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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: 3 U 731/97
Rechtsgebiete: UrhG, ZPO


Vorschriften:

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4
UrhG § 2 Abs. 2
ZPO § 156
ZPO § 412
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 708
ZPO § 3
§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG § 2 Abs. 2 UrhG

Zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit einer dreidimensionalen Form, die aus einfachen geometrischen Grundformen abgeleitet ist.


OLG Nürnberg

Urteil

14.12.1999

3 U 731/97 3 O 1075/96 LG Nürnberg-Fürth

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S. und die Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und Prof. Dr. H. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. November 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichtes Nürnberg-Fürth vom 22. Januar 1997 (Az. 3 O 1075/96) wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 13.000,00 DM abwenden, falls diese nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Der Beklagten wird gestattet, ihre Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.

IV. Der Kläger ist in Höhe von 65.000,00 DM beschwert.

Gründe:

Der Kläger begehrt Schutz für zwei Grundformen mit geometrischen Gesetzmäßigkeiten und Relationen, die es gestatten, diese Grundformen als Modulformen in einer Vielzahl von Möglichkeiten mit vielen Verwendungsmöglichkeiten horizontal und vertikal miteinander zu kombinieren und flächige und räumliche Gebilde und Muster zu gestalten. Die viereckige Form (im folgenden Form 1 genannt) hat zwei Geraden im rechten Winkel und eine konvexe und eine konkave Rundung im rechten Winkel. Das Dreieck (im folgenden Form 2 genannt) hat zwei konvexe und eine konkave Rundung. Wenn man bei dem Dreieck die lange konvexe Rundung durch zwei Gerade im rechten Winkel ersetzt, erhält man das Viereck. Wegen des Aussehens der beiden Formen wird auf die mit der Klageschrift vorgelegten Zeichnungen K 1 und K 2 Bezug genommen. Diese Grundformen hat der Kläger in verschiedenen Produkten realisiert, die unter der Markenbezeichnung "S." in Verkehr gebracht werden. Sie wurden im Ausland und für das Inland als Geschmacksmuster eingetragen, u.a. aufgrund der internationalen Hinterlegung vom 27. 03. 1996, die sich auf Pflanzengefäße aus Ton bezog und auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchte (Anlage K 48).

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Polymere, Thermoplaste, Elastomere und Duroplaste zu hochwertigen technischen Produkten verarbeitet. U.a. ist sie als Zulieferer für die Möbelindustrie tätig. In dieser Eigenschaft war sie 1993 und 1995 auf der "Interzum - Internationale Zuliefermesse für Möbelfertigung, Innenausbau und Raumausstattung" mit einem Messestand vertreten. Sie stellte dabei auf ihrem Messestand Informationsträger (Säulen, Displays, Musterstücke) auf Bodenpodeste deren formaler Aufbau der Form 1 gleicht: Flächenelement auf quadratischer Basis, zwei Seiten geradelinig, eine Seite konkav nach innen gebogen, eine Seite konvex nach außen gewölbt. Darüberhinaus legte sie bei diesen Messen, Kommunikationsmittel (Anzeige im Messekatalog, Einladungskarte, Speisekarte) aus und produzierte ein Faltschächtelchen, deren Grundform mit der der Bodenpodeste korrespondierte.

Der Kläger sieht darin eine Verletzung seines Urheberrechts. Zur Begründung hat er im ersten Rechtszug vorgetragen: Seine 1986 geschaffenen und seit 1989 veröffentlichten Grundformen könnten bei korrespondierender Veränderung von Radius und Geraden weiter variiert werden, ohne dass hierdurch ihr Charakter und deren Verwendungsmöglichkeiten eingeschränkt würden. Sie könnten verwendet werden für Accessoires, Werbegeschenke, Kreativspiele, aufblasbare Module, Geschirr, Haushaltsgegenstände, Schreibtischustensilienhalter, Schmuck, Süßigkeiten, Möbel, Objekteinrichtungen, Fußböden, Deckensysteme, Beleuchtungen, Ladeneinrichtungen, im Hochbau und bei der Städteplanung. Die erforderliche Gestaltungshöhe ergebe sich aus der Einfachheit der Modulformen, deren vielfältigen Kombinations- und Konfigurationsmöglichkeiten, der variablen Größe der Formen je nach Verwendungszweck, ihrer universellen Verwendbarkeit für höchst unterschiedliche Produkte und den damit verbundenen erheblichen Kosteneinsparungen. Die Gestaltungshöhe der Formen sei durch die Eintragung internationaler (Design-)Patente, durch Prämierung als Produkt des Jahres 1989 und verschiedene euphorische Veröffentlichungen bestätigt worden. Die Beklagte habe sein Urheberrecht verletzt, da sie die viereckige Form auf der Messe Interzum 1993 und 1995 teilweise auch in leichten Variationen benutzt habe.

