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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 13 U 1322/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 641 Abs.2
§ 641 Abs. 2 BGB schließt ein auf Mängel gestütztes Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers nicht aus.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

13 U 1322/03

Verkündet am 10. Juli 2003

In Sachen

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Walther und die Richter am Oberlandesgericht Steckler und Huprich aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.3.03 und das diesem zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.

II. Die Sache wird an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 6.761,32 Euro.

Gründe:

Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des diesem zugrundeliegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das erstinstanzliche Verfahren leidet deshalb an einem wesentlichen Mangel im Sinne dieser Bestimmung, weil das Landgericht einen Hinweis darauf unterließ, daß die Anwendung des § 641 Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Folge des Ausschlusses eines Zurückbehaltungsrechts in Betracht komme. Das Erstgericht hat damit gegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO verstoßen, weil es seine Entscheidung ausschließlich auf die von ihm für richtig gehaltene Auslegung des § 641 Abs. 2 Satz 1 BGB stützte.

Der Senat teilt die Rechtsansicht des Landgerichts nicht. § 641 Abs. 2 BGB stellt den Vergütungsanspruch des Unternehmers spätestens dann fällig - falls er nicht nach dem Vertrag bereits zuvor fällig ist -, wenn der Besteller seinerseits von seinem Besteller (= Dritter) für die vom Unternehmer erbrachte Leistung ganz oder teilweise die Vergütung erhalten hat (sogenannte Durchgriffsfälligkeit). Diese Regelung dient dem Interesse von durch Generalunternehmer beauftragten Subunternehmern sowie von durch Bauträger beauftragten Unternehmern, Vergütung für ihre Leistung spätestens dann zu erhalten, wenn und soweit ihr Vertragspartner diese von seinem Besteller erhalten hat. Damit soll verhindert werden, daß der Besteller die für eine Leistung des Unternehmers erhaltene Vergütung nicht an den Unternehmer weiterleitet mit der Begründung, dessen Leistung sei mangelhaft (Kiesel NJW 2000, 1673, 1678).

Maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers. Es ist mithin vom objektiven Sinngehalt der Norm auszugehen (OLG Koblenz NJW 2003, 2100, 2101). Insoweit kommt es auf den Wortsinn, den Bedeutungszusammenhang, die Entstehungsgeschichte und den Zweck des Gesetzes an. Ausgangspunkt der Auslegung ist die Wortbedeutung. Entscheidend für das Auslegungsergebnis ist grundsätzlich die teleologische Auslegung, die sich am Gesetzeszweck orientiert. Auf den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers kommt es regelmäßig nicht an, zumal sich dieser oft auch gar nicht feststellen läßt oder durch die Änderung der Lebensverhältnisse bald überholt ist (Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Einleitung Rn. 34, 35, 38).

§ 641 Abs. 2 BGB regelt nach dem unzweideutigen Text nur die Fälligkeit des Werklohnanspruches. Zur Möglichkeit eines Zurückbehaltungsrechts schweigt die Bestimmung sich aus. Die Vorschrift schließt folglich ein Zurückbehaltungsrecht nicht aus (Stapenhorst DB 2000, 909, 910; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 10. Aufl., Rn. 1338; aA: Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 641 Rn. 8; Kniffka ZfBR 2000, 227, 232).

Mit der Verwendung des Wortes "spätestens" kommt im Gegenteil zum Ausdruck, daß die Fälligkeit aufgrund der Zahlung seitens des Dritten keinen weiterreichenden Inhalt und deshalb auch keine weiterreichenden Folgen haben soll, als eine durch eine (förmliche) Abnahme ausgelöste Fälligkeit. Hat der Auftraggeber das Werk abgenommen, kann er ein Nachbesserungsrecht dem nunmehr fälligen Werklohnanspruch einredeweise entgegensetzen, was auch § 641 Abs. 3 BGB vorsieht. Es wäre ein unhaltbares Ergebnis, würde der Auftraggeber dieses Leistungsverweigerungsrecht allein deswegen verlieren, weil der Dritte - aus welchen Gründen auch immer - an ihn zahlt, beispielsweise weil dieser die Mängel noch nicht kennt. Die gegenteilige Rechtsansicht hätte zur Folge, daß der Unternehmer, um sich sein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Subunternehmer zu erhalten, den Dritten von einer Zahlung an sich abhalten müßte, indem er ihn von den Mängeln in Kenntnis setzt.

