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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 6 U 1623/07
Rechtsgebiete: UWG, BO für Zahnärzte


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8
BO für Zahnärzte § 8 Abs. 2
Das Betreiben einer Internetplattform, bei der sog. Forumsärzte die Möglichkeit erhalten, ein Kostenangebot oder einen Kostenvoranschlag eines Kollegen nachträglich - durch welche Einsparungen auch immer - ohne Untersuchung des Patienten zu unterbieten, kann wettbewerbswidrig sein.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 1623/07

Verkündet am 13. März 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung (UWG)

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2008 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.11.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 112.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

gemäß § 540 ZPO

I.

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer von der Beklagten betriebenen Internetplattform.

Die Kläger sind Zahnärzte in München bzw. Ingolstadt. Die Beklagte betreibt unter der Intemetanschrift "....de" einen virtuellen Marktplatz nach folgenden tatsächlichen Kriterien:

Ein registrierter Patient, der ein geringfügiges Entgelt entrichtet, stellt den Heil- und Kostenplan bzw. den Kostenvoranschlag, den sein Zahnarzt erstellt hat, auf dem Internetportal öffentlich zur Verfügung, ohne dass der Urheber dieses Kostenplans bzw. Kostenvoranschlags genannt wird. Andere Zahnärzte können diesen Heil- und Kostenplan, bzw. Kostenvoranschlag, bewerten und ihre eigene Kostenschätzung innerhalb einer bestimmten Laufzeit abgeben. Nach Ablauf der Laufzeit werden dem Patienten die fünf preiswertesten Kostenschätzungen ohne Angabe von Namen und Adressen der Zahnärzte mitgeteilt. Entscheidet sich der Patient für eine bestimmte Kostenschätzung, teilt die Beklagte dem Zahnarzt die Kontaktdaten des Patienten mit und dem Patienten die Kontaktdaten des Zahnarztes. Die teilnehmenden Zahnärzte müssen, wenn der Patient sich daraufhin in ihre Praxis begibt und ein Behandlungsvertrag zustande kommt, der Beklagten ein Entgelt in Höhe von 20 % ihres Honorars entrichten. Die Patienten geben nach der Behandlung eine Beurteilung des betreffenden Zahnarztes auf der Plattform ab, bei der auch zu bewerten ist, wie gut sich der Zahnarzt an seine Kostenschätzung gehalten hat.

Auf Grund dieses von der Beklagten betriebenen Internetauftritts kommt es in ca. 1/3 aller Fälle zu einem Abschluss zwischen Patient und einem der teilnehmenden Zahnärzte.

Die Kläger waren in erster Instanz der Auffassung, dass der Betrieb dieses Internetportals ein Anstiften der Beklagten zum Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften der Zahnärzte darstelle. Dabei lägen insbesondere Verstöße gegen die §§ 8 und 21 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte (im Folgenden: BO) vor. Bei diesen Vorschriften handele es sich um sog. Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.

Die Kläger beantragten,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren, wobei eine gegen die Beklagte festzusetzende Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

eine Internetplattform bereitzuhalten oder für eine Internetplattform zu werben, die wie folgt gekennzeichnet ist:

a) Patienten stellen ihren Heil- und Kostenplan (HKP) oder einen Kostenvoranschlag in den virtuellen Marktplatz ein.

b) Zahnärzte geben auf dem virtuellen Marktplatz für zahnärztliche Leistungen Kostenschätzungen auf die von den Patienten eingestellten HKP oder Kostenvoranschläge ab.

c) Den Parteien werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit die fünf preiswertesten Kostenschätzungen der jeweiligen Zahnärzte mitgeteilt.

d) Die Zahnärzte bezahlen für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes ein Nutzungsentgelt.

Die Beklagte beantragte:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte war der Auffassung, die von ihr angebotene Plattform sei nicht wettbewerbswidrig. Sie trug vor, dass Einsparungen im Wesentlichen im Bereich der zahntechnischen Leistungen erfolgten und nicht beim zahnärztlichen Honorar selbst. Verstöße gegen die Berufsordnung wurden von der Beklagten in Abrede gestellt.

