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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 08.11.1999
Aktenzeichen: 13 W 2637/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 494a
ZPO § 91
ZPO § 96
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 493 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 494a ZPO § 91 ZPO § 96

Keine Fristsetzung zur Klageerhebung bei sachlicher Identität des Beweisgegenstandes im selbständigen Beweisverfahren und im Hauptsacheverfahren auch im Falle unterschiedlich festgesetzter Streitwerte; entsprechende Anwendung von § 96 ZPO im Hauptprozeß für die durch die Streitwertdifferenz verursachten höheren Kosten.


OLG Nürnberg

Beschluß

08.11.1999

13 W 2637/99 6 OH 3349/97 LG Nbg.-Fürth

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 13. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden Beschluß:

Tenor:

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III. Der Beschwerdewert wird auf 405,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 567 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 494 a ZPO hat das Gericht auf Antrag anzuordnen, daß der Antragsteller Klage zu erheben hat, wenn das selbständige Beweisverfahren beendet und ein Rechtsstreit nicht anhängig ist.

Diese beiden Voraussetzungen liegen zwar an sich - auch im Hinblick auf die Werklohnklage der Antragsgegnerin vor dem Amtsgericht Fürth (Az.: 30 C 3830/97) - vor.

Denn entscheidend ist, ob ein Rechtsstreit über denjenigen Streitgegenstand anhängig gemacht wurde, auf den sich die selbständige Beweisaufnahme nach dem Willen des Antragstellers bezog (Stein-Jonas/Leipold, 21. Aufl., ZPO § 494 a Rn. 4). Einer solchen Klage stehen Einwendungen aufgrund des Ergebnisses des Beweisverfahrens, wie vorliegend infolge von Mängeln der Werkleistung das Geltendmachen eines Zurückbehaltungsrechts, nicht gleich (OLG Köln, NJW-RR 97, 1295; Stein-Jonas/Leipold, a.a.O. Rn. 15 m.w.N.; Musielak/Huber, ZPO § 494 a). Dies gilt auch in Anbetracht des Umstandes, daß ein selbständiges Beweisverfahren nicht nur zur Vorbereitung einer Klage durchgeführt werden kann, sondern auch zur Abwehr von Ansprüchen des Antragsgegners. Auch daß das Verfahren darauf zielt, einen Hauptsacheprozeß überhaupt zu vermeiden, steht dem nicht entgegen, weil es nicht Zweck des § 494 a ZPO ist, den Antragsteller zur Klageerhebung besonders anzuhalten; vielmehr dient die Fristsetzung nur dazu, Klarheit darüber zu erzielen, ob eine Hauptsacheklage erfolgt, in deren Rahmen dann über die Kosten des Beweisverfahrens nach Sachprüfung mitentschieden wird, so daß eine separate Entscheidung über diese Kosten aufgrund eines infolge der Nichterhebung einer Klage unterstellten Unterliegens zu unterbleiben hat (vgl. Stein-Jonas/Leipold, a.a.O., Rn. 2).

Allerdings steht nach § 493 Abs. 1 ZPO die Benutzung des Beweisergebnisses im Prozeß beiden Parteien zu und sind die Kosten des Beweisverfahrens dann unabhängig davon, welche Partei sich auf das Beweisergebnis beruft, Kosten des Hauptsacherechtsstreits, soweit Parteien und Gegenstand beider Verfahren identisch sind. Deshalb fehlt es an einem Rechtschutzbedürfnis für die gerichtliche Fristsetzung zur Klageerhebung, soweit feststeht, daß tatsächlich das Beweisverfahren aufgrund von Einwendungen Streitstoff eines anderen Prozesses war und deshalb die Kosten des Beweisverfahrens im Rahmen der dort nach §§ 91, 92 ZPO getroffenen Kostenentscheidung ganz oder (bei Teilidentität) teilweise mitfestzusetzen sind. Das ist grundsätzlich der Fall, soweit der Streitwert des vollständig eingeführten Beweisverfahrens denjenigen des Hauptsacheverfahrens nicht übersteigt. Bei einem den Streitwert des. Hauptsacheverfahrens überschießenden Streitwert des Beweisverfahrens sind die Kosten des letzteren grundsätzlich nur mit einem dem Verhältnis der Streitwerte entsprechenden Bruchteil zu berücksichtigen (vgl. z.B. OLG München, JurBüro 96, 36; OLG Karlsruhe, JurBüro 96, 36 je m.w.N.).

