Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.07.2003
Aktenzeichen: 1 B 414/02
Rechtsgebiete: LuftVG, LuftVZÜV


Vorschriften:

LuftVG § 29d
LuftVZÜV § 5
LuftVZÜV § 6 Abs. 1
1. Zuverlässig im Sinne von § 29d LuftVG ist nur, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs vor Angriffen in Zukunft ordnungsgemäß zu erfüllen. Die Zuverlässigkeit ist bereits zu verneinen, wenn auch nur geringe Zweifel an der erforderlichen Gewähr der ordnungsgemäßen Pflichterfüllung bestehen.

2. Die Entscheidung, ob die überprüfte Person zuverlässig ist oder nicht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, ein Beurteilungsspielraum steht der Luftfahrtbehörde nicht zu.

3. Eine Zusammenarbeit als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR kann Zweifel daran begründen, ob der - ehemalige - Inoffizielle Mitarbeiter das für die Sicherheit des Luftverkehrs erforderliche Maß an Verantwortungsbewußtsein, Selbstbeherrschung und Bereitschaft zur Einhaltung der Regeln künftig in jeder Situation und gegenüber jedermann aufbringen wird. Entscheidend kommt es insoweit bei der Würdigung des Einzelfalles etwa auf die Dauer und Intensität der Zusammenarbeit, den Grund der Bereitschaft zur Zusammenarbeit und für ihre Beendigung sowie den Inhalt und Umfang der erstatteten Berichte an. Ob die Zusammenarbeit zu konkret nachweisbaren Nachteilen für Dritte geführt hat, ist regelmäßig unerheblich.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 B 414/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Luftverkehrsrecht

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Sattler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Franke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 17. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bestätigung des Beklagten, dass er die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, um Zugang zu nicht allgemein zugänglichen Bereichen des Flughafens Dresden zu erhalten.

Der am geborene Kläger ist seit als Flugzeugmechaniker am Flughafen beschäftigt; gelegentlich erstreckte sich sein Einsatzort auf andere Flughäfen, insbesondere auf den Flughafen wenn in eine Messe stattfand. Seit dem 1.5.1991 ist er nicht mehr für die Interflug, sondern die Lufthansa Technik AG tätig. Während seiner Tätigkeit für die Lufthansa Technik AG war er ausschließlich und zur vollen Zufriedenheit seiner Arbeitgeberin im Sicherheitsbereich des Flughafens Dresden tätig.

