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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 22.02.2000
Aktenzeichen: 5 U 25/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 847
Leitsatz:

1. Ein Zukunftsschaden wird nicht bereits durch den Vortrag dargelegt, es könne noch nicht abzusehen, inwieweit aufgrund der dauernden Beeinträchtigung auch finanzielle Einbußen eintreten können. Eine mögliche Wirkung in der Zukunft muss wenigstens der Art nach dargelegt werden.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Aufklärung ausnahmsweise vor einer Leitungsanästhesie entbehrlich ist, weil der Arzt angesichts der äußerst geringen Komplikationsdichte annehmen darf, der Patient werde vernünftigerweise seine Einwilligung angesichts der bevorstehenden, ansonsten schmerzhaften Paradonotosebehandlung nicht wegen des geringen Risikos einer dauerhaften Schädigung des Nervus lingualis verweigern.


5 U 25/99 5 O 744/99 LandG Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am 22. Februar 2000

Schöneberger, Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

wegen Schadensersatzes aus Arzthaftung (Zahnarzt)

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Mörsch sowie die Richter am Oberlandesgericht Goldstein und Weisbrodt auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 1999 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 3.100 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten dürfen auch durch Bürgschaft einer inländischen Bank oder Sparkasse gestellt werden.

4. Die Beschwer des Klägers beträgt weniger als 60.000 DM.

Tatbestand:

Der Beklagte, seit 1994 behandelnder Zahnarzt des Klägers, verabreichte diesem anlässlich einer Parodontosebehandlung am 24. September 1998 eine Lokalleitungsanästhesie im Unterkiefer. Bei vorangegangenen Behandlungen, unter anderem auch einer Parodontosebehandlung, war der Kläger mehrfach in gleicher Weise anästhesiert worden. Über das Risiko einer Verletzung des Nervus lingualis als Folge der Leitungsanästhesie hatte der Beklagte bei keiner der Behandlungen hingewiesen. Infolge der Anästhesie erlitt der Kläger eine Teilläsion des Nervus lingualis mit zumindest anfänglichem Taubheitsgefühl in der Zunge. Eine Medikation mit einem Vitamin B-Präparat blieb erfolglos. Bei einer Untersuchung im Dezember 1998 war eine Geschmacksstörung im linken Zungenareal feststellbar. Eine chirugische Revision ist wegen der nicht als genügend erachteten Erfolgsaussicht ärztlicherseits nicht in Erwägung gezogen worden.

Der Kläger, der jetzt nicht mehr behauptet, die Betäubung sei fehlerhaft geschehen, weil das Präparat aus der Spritze auf die Zunge getropft sei, verlangt Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung. Er meint, vor der Behandlung hätte er über das zwar seltene, aber typische Risiko der Nervenverletzung durch die Anästhesie aufgeklärt werden müssen.

Der Kläger hat vorgetragen:

Er habe nach wie vor kein Gefühl in der Zunge. Deshalb könne er weder heiß von kalt unterscheiden, noch geschmackliche Unterschiede feststellen. Er habe Sprachprobleme, weil ihm die Zunge nicht mehr gehorche, die Beeinträchtigungen hätten sich seit der Behandlung nicht gebessert. Eine Besserung sei auch nicht mehr zu erwarten.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens DM 30.000,00 nebst 4% Zinsen seit dem 1. Juni 1999 zu zahlen und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, soweit diese auf die zahnärztliche Behandlung vom 24. September 1998 zurückgingen und die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen seien.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint:

Über die Möglichkeit einer Schädigung des Nervus lingualis durch die Lokalleitungsanästhesie sei nicht aufzuklären, weil das Auftreten einer solchen Schädigung im Zusammenhang mit der durchgeführten Behandlung so selten und unwahrscheinlich sei, dass der Eintritt der behaupteten und in Ausmaß und Dauer der Beeinträchtigungen schicksalhaft und unvorhersehbar sei.

Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat durch Urteil vom 8. September 1999 die Klage abgewiesen und ausgeführt:

Über das Risiko einer vorübergehenden Schädigung des Nervus lingualis muss der behandelnde Arzt deshalb nicht aufklären, weil dieses Risiko als Nebenfolge der Schmerzausschaltung durch Betäubung als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann. Jeder Laie kann sich vorstellen, dass die Ausschaltung von schmerzleitenden Bahnen andere in diesem Bereich verlaufende Nerven tangieren kann, und zwar auch über die Wirkungszeit des Mittels hinaus. Vorübergehende Missempfindungen oder Störungen im Versorgungsgebiet des Zungengrundnerven sind von dieser Vorstellung abgedeckt (OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 751 f = VersR 1999, 1500 mwNw). Anders als das Auftreten vorübergehender Schäden ist hingegen die Möglichkeit bleibender Schäden des Nervus lingualis durch das Setzen einer Leitungsanästhesie nicht von der Kenntnis über das allgemeine Narkoserisiko umfasst. Unstreitig handelt es sich bei der Schädigung des Nervus lingualis im Zusammenhang mit der Durchführung einer Lokalanästhesie um ein sehr seltenes Risiko, das sich selbst bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt realisieren kann. Dem Grundsatz nach ist eine Aufklärung auch über extrem seltene Risiken geboten, wenn sie im Fall der Verwirklichung die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Patienten als medizinischen Laien jedoch überraschend sind. Dementsprechend kann auch bei einer Komplikationsdichte von weniger als 1% von einer Aufklärung über mögliche Zwischenfälle regelmäßig nur dann abgesehen werden, wenn diese Möglichkeit bei einem verständigen Patienten für seinen Willensentschluss über die Einwilligung ernsthaft nicht ins Gewicht fallen kann (BGH NJW 1972, 335, 337).

Eine solche Ausnahme ist bei der Gefahr dauernder Beeinträchtigungen als Folge einer Leitungsanästhesie gegeben. Das Risiko einer dauerhaften Schädigung, verbunden mit einem Taubheitsgefühl der Zunge und einer Minderung des Geschmacksempfindens, ist so extrem selten, dass der vor einem schmerzhaften Eingriff, wie der mit dem Ablösen des Zahnfleisches von den Zahnhälsen verbundenen Parodontosebehandlung, stehende Patient seine Entscheidung für oder gegen die Leitungsanästhesie vernünftigerweise nicht davon abhängig machen wird, dass der Nervus lingualis in ganz seltenen Fällen dauerhaft geschädigt werden kann (OLG Stuttgart aaO, Gaisbauer VersR 1995, 12, 19 jeweils mwNw). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Leitungsanästhesie nicht durch ein risikoärmeres Verfahren zur Schmerzlinderung ersetzt werden kann (Gaisbauer aaO, S. 14). Eine Aufklärung dieses Risikos ist deshalb im Fall der Leitungsanästhesie nicht geboten.

Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der ganz überwiegenden Auffassung, dass bei der operativen Entfernung von Weisheitszähnen, verbunden mit der auch hier zur Schmerzausschaltung angewandten Leitungsanästhesie, auf die Gefahr einer auch dauerhaften Schädigung des Nervus lingualis hingewiesen werden muss (OLG München NJW-RR 1994, 1308 f, OLG Köln NJW-RR 1998, 1324 f). Das wesentlich höhere Schädigungsrisiko liegt in diesen Fällen nämlich in der chirurgischen Zahnbehandlung (Gaisbauer, aaO, S. 14). Allein aufgrund der erforderlichen mechanischen Einwirkungen auf den Unterkiefer zur Extraktion des Zahnes erhöht sich das Risiko einer dauerhaften Nervenschädigung in den Fällen der operativen Entfernung von Weisheitszähnen um ein Vielfaches gegenüber dem Risiko bei ausschließlicher Einwirkung auf den Unterkiefer durch die Vornahme einer Leitungsanästhesie.

Auf dieses Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihm von Amts wegen am 13. September 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Oktober 1999 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 26. Oktober 1999 begründet. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.

