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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 04.09.2003
Aktenzeichen: 6 U 3170/03
Rechtsgebiete: BGB, UWG, HOAI


Vorschriften:

BGB § 1004
UWG § 1
UWG § 13 II Nr. 2
HOAI § 4
Einen allgemeinen Grundsatz, wonach es für die Störerhaftung eines potentiellen Auftraggebers allein genüge, dass die notwendigen Honorierungsparameter für die Angebotserstellung (Herstellungskosten des Objekts, Honorarzone, Leistungsumfang) nicht angegeben wurden, ohne dass es auf die konkreten Umstände des Streitfalls und insbesondere auf die Frage ankäme, ob die Abfassung des angegriffenen Schreibens die Annahme rechtfertigen kann, den angeschriebenen Ingenieuren werde eine Unterschreitung der Mindesthonorare noch der HOAI nahegelegt, gibt es nicht.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 3170/03

Verkündet am 4. September 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung u. a. (UWG)

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. September 2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 15.01.2003 (1 HK O 6333/02) wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.600,00 Euro abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

(gemäß § 540 ZPO)

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Folgende Ergänzungen sind veranlasst: In dem Schreiben der Beklagten vom 02.11.2001 (Anlage K 2) heißt es: "Ausschreibung Bauvorhaben ... anbei übersenden wir Ihnen die Baubeschreibung für oben genanntes Bauvorhaben mit der Bitte, uns ein Angebot für die statistische Planung zu unterbreiten. Für Rückfragen steht Ihnen unser Architekt ... jederzeit gerne zur Verfügung. Wir bitten um Angebotsabgabe bis spätestens 16. November 2001 ..." Die zu einer der HOAI entsprechenden Angebotserstellung notwendigen Honorierungsparameter, nämlich die Herstellungskosten des Objekts, aus denen sich die anrechenbaren Kosten bestimmen lassen, die Honorarzone und der Leistungsumfang, wurden weder mitgeteilt, noch waren sie aus den beigefügten Anlagen (Anlagen K 2 a bis K 2 e) ermittelbar.

Hierwegen hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15.07,2002 (Anlage K 3) abgemahnt und u.a. in Aussicht gestellt, die Abmahnung zurückzunehmen, sofern die Beklagte der Klägerin alle eingegangenen Angebote, insbesondere auch das Angebot des Büros, das mit dem Zuschlag bedacht wurde bzw. den geschlossenen Ingenieurvertrag, zur Überprüfung überlässt. Mit Schreiben vom 24.07.2002 (Anlage K 4) hat die Beklagte der Klägerin u.a. mitgeteilt, es sei ihr nicht bewusst gewesen, nach welchen Kriterien Preisinformationen für Ingenieurdienstleistungen eingeholt werden. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben. Zwischen der Beklagten und dem Dipl.-Ing. Peter K. kam ein der Klägerin vorliegender und von ihr überprüfter Vertrag zustande, in welchem die Leistungsphasen 2 und 3 zwar nicht angeboten, allerdings auch weder von der Beklagten vergeben noch von dem genannten Ingenieur erbracht wurden. Mit Schreiben vom 17.12.2002 (Anlage K 13) hat der genannte Diplom Ingenieur der Klägerin u.a. mitgeteilt, er könne von seiner Seite versichern, dass er sämtliche nicht angebotenen Leistungen nicht erbracht habe.