Im vorliegenden Fall wurde nach dem Vorbringen der Parteien im Beschwerdeverfahren der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens infolge des vom Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts in vollem Umfang auch Gegenstand der sachlichen Überprüfung im Hauptprozess über die Werklohnklage. Der höhere Streitwert des Beweisverfahrens, dessen Festsetzung nicht beanstandet worden ist, beruht lediglich auf der für das Beweisverfahren maßgeblichen Angabe des damaligen Interesses des Antragstellers (vgl. Jagenburg, NJW 97, 2029 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen), während die Feststellungen des Sachverständigen zu einer niedrigeren Bewertung der tatsächlichen Höhe der Gegenansprüche des Antragstellers geführt haben, die ihrerseits aber in vollem Umfang Eingang in den im Verhältnis hierzu höheren Wert des Hauptsacheverfahrens gefunden haben.

Stellt man nicht allein auf die Bewertung der jeweiligen Streitwerte ab, sondern sieht die inhaltliche Zuordnung zutreffend als maßgebend an (OLG München, JurBüro 96, 36), und kommt man deshalb vorliegend zum Ergebnis, daß der Gegenstand der Beweisaufnahme im Beweisverfahren und im Prozeß derselbe war, so sind die Kosten des Beweisverfahrens in voller Höhe im Werklohnprozeß mit festzusetzen. Die Folge wäre, daß der Kläger des Hauptverfahrens und Antragsgegner des Beweisverfahrens entsprechend der Quote des Hauptverfahrens in voller Höhe an den Kosten des Beweisverfahrens beteiligt wäre. Dies erscheint nicht gerechtfertigt, da der Antragsgegner keinen Einfluß auf die Bewertung des Interesses des Antragstellers an der Beweiserhebung und damit auf die Höhe des Streitwertes des selbständigen Beweisverfahrens hat. In diesem Fall erscheint es daher richtig, die Kosten des Beweisverfahrens nur nach Maßgabe des objektiven Gegenstandswertes im Rahmen des § 91 ZPO als notwendig und damit erstattungsfähig zu behandeln, während über die aufgrund einer höheren Bewertung des Interesses des Antragstellers im Zeitpunkt der Einreichung des Antrages darüber hinausgehenden Kosten im Hauptsacheverfahren entsprechend § 96 ZPO zu entscheiden ist, um nicht einen Teil der Kosten des Antragsgegners im Beweisverfahren trotz voller Verwertung von dessen Ergebnis von der Erstattung auszunehmen und den Antragsgegner damit auf einen weiteren Prozeß um seinen möglichen materiellen Kostenerstattungsanspruch zu verweisen. Da das Beweisergebnis voll in den Hauptprozeß eingeführt wurde, steht die Kompetenz zur Entscheidung über die Kosten des Beweisverfahrens - anders als im Falle einer gegenständlich nur teilweisen Verwertung (vgl. Musielak/Wolst, a.a.O., § 96 Rn. 3) - auch insgesamt dem Gericht des Hauptprozesses zu. Im Ergebnis kann damit also gerade den in der Praxis nicht selten auftretenden Fällen einer Bewertungsdiskrepanz durch entsprechende Entscheidung über die gesamten Kosten des Beweisverfahrens bei voller Benutzung des Beweisergebnisses im Hauptprozeß Rechnung getragen werden, während in den Fällen, in denen nur ein Teilausschnitt aus dem selbständigen Beweisverfahren in das Hauptsacheverfahren eingebracht wird, wohl der Weg über § 494 a ZPO für den nicht weiter verfolgten Teil zutreffend erscheint (vgl. Stein-Jonas/Leipold, a.a.O., § 494 a Rn. 17). Nachdem hier der erstere Fall vorliegt, kann die beantragte Fristsetzung gemäß § 494 a Abs. 1 ZPO nicht erfolgen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewertes erfolgt gemäß § 3 ZPO.



Ende der Entscheidung

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