Mit der Plattform sei lediglich eine Dienstleistung angeboten worden, mittels derer die Preise der Zahnärzte für Zahnersatz für die Patienten transparent würden. Der Internetmarktplatz der Beklagten stelle auch keine Auktionsplattform dar. Nur in ca. 40 % der Fälle werde die günstigste Kostenschätzung gewählt. Lediglich in 1/3 der Fälle komme es überhaupt zu einer Behandlung des Patienten.

Mit Endurteil vom 15.11.2006 verurteilte das Landgericht München I die Beklagte antragsgemäß. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, mit der von der Beklagten betriebenen Internetplattform stifte diese an bzw. leiste sie Beihilfe zu berufsordnungswidrigen unerlaubten Handlungen. Diese Handlungsweise sei daher gemäß § 4 Nr. 11 UWG zu unterlassen.

Im Einzelnen bejaht das Landgericht Verstöße gegen §§ 8 Abs. 2 und 21 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung für Zahnärzte. Die Beklagte verstoße auch selbst gegen § 8 Abs. 5 der Berufsordnung für Zahnärzte, indem sie sich von dem Zahnarzt, mit dem aufgrund seiner Teilnahme an der Auktion ein Behandlungsvertrag zustande komme, ein Entgelt von 20 % seines Honorars bezahlen lasse.

Bezüglich der weiteren Begründung des Landgerichts im Einzelnen sowie bezüglich des weiteren streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung insgesamt Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte zunächst, das Landgericht habe nach Lebenserfahrung entschieden, ohne darzustellen, woher seine Erkenntnisse stammten. Ein Verdrängen im Sinne von § 8 Abs. 2 BO sei schon deshalb nicht gegeben, weil im konkreten Fall die Aktivität vom Patienten ausgehe und die Kostenschätzung durch den zweiten Arzt nicht dazu führe, dass er an die Stelle des ursprünglichen Arztes trete. Ein Wechsel zum neuen Arzt beruhe allein auf dem Patientenentschluss, der unabhängig von der Kostenschätzung des zweiten Arztes sei. Eventuell erfolge auch eine Rücksprache mit dem ursprünglichen Zahnarzt. Auch sei ein "Versuch" insoweit nicht ausreichend, § 8 Abs. 2 BO verlange vielmehr einen Erfolg. Dass die Forumsanbieterzahnärzte nicht kostendeckend arbeiten würden, werde vom Landgericht einfach unterstellt. § 5 GOZ biete einen Spielraum von 1 - 3,5-fachen Satz. Seit 01.10.2006 sei als Mindestzahnarzthonorar der 1,44-fache Satz eingeführt worden. Von einem Preisdumping könne nicht ausgegangen werden, sondern es werde lediglich der Wille zum Unterschreiten des 2,3-fachen Satzes in Richtung 1,8-facher Satz bestärkt. Hauptsächlich die Laborkosten würden gesenkt. Insoweit handle es sich um handwerkliche und nicht um zahnärztliche Leistungen.

Darüber hinaus beruft sich die Beklagte auf den Schutz des Art. 12 GG, denn ein Verbot der Plattform stelle einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit dar. Insoweit bedürfe es zumindest einer Differenzierung zwischen zahnärztlichen Leistungen und Laborleistungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestünde auch keine faktische Bindung der Forumsärzte bei nicht vorhandener Kostendeckung. Im Übrigen treffe sie das Gewährleistungsproblem wie auch im sonstigen Vertragswesen. Aus der betriebenen Plattform heraus ergebe sich auch kein Automatismus dahingehend, dass der Patient immer den günstigsten Arzt wähle. Der Preis sei nur ein Auswahlfaktor. Rechtlich sei kein Unterschied, ob sich der Patient mit oder ohne die Beklagte ein anderes Angebot eines Zahnarztes einhole.

Auch ein Verstoß gegen § 21 der Berufsordnung sei nicht gegeben. Insoweit wird Bezug genommen auf die Seiten 13 ff. der Berufungsbegründung vom 14.03.2007.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch von keiner Teilnahmehandlung der Beklagten auszugehen. Zum einen fehle es schon an einer Haupttat, zum anderen sei die Beklagte auch nicht Veranlasserin. Die maßgeblichen Aktivitäten gingen vielmehr vom Patienten selbst aus.

Im Übrigen nehme die Beklagte auch keine eigene Patientenvermittlung im Sinne von § 8 Abs. 5 BO vor. Das von den Forumsärzten entrichtete Entgelt stelle lediglich eine Gegenleistung für die Gewährleistung der Nutzungsmöglichkeit der Internetpräsenz der Beklagten dar.

Ein wettbewerbswidriges Handeln der Beklagten könne auch nicht mit § 49 b Abs. 3 Satz 1 BRAO begründet werden.

Der Klageantrag sei unzulässig, weil in ihm die Verurteilung zu einer Handlung zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr fehle. Im Übrigen sei der Antrag auch zu unbestimmt. Die Gliederungspunkte des Klageantrags seien mit den vom Kläger geltend gemachten Vorschriften nicht vereinbar.

Faktisch liege der Fall so, dass der Patient bei der Beklagten sich eine zweite Meinung einhole. Auch das Kammergericht Berlin habe sich in einer Entscheidung mit der Internetplattform des Beklagten beschäftigt und festgestellt, dass die Beklagte in sinnvollster Art und Weise dazu beitrage, dass Patienten gesundheitlich sinnvolle zahnärztliche Vorbeugemaßnahmen in Anspruch nehmen könnten.

Bei der Beklagten fänden jedenfalls keine Auktionen statt.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts München I vom 15.11.2006 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kläger beantragen:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind zunächst der Auffassung, dass die Berufungsklägerin nicht aufgezeigt habe, an welcher Stelle dem Landgericht ein Irrtum unterlaufen sein sollte. Unter Verteidigung der landgerichtlichen Entscheidung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags halten die Kläger daran fest, dass durch die Internetplattform der Beklagten eine Verdrängung im Sinne von § 8 Abs. 2 BO stattfinde. Die Beklagte stifte zu dieser Verdrängung an. Im Rahmen dieser Regelung käme es auf den Wechselentschluss des Patienten selbst nicht an. Die Bestimmung setze auch einen Erfolg nicht voraus, auch wenn dieser im konkreten Fall tatsächlich eingetreten sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten würden auch bei den zahnärztlichen Leistungen entsprechende Abstriche von den Forumsärzten vorgenommen. Selbst wenn mittlerweile ein Mindesthonorar in Höhe des 1,44-fachen Satzes eingeführt worden sein sollte, beseitige dieser Umstand nicht die Wiederholungsgefahr und würde im Übrigen auch bestritten.

Die Internetplattform der Beklagten führe zu einem Honorardumping, da auch sachfremde Erwägungen von Forumsärzten angestellt werden müssten.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf Art. 12 des Grundgesetzes berufen, da die Berufsordnung ein Gesetz im materiellen Sinn sei. Die Gewährleistungsregelungen seien nicht ausreichend, um die faktische Bindung der Forumsärzte an ihre Kostenschätzung zu verhindern. Der Preis sei das einzig vorab objektivierbare Kriterium für den Patienten. Faktisch finde ein Verzocken ärztlicher Leistungen im Internet statt.

Das Verhalten der Beklagten verstoße auch gegen § 21 BO. Insoweit wird auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 27.08.2007, Seite 10 ff. und 14 ff. des Schriftsatzes vom 20.02.2008 verwiesen.

Soweit die Beklagte darauf verweise, dass der Gesetzgeber grundsätzlich mehr Kostentransparenz im Gesundheitswesen anstrebe, sei es jedenfalls nicht gesetzgeberischer Wille, das Berufsrecht zu lockern.

Das Verhalten der Beklagten stelle eine Beihilfehandlung dar, mit der die Beklagte auch ihr eigenes Unternehmen fördere. Die Beklagte schaffe die technischen Voraussetzungen um letztendlich ein 20 %iges Honorar zu erlangen. Das Verhalten der Beklagten könne daher auch als Anstiftungshandlung verstanden werden. Das Normverbot des § 8 Abs. 5 BO richte sich auch gegen Dritte. Die Kläger halten deshalb auch weiterhin daran fest, dass das Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen § 8 Abs. 5 BO darstelle.

Soweit die Beklagte rüge, dass der Unterlassungsantrag nicht ein Handeln zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr enthalte, sei festzuhalten, dass der Antrag nur so einen Sinn entfalte. Der Antrag sei auch nicht unbestimmt, denn die Kumulation der Einzelpunkte des Klageantrags ergebe die konkrete Verletzungsform.