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidung und ihrer Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihren erstinstanziellen Sach- und Rechtsvortrag wiederholt und vertieft. Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, die Honoraranfrage der Beklagten vom 02.11.2001 stelle eine Aufforderung zur Abgabe des Honorarangebots "abweichend von der HOAI" und somit einen Verstoß gegen die HOAI dar. Dies folge daraus, dass die Angebotsaufforderung der Beklagten vom 02.11.2001 die erforderlichen Honorierungsparameter nicht enthalte, so dass ein Angebot auf Basis der HOAI nach den mitgeteilten Angaben nicht habe erstellt werden können. Durch diese unzulängliche Angebotsaufforderung habe die Beklagte adäquat kausal die potentiellen Anbieter zu einer wettbewerbswidrigen Unterschreitung der in der HOAI vorgeschriebenen Mindesthonorare angehalten. Ohne Mitteilung der vorgeschriebenen Honorierungsparameter der HOAI dürfe daher nach der HOAI nicht dazu aufgefordert werden, Honorarangebote abzugeben. Der hierin liegende Wettbewerbsverstoß der Beklagten sei auch geeignet, den Wettbewerb der Ingenieure untereinander in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Ein Verweis auf den Architekten genüge regelmäßig nicht, zumal dem Auftraggeber zumutbar sei, sich die erforderlichen Angaben selbst beim Architekten zu beschaffen und in der Anfrage mitzuteilen. Dass die anrechenbaren Kosten auch durch vertragliche Vereinbarung festgelegt werden können und sich die Honorarzone nach der Schwierigkeit des Tragwerks richtet, spiele keine Rolle, denn im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sei allein darauf abzustellen, ob die Honorarparameter im Aufforderungsschreiben angegeben sind oder nicht. Vorliegend komme hinzu, dass tatsächlich aufgrund der Honoraranfrage der Beklagten vom 02.11.2001 ein Vertrag zu Konditionen unterhalb der HOAI dadurch zustande gekommen sei, dass die Leistungsphasen 2 und 3 nicht angeboten wurden, ohne dass dem "eine anderweitige Leistungserbringung" gegenüber gestanden habe. Der beauftragte Ingenieur habe sich auch nicht damit verteidigt, die Leistungsphasen 2 und 3 würden anderweit erbracht, denn nur dieser Fall würde zur Herausnahme der Leistungen berechtigen. Dies sei auch unsinnig, da die Leistungsphasen aufeinander aufbauen würden.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts München II vom 15.1.2003, Aktenzeichen: 1 HK O 6333/02 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes zwischen 5.001,00 EUR und 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen in Bayern Ingenieure zur Abgabe von Honorarangeboten aufzufordern, ohne dass alle zur Angebotserstellung notwendigen Honorierungsparameter (anrechenbare Kosten, Honorarzone, Leistungsumfang) mitgeteilt werden.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 210.00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanziellen Sach- und Rechtsvortrags das angefochtene Urteil. Die Beklagte ist in erster Linie der Auffassung, bei dem streitgegenständlichen Schreiben gemäß Anlage K 2 habe es sich nicht um eine Aufforderung zur Abgabe eines die HOAI-Sätze unterschreitenden Honorarangebots gehandelt, denn die Abgabe eines verbindlichen Angebots sei auf der Grundlage des Anschreibens der Beklagten vom 02.11.2001 unstreitig überhaupt nicht möglich gewesen. Da weder die erforderlichen Honorierungsparameter angegeben gewesen seien, noch die angefragte Leistung detailliert beschrieben worden sei, sei auch für den Empfänger des streitgegenständlichen Schreibens klar ersichtlich gewesen, dass eine Angebotsabgabe auf dieser Grundlage weder erfolgen könne noch solle. Die selbst nicht fachkundige Beklagte habe auch davon ausgehen dürfen, dass sich die jeweiligen Anbieter an die für sie geltenden Vorgaben, Verordnungen und Gesetze halten und erforderlichenfalls die nötigen Informationen von dem zu diesem Zweck genannten Architektenbüro einholen. Im übrigen ist die Beklagte der Auffassung, dass der Vertrag mit dem beauftragten Planer nicht gegen die HOAI verstoße, da auch nach den Regeln der HOAI nur diejenigen Leistungen angeboten, in Rechnung gestellt und bezahlt werden müssten, die der beauftragte Planer auch tatsächlich vertraglich erbringt. Eine Zuziehung des Statikers durch den beauftragten Gebäudeplaner, der als Architekt auch in statischen Fragen ausgebildet sei, sei in den Leistungsphasen 2 und 3 bei einfachen Bauwerken weder notwendig, noch sei sie vorliegend geschehen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und seiner Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien, die von ihnen in Bezug genommenen Urkunden und Unterlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 4.9.2003 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat die zulässige Klage mit im Ergebnis zutreffenden Erwägungen abgewiesen.

Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

1. Der Klägerin steht der von ihr gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 DWG in Verbindung mit § 4 HOAI gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten vom 02.11.2001 (Anlage K 2) nicht geeignet ist, eine Störerhaftung der Beklagten auszulösen.

1.1 Hierbei ist der Senat mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst davon ausgegangen, dass in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB derjenige als Störer haftet, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten in der Weise beteiligt ist, dass er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH NJW 1997, 2180 ff. "Architektenwettbewerb" m.w.N.).