Er hat deshalb folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung - bei Ausschluß des Fortsetzungszusammenhanges - fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise eine an dem Präsidenten des Verwaltungsrats der persönlich haftenden Gesellschafterin zu vollziehenden Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren es zu unterlassen, die als Anlage beigefügte, viereckige Grundform (2 Gerade im rechten Winkel und 1 konkave und 1 konvexe Rundung im rechten Winkel; Anlage K 2)in sämtlichen Kombinationen und Abänderungen zu verwenden;

b) dem Kläger über den Umfang vorstehender zu 1.a) bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, wann, wo, wem gegenüber, in welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung die Grundform Dritten gegenüber offenbart, angeboten, geliefert und verkauft wurde;

c) die noch in ihrem Besitz befindlichen Formen zu vernichten.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, allen Schaden dem Kläger zu erstatten, der ihm aus der vorstehend zu 1.a) bezeichneten Handlung der Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

3. Dem Kläger wird gestattet, nach Rechtskraft des Urteils dieses in den Zeitschriften bzw. Magazinen

a) M., Verlag M. R., Postfach ..., ... N.

b) m..., M. I. D., K.-Verlag, R. K. GmbH, E.-M. Straße 8, ... L.-E.

c) Katalog zur Möbelzubehörmesse Interzum, K., Messe- und Aussteellungs GmbH, K., M. 1, ... K

auf Kosten der Beklagten bekanntzugeben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat das Bestehen eines Urheberrechtsschutzes in Abrede gestellt. Die beiden Grundformen des Klägers seien lediglich aus den Formen des Dreiecks, Rechtecks und Kreises entwickelt worden und folgten damit geometrischen Gesetzmäßigkeiten. Sie würden deshalb nur vom freien Formenschatz Gebrauch machen. Kein bildender Künstler, kein Formenbauer und kein Architekt könne für eine geometrische Grundform Urheberrechtsschutz und damit Alleinstellung erlangen. Die Elemente des Klägers seien aus Netzwerkkonstruktionen abgeleitet, die bereits die mittelalterlichen Baumeister gekannt hätten. Ein etwaiger Geschmacksmusterschutz scheitere an der fehlenden Neuheit.

Das Landgericht hat ohne Durchführung einer Beweisaufnahme in seinem am 22. 01. 1997 verkündeten Endurteil die Klage abgewiesen. Auf seine Begründung (Blatt 68/77 d.A.) wird Bezug genommen.

Gegen dieses seinem Prozeßbevollmächtigten am 28. 01. 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. 02. 1997 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 24. 04. 1997 verlängerten Begründungsfrist begründet.

Er trägt vor, seine Formen seien entgegen der Ansicht des Landgerichtes urheberrechtlich geschützt. Dies ergebe sich schon daraus, dass Fachkreise, Designer, Journalisten oder sogar Kaufleute sie als schöpferische Werke anerkannt hätten. Die Beklagte habe nicht flächige, sondern auch räumliche Formen der viereckigen Grundform zu unterlassen. Durch die Gestaltung des Podestes, der Bonbonniere (Anlage A), von Tragetaschen und des Signums der Beklagten würden die von ihm aus seinen Grundformen entwickelten Pflanztröge, Bücherregale, Tische, Sitzlandschaften, Sitzmöbel, Pflanzlandschaften usw., konkret verletzt. Der Kläger stellt nunmehr folgende Anträge:

