Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 24.08.2004
Aktenzeichen: 1 W 19/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 W 19/04

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes aus Verkehrsunfall

hier: Kostenfestsetzung

hat der 1. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Klüber als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27. Februar 2004 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) vom 3. Februar 2004

am 24. August 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss geändert:

Die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 2 525,90 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem 25. August 2003 festgesetzt.

Im Übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen.

II. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger 82 % und die Beklagte 18 % zu tragen.

IV. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1 569,71 € und derjenigen des zurückgewiesenen Teils der Beschwerde auf 287,33 € festgesetzt.

Gründe:

1. Mit Schreiben vom 13. Februar 2003 nahm der Kläger die Beklagte über deren KH-Schadensabteilung in B... auf Schadensersatz in Höhe von 11 161,24 € aus einem von ihm behaupteten Verkehrsunfall vom 3. Januar 2003 in Anspruch. Die Beklagte lehnte im Antwortschreiben vom 10. März 2003 eine Schadensregulierung u. a. mit der Begründung ab, der geschilderte Unfallhergang entspreche nicht den vorgefundenen Beschädigungsbildern und er sei technisch nicht möglich. Der Kläger setzte daraufhin im Schreiben vom 17. März 2003 eine Zahlungsfrist bis 28. März 2003; gleichzeitig kündigte er an, nach fruchtlosem Fristablauf "ohne weiteres Zuwarten Klage beim Landgericht Frankenthal" zu erheben.

Dort ging die Klage am 7. April 2003 ein. Am 6. April 2003 hatte die Beklagte den Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle Dipl.-Ing. W.... mit der Erstellung eines Gutachtens zur Kompatibilität der Fahrzeugschäden, die bei dem vom Kläger behaupteten Unfall verursacht worden sein sollen, beauftragt. Dessen Gutachten vom 12. Mai 2003 legt die Beklagte dem Gericht mit ihrer Klageerwiderung vom 26. Mai 2003 vor.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. August 2003 nahm der Kläger die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurück. Durch Beschluss des Landgerichts vom gleichen Tag wurden ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

In ihren Kostenfestsetzungsanträgen vom 22. August und 27. August 2003 hat die Beklagte beantragt, gegen den Kläger Kosten von insgesamt 2 813,23 € (1 530,85 € + 1 282,38 €) festzusetzen. Davon hat die Rechtspflegerin beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) durch Beschluss vom 3. Februar 2004 lediglich 1 243,52 € zugebilligt. Die Erstattungsfähigkeit von geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Höhe von insgesamt 287,33 € (191,70 € + 56,00 € + Mehrwertsteuer) hat sie ebenso verneint wie die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beklagten für das von ihr eingeholte Privatgutachten Dipl.-Ing. W... in Höhe von insgesamt 1 282,38 €.

Mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde verfolgt die Beklagte ihre Kostenfestsetzungsanträge weiter, soweit sie keine Berücksichtigung gefunden haben.

2. Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie sofortige Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 ZPO) ist zum Teil begründet.

a) Entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin hat der Kläger der Beklagten auch die Kosten für das Privatgutachten Dipl. Ing. W... in Höhe von 1 282,38 € zu erstatten, so dass auch dieser Betrag gegen den Kläger festzusetzen ist.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Kläger die der Beklagten erwachsenen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu gehören die Kosten für ein von der Partei eingeholtes Privatgutachten, wenn es in unmittelbarer Beziehung zu dem Rechtsstreit stand und dessen Einholung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung geboten war (vgl. BGHZ 153, 235). Beides ist hier unzweifelhaft gegeben.

(1) Die Bedenken der Rechtspflegerin gegen die Prozessbezogenheit des Privatgutachtens Dipl.-Ing. W... teilt der Senat nicht. Es trifft zwar zu, dass ein Haftpflichtversicherer ein Privatgutachten auch deshalb einholen kann, weil er sich über Grund und Höhe seiner Einstandspflicht für den an ihn herangetragenen Haftpflichtschaden noch nicht schlüssig ist, ohne dabei eine unmittelbare Beziehung zu einem Rechtsstreit zu sehen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn - wie hier - die Beauftragung des Privatsachverständigen zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem der Geschädigte die Erhebung einer Schadensersatzklage bereits angekündigt hatte. Bei dieser Sachlage hatte das von der Beklagten eingeholte Privatgutachten zur Kompatibilität der Fahrzeugschäden, die bei dem vom Kläger behaupteten Unfall verursacht worden sein sollen, und damit zur Plausibilität des vom Kläger geschilderten Unfallhergangs zumindest auch den Zweck, die Position der Beklagten im angedrohten Rechtsstreit zu stützen (vgl. BGH aaO m.w.N.).

(2) Der Auftrag an den Privatgutachter war im konkreten Fall auch notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die Beurteilung dieser Frage hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Unter diesem Blickpunkt kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnis nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist (vgl. BGH aaO m.w.N). Das ist hier mit Blick auf die Sachkenntnis, die eine Person besitzen muss, um die Kompatibilität von Fahrzeugschäden verlässlich zu beurteilen, ohne weiteres zu bejahen. Erst nach sachverständiger Hilfe durch ihren Privatgutachter war die Beklagte in der Lage, sich im Prozess hierzu substantiiert zu äußern. Auf die Möglichkeit, dass das Gericht im Verlauf des Rechtsstreits zu den Fahrzeugschäden ein Sachverständigengutachten einholen könnte, brauchte sich die Beklagte nicht verweisen zu lassen (BGH aaO).

b) Die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Zusammenhang mit dessen Terminswahrnehmung hat die Rechtspflegerin dagegen zu Recht verneint.

Die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Reisekosten scheitert allerdings nicht schon daran, dass der Rechtsanwalt der Beklagten weder an deren Geschäftsort (D...) noch an dem Ort ihrer den Haftpflichtfall allem Anschein nach abwickelnden Schadensabteilung (B...) oder dem Gerichtsort (F...), sondern an einem anderen Ort (M...) residiert. Die Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts sind in derartigen Fällen jedenfalls bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH NJW-RR 2004, 855).

Diese Erforderlichkeit ist hier aber nicht festzustellen, weil die Beklagte allem Anschein nach in der Lage gewesen sein muss, einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt schriftlich zu instruieren. Die Beklagte verfügte unstreitig über eine eigene Rechtsabteilung, die die vorgerichtliche Auseinandersetzung mit dem späteren Prozessgegner über den Haftpflichtanspruch derart aufarbeiteten konnte, dass sie einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich hätte unterrichtet können. Der Einwand der Beklagten, ihre Rechtsabteilung führe keine Unfallprozesse, liegt neben der Sache. Es geht nicht um das Recht der Beklagten, sich im Prozess durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, sondern um ihre - durch das Vorhandensein einer Rechtsabteilung geprägte - Fähigkeit, den Prozessbevollmächtigten über die Angelegenheit schriftlich zu informieren. Dass dies ihrer KH-Schadensabteilung in Berlin, die in ihrem Schreiben vom 10. März 2003 die Schadensersatzansprüche des Klägers zurückwies und am 6. April 2003 das Privatgutachten in Auftrag gab, nicht möglich gewesen sein soll, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan..

Bei dieser Sachlage wäre die Einschaltung eines am Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts nicht notwendig gewesen (vgl. BGH aaO; auch BGH NJW-RR 2004, 856).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück