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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: 6 U 1547/05
Rechtsgebiete: UWG, KUG


Vorschriften:

UWG § 6
KUG § 22
KUG § 23
Wer bei der im Rahmen vergleichender Werbung (§ 6 UWG) grundsätzlich zulässigen identischen Wiedergabe der Werbeanzeige eines Konkurrenten die Abbildung einer Person mit übernimmt, ohne die Einwilligung des Abgebildeten eingeholt zu haben, verletzt dessen Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG), auch wenn diese Werbeaktion wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 1547/05

Verkündet am 17.11.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung u.a.

erläßt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2005 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Passau vom 9. 12. 2004, Az.: 1 HKO 190/04, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es in Ziffer I. des Tenors anstatt der Worte "bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Zwangsmittel" heißt:

"bei Meidung eines wegen jeder Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten".

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 180.000,- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

A.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils (dort S. 4 - 9) wird in vollem Umfang Bezug genommen.

Das Landgericht Passau hat am 09. 12. 2004 wie folgt entschieden:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Zwangsmittel zu unterlassen, Fotos von D B für Werbezwecke zu verwenden bzw. verwenden zu lassen, wie in der "Passauer Neue Presse" vom 22./23. November 2003 geschehen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, an den Kläger eine fiktive Lizenzgebühr für die werbliche Nutzung seines Bildes zu zahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen,

1. a) ob sie die inkriminierte Anzeige auch in anderen Zeitungen/Zeitschriften geschaltet hat, und, wenn ja, wo, wann und wie oft

und

b) welche Kosten für die Schaltung der Anzeige in der "Passauer Neue Presse" und gegebenenfalls weitere Schaltungen aufgewandt worden sind;

2. a) ob sie Fotos von D B auch für andere Werbemittel (zum Beispiel Prospekte, Plakate, Stellwände, Handzettel, Flyer o.a.) verwendet hat bzw. verwenden ließ, und, wenn ja, für welche Werbemittel, wo, wann und wie oft,

und

b) welche Kosten, gegebenenfalls, für solche anderen Werbemittel aufgewandt worden sind.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

Mit ihrer Berufung vom 5. 1. 2005 (Bl. 85 f. d. A:), "die mit Schriftsatz vom 13. 2. 2005 (Bl. 93-103 d. A.) begründet wurde, hat die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und nach den (auf Klageabweisung lautenden) Schlußanträgen der Beklagten aus der ersten Instanz zu erkennen.

Sie verweist nach wie vor darauf, dass es sich hier um einen Fall vergleichender Werbung handele, der allein an den Vorschriften des UWG zu messen und insoweit nicht zu beanstanden sei. Die Beklagte bezieht sich insbesondere auf die Entscheidung des BGH in GRUR 2002, 72 - Preisgegenüberstellung im Schaufenster, wo explizit entschieden sei, dass eine vollständig identische Wiedergabe der Werbung des Konkurrenten die größtmögliche Authentizität der vergleichenden Werbung sicherstelle und daher unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten erlaubt sein müsse.

Dann könne sich der Kläger aber nicht auf die deliktischen Anspruchsgrundlagen der §§ 823 ff. BGB berufen; diese könnten vielmehr, wenn es um die Beurteilung eines wettbewerbsrelevanten Verhaltens gehe, allenfalls zur Lückenschließung herangezogen werden, und eine solche Lücke sei vorliegend nicht gegeben.

Im übrigen sei durch die Wiedergabe der unstreitig mit Wissen und Wollen erstellten Anzeige das Persönlichkeitsrecht des Klägers in keiner Weise tangiert. Der Kläger habe sein Bild gegen Honorar für Werbezwecke zur Verfügung gestellt; dies könne dann im Sinne des § 22 Satz 2 KUG auch als konkludente Einwilligung in die Wiedergabe dieses Bildes durch die Beklagte gewertet werden. Die Wiedergabe des Bildes des Klägers in der Anzeige einer Konkurrenzfirma könne jedenfalls nicht die Möglichkeit der Beklagten einschränken, diese Anzeige in wettbewerbsrechtlich zulässiger Weise im Zuge einer vergleichenden Werbung identisch abzubilden. Insofern könne nichts anderes gelten, als wenn in einer derartigen vergleichenden Anzeige eine fremde Marke wiedergegeben werde; auch dies sei zulässig.

Im übrigen rügt die Beklagte, dass es für die klägerischen Auskunftsansprüche hinsichtlich der für die beanstandeten Werbemaßnahmen aufgewendeten Kosten keinesfalls eine Anspruchsgrundlage gebe, und dass die im Ersturteil enthaltene Androhung "der gesetzlichen Zwangsmittel" zu unbestimmt sei.

Der Kläger hat beantragt, das Ersturteil aufrechtzuerhalten, und sich hierzu auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils sowie auf seinen gesamten erstinstanzlichen Vortrag bezogen.

B.

Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Ersturteil würdigt die aufgeworfenen Rechtsfragen erschöpfend und mit insgesamt zutreffendem Ergebnis. Lediglich die im Hinblick auf die Unterlassungsverpflichtung ausgesprochenen Zwangsmittelandrohungen waren wie aus dem Urteilstenor ersichtlich zu konkretisieren.

1.

Die Auffassung der Beklagten, wonach der hier vorliegende Sachverhalt allein an wettbewerbsrechtlichen Maßstäben zu messen sei, weshalb allgemeine deliktische Anspruchsgrundlagen ausscheiden müssten, findet im Gesetz keine Grundlage. Das Erstgericht ist deshalb mit Recht nicht näher auf die Frage eingegangen, ob zwischen dem Kläger und der Beklagten überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, kann dies noch nicht dazu führen, dass der Kläger allein deshalb eine Beeinträchtigung seiner in § 823 BGB geschützten absoluten Rechte hinzunehmen hätte. Auch ein etwa bestehendes Wettbewerbsverhältnis kann die Beklagte nicht dazu ermächtigen, das Recht des Klägers am eigenen Bild zu beeinträchtigen, wenn keiner der in §§ 22, 23 KUG genannten Ausnahmefälle vorliegt.

Die Entscheidung des BGH in GRUR 2002, 72 - Preisgegenüberstellung im Schaufenster, die sich mit der Zulässigkeit vergleichender Werbung befasst, ist daher für den vorliegenden Fall ohne Belang. In der dortigen Fallgestaltung hat die Frage der Nutzung des Bildes einer fremden Person ersichtlich keine Rolle gespielt. Ob die vergleichende Werbung, die die Beklagte hier vorgenommen hat, unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig war oder nicht, ist für die hier streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers nicht relevant.

Auch die übrigen Gerichtsentscheidungen, auf die sich die Beklagte erstinstanzlich zur Stützung ihrer Auffassung berufen hat (Anlagenkonvolut JS 1), sind für die hier zu beurteilende Rechtsfrage nicht einschlägig. In den Entscheidungen des OLG Karlsruhe (6 U 39/04) und des LG Mainz (1 O 44/04) war jeweils das Gesicht der abgebildeten Person nicht erkennbar. Das LG Darmstadt (1 O 634/03) hat die Eilbedürftigkeit der beantragten Einstweiligen Verfügung verneint, das OLG Koblenz (4 W 5/04) hat das Rechtsschutzinteresse verneint. Das LG Frankenthal (6 O 493/03) hat den Sachverhalt ebenfalls an § 22 KUG gemessen, aber einen Fall des § 23 Abs. 1 Nr. 1 angenommen.

2.

Mit dem Erstgericht bleibt daher festzustellen, dass der Kläger gem. § 1004 BGB in Verbindung mit § 22 KUG Unterlassung und gemäß § 823 I BGB in Verbindung mit § 22 KUG Schadensersatz verlangen kann.

Das Recht am eigenen Bild gem. § 22 KUG ist ein absolutes "sonstiges" Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (Palandt-Sprau, BGB, 65. Aufl., § 823 Rn 112 a m.w.N.), dessen Verletzung dem Inhaber in analoger Anwendung von § 1004 BGB einen Unterlassungsanspruch gibt.

Der Kläger hat zwar einem Wettbewerber der Beklagten gegen Honorar gestattet, sein Bild in der Werbung zu verwenden. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt darin aber keine konkludente Einwilligung in eine entsprechende Nutzung durch jeden beliebigen Konkurrenten seines Vertragspartners. Es ist zwar richtig, dass der Kläger hier grundsätzlich seine Einwilligung in eine kommerzielle Nutzung seines Bildes erteilt hat; gleichwohl bleibt es ihm unbenommen, selbst zu entscheiden, wem er eine solche Einwilligung erteilt und wem nicht. Insoweit ist den Ausführungen des Ersturteils nichts hinzuzufügen.

Im Hinblick auf die bereits geschehenen Verletzungshandlungen steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch zu. Um diesen der Höhe nach angemessen beziffern zu können, ist er auf die begehrten Auskünfte angewiesen; die Beklagte schuldet daher diese Auskünfte gem. § 242 BGB. Auch die Kosten, die der Beklagten für die fraglichen Werbemaßnahmen entstanden sind, sind für die Bemessung des Schadensersatzes von Bedeutung, sodass die Beklagte auch insoweit Auskunft schuldet.

3.

Richtig ist, dass die angedrohten Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch konkret zu bezeichnen sind; die pauschale Verweisung auf "gesetzlich vorgesehene" Zwangsmittel reicht insoweit nicht aus. Hierzu kann auf die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH in WRP 1995, 923 verwiesen werden. Insoweit war das Ersturteil abzuändern; im übrigen war es aufrecht zu erhalten.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die geringfügige Abänderung des Ersturteils hat lediglich klarstellenden Charakter und rechtfertigt keine Kostenquotelung nach § 92 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.

Die Revision war nicht zuzulassen; die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Beklagte hat zwar Rechtsfragen aufgeworfen; diese lassen sich aber so eindeutig beantworten, dass weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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