Der Kläger wiederholt seinen Vortrag aus erster Instanz, bietet zum Nachweis seiner Beeinträchtigung Sachverständigenbeweis an und rügt:

Die Zivilkammer habe zwar zutreffend erkannt, dass über das seltene, gleichwohl typische Risiko, dass es bei einer Leitungsanästhesie zu einem Dauerschaden kommen könne, aufzuklären sei. Hätte er das Risiko gekannt, wäre er in Zweifel gekommen, ob er die nicht dringend gebotene Behandlung durchführen lassen solle. Im Unterkiefer hätte er auf diese

Behandlung wohl verzichtet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 1999 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens DM 30.000,00 nebst 4% Zinsen seit dem 1. Juni 1999 zu zahlen und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, soweit diese auf die zahnärztliche Behandlung durch den Beklagten vom 24. September 1998 zurückgingen und die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen seien.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Eine Verletzung des Nervus lingualis könne nicht die Motorik der Zunge beeinträchtigen, weil diese durch den Nervushypoglossus gesteuert werde. Die Leitungsanästhesie habe schon wegen der anatomischen Verhältnisse diesen Nerven nicht treffen können.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, Protokolle und die anderen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist auch wegen des Feststellungsantrags zulässig. Der Feststellungsantrag ist aber nicht begründet.

Ein Feststellungsinteresse besteht, soweit künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich sind, ihre Art, Umfang oder ihr Eintritt aber noch ungewiss ist. Die Wahrscheinlichkeit einer Schadensentstehung stellt keine Sachurteilsvoraussetzung dar, sondern gehört zur materiellen Klagebegründung. (BGH BGHR ZPO § 256 Abs. 1, Feststellungsinteresse 19).

Selbst die Haftung des Beklagten unterstellt, wäre das Feststellungsbegehren nicht zuzusprechen. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, welchen Zukunftsschaden er aufgrund des - unterstellt - zum Schadensersatz verpflichtenden Verhaltens des Beklagten haben könnte. Er sagt dazu lediglich, er könne noch nicht absehen, inwieweit er aufgrund der dauernden Beeinträchtigung auch finanzielle Einbußen erleiden werde. Das ist kein genügender Vortrag. Auch in der Klageschrift hat er nur - im Zusammenhang mit der Bemessung des begehrten Schmerzensgeldes - auf - nicht näher geschilderte - nachteilig wirkende Folgen im beruflichen und gesellschaftlichen Leben hingewiesen. Es ist aber gänzlich unbekannt geblieben, welchen Beruf der Kläger ausübt und welche Nachteile ihm erwachsen könnten. Sofern er bei der Ausübung seines Hobbys - er kocht - behindert sein sollte, ist nicht zu ersehen, inwiefern hieraus künftig ein Schaden entstehen sollte. Die Folgen der Behandlung sind aber bekannt. Eine mögliche Wirkung in der Zukunft kann daher bereits jetzt wenigstens eingeschätzt und der Art nach dargelegt werden.

2. Der Kläger hat aber ohnehin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823, 847 BGB und auch nicht aus positiver Vertragsverletzung.

Dies hat die Zivilkammer im angefochtenen Urteil mit zu treffenden Gründen unter Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung dargelegt. Diese Erwägungen erweisen sich auch gegenüber dem Berufungsvorbringen als zutreffend. Der Senat folgt ihnen und macht sie sich gemäß nachstehender Anmerkungen zu eigen.

1. Ein Behandlungsfehler des Beklagten ist nicht ersichtlich. Es gehört zum Wesen einer Lokalanästhesie, möglichst nahe am Nervenstamm zu injizieren. Auch von einem erfahrenen und sorgfältigen Zahnarzt, kann eine Nervenschädigung dabei nicht zuverlässig vermieden werden (vgl. Gaisbauer VersR 1995, 12 mwNw). Die Leitungsanästhesie für den Nervus lingualis, die nach wie vor im Bereich der Unterkieferzahnbehandlung als die schonendste Methode zur Schmerzbehandlung gilt, birgt ein geringes, gleichwohl bekanntes, durch Sicherheitsvorkehrungen nicht vollständig beherrschbares Risiko für diesen Nerven (vgl. dazu Gaisbauer aaO, S. 15 ff, der einige in Betracht kommende Ursachen aufzeigt). Dass der Beklagte nicht genügend sorgfältig gehandelt hätte, behauptet der Kläger nicht.