Entgegen der Auffassung der Beklagten würde der Patient auch keine zweite Meinung einholen, sondern tatsächlich fände ein Feilschen statt. Dem Urteil des Kammergerichts Berlin läge ein anderer Sachverhalt zugrunde. Art. 12 des Grundgesetzes könne nicht für verbotene Tätigkeit Schutzwirkung entfalten. Eine Auktion im Rechtssinne sei für die Annahme einer Wettbewerbswidrigkeit der Internetplattform der Beklagten nicht erforderlich.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt und die gewechselten Schriftsätze verweisen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht München I hat die Beklagte zu Recht dem Klageantrag entsprechend verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

A

Die Klage ist zulässig.

1. Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil in den Klageantrag (und in den Urteilstenor) nicht aufgenommen wurde, dass der Beklagten ihr Verhalten lediglich zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr verboten werden soll.

Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass diese Einschränkung im Klageantrag nicht enthalten ist, jedoch ergibt sich aus dem gesamten klägerischen Vortrag, dass das Fehlverhalten der Beklagten lediglich unter diesem Gesichtspunkt einem Verbot zugeführt werden soll. Aus Sicht des Senats ist dieser Umstand derartig deutlich hervortretend, dass es keiner Korrektur des Klageantrags bedarf.

2. Die Klage ist auch nicht unbestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Zur Erreichung eines wettbewerbsrechtlichen Verbotes ist es erforderlich, die konkrete Verletzungsform zu umschreiben. Die Kläger haben durch die Kumulation im Klageantrag unter a) - d) sämtliche Merkmale zusammengefasst, die aus ihrer Sicht und auch aus Sicht des Senats die konkrete Verletzungsform hinreichend umschreiben.

Dass dabei nicht ausdrücklich auf eine berufsrechtliche Bestimmung Bezug genommen ist, ist schon deshalb unschädlich, weil die rechtliche Subsumtion nicht im Klageantrag zu erfolgen hat. Dass eine mögliche Folge eines Berufsordnungsverstoßes, wie sie in einer entsprechenden Norm der Berufsordnung niedergelegt ist, wie hier beispielsweise die Verdrängung, im Klageantrag nicht enthalten ist, ist Folge des beanstandeten konkreten Verstoßes. Eine Aufnahme in den Klageantrag ist hier nicht geboten.

Im Übrigen haben die Kläger alle maßgeblichen Punkte der Internetplattform der Beklagten in den Merkmalen a) - d) zusammengefasst und damit die konkrete Verletzungsform beschrieben, deren Unterlassung sie begehren. Die Aufnahme einer konkreten Norm oder eines Norminhalts ist nicht erforderlich.

B

Die Klage ist auch begründet.

Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 8 Abs. 2 BO zu.

Das Landgericht München I hat auf Seite 11 unter 1 der Entscheidungsgründe ausführlich und mit zutreffender Begründung einen Verstoß gegen § 8 Abs. 2 BO begründet. Es kommt dabei zu dem Ergebnis, dass der bisherig tätige Zahnarztkollege durch den neuen Kollegen aus dem Behandlungsvertrag verdrängt wird. Der Senat schließt sich insoweit der Begründung des Landgerichts an.

Soweit das Landgericht daneben weitere Erwägungen zur Begründung eines Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 BO anstellt, kann dahinstehen, inwieweit diese Argumentation auf eine Lebenserfahrung gestützt werden kann, denn jedenfalls handel es sich insoweit allenfalls um Hilfserwägungen.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen folgendes auszuführen:

1. Gemäß § 8 Abs. 2 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte in der Fassung vom 18.01.2006 ist es berufsunwürdig, einen Kollegen aus seiner Behandlungstätigkeit oder als Mitbewerber um eine berufliche Tätigkeit durch unlautere Handlungen zu verdrängen.