Ferner geht der Senat mit dem Bundesgerichtshof davon aus, dass eine wettbewerbsrechtliche Störerhaftung der Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn es sich bei dem Verhalten der von ihr angeschriebenen Ingenieure, zu dem die Beklagte als Störerin beigetragen haben soll, um einen Wettbewerbsverstoß handelt. Fehlt es an einer solchen rechtswidrigen Beeinträchtigung, scheidet auch eine Störerhaftung aus (vgl. BGH a.a.O.).

Hiernach sind die Voraussetzungen einer Störerhaftung, aus der allein die Klägerin Rechte gegenüber der Beklagten herleiten könnte, unter den vorliegend obwaltenden konkreten Umständen, wie sie sich aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien ergeben, im Streitfall nicht gegeben.

1.2 In diesem Zusammenhang sieht sich der Senat veranlasst, zunächst darauf hinzuweisen, dass das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten vom 02.11.2001 (Anlage K 2) keineswegs per se gegen die HOAI verstößt, wie dies die Klägerin meint. Der Auffassung der Klägerin, die Honoraranfrage der Beklagten vom 02.11.2001 verstoße gegen die HOAI, da gemäß HOAI Honoraranfragen über die Höhe des Honorars für Ingenieurleistungen, für welche in der HOAI Mindesthonorare vorgesehen sind, sämtliche zur Honorarberechnung notwendigen Angaben enthalten müssten, vermag sich der Senat aus mehreren Gründen nicht anzuschließen. Denn einerseits richten sich die Regeln der HOAI zunächst und in erster Linie an Architekten bzw. Ingenieure und keineswegs an die Beklagte als potentielle Auftraggeberin und andererseits enthält die HOAI keine Vorschrift, wonach eine Honoraranfrage sämtliche zur Honorarberechnung notwendigen Angaben enthalten müsste, wie auch die Klägerin im Ergebnis nicht verkennt.

Gleiches gilt für den Vortrag der Klägerin, die Honoraranfrage der Beklagten verstoße jedenfalls gegen die Regeln der Berufsordnung der Klägerin, da Honoraranfragen über die Höhe des Honorars für Ingenieurleistungen, für die in der HOAI Mindesthonorare vorgesehen sind, sämtliche zur Honorarberechnung notwendigen Angaben enthalten müssten. Auch hier verkennt die Klägerin, dass eine direkte Bindung der Beklagten an die Regeln der Berufsordnung der Klägerin oder an die Regeln der HOAI nicht existiert.

Allein streitentscheidend ist mithin die Frage, ob die konkrete Ausgestaltung des streitgegenständlichen Schreibens der Beklagten vom 02.11.2001 (Anlage K 2) die Annahme rechtfertigt, dass die Beklagte hierdurch in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung eines Wettbewerbsverstoßes seitens der angeschriebenen Ingenieure mitgewirkt hat. Nach Auffassung des Senats war die Honoraranfrage der Beklagten nach Art und Inhalt nicht geeignet, den Wettbewerb der Ingenieure untereinander in unzulässiger, nämlich gegen § 1 UWG verstoßender, Weise zu beeinflussen, denn Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den angeschriebenen Ingenieuren eine von den Vorschriften der HOAI abweichende Art und Weise der Honorarermittlung oder gar eine Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI nahegelegt hätte, ergeben sich auf der Grundlage des vorliegend konkret zu beurteilenden Sachverhalts nicht.

1.3 Zunächst kann auf der Grundlage des unstreitigen Sachvortrags der Parteien schon nicht festgestellt werden, dass es aufgrund des streitgegenständlichen Anschreibens der Beklagten zu einem Wettbewerbsverstoß der angeschriebenen Ingenieure gekommen wäre.

Einen solchen hat auch die Klägerin nur im Hinblick auf den von der Beklagten beauftragten Ingenieur Peter K. behauptet und vorgetragen, der Vertrag sei zu Konditionen unterhalb der HOAI dadurch zustande gekommen, dass die Leistungsphasen 2 und 3 nicht angeboten wurden. Dieser Beurteilung vermag sich der Senat nicht anzuschließen, denn es ist unstreitig, dass die Leistungsphasen 2 und 3 zwar nicht angeboten, allerdings auch weder vergeben noch erbracht wurden. Auch die Klägerin gesteht zu, dass dieser Fall zur Herausnahme der Leistungen berechtigt. Auf die Frage, ob sich der von der Klägerin ebenfalls auf Unterlassung in Anspruch genommene Ingenieur damit verteidigt hat, die Leistungsphasen 2 und 3 würden anderweitig erbracht, kommt es für die Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes nicht an. Allerdings hat der in Anspruch genommene Ingenieur mit Schreiben vom 17.12.2002 (Anlage K 13) gegenüber der Klägerin versichert, er habe sämtliche nicht angebotenen Leistungen auch nicht erbracht. Unter diesen Umständen kommt es auch nicht darauf an, ob die Leistungsphasen derart aufeinanderfolgen, dass die Leistungsphase 4 nicht ohne die Leistungsphase 3 erbracht werden kann. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte überdies zu Recht darauf hingewiesen, dass es ihr freistand, die Leistungsphasen 2 und 3 durch andere Personen, beispielweise ihren Architekten, erbringen zu lassen.

