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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 34 Sch 28/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 93
ZPO § 1053
ZPO § 1057
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 4
1. Zur Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen, die neben sofort fälligen auch erst zukünftig fällig werdende Leistungen zum Gegenstand haben.

2. Die Vollstreckbarerklärung einer auf das Schiedsrichterhonorar bezogenen und bezifferten Kostenerstattungsanordnung des Schiedsgerichts ist unter dem Gesichtspunkt des Verbots, in eigener Sache zu entscheiden, jedenfalls dann unbedenklich, wenn Streitwerthöhe und Schiedsrichterhonorar Gegenstand eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut sind und dieses durch Vorschussleistung vollständig abgedeckt ist (Ergänzung zum Beschluss vom 23.2.2007, 34 Sch 31/06).


Gründe:

I.

Zwischen den Parteien war wegen gesellschaftsrechtlicher Abfindungsansprüche in Nürnberg ein Schiedsverfahren anhängig, an dem die Antragsteller als Schiedskläger sowie die Antragsgegner als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und in ihrer Eigenschaft als deren Gesellschafter auf Beklagtenseite beteiligt waren. In diesem Verfahren entschied das Schiedsgericht am 4.10.2006 über die Hauptsache durch Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, indem es die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu am 31.12.2006 und am 30.6.2007 fälligen Zahlungen verpflichtete. Im Einzelnen wird auf den im Tenor festgehaltenen Schiedsspruch verwiesen. Dem schließt sich in der Niederschrift des Schiedsspruchs unter der Überschrift Streitwertfestsetzung und Kostenerstattung folgende von dem Einzelschiedsrichter sowie den beiden Parteivertretern unterschriebene sowie mit Datums- und Ortsangabe versehene Regelung an:

"Der Streitwert beträgt Euro 50.000,--.

Das Schiedsrichterhonorar beträgt Euro 6.727,50. Hiervon haben die beiden Kläger Herr ... Euro 3.450,-- und Frau ... Euro 1.725,-- sowie die Beklagten Euro 1.552,50 bezahlt. Gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner beträgt der Erstattungsanspruch von Herrn ... Euro 1.207,83 und der Erstattungsanspruch von Frau ... Euro 603,92.

Im Übrigen trägt jede Partei ihre eigenen Kosten."

Unter Vorlage einer anwaltlich beglaubigten Ablichtung des Schiedsspruchs hat die Antragstellerin unter dem 21.11.2006 dessen Vollstreckbarerklärung beantragt. Die Antragsgegner haben in Aussicht gestellt, die erste Rate fristgerecht zu zahlen, jedenfalls müsste Zahlung bis 15.1.2007 geleistet sein. Hinsichtlich der Kostenerstattung haben sie zunächst die Auffassung vertreten, es fehle an einem vollstreckbaren Inhalt des Schiedsspruchs. Überdies werde auch hierauf gezahlt, wenn eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer vorliege.

Die Antragsteller haben die Zahlung der ersten Teilbeträge mit Eingang 10.1.2007 bestätigt. Die Kostenerstattungsansprüche sind am 1.2.2007 befriedigt worden. Insoweit haben die Antragsteller das Vollstreckbarerklärungsverfahren für erledigt erklärt.

Die Antragsgegner haben der Hauptsacheerledigung widersprochen. Sie sind der Meinung, vor Hauptsachefälligkeit sei ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung rechtsmissbräuchlich. Der Schuldner brauche, ohne dadurch seine Pflichten zu verletzen, nicht vor der vereinbarten Leistungszeit zu bezahlen. Für einen dennoch gestellten Antrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis.

Wegen der Kostenbeträge fehle es an einem Vollstreckbarkeitsinhalt. Im Übrigen seien die Antragsgegner davon ausgegangen, dass das Schiedsrichterhonorar der Umsatzsteuer unterliege und demzufolge ein Umsatzsteuerausweis geschuldet werde. Dass der Schiedsrichter wegen der Geringfügigkeitsgrenze im Umsatzsteuerrecht die Steuer nicht zahle, bilde den Ausnahmefall; demzufolge hätten sie bis zu einer entsprechenden Erklärung zuwarten können.

Schließlich komme auch der Rechtsgedanke des § 751 ZPO zum Tragen.

II.

Dem Antrag ist stattzugeben. Soweit das Verfahren nicht für erledigt erklärt worden ist, ist die Vollstreckbarerklärung auszusprechen, im Übrigen die Erledigung festzustellen.

1. Für Anträge auf Vollstreckbarerklärung von in Bayern erlassenen Schiedssprüchen ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz i.d.F. vom 16.11.2004, GVBl S. 471).

2. Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung haben die Antragsteller durch Vorlage einer anwaltlich beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO).

3. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller fehlt nicht deswegen, weil die derzeit noch ausstehenden Hauptsacheforderungen nicht aktuell, sondern erst in Zukunft zu befriedigen sind. Die Antragsteller haben Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel als wirksames Druckmittel gegen die Antragsgegner; sie können nicht darauf verwiesen werden, erst abzuwarten, ob freiwillig bis 30.6.2007 erfüllt sein wird. Die für die Vollstreckung geltende Vorschrift des § 751 Abs. 1 ZPO greift schon deshalb nicht, weil das Vollstreckbarerklärungsverfahren kein Vollstreckungsverfahren, sondern ein besonderes Erkenntnisverfahren darstellt (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 26 Rn. 3; Kap. 27 Rn. 1).

4. Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut (§ 1053 Abs. 2 ZPO) ist im dargestellten Umfang für vollstreckbar zu erklären, weil Versagungs- oder Aufhebungsgründe im Sinn von § 1059 Abs. 2 ZPO weder vorgetragen noch ersichtlich sind.

