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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 29 W 975/03
Rechtsgebiete: ZPO, MarkenG, Madrider Abkommen ü. d. int. Registrierung v. Marken


Vorschriften:

ZPO § 143
MarkenG § 55
Madrider Abkommen ü. d. int. Registrierung v. Marken Art. 6
Zur Aussetzung nach § 148 ZPO, wenn die Klage-IR-Marke noch von einer österreichischen Basismarke abhängig ist und wenn bezüglich der österreichischen Basismarke ein Löschungsverfahren beim österreichischen Patentamt anhängig ist.
Aktenzeichen: 29 W 975/03

BESCHLUSS

In dem Verfahren

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wörle, den Richter am Bundespatentgericht Dr. Albrecht und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke ohne mündliche Verhandlung am 26.03.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 10.01.2003 - 33 O 12133/02 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine US-amerikanische Corporation mit Sitz in Chicago/Illinois, die unter einer Anschrift in Wien auftritt, hat gegen den Beklagten, der seinen Wohnsitz in Österreich hat, Klage zum Landgericht München I mit folgendem Antrag erhoben:

Der Beklagte wird verurteilt,

in die Löschung der beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer 30200623.0 eingetragenen Wort-/Bildmarke "Excellence de luxe" einzuwilligen.

Die Klägerin ist Inhaberin der IR-Marke Nr. 752 916 "Excellence de luxe", die auf der vom österreichischen Patentamt am 11.12.2000 eingetragenen Wort-/Bildmarke Nr. 192 672 beruht; die internationale Registrierung datiert vom 31.01.2001. Der Beklagte hat bezüglich der genannten Basismarke beim österreichischen Patentamt mit Anwaltsschriftsatz vom 24.09.2001 einen Löschungsantrag gemäß § 24 des österreichischen Markenschutzgesetzes wegen böswilliger Anmeldung gestellt (Anlage B 1). Das betreffende Verfahren ist beim österreichischen Patentamt unter dem Aktenzeichen Nr. 174/2001 anhängig. Darüber hinaus ist beim österreichischen Patentamt bezüglich der genannten Basismarke ein Löschungsantrag der J. anhängig (Aktenzeichen Nr. 83/2001), über den nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Beklagten vorrangig vor dem Löschungsantrag des Beklagten (Aktenzeichen Nr. 174/2001) zu entscheiden ist.

Mit Beschluss vom 10.01.2003 hat das Landgericht München I das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim österreichischen Patentamt anhängigen Löschungsverfahrens gegen die dort eingetragene Marke Nr. 192 672 (Verfahren 83/2001 und 174/2001) ausgesetzt. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Frage der Bestandskraft der österreichischen Marke Nr. 192 672, welche Basismarke für die international registrierte Klagemarke IR 752 916 sei, sei von vorgreiflicher Bedeutung. Es wäre widersinnig, einer auf eine löschungsreife Marke gestützten Verletzungsklage stattzugeben, obgleich ein Löschungsverfahren bei dem jeweiligen Patent- oder Markenamt bereits anhängig sei. Nach dem Sachvortrag und den aktenkundigen Unterlagen erscheine das vom Beklagten angestrengte Löschungsverfahren vor dem österreichischen Patentamt auch nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Auf diesen Beschluss wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 06.02.2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, eine Aussetzung nach § 148 ZPO sei unzulässig, da keine Vorgreiflichkeit gegeben sei. Der vorliegende Rechtsstreit sei entscheidungsreif, die Klägerin sei unstreitig Inhaberin der IR-Marke, so dass diese Frage nicht von dem Verfahren vor dem österreichischen Patentamt abhänge. Die dortige Basismarke befinde sich nicht etwa in einem "Schwebezustand", dessen Auflösung abzuwarten wäre, sondern sei rechtmäßig eingetragen. Das vom Beklagten angestrengte Löschungsverfahren habe keine Aussicht auf Erfolg. Eine Bössgläubigkeit der Klägerin sei nicht gegeben. Erstens sei die Anmeldung und Eintragung einer Marke in Österreich nach damaliger Rechtslage gar nicht auf mehrere Berechtigte möglich gewesen. Zweitens wäre eine alleinige Eintragung selbst dann, wenn eine Mehrfacheintragung möglich wäre, auch unter Zugrundelegung der vom Beklagten angeführten Vereinbarungen gerechtfertigt gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss, das Verfahren auszusetzen, aufzuheben und das Verfahren fortzuführen.

