Ansicht des Verlags nicht mehr lohnt. Nach § 10 Abs. 2 dieses Vertrags wird der Verlag den Verfasser vorher von dieser Absicht verständigen, um ihm zu ermöglichen, die Vorräte ganz oder teilweise zum Einstandspreis oder Verlagserlös, wenn dieser niedriger als der Einstandspreis ist, selbst zu erwerben. Mit dem Schreiben vom 30.06.2004 kam die Beklagte der Verpflichtung nach § 10 Abs. 2 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 nach. Im Hinblick auf die im Anlagenkonvolut B 21 dokumentierten äußerst geringen Absatzzahlen in den letzten Jahren (2003: - 13; 2004: 2, 2005: 3; Januar 2006 bis Juni 2006: - 1) kann es nicht als willkürlich angesehen werden, dass die Beklagte im Schreiben vom 30.06.2004 die Voraussetzungen für die Berechtigung gemäß § 10 Abs. 1 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000, den Restvorrat ganz oder teilweise zu verramschen oder zu makulieren, für gegeben erachtet hat (vgl. Haberstumpf/Hintermeier, Einführung in das Verlagsrecht, S. 146). Denn bei diesen Absatzzahlen durfte die Beklagte davon ausgehen, dass sich der weitere Vertrieb mangels begründeter Hoffnung auf substantiellen Absatz nicht mehr lohnt (vgl. auch Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 21, Rdn. 10).

2. Der Hilfsantrag auf Feststellung, dass sämtliche der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte aufgrund der Kündigung des Verlagsvertrags durch das vorsorgliche Kündigungsschreiben von ver.di vom 12.08.2005 erloschen sind, ist zulässig, aber nicht begründet. Der etwaige Verstoß der Beklagten gegen die (Neben-)Pflicht, die vertraglich geschuldeten Honorarabrechnungen ab 2003 zeitnah entsprechend der vertraglichen Vereinbarung (vgl. § 4 Abs. 5 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000) vorzunehmen, kann nicht als Grund für eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB eingestuft werden. Denn mit der etwaigen Verspätung der Abrechnungen waren für den Kläger keine substantiellen Nachteile verbunden waren, weil die erwirtschafteten Beträge die garantierte Gesamtvorschusszahlung von 21.000,-- DM (vgl. § 4 Abs. 2 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000) bei weitem nicht erreicht haben.

3. Der weitere Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nebenrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind, ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO) und begründet.

a) Ein Teilrückruf hinsichtlich einzelner dem Verleger eingeräumter Nebenrechte ist zulässig (vgl. Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 32, Rdn. 9 (S. 581) m.w.N.). Dem Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 ist ein solcher Teilrückruf zu entnehmen.

b) Die Beklagte hat die vorstehend genannten Nebenrechte nicht ausgeübt.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 übernimmt die Beklagte die Verpflichtung, alle ihr in § 2 übertragenen Nebenrechte zum Besten des Verfassers zu wahren. Insoweit traf die Beklagte hinsichtlich der Nebenrechte wie des Rechts zur Vergabe von Lizenzen für Taschenbuch- oder Buchgemeinschaftsausgaben zumindest eine Ausübungslast (vgl. Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl., § 41, Rdn. 13). Hat sich der Verleger die Nebenrechte einräumen lassen, muss er sie auf dem hierfür einschlägigen Markt anbieten, z. B. Buchclubs und Taschenbuchverlagen die entsprechenden Buchklub- und Taschenbuchrechte anbieten; andernfalls kann der Verfasser die Nebenrechte zurückrufen (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 41, Rdn. 15). Im Streitfall hätte eine Vergabe von Lizenzen für eine Taschenausgabe insbesondere deshalb nahegelegen, weil es sich bei dem Werk "Sp. S." um einen Kriminalroman handelt und weil Kriminalromane vielfach erfolgreich als Taschenbuch vermarktet werden. Nach den Feststellungen des Landgerichts (vgl. UA S. 3) hat die Beklagte hinsichtlich der eingeräumten Nebenrechte (Taschenbuch-, Buchklubausgaben etc.) keinerlei Verwertungsbemühungen unternommen. Die Beklagte hat solche Bemühungen auch nicht geltend gemacht.

c) Die fehlende Ausübung der Nebenrechte impliziert eine erhebliche Verletzung der Interessen des Klägers (vgl. Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl., § 41, Rdn. 15).

4. Der weitere Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung, dass der Kläger zur Veranstaltung einer neuen Auflage des Romans mit dem Titel "Sp. S." berechtigt ist, ist zulässig, aber derzeit nicht begründet.

a) Die Klageänderung, die in der Stellung dieses Hilfsantrags, der erstmals in der Berufungsinstanz gestellt wird, liegt, ist zulässig (§ 533 ZPO), weil der Senat dies für sachdienlich hält und dieser Hilfsantrag auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

b) Der Kläger ist zur Veranstaltung einer neuen Auflage des Romans mit dem Titel "Sp. S." derzeit nicht berechtigt. Die dispositive Regelung des § 17 VerlG ist im Streitfall durch die Regelung in § 9 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 abbedungen. Nach § 9 Satz 1 dieses Vertrags ist der Verfasser berechtigt, wenn die Verlagsausgaben des Werkes vergriffen sind, oder nicht mehr angeboten und ausgeliefert werden, den Verlag schriftlich aufzufordern, sich spätestens innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Aufforderung zu verpflichten, eine ausreichende Anzahl weiterer Exemplare des Werkes herzustellen und zu verbreiten. Geht der Verlag eine solche Verpflichtung nicht ein, ist der Verfasser nach § 9 Satz 2 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 Vertrags berechtigt, durch schriftliche Erklärung vom Verlagsvertrag zurückzutreten. Die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 des Verlagsvertrags vom 18.11.1999/12.02.2000 liegen im Streitfall derzeit nicht vor. Die Erstausgabe ist nicht vergriffen. Auch das weitere Merkmal "oder nicht mehr angeboten und ausgeliefert werden" ist derzeit - vor Durchführung der von der Beklagten in erster Linie beabsichtigten Verramschung (vgl. Schreiben vom 30.06.2004 (Anlage K 8) - nicht erfüllt. Denn die Beklagte beabsichtigt insoweit, die restlichen Exemplare einem Großabnehmer anzubieten und an diesen auszuliefern (vgl. Schreiben vom 30.06.2004 (Anlage K 8)).

5. Dem Hilfsantrag 1 der Beklagten ist durch die Tenorierung im vorliegenden Urteil Rechnung getragen. Über den Hilfsantrag 2 der Beklagten ist nicht zu entscheiden, da die Bedingung für diesen Hilfsantrag ("wird für den Fall beantragt, dass das Gericht feststellen sollte, dass die der Beklagten vom Kläger mit Verlagsvertrag vom 18.11.1999/12.02.2000 eingeräumten Nutzungsrechte (d. h. Verlagsrechte und Nebenrechte) oder nur die Verlagsrechte an dem Roman mit dem Titel "Sp. S." durch Schreiben des Klägers vom 02.07.2004 gemäß § 41 Abs. 5 UrhG erloschen sind") nicht eingetreten ist.

6. Die Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 45 Abs. 1 GKG, da der Eventualfall für die Hilfswiderklage nicht eingetreten ist (vgl. Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl., Rdn. 2864, 4584).

7. Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 91a ZPO.

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

9. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.).

10. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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