Mindert der Bauherr nach der Zahlung den Werklohn wegen eines Mangels, muß der Generalunternehmer möglicherweise den ganzen Werklohn zurückzahlen; er trägt damit das Insolvenzrisiko des Subunternehmers. Sind die Verjährungsfristen verschieden lang, ist nämlich die Dauer der Gewährleistungshaftung des Subunternehmers kürzer als diejenige des Hauptunternehmers, so wäre der Minderungsanspruch des Generalunternehmers gegenüber dem Subunternehmer nicht selten bereits zu dem Zeitpunkt verjährt, zu dem der Dritte den Generalunternehmer in unverjährter Zeit in Anspruch nimmt. Nach den §§ 478, 639 BGB a.F. steht beispielsweise dem Generalunternehmer gegenüber dem Subunternehmer ein Zurückbehaltungsrecht trotz Verjährung der Gewährleistungsrechte dann zu, wenn er vor Verjährungseintritt den Mangel angezeigt hat. Auf ein solches bloßes Verteidigungsmittel wird sich der Auftraggeber (Generalunternehmer) oft dann zurückziehen, wenn der Subunternehmer aus finanziellen Gründen weder etwas leisten noch etwas zahlen kann. Entrichtet der Bauherr nach Verjährung der Gewährleistungsrechte des Generalunternehmers gegen den Subunternehmer den Werklohn an den Generalunternehmer, würde dieser bei der vom Erstgericht vorgenommenen Gesetzesauslegung das Zurückbehaltungsrecht verlieren und müßte an den Subunternehmer dessen Vergütung auszahlen, obwohl der Bauherr vom Generalunternehmer beispielsweise unter dem Gesichtspunkt der Minderung die Rückzahlung des Werklohns beanspruchen kann. Die Rechte aus § 479 BGB a.F. kann der Generalunternehmer häufig nicht geltend machen, weil der Schadensersatzanspruch regelmäßig eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gegenüber dem Subunternehmer voraussetzt, dieser aber gerade wegen der Verjährung nicht mehr in Verzug geraten kann. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ist die Rechtslage nicht anders; nach § 635 Abs. 1 BGB kann der Besteller Nacherfüllung verlangen und darauf ein Zurückbehaltungsrecht stützen (§ 320 BGB). Es gilt § 634 a Abs. 4 Satz 2 BGB i.V.m. § 218 BGB.

Schließt man bei Anwendung des § 641 Abs. 2 BGB das Zurückbehaltungsrecht aus, könnte das dazu führen, daß beispielsweise der Generalunternehmer möglichst früh dem Subunternehmer das Nachbesserungsrecht aus der Hand zu schlagen versucht, um mit einer auf Geld gerichteten Forderung aufrechnen zu können. Es ist nicht einzusehen, warum der Generalunternehmer aufrechnen können soll, aber kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen darf.

§ 641 Abs. 2 Satz 1 BGB verliert auch nicht seine Bedeutung, wenn man ein Zurückbehaltungsrecht bejaht. Häufig liegt nämlich der dreifache Betrag des Mängelbeseitigungsaufwandes weit unter dem Werklohn, der ohne die Bestimmung des § 641 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht fällig wäre, wenn der Auftraggeber/Generalunternehmer die Abnahme - zu Recht - verweigert.