I. Das Urteil vom 20. 02. 1997, Az. 3 O 1075/96 Landgericht Nürnberg-Fürth, wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt,

a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM oder an den Präsidenten des Verwaltungsrates der persönlich haftenden Gesellschafterin zu vollstreckenden Ordnungshaft bis zu 6 Monaten bei mehrfacher Verhängung bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, eine Flächen- oder Raumform, die gebildet wird aus zwei rechtwinklig aufeinandertreffenden Geraden, einem konvexen und einem konkaven Bogen, sofern diese Form gemäß Anlage A gestaltet ist, zu gebrauchen, sie zu vervielfältigen oder Vervielfältigungsstücke davon zu verbreiten.

b) dem Kläger über den Umfang vorstehender zu a) bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, wann, wo, wem gegenüber, in welchem Umfang und welcher Ausgestaltung die Grundform Dritten gegenüber offenbart, angeboten, geliefert und verkauft wurde,

c) die noch in ihrem Besitz befindlichen Formen zu vernichten.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem vorstehend zu II.a) bezeichneten Handlungen der Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

IV. Dem Kläger wird gestattet, nach Rechtskraft des Urteils dieses in den Zeitschriften bzw. Magazinen

a) M., Verlag M. R., ... ..., ... N.

b) m..., M. I. D., K.-Verlag, R. K. GmbH, E.-M.-Straße 8, ... L.-E.

c) Katalog zur Möbelzubehörmesse Interzum, K., Messe- und AusstellungsGmbH, M. 1, ... K.

auf Kosten der Beklagten bekannzugeben.

Die Beklagte beantragt dagegen, die Berufung zurückzuweisen.

Vorsorglich bittet sie um Vollstreckungsschutz mit der Maßgabe, dass eine allenfalls erforderliche Sicherheitsleistung auch durch Stellung der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann.

Die Beklagte hält das Ersturteil für richtig. Der Kläger verkenne nach wie vor den Unterschied zwischen einer nicht schützbaren abstrakten geometrischen Form und einem Werk im Sinne von § 2 UrhRG. Ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk habe der Kläger nicht geschaffen.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. hc. S. M.. Wegen des Inhalts seines Gutachtens vom 30. 03. 1999 und Ergänzungsgutachten vom 13. 10. 1999 wird auf Blatt 253/325 d.A. und auf Blatt 373/376 d.A. Bezug genommen. Der Sachverständige ist zu seinem Gutachten in der Sitzung vom 02. 11. 1999 (Blatt 390 d.A.) mündlich gehört worden.

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichtes Nürnberg-Fürth vom 22. 01. 1997 ist nicht begründet. Das Erstgericht hat mit Recht die auf Verletzung des Urheberrechts gestützte Klage abgewiesen, da dem klägerischen Werk der angewandten Kunst die nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche besondere Gestaltungshöhe fehlt.

1. Der Kläger macht ausschließlich urheberrechtliche Ansprüche geltend. Wie sich aus seinem Berufungsvorbringen ergibt, will er aus dem international hinterlegten Muster der in der ersten Instanz vorgelegten Anlage K 48 keine Rechte ableiten. Es fehlt demnach auch jeder nähere Sachvortrag zu den Voraussetzungen eines etwaigen Geschmacksmusterschutzes, insbesondere, ob ein solcher überhaupt noch Bestand hat.