Insbesondere liegt eine Verletzung des materiellen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) nicht vor. Auch wenn sich das Schiedsverfahren zunächst offenbar gegen die aus den drei Antragsgegnern als Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts richtete, welche neben ihren Gesellschaftern eine eigene (Teil-) Rechts- und Parteifähigkeit besitzt (BGHZ 146, 341; siehe auch Senat vom 22.1.2007, 34 Sch 023/06), der Schiedsspruch jedoch die Schiedsbeklagten als Gesamtschuldner verpflichtet, ist dies hier unbedenklich, weil offensichtlich zum Zweck eines Vergleichs, der dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zugrunde liegt, ein Parteibeitritt stattfand. Das erschließt sich zudem aus der getroffenen Abgeltungsklausel und aus dem Umstand, dass die bisherigen Leistungen teils von der Gesellschaft, teils aber auch von einem der Gesellschafter erbracht worden sind.

5. Im Übrigen war der ursprüngliche Antrag insgesamt zulässig und begründet. Diesen haben die Antragsteller nach den erbrachten Teilzahlungen zulässig auf den noch offenen Rest beschränkt und die Hauptsache im Übrigen für erledigt erklärt.

a) Der Senat legt den getroffenen Kostenausgleich als vom materiellen Vergleich der Parteien mit umfasst und in den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einbezogen aus (vgl. Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 1057 Rn. 7). Das ergibt sich daraus, dass die Parteivertreter die erstellte Urkunde mit unterzeichnet haben. Überdies folgt aus der von den Antragstellern vorgelegten Korrespondenz mit dem Schiedsrichter, dass Einigkeit über den Streitwert sowie das Schiedsrichterhonorar erzielt war. Insoweit werden die vom Senat in der Verfügung vom 29.11.2006 geäußerten Bedenken nicht mehr aufrechterhalten.

b) Ohne die eingetretene Erledigung durch Erfüllung der Forderung hätte der Senat auch die Kostenerstattungsanordnung des Schiedsgerichts zugunsten der Antragsteller für vollstreckbar erklärt. Zwar dürfen Schiedsrichter ihr Honorar nicht selbständig festsetzen, auch nicht mittelbar, weil dem das Verbot des Richters in eigener Sache entgegensteht (BGHZ 94, 92/95 f.; BGH MDR 1977, 383; Zöller/Geimer § 1057 Rn. 4; vgl. auch Kröll SchiedsVZ 2006, 203/212; ausführlich Wolff SchiedsVZ 2006, 131). In dieser Hinsicht ist die getroffene Kostenausgleichung jedoch aufgrund des vom Schiedsrichter und den Parteien gewählten Verfahrens unbedenklich. Streitwerthöhe wie Honorar sind außer Streit. Zudem ist das Schiedsrichterhonorar durch die Vorschüsse vollständig abgedeckt (vgl. auch Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. § 1057 Rn. 5; Wolff SchiedsVZ 2006, 131/141; ferner Senat vom 23.2.2007, 34 Sch 031/06).

c) Aufgrund des Schiedsspruchs, der unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils entfaltet (§ 1055 ZPO), waren die Antragsgegner verpflichtet, auch die Erstattungsansprüche der Antragsteller für die verauslagten Schiedsrichterkosten zu erfüllen. Diese Ansprüche hingen nicht vom Eintritt einer Bedingung, insbesondere nicht von der Ausstellung einer spezifizierten Rechnung (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 271 Rn. 7 m.w.N.), oder vom Eintritt eines bestimmten Kalendertags ab; sie waren sofort fällig. Zudem hatten die Antragsteller erfolglos gemahnt und eine Frist zur Begleichung bis 17.11.2006 gesetzt. Auch wenn nach dem Rechtsgedanken des § 788 ZPO dem Schuldner ein angemessener Zeitraum zur freiwilligen Erfüllung zur Verfügung stehen muss - in der Rechtsprechung wird gewöhnlich von mindestens 14 Tagen ausgegangen (vgl. Zöller/Stöber ZPO 26. Aufl. § 788 Rn. 9b; BGH NJW-RR 2003, 1581; LG Koblenz Rpfleger 2005, 99) -, war dieser Zeitraum bei Antragstellung am 22.11.2006 längst verstrichen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1 und 4 ZPO. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO kann zugunsten der Antragsgegner nicht herangezogen werden. Dass diese Anlass zur Antragstellung gegeben haben, folgt insbesondere aus ihrem Verhalten im Zusammenhang mit dem Ausgleich der Schiedsverfahrenskosten.

Hat der Schuldner eine sofort fällige Teilschuld aus einem Schiedsspruch nicht erfüllt, kann der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich ohne Kostenrisiko sogleich die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs im Ganzen auch hinsichtlich solcher Positionen beantragen, die unter einer Befristung stehen (vgl. Senat vom 7.9.2005, 34 Sch 023/05). Ihm ist im Allgemeinen, so auch hier, nicht zuzumuten, seinen Antrag zunächst auf Teile des Schiedsspruchs zu beschränken und auf freiwillige Erfüllung der restlichen Forderungen zu hoffen. Hinzu kommt, dass nur die umfassende Vollstreckbarerklärung den Schiedsspruch vor der Geltendmachung von Aufhebungsgründen schützt (vgl. BGH WM 2006, 1121).

7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 1064 Abs. 2 ZPO und die Streitwertbemessung aus § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 5 und 6 ZPO. Zu berücksichtigen sind auch die mit umfassten Kostenerstattungsbeträge.

Ende der Entscheidung

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