Der Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Das Landgericht sei zu Recht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Löschungsverfahrens davon ausgegangen, dass Erfolgsaussichten bestünden.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 25.02.2003 nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 1, § 252, § 569 ZPO), aber nicht begründet.

1. Die vom Landgericht nach § 148 ZPO vorgenommene Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim österreichischen Patentamt anhängigen Löschungsverfahrens gegen die dort eingetragene Marke Nr. 192 672 (Verfahren 83/2001 und 174/2001) ist ermessensfehlerfrei.

a) Die Aussetzung richtet sich im Streitfall nach § 148 ZPO, nicht nach den gegenüber dieser Vorschrift grundsätzlich vorrangigen Art. 27, Art. 28 EuGVO. Letztere Vorschriften setzen voraus, dass bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bzw. Klagen, die im Zusammenhang stehen, anhängig sind. Die österreichischen Verfahren sind nicht bei einem Gericht, sondern beim österreichischen Patentamt anhängig.

b) Die Entscheidung in den österreichischen Verfahren ist vorgreiflich für die Entscheidung im Verfahren 33 O 12133/02 des Landgerichts München I. § 148 ZPO ist auch bei Bezugsverfahren vor ausländischen Behörden anwendbar (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 140); Art. 27, Art. 28 EuGVO stehen dem nicht entgegen, der internationale Markenschutz bei IR-Marken ist für die ersten fünf Jahre unselbständig, d.h. von der Eintragung im Ursprungsland abhängig (vgl. Art. 6 Abs. 2 bis 4 des Madrider Abkommens über die internationale Registrierung von Marken (MMA), abgedruckt bei Fezer, Markengesetz, 3. Aufl., S. 2023 ff; vgl. ferner Fezer aaO Art. 6 MMA, Rdn. 2). Im Streitfall datiert die internationale Registrierung der IR-Marke der Klägerin vom 31.01.2001, weshalb der Schutz dieser Marke noch von der Eintragung der Basismarke Nr. 192 672 in Österreich abhängig ist. Die Vorgreiflichkeit kann im Übrigen nicht deshalb verneint werden, weil, wie der Beklagte geltend macht, die Klägerin als US-amerikanische Corporation mit Sitz in Chicago (vgl. Anlage D zu Anlage B 1; zur Rechtsfähigkeit der Klägerin vgl. Art. XXV Abs. 5 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl 1956 II S. 488, 500), der an den Ort der Gründung der Gesellschaft anknüpft) mangels österreichischer Niederlassung nach dem Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (MMA) nicht schutzberechtigt sei. Nach Maßgabe der §§ 112 bis 115 MarkenG sind die Gerichte an die internationale Registrierung und deren Wirkungen gebunden.

c) In Markenverletzungsprozessen kommt eine Aussetzung in Betracht, wenn ein Löschungsverfahren bezüglich der Klagemarke bzw. bezüglich der Basismarke anhängig ist, von der die Klage-IR-Marke noch abhängig ist (vgl. BGH GRUR 1967, 199, 200 - Napoleon II; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap 48, Rdn. 21), und eine gewisse Aussicht besteht, dass der Löschungsantrag Erfolg hat (vgl. OLG Köln GRUR 1970, 606, 607 - Sir [zum WZG]; Senat OLGR München 2003, 40; SchlHOLG OLGR Schleswig 2001, 313-314; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 55, Rdn. 34). Letzteres hat das Landgericht- ohne dass der Entscheidung des österreichischen Patentamts vorgegriffen werden kann - im Streitfall unter Berücksichtigung der Vereinbarung vom 17.06.2000 (Anlage C zu Anlage B 1) fehlerfrei bejaht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

4. Die Streitwertfestsetzung (Bruchteil der Hauptsache) beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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