Aus § 641 Abs. 2 Satz 2 BGB folgt nichts anderes. Insbesondere kann dieser Vorschrift nicht die gesetzgeberische Absicht entnommen werden, die Regelung des § 641 Abs. 3 BGB auszuschließen. Vielmehr soll damit lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Zahlung des Dritten nur im Hinblick auf eine ihm geleistete Sicherheit erfolgt, deren Kosten der Generalunternehmer tragen muß. Deshalb soll die Fälligkeit des Werklohnanspruchs des Subunternehmers in einem solchen Falle nur eintreten, wenn auch der Subunternehmer dem Generalunternehmer Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Zwar ist eine Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dann rechtsfehlerhaft, wenn sie wegen eines Verfahrensfehlers erfolgt, auf den es für das Ergebnis der Entscheidung rechtlich nicht ankommt. Das ist hier indes nicht der Fall; denn die Beklagte hat die Vereinbarung der VOB/B nicht nachzuweisen vermocht. Bereits dem Angebot der Klägerin vom 27.02.2001 waren die Liefer- und Montagebedingungen beigefügt. Auf sie wird im Angebotstext ausdrücklich Bezug genommen. Sie weisen aus, daß u.a. die Vorschriften der VOB nicht gelten sollen (Ziffer A 1 der Allgemeinen Lieferbedingungen). Das Besprechungsprotokoll der Beklagten vom 26.03.2001 zielt auf eine Vorabfestlegung von Vertragsbedingungen "im Fall der Auftragsvergabe". Einem bloßen Schweigen auf das Schreiben der Beklagten, mit dem diese das Protokoll der Klägerin übersandte, kommt um so weniger rechtliche Qualität im Sinne einer Annahmeerklärung zu, als zum einen das Angebotsschreiben der Klägerin deren Willen ausweist, die VOB nicht gelten zu lassen, und zum anderen die Beklagte eine schriftliche Annahmeerklärung wollte; denn die Beklagte erbat von der Klägerin die Rücksendung des ergänzten und "rechtsverbindlich" unterschriebenen Protokolls. Die Rücksendung erfolgte dem Beklagtenvortrag zufolge mit Schreiben der Klägerin vom 11.05.2001 an die Beklagte. Die Unterzeichnung des Protokolls war indes nicht vorbehaltlos erfolgt. Vielmehr verwies die Klägerin auf eine Auftragsbestätigung, die noch folgt und deren Inhalt ersichtlich zwischen den Parteien gültig sein soll. Diese Auftragsbestätigung übermittelte auch die Klägerin mit Schreiben vom 08.06.2001 an die Beklagte; nach deren Inhalt sollen die AGB und die Montagebedingungen der Klägerin gelten. Damit war wiederum die Beklagte nicht einverstanden, was sie mit ihrem Schreiben vom 12.06.2001 an die Klägerin zum Ausdruck brachte. Auf die Länge der Zeitspanne zwischen der Übersendung des Gesprächsprotokolls am 30.03.2001 und der Übersendung des Schreibens der Klägerin vom 08.06.2001 kann die Beklagte sich aus mehreren Gründen nicht berufen. Zum einen vermag sie den Vortrag der Klägerin nicht zu widerlegen, wonach diese bereits mit Schreiben vom 05.04.2001 die Beklagte auf ihre AGB und Montagebedingungen hinwies. Zum anderen enthält das von der Klägerin gegengezeichnete und mit Schreiben vom 11.05.2001 übermittelte Gesprächsprotokoll den bereits dargestellten Vorbehalt. Vor allem aber hatte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 23.04.2001 die Klägerin aufgefordert, nicht nur das Besprechungsprotokoll sondern auch den beigefügten Nachunternehmervertrag zu unterschreiben. Sie hatte ausdrücklich in diesem Schreiben die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, daß der Vertrag erst mit Originalunterschrift sowie mit termingerechter Rücksendung "rechtskräftig" wird. Ersichtlich sollte nach dem Willen beider Vertragspartner ein förmlicher Nachunternehmervertrag geschlossen werden, weshalb § 154 Abs. 2 BGB maßgeblich sein dürfte, wonach dann, wenn eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrages verabredet worden ist, im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen ist, bis die Beurkundung erfolgt ist. Die Klägerin unterzeichnete den ihr übermittelten Nachunternehmervertrag aber zu keinem Zeitpunkt.

Es bleibt deshalb dabei, daß wegen kollidierender allgemeiner Geschäftsbedingungen das gesetzliche Werkvertragsrecht maßgebend ist. Die sogenannte Theorie des letzten Wortes ist von der Rechtsprechung - zu Recht - aufgegeben worden. Die von der Klägerin verwendete Abwehrklausel schließt sowohl, widersprechende als auch ergänzende Klauseln des anderen Teiles aus (BGH NJW-RR 2001, 484, 485). Haben - wie hier - beide Parteien ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen Abwehrklauseln vorangestellt, gelten die beiderseitigen Geschäftsbedingungen nur insoweit, als sie übereinstimmen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich substantiiert Mängel behauptet. Beide Parteien haben u.a. die Erholung eines Gutachtens beantragt, die Klägerin zum Nachweis der Mangelfreiheit, die Beklagte zum Nachweis der gerügten Mängel. Dem muß nachgegangen und eine Beweisaufnahme durchgeführt werden. Es handelt sich um eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme, die dem Erstgericht obliegt.

Die Kostenentscheidung war der Schlußentscheidung durch das Erstgericht vorzubehalten.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Sie ist auch in zurückverweisenden Urteilen auszusprechen (Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 708 Rn. 11).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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