Folglich war die von der Klägerin beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, "dass der Vertrag mit dem beauftragten Bewerber Dipl.-Ing. K. gegen die HOAI verstoße" nicht veranlasst.

Weitere Wettbewerbsverstöße hat die Klägerin weder behauptet, noch ergeben sich sonst aus dem Sachvortrag der Parteien Anhaltspunkte hierfür.

1.4 Die Frage, ob für den Fall, dass es, wie vorliegend, nicht zu einem feststellbaren wettbewerbswidrigen Verhalten der angeschriebenen Ingenieure gekommen ist, eine Störerhaftung der Beklagten wegen des Akzessorietätserfordernisses ausscheidet, oder ob gegen den Störer in dem Fall, dass seine Handlung lediglich eine Beeinträchtigung befürchten lässt, ein Unterlassungsanspruch gleichwohl in Betracht zu ziehen wäre, hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen (vgl. BGH a.a.O., m.w.N.). Diese Frage kann der Senat ebenfalls offen lassen, denn das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten ist nicht geeignet, adäquat kausal eine konkrete Begehungsgefahr bei den angeschriebenen Ingenieuren auszulösen. Ohne das Hinzutreten weiterer konkreter Umstände genügt hierfür entgegen der Auffassung der Klägerin der Umstand allein, dass in dem streitgegenständlichen Schreiben der Beklagten die notwendigen Honorierungsparameter, nämlich die anrechenbaren Kosten, die Honorarzone und der Leistungsumfang, weder mitgeteilt wurden, noch aus den beigefügten Anlagen ermittelbar waren, nicht. Hierbei war zunächst zu berücksichtigen, dass auf der Grundlage des streitgegenständlichen Anschreibens der Beklagten unstreitig eine Angebotserstellung überhaupt nicht möglich war, zumal das Schreiben keinerlei, schon gar keine detaillierten, Angaben zu den angefragten bzw. zu erbringenden konkreten Leistungen enthielt. Wenn nun aber unstreitig auf dieser Basis eine Angebotserstellung nicht erfolgen konnte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass gleichwohl Angebote eingehen und diese außerdem unter den Mindestsätzen der HOAI liegen, denn letzteres wäre dem Zufall überlassen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass angeschriebene Ingenieure ohne jede Veranlassung grundsätzlich systematisch gegen die HOAI verstoßen, existiert, soweit ersichtlich, nicht. Anders als in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs "Gebührenausschreibung" und "Honoraranfrage" (vgl. BGH GRUR 1991, 540 und BGH GRUR 1991, 769 jeweils m.w.N.) war hier ein Eingehen auf ein von der Beklagten unterbreitetes Angebot überhaupt nicht möglich, erst recht kann durch das streitgegenständliche Schreiben der Beklagen eine systematische Gebührenunterschreitung nicht veranlasst worden sein.

In einem solchen Fall stößt die Verantwortlichkeit als Störer an Grenzen, die sich nicht zuletzt daraus ergeben, dass die Beachtung der Mindestsätze der HOAI zunächst und in erster Linie Angelegenheit der angeschriebenen Ingenieure und nicht der Beklagten ist. Zwar kommt im Interesse der Vermeidung einer Umgehung standesrechtlicher Verbote eine Störerhaftung grundsätzlich auch dort in Betracht, wo der Störer selbst dem fraglichen Verbot nicht unterworfen ist (vgl. BGH "Architektenwettbewerb" a.a.O.), hierbei ist jedoch zu beachten, dass mit Hilfe der Störerhaftung die einen Normadressaten treffende Pflicht nicht über Gebühr auf unbeteiligte Dritte erstreckt werden darf. Denn bei der Bejahung der Störerhaftung werden notgedrungen Prüfungspflichten vorausgesetzt, deren Einhaltung zur Vermeidung erneuter Inanspruchnahme geboten ist. Dem als Störer in Anspruch genommenen muss daher ausnahmsweise der Einwand offen stehen, dass ihm im konkreten Fall eine Prüfungspflicht - etwa weil der Störerzustand für ihn nicht ohne weiteres erkennbar war - entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt zuzumuten sei.

Unter den vorliegend gegebenen Umständen konnte und durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die von ihr angeschriebenen Ingenieure selbständig prüfen, ob auf der Basis des Anschreibens der Beklagten eine mit den berufsrechtlichen Bestimmungen ihres Berufsstandes im Einklang stehende Angebotserstellung überhaupt möglich ist. Bei dieser Sachlage kann entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, zunächst unter Zuhilfenahme einer fachkundigen Person, beispielsweise ihres Architekten, ein annahmefähiges Angebot zu erarbeiten bzw. erarbeiten zu lassen. Auf die von der Klägerin thematisierte Frage, ob unter anderen Umständen der Verweis auf einen Architekten, z.B. hinsichtlich "technischer" Rückfragen, genügt, kam es im Streitfall nicht an, denn derartige Umstände sind vorliegend nicht gegeben.

1.5 Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder der Oberlandesgerichte Bremen (Anlage K 10), München (Anlage K 11 und OLG Report 1998, Seite 28) und Düsseldorf (BauR 2001, 274), weil ausweislich der mitgeteilten Sachverhalte in den dort entschiedenen Streitfällen jeweils konkrete Umstände festgestellt wurden, die nach Auffassung der entscheidenden Gerichte die Annahme rechtfertigen konnten, den angeschriebenen Architekten bzw. Ingenieuren sei eine Unterschreitung der Mindesthonorare nahegelegt worden.

Das gilt in besonderer Weise für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Honoraranfrage" (a.a.O.), wonach die dort Beklagte den angeschriebenen Ingenieuren nicht nur ein einheitliches Gliederungsschema für die Darlegung der Honorarforderungen, sondern darüber hinaus eine von den Vorschriften der HOAI abweichende Art und Weise der Honorarermittlung "vorgegeben" hatte. Das gilt aber auch für die Entscheidung des OLG Bremen (a.a.O.), wonach die in der dort streitgegenständlichen Ausschreibung gewählte Formulierung "Planungsleistungen in Anlehnung an die HOAI ..." bei den angeschriebenen Adressaten den Eindruck erwecken musste, sie stünden sich mit ihrem Angebot besser "wenn sie es mit der HOAI nicht so genau nähmen". Das OLG Bremen führt weiter aus, dass Formulierungen, die in diesem Sinne verstanden werden können und dürfen eine Aufforderung zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten bedeuten. Daran ändere sich auch nichts, wenn in der Ausschreibung die Möglichkeit eingeräumt werde, bei dem Auftraggeber bzw. bei einem in der Ausschreibung angegebenen Beschäftigten "technische Rückfragen" stellen zu können. Gleiches gilt für die Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Anlage K 11), wonach die Aufforderung der Beklagten, einer Baufirma, zur Angebotsabgabe im streitgegenständlichen Fall so abgefasst gewesen sei, dass sie zu einer wettbewerbswidrigen Unterbietung der Mindestsätze der HOAI führen konnte, weil sie zwar detailliert die auszuführenden Vermessungsarbeiten, sowie Angaben zur Ausführungszeit, zur Gewährleistung, zu den Zahlungen, zum Abgabetermin und zur Bindungsfrist enthielt, die Festlegung der erforderlichen Honorierungsparameter aber den anbietenden Ingenieuren überließ.

Hieraus folgt, dass in allen entschiedenen Fällen auf die konkreten Umstände des einzelnen Falles abgestellt wurde und festgestellt werden musste, ob die konkrete Fassung des in Rede stehenden Aufforderungsschreibens geeignet war, den angeschriebenen Ingenieuren nahe zu legen, eine Honorarforderung unter den Mindestsätzen der HOAI anzugeben.

Der von der Klägerin in Anspruch genommene Grundsatz, wonach es für die Annahme einer Störerhaftung allein genüge, dass die notwendigen Honorierungsparameter nicht angegeben wurden, ohne dass es auf die konkreten Umstände des Streitfalls ankäme, existiert hiernach nicht.

2. Dementsprechend steht der Klägerin auch die von ihr gemäß Ziffer 5.5.5 der Gebührenordnung der Bayerischen Ingenieurekammer - Bau (Anlage K 9) geltend gemachte Abmahnkostenpauschale nicht zu, §§ 683, 677, 670 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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