2. Grundsätzlich gilt, dass über Risiken, die nicht beherrscht werden können, aufzuklären ist, wenn sich eine solche Komplikation in eine für den Laien überraschende, für den konkreten Patienten besonders schwerwiegende Richtung entwickeln kann oder ein Routineeingriff ein dem Patienten regelmäßig nicht bewusstes Risiko birgt. Risikostatistiken sind für das Maß der Aufklärung von nur geringem Wert. Sie schlüsseln die Risiken meist zu eng nach medizinischen Verwirklichungsformen und -graden auf und unterscheiden nicht zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren Risiken (Steffen/Dressier Arzthaftungsrecht, Rdn. 332; Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rdn. B 145). Für die ärztliche Hinweispflicht kommt es nicht entscheidend auf einen bestimmten Grad der Komplikationsdichte, sondern maßgeblich darauf an, ob das in Frage stehende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (vgl. BGH VersR 1994, 104;

BGHR BGB ö 823 Abs. 1, Arzthaftung 96; Ulsenheimer MedR 1992, 12 7, 133).

Auch über typische Schäden einer Behandlung mit einer geringen Komplikationsdichte bedarf es daher nur dann keiner Belehrung, wenn sie nur in entfernt seltenen Fällen auftreten und anzunehmen ist, dass sie bei einem verständigen Patienten für seinen Entschluss, in die Behandlung einzuwilligen, nicht ernsthaft ins Gewicht fallen. In einem solchen Fall braucht eine Aufklärung erst dann erteilt zu werden, wenn der Patient ausdrücklich nach etwaigen Gefahren der Behandlung fragt (BGHZ 29, 46, 60f; LM BGB § 823 Aa Nr. 28 = VersR 1972, 133).

Ob eine Aufklärung ausnahmsweise entbehrlich ist, ist unter Würdigung aller Umstände festzustellen. Die Intensität, die Dringlichkeit und die Notwendigkeit des Eingriffs, zur Verfügung stehende oder alternative Behandlungsmethoden schließlich auch die Komplikationsdichte sind zu beachtende Kriterien. Danach wird in der Rechtsprechung zur Arzthaftung die Aufklärung über das extrem seltene Risiko einer Schädigung des Nervus lingualis durch eine Leitungsanästhesie am ehesten für entbehrlich gehalten, wenn diese nicht mit einem chirurgischen Eingriff, der das (isolierte) Risiko bis zu hundertfach erhöhen kann oder großen prothetischen Maßnahmen mit hoher, mechanischer Belastung einhergeht (vgl. OLG Stuttgart VersR 1999, 1500; OLG Schleswig AHRS 4800/5; OLG Hamm AHRS 4800/12; siehe auch die Zusammenfassungen bei Gaisbauer aaO).

Auch der Beklagte musste den Kläger hier nicht über das (isolierte) Risiko einer Leitungsanästhesie aufklären. Nicht ausschlaggebend sind vorangegangene Erfahrungen des Klägers aus früheren Behandlungen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich das Wissen auch auf die Gefahr einer Dauerschädigung erstreckte. Dieses Risiko verwirklicht sich jedoch so extrem selten, dass es kaum adäquat darstellbar ist (vgl. OLG Stuttgart aaO nach sachverständiger Beratung). Hinzukommt, dass eine Leitungsanästhesie im Bereich des Unterkiefers die schonendste Behandlung darstellt. Der Eingriff beim Kläger war geplant. Der Kläger war bereits früher wegen dieses Krankheitsbilds behandelt worden. Diese Behandlung sollte fortgeführt werden, insbesondere auch um das Fortschreiten der Parodontose zu verhindern. Es bestand ein Behandlungsbedarf. Auch zu einem späteren Zeitpunkt wäre die Behandlung keine andere gewesen, lediglich hätte sich bis dahin das Krankheitsbild noch verschlimmern können. Die Parodontosebehandlung sollte in einer Abhebung des Zahnfleisches und der Reinigung der Zahnhälse bestehen. Diese Behandlung ist schmerzhaft. Bei solchen Umständen wird der Patient vernünftigerweise seine Einwilligung zur Leitungsanästhesie nicht wegen des geringen Risikos einer dauerhaften Schädigung des Nervus lingualis verweigern. Daher kommt es auf einen möglichen Entscheidungskonflikt im Zusammenhang mit einer hypothetischen Einwilligung nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 ZPO vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer des Klägers ist gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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