2. Es kann dahinstehen, ob das vom Kläger nach seinem unbestritten gebliebenen Sachvortrag 1986 geschaffene Gestaltungskonzept, bestehend aus zwei miteinander kombinierbaren Modulformen, urheberrechtlichen Schutz genießt. Die Beklagte hat nämlich dieses nicht nachgeahmt und auch nicht die Erstbegehungsgefahr begründet, dies tun zu wollen, sondern vielmehr auf den Interzum-Messen 1993 und 1995 Gegenstände präsentiert, die nur der Form 1 des klägerischen Konzepts entsprechen. Der Kläger kann demnach urheberrechtliche Ansprüche nur geltend machen, wenn diese Form für sich allein die Schutzvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt (vgl. Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Auflage, § 2 Rdz. 66). Dies ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M. zu verneinen.

a) Das Urheberrecht bezieht sich nur auf den konkreten geistigen Gehalt eines Werkes, nicht dagegen auf die einem solchen Werk zugrunde liegenden abstrakten Ideen und Grundsätze (vgl. § 69 a Abs. 2 Satz 2 UrhG; Schricker/Loewenheim, § 2 Rdz. 51 ff.). Deshalb kann eine bloße Raum-/oder Flächenform in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes nur fallen, wenn es in einem bestimmten Werk des Katalogs von § 2 Abs. 1 UrhG konkretisiert ist. Im zweiten Rechtszug hat der Kläger sein Klagebegehren dahingehend präzisiert, daß er für den in der Anlage K 2 a zum Schriftsatz vom 2. 7. 1997 abgebildeten Behälter (Bl. 106 d.A.) Schutz begehrt. Es handelt sich um einen Behälter, dessen Grundfläche der Form 1 entspricht, der dementsprechend gestaltete Seitenwände besitzt und oben offen ist. Exemplare solcher Behälter aus Kunststoff hat er mit der Berufungsbegründung vom 23. 4. 1997 (Bl. 89 ff. d.A.) vorgelegt. Er ist damit seiner Obliegenheit, zur Darlegung der behaupteten Schutzfähigkeit seines Werkes ein Werkexemplar zu präsentieren (BGH GRUR 1981, 822; Stahlrohrstuhl II; CR 1991, 84 - Betriebssystem) nachgekommen. Es handelt sich um ein Werk der bildenden Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, da es einem Gebrauchszweck zu dienen bestimmt ist. Für Werke der angewandten Kunst gelten nach gefestigter Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung (BGH GRUR 1995, 581 f. Silberdistel; Schricker/Loewenheim, § 2 Rdz. 158; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Auflage, § 2 Rdz. 21 jeweils mit weiteren Nachweisen) besondere Grundsätze. Wegen der Notwendigkeit der Abgrenzung zum Geschmacksmusterschutz reicht bei einem Werk der angewandten Kunst zum Erwerb des urheberrechtlichen Schutzes einfache Individualität wie bei den übrigen Werkarten nicht aus. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung, dem rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen, abheben muß, ist für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, d.h., ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern. Für den Urheberrechtsschutz ist danach ein höheres Maß an Individualität erforderlich als bei nur geschmacksmusterschutzfähigen Gegenständen, wobei die Grenze zwischen beiden nicht zu niedrig angesetzt werden darf (BGH - Silberdistel, a.a.O.). Es spielt deshalb für die Entscheidung dieses Falles keine Rolle, daß der Kläger sein Werk in verschiedenen Ländern und auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durch Hinterlegung als Geschmacksmuster schützen ließ.

Das erforderliche Maß an Individualität zum Erwerb des Urheberrechtsschutzes erreicht das klägerische Werk indes nicht. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. M. hat in seinem Gutachten den Schöpfungsprozeß im einzelnen dargelegt und überzeugend ausgeführt, daß es dreier Schritte bedurfte, um zu der geometrischen Grundfläche des klägerischen Behälters zu gelangen, nämlich ein Quadrat und einen Kreis als Ausgangsform zu wählen, beide durch Vertikale und Horizontale vierzuteilen und von einem Teilquadrat Kreisabschnitte wegzuschneiden und wieder anzufügen. Während bei den beiden ersten Schritten keinerlei Individualität zutage treten kann, weil das Ergebnis zum vorbekannten Formenschatz gehört, besteht bei dem dritten Schritt insoweit Gestaltungsspielraum als dem Entwerfer nicht vorgegeben ist, ob und welche Kreisschnitte er an welchen Stellen wegnimmt und wieder anfügt. Die vom Kläger dabei getroffenen Entscheidungen liegen aber zweifellos im Rahmen einer Durchschnittsgestaltung. Das Prinzip, von einer Grundform Abschnitte, insbesondere Kreisabschnitte, wegzuschneiden und an anderer Stelle wieder anzufügen, um miteinander kombinierbare Formen zu erhalten, gehört zum Alltäglichen eines Designers, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt und unter Vorlage einer Vielzahl von Beispielen belegt hat. Das Prinzip, aus Quadraten Kreisabschnitte herauszuschneiden und an der gegenüberliegenden oder der anliegenden Seite wieder anzufügen, ist dementsprechend bereits lange vor Schaffung des klägerischen Konzepts verwirklicht und in der Broschüre "Netze" der Studienreihe der Hochschule für Gestaltung O. am M. aus dem Jahre 1977 (Seite 14) beschrieben worden. Diese Broschüre hat der Sachverständige bei seiner Anhörung am 2. 11. 1999 übergeben. Eine Ablichtung dieser 1977 bereits beschriebenen Netzstrukturen befindet sich auch in Anlage 7 des Privatgutachtens H. vom 7. 6. 1996, das die Beklagte im ersten Rechtszug vorgelegt hat.

Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang vergeblich darauf, die besondere Gestaltungshöhe seines S.-Systems ergebe sich daraus, daß er den Kreismittelpunkt zur Konstruktion des weggeschnittenen und hinzugefügten Kreisausschnitts außerhalb des Zentrums des Quadrats auf eine bestimmte Stelle gelegt habe, damit die so gewonnene Form 2 mit der Form 1 zusammenpasse. Dies könnte allenfalls ein die Individualität des gesamten klägerischen Systems begründender Umstand sein, für die Konstruktion der hier allein zu beurteilenden Form 1 spielt er dagegen keine Rolle. Für den ästhetischen Gesamteindruck dieser Form ist ersichtlich nicht der genaue Radius, sondern nur maßgebend, ob ein höherer oder niedrigerer Kreisbogen gewählt wird. Wenn der Kläger sich hier für einen niedrigeren Kreisbogen entschieden hat, so steht dies mit den in der bereits erwähnten Broschüre beschriebenen und bekannten Netzstrukturen in Einklang.

Es besteht deshalb keine Veranlassung dafür, gemäß dem Antrag des Beklagten im Schriftsatz vom 22. 11. 1999 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und ein Obergutachten einzuholen. Die Voraussetzungen der §§ 156, 412 ZPO sind nicht dargetan.

Die besondere Gestaltungshöhe des klägerischen Werkes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, daß er die Form 1 auf räumliche Gegenstände, wie den streitgegenständlichen Behälter, angewendet hat. Dies liegt so nahe, daß von einer deutlich überdurchschnittlichen Gestaltungsleistung auf dem Gebiet der angewandten Kunst nicht gesprochen werden kann. Dem klägerischen Werk kann somit der Schutz des Urheberrechts nicht zugebilligt werden, so daß die darauf gestützte Klage mit Recht abgewiesen wurde.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 708 ZPO.

Der Streitwert für die geltend gemachten Ansprüche ist nach § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers zu schätzen, das er in der Klageschrift mit insgesamt DM 100.000,-- angegeben hat. In der Sitzung vom 29. 7. 1997 hat er seine bisherigen auf das Verbot der Verwendung der Form 1 in sämtlichen Kombinationen und Abänderungen gerichteten Anträge auf die konkrete Verletzungsform beschränkt und damit deutlich eingeschränkt. Hierin liegt eine teilweise Klagerücknahme. Der Senat schätzt das Interesse des Klägers an der nunmehr begehrten Verurteilung auf DM 65.000,--.

Die Revision ist zulässig, da die Beschwer des Klägers DM 60.000,-- übersteigt.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zur teilweisen Klagerücknahme in der Sitzung vom 29. 07. 1997 auf 100.000,00 DM und danach auf 65.000,00 DM (Berufungsantrag II a: 50.000,00 DM; II b: 2.000,00 DM; II c: 2.000,00 DM; III: 10.000,00 DM; IV: 1.000,00 DM) festgesetzt.



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