Aus Sicht des Senats führt die Internetplattform der Beklagten dazu, dass die sog. Forumsärzte die Möglichkeit erhalten, ein Kostenangebot oder einen Kostenvoranschlag eines Kollegen nachträglich - durch welche Einsparungen auch immer - zu unterbieten und damit beim potentiellen Patienten einen Willensentschluss dahingehend entfachen, dass dieser allein aus Kostengesichtspunkten vom Behandlungsverhältnis mit dem ursprünglichen Zahnarzt Abstand nimmt oder ein solches nicht mehr eingeht, um sich bei dem unterbietenden Zahnarztkollegen in Behandlung zu geben. Dass dies auch gerade Ziel des Forums ist, belegt der Umstand, dass die Beklagte den Betrieb ihres Unternehmens u.a. mit Zustandekommen solcher Vertragsverhältnisse finanziert. Der ursprünglich behandelnde Zahnarztkollege spielt im System der Beklagten keine Rolle mehr, denn er wäre der Einnahmenerzielung auch hinderlich. Mag auch der Patient im Einzelfall wieder zum ursprünglichen Zahnarzt zurückkehren oder bei ihm verbleiben, Ziel des Forums ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise allein, das alte Behandlungsverhältnis zu kappen und ein neues Behandlungsverhältnis zu begründen und damit die Verdrängung des "Altkollegen" zu bewirken.

Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, die Internetplattform diene allein der Transparenz und der Kostenersparnis im Gesundheitswesen, vermögen diese Gesichtspunkte zwar durchaus für sich gesehen zutreffen, dies ändert jedoch nichts daran, dass durch die Zurverfügungstellung der Plattform ein Zahnarztkollege faktisch durch andere Zahnarztkollegen ersetzt werden soll und dies nur aufgrund eines einzigen und allein objektivierbaren Umstandes, nämlich den Preis.

Dass im Nachhinein möglicherweise auch andere Gesichtspunkte für den Patienten eine Rolle spielen können, vermag hieran nichts zu ändern, denn Ausgangspunkt aller Wechselüberlegungen des Patienten ist und bleibt zunächst der Preis. Dies ist schon deshalb der Fall, weil eine Untersuchung durch die Forumsärzte nicht stattfindet. Es ist somit zwar grundsätzlich der freie Wille des Patienten, den Zahnarzt zu wechseln, den entscheidenden und maßgeblichen Anstoß dazu erhält er jedoch durch die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Plattform, weil erst diese es ihm ermöglicht, ohne weiteren direkten zahnärztlichen Kontakt überhaupt andere Kostenangebote zu erhalten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten würde es aus Sicht des Senates auch schon ausreichen, wenn die Gefahr bestünde, dass eine Verdrängung eintritt, tatsächlich ist es aber so, dass in ca. 1/3 aller Fälle es zu einem Zahnarztwechsel kommt und damit ein Erfolg in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen auch eintritt.

2. Soweit die Beklagte sich in ihrer Argumentation im Wesentlichen darauf stützt, es sei rechtlich kein Unterschied, ob der Patient mit oder ohne die Beklagte sich Angebote anderer Ärzte einhole, vermag dieses Argument den Senat nicht zu überzeugen.

Selbst wenn der Patient tatsächlich die Anstrengung unternimmt, bei mehreren Zahnärzten verschiedene Kostenvoranschläge einzuholen, so sind diese regelmäßig jedoch mit einem unmittelbaren und direkten Kontakt mit dem zweitbehandelnden bzw. zweitanbietenden Zahnarzt verbunden mit der Folge, dass auch eine Untersuchung stattfinden wird.

Eine Vorgehensweise des Patienten dahingehend, weitere Angebote zwar in direkten Kontakt, aber ohne weitere Untersuchung einzuholen, wie dies beim Forum der Beklagten der Fall ist, hält der Senat für unrealistisch und würde von einem Patienten kaum vorgenommen werden.

3. Ob von Seiten der Beklagten nunmehr ein Mindesthonorar des 1,44-fachen Satzes eingeführt wurde, kann aus Sicht des Senats dahinstehen, da jedenfalls die Wiederholungsgefahr für den bisher vorliegenden Verstoß damit nicht beseitigt wird. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, inwieweit dadurch eine Verdrängung verhindert werden könnte.

Im Ergebnis bleibt es vielmehr dabei, dass der ursprünglich anbietende Zahnarzt durch die nachträglich geschaffene Unterbietungssituation ohne selbst beeinflussbare Möglichkeit, gegen die Unterbietung zu argumentieren, von den Forumsärzten gleichsam "ausgebootet" werden kann.

