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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 11.02.2000
Aktenzeichen: 2 AR 47/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36
ZPO § 606
Leitsatz:

Kann der Aufenthalt in einem Frauenhaus einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen?


2 AR 47/99 5c F 39/98 AmtsG -FamG- Ludwigshafen am Rhein

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen, hier: Gerichtsstandsbestimmung, hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Mörsch sowie die Richter am Oberlandesgericht Hoffmann und Weisbrodt ohne mündliche Verhandlung am 11. Februar 2000

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 20. September 1999 wird aufgehoben.

Die Vorlage ist nicht gerechtfertigt.

Gründe:

Zutreffend weist das vorlegende Familiengericht darauf hin, dass die Verweisung durch das Familiengericht Pirmasens nicht binde, weil kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Das hat aber zugleich zur Folge, dass die Vorlage nicht gerechtfertigt ist. Besteht zwischen mehreren Gerichten, von denen eines zuständig ist, Streit darüber, welches von ihnen den Rechtsstreit zu entscheiden hat, und verneinen diese ihre Zuständigkeit, so hat gemäß § 36 Nr. 6 ZPO das im Rechtszug zunächst höhere Gericht das zuständige Gericht zu bestimmen.

Voraussetzung für eine derartige Gerichtsbestimmung ist aber in jedem Fall, dass sich die in Betracht kommenden Gerichte wirksam für unzuständig erklärt haben, also ein sogenannter negativer Kompetenzkonflikt besteht. Daran fehlt es vorliegend, weil jedenfalls der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 21. Januar 1998, worauf die Aktenvorlage an den Senat unmittelbar gestützt ist, keine wirksame Zuständigkeitsverneinung darstellt. Diese Entscheidung ist rechtswidrig, nämlich unter Verletzung des Gebotes des rechtlichen Gehörs ergangen. Jedenfalls der Antragsgegner ist hierzu nicht gehört worden. Eine derartige Entscheidung ist aber keine hinreichende Grundlage für einen Kompetenzkonflikt (Senat, Beschluss vom 3. März 1999, 2 AR 12/99). Die Vorlage an das Oberlandesgericht ist deshalb nicht gerechtfertigt.

Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Die örtliche Zuständigkeit für Ehesachen liegt gemäß § 606 Abs. 1 ZPO bei dem Familiengericht, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Fehlt es beim Eintritt der Rechtshängigkeit an einem solchen Aufenthalt im Inland, so ist das Familiengericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit den gemeinsamen minderjährigen Kindern den gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die weitere Zuständigkeitsregel gemäß § 606 Abs. 2 ZPO ist hier nach Lage der Dinge nicht einschlägig.

Welches Familiengericht für die Entscheidung über den am 20: Dezember 1997 zugestellten Scheidungsantrag vom 17. Oktober 1997 zuständig ist, kann derzeit nicht beurteilt werden, weil die erforderlichen Tatsachen nicht feststellbar sind.

Der "gewöhnliche Aufenthalt" ist der Ort, an dem der Schwerpunkt der Bindungen einer Person in familiärer oder beruflicher Hinsicht, ihr Daseinsmittelpunkt, liegt. An die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts dürfen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. In der Regel ist ein Aufenthalt von einer Dauer zu verlangen, die - im Unterschied von dem einfachen oder schlichten Aufenthalt - nicht nur gering oder vorübergehend sein darf. Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird grundsätzlich dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß der Aufenthalt an diesem Ort auf längere Zeit angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkt sein soll (BGH FamRZ 1981, 135 = NJW 1981, 520; FamRZ 1993, 789). Daher ist das vom vorlegenden Familiengericht herangezogene Argument nicht tauglich, dass eine erst ein- oder zweitägige Dauer bis zur Rechtshängigkeit nicht genüge. Kein gewöhnlicher Aufenthalt wird etwa begründet, wenn ein (selbst mehrwöchiger) Verbleib zunächst der Entscheidungsfindung dienen soll (BGH aaO).

Ob durch den Aufenthalt in einem Frauenhaus ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann, hängt zumindest von den Umständen des Einzelfalles ab. Im Regelfall gilt, dass eine solche Einrichtung für eine tatsächliche ständige Niederlassung nicht geeignet ist (vgl. OLG Köln FamRZ 1992, 976). So wird von einem gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht gesprochen werden können, wenn sich ein Elternteil mit dem Kind - etwa auf der Flucht vor dem anderen Elternteil - nacheinander in mehreren Frauenhäusern oder nur kurzfristig in einem Frauenhaus aufhält. Ein unter drei Wochen liegenden Aufenthalt in einem Frauenhaus reicht daher nicht (BGH, FamRZ 1995, 728).

Anders wird dagegen zu entscheiden sein, wenn der Aufenthalt im Frauenhaus länger andauert und wenn insbesondere durch nach außen erkennbare Umstände deutlich wird, daß die Mutter den betreffenden Ort zum ständigen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse zu machen gewillt ist. Anhalt kann hierfür sein, dass eine Anmeldung beim Einwohnermeldeamt geschehen ist und Hinweise bestehen, dass der Aufenthalt im Frauenhaus nicht nur einem vorübergehenden Zweck, sondern auf die Begründung einer ständigen Niederlassung an diesem Ort angelegt ist, was sich etwa aus einer Wohnungssuche ergeben kann (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 1994, 1104; OLG Hamm aaO).

Wie die Verhältnisse hier liegen, lässt sich erst nach weiterer Aufklärung beurteilen.

Dem Familiengericht in Pirmasens war durch das Jugendamt zu Ohren gekommen, dass die Antragstellerin in einem Frauenhaus im Bezirk des Familiengerichts Ludwigshafen am Rhein untergekommen sei. Wie lange sie dort lebte, ist nicht aktenkundig gemacht. Eine andere bei den Akten befindliche Adresse, die durch einen Versorgungsträger mitgeteilt worden ist, gibt ebenfalls keinen weiteren Aufschluss. Schließlich hat sich auch das Familiengericht Ludwigshafen am Rhein nicht dazu geäußert, welche Informationen und Erkenntnisse hinter dem Protokoll Vom 11. Mai 1998 stehen, dass der Aufenthalt der Antragstellerin gerichtsbekannt sei.

Ende der Entscheidung

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