Worin die tatsächlichen Kostenreduzierungen liegen, ob diese nun im labortechnischen oder im zahnärztlichen Bereich liegen, spielt aus Sicht des Senats keine grundlegende Rolle, denn für die Frage, ob der ursprüngliche Zahnarzt das Behandlungsverhältnis verliert oder nicht bzw. bekommt oder nicht, sind diese Erwägungen nicht von Belang. Gleiches gilt für die Frage, wie der Schwierigkeitsgrad einer Behandlung subjektiv zu beurteilen ist. Die Frage der Kostendeckung und der Gewährleistungspflicht der Forumsärzte spielen für die Verdrängungsfrage ebenfalls keine Rolle und können daher außen vor bleiben.

Die Verdrängung ist auch deshalb in besonderem Maße unlauter, weil die Forumsärzte eine Sichtung des Patienten überhaupt nicht vornehmen, sondern allein von der Papierform her entscheiden. Alle tatsächlichen Grundlagen, die der ursprünglich behandelnde Zahnarzt zur Grundlage seines Angebots erklärt, können damit gar nicht Grundlage ihrer Angebotsinteressen sein.

4. Soweit sich die Beklagte auf eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin beruft, handelt es sich insoweit ersichtlich um einen völlig anderen Sachverhalt, der für die Entscheidung des vorliegenden Falls nicht von Relevanz ist.

5. Bei der hier maßgeblichen Bestimmung des § 8 Abs. 2 der Berufsordnung handelt es sich auch um eine Marktverhaltensregel (Hefermehl/Köhler/Bomkamm-Köhler, UWG, Kommentar, 26. Auflage, § 4 Rd. 11.73 f.). Sie kann daher im Rahmen des § 4 Nr. 11 UWG auch Grundlage einer entsprechenden Verurteilung sein.

Die Regelung ist nach ihrer Formulierung ein berufsordnungrechtlicher Ausfluss des allgemein im Wettbewerbsrecht herrschenden Prinzips, einen unlauteren Verdrängungswettbewerb zu unterbinden. Seine ausdrückliche Kodifizierung im Rahmen einer Berufsordnung zeigt, dass auch hier jedenfalls diesbezüglich keine anderen Regelungen gelten sollen. Es handelt sich um eine berufliche Verhaltensregel, die damit ohne weiteres den Charakter einer Marktverhaltensregel in sich trägt.

6. Die Beklagte nimmt an dem Berufsordnungsverstoß der Forumsärzte dadurch teil, dass sie die Plattform in technischer Weise entsprechend zur Verfügung stellt und damit den Berufsordnungsverstoß überhaupt erst ermöglicht.

Dies stellt aus Sicht des Senats eine Beihilfehandlung im Sinne von § 830 Abs. 2 BGB dar, der auch im Rahmen von Verstößen gegen das UWG entsprechend anwendbar ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 11.22).

7. Der Verstoß der Beklagten kann seine Rechtfertigung auch nicht in Art. 12 des Grundgesetzes finden.

Bei den berufsrechtlichen Regelungen handelt es sich um Gesetze im materiellen Sinn (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, a.a.O., § 4 Rd. 11.74), die die Berufsausübungsfreiheit der Beklagten in verfassungsrechtlicher Art und Weise einzuschränken vermögen. Für die von der Beklagten postulierte Differenzierung zwischen zahnärztlichen Leistungen und Laborleistungen findet sich auch aus diesem Grunde kein Raum.

Da das Verhalten der Beklagten somit eine Beihilfehandlung zu einem Verstoß gegen § 8 Abs. 2 BO darstellt, ist die entsprechende Verurteilung durch das Landgericht nicht zu beanstanden. Wie bereits oben ausgeführt, bedarf es keiner Aufnahme des Begriffs "verdrängen" in den Klageantrag, da dieser auch normativ auslegungsbedürftig ist.

Ob daneben auch ein Verstoß gegen die §§ 8 Abs. 5 BO oder 21 Abs. 1 Satz 2 BO vorliegt, kann dahinstehen

Da das Landgericht die Beklagte daher zu Recht verurteilt hat, ist die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

C

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen.

Revisionsgründe ergeben sich weder aus dem Sachvortrag der Parteien noch aus den Umständen. Soweit die Beklagte im Verhandlungstermin die Zulassung der Revision beantragt hat, wurden keine Gründe vorgebracht. Auch wenn die Sache für die Beklagte von besonderer Bedeutung sein mag, ergibt sich hieraus noch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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