Nachdem der Kläger nach seinen Angaben mehrfach durch den vormals zuständigen Bundesgrenzschutz überprüft worden war, beantragte er am 5.1.2000 die Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 29d LuftVG und erhielt unter dem 22.2.2000 eine jederzeit widerrufliche und unter dem Vorbehalt der endgültigen Überprüfung erteilte Bestätigung, dass gegenwärtig keine Erkenntnisse gegen ihn vorlägen. Mit Schreiben vom 20.8.2001 teilte. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit, dass der Kläger unter dem Decknamen als IMS (Inoffizieller Mitarbeiter für Staatssicherheit) geführt worden sei. Die Zusammenarbeit des Klägers mit dem Ministerium für Staatssicherheit (im Folgenden: MfS) habe nach einer Vorlauf- und einer Kontaktphase am 4.7.1975 mit der Unterzeichnung der persönlichen Verpflichtung begonnen, der letzte Treffbericht datiere vom 31.5.1989. Es seien 139 weitere Treffs durchgeführt worden, zu denen insgesamt 191 Berichte vorlägen. Der Kläger habe Prämien in Höhe von 1950,- M und Präsente im Wert von 459,90 M erhalten, außerdem insgesamt 150,- M Auslagenerstattungen. Der Auskunft der Behörde waren Ablichtungen der Verpflichtungserklärung, eines Berichtes zur Werbung, einer Jahreseinschätzung des MfS, eines Vorschlages zur Übergabe an den Führungs-IM (FIM), mehrerer Berichte, eines Treffberichtes und zweier Quittungen beigefügt. In seiner schriftlichen Stellungnahme hierzu gab der Kläger an, er habe 1973 die erste Vorladung zum MfS erhalten. Ihm sei vorgeworfen worden, er verbreite westliche Medien und arbeite an den Flugzeugen, weil er mit seiner Familie in den Westen fliehen wolle. Dies habe Einschränkungen seiner Arbeit zur Folge gehabt, Motorkontrollen und Motorlauf habe er nur noch unter Aufsicht durchführen dürfen. Anfang 1975 habe er die Fluglizenz und die Mechanikerlizenz für Sportflugzeuge abgeben dürfen. An Großflugzeugen habe er technische Überprüfungen nur von außen durchführen dürfen. Er sei mehrmals vorgeladen worden, um sogenannte Unklarheiten zu seiner Person zu klären. Nach dem Absturz einer TU 134 im September 1975, bei dem er als einer der ersten Mitarbeiter der staatlichen Luftfahrtinspektion am Unfallort war und einen Bericht dazu gefertigt hatte, sei er wieder vorgeladen worden; man habe ihm erklärt, er dürfe jetzt uneingeschränkt seine Mechanikertätigkeit ausüben, aber nicht fliegen, solle sich zur Restaufklärung jedoch zur Verfügung halten. Nach einer weiteren Vorladung sei ihm nahegelegt worden, auf technische Sicherheit im Flugbetrieb zu achten und ggf. der Luftfahrtinspektion Bericht zu erstatten. Dabei sei darauf hingewiesen worden, dass man ihm den Zugang zum Flughafen auch verwehren könne. Danach sei er von Zeit zu Zeit vorgeladen worden, um zu Arbeiten an Flugzeugen am Flughafen Dresden Stellung zu nehmen. Befragungen seien auf Band aufgenommen, teilweise auch notiert worden. Eine Befragung zu einer Ausreise sei zwar angesprochen worden, er habe jedoch keinen Kontakt zur Kollegin aufgenommen, um einen Bericht zu schreiben. In seinen Äußerungen habe er versucht, keinen Kollegen negativ darzustellen. Von Terminen fernzubleiben, habe nicht geholfen, um der Sache ein Ende zu bereiten. Wohl 1986 sei ihm nach einem Messeeinsatz erneut vorgehalten worden, er suche westlichen Kontakt. Ein erneuter Messeeinsatz sei deshalb abgelehnt worden.

Mit Bescheid vom 4.10.2001 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Überprüfung gemäß § 29d LuftVG nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Erteilung einer Zutrittsberechtigung zu den nicht allgemein zugänglichen bzw. sicherheitsempfindlichen Bereichen und Anlagen am Flughafen Dresden besitze, entzog ihm die Zutrittsberechtigung und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Zur Begründung führte er u.a. aus, der Kläger habe dem MfS über fachliche, politische und persönliche Einschätzungen von Mitarbeitern des Dienstbereichs berichtet und intensiv Informationen über eine Kollegin mit Hinweisen zu deren Ausreiseabsichten erarbeitet. Er habe sich mit seiner Verpflichtungserklärung ohne zu zögern zur Zusammenarbeit mit dem MfS bereit erklärt. Aus den Einschätzungen und Beurteilungen des MfS gehe hervor, dass er zufriedenstellende bis gute inoffizielle Arbeit geleistet und durch seine Kontaktfreudigkeit das Vertrauen von Personen erhalten habe. Er habe sehr umfangreich berichtet und Prämien und Präsente erhalten. Da die Tätigkeit für das MfS nicht allgemein bekannt sei, sei eine Erpressbarkeit aus diesem Grund nicht auszuschließen. Ein erhöhtes Risiko für die Luftverkehrssicherheit folge auch daraus, dass das MfS massive Eingriffe in die Bürger- und Menschenrechte begangen habe und eine Verstrickung in strafbare Handlungen oder Ähnliches nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Eine weitere Aufklärung dazu scheide aus, weil die möglichen Erkennisquellen ausgeschöpft worden seien und der Kläger nicht beweisen könne, dass er keine Straftaten begangen oder andere Handlungen, mit denen er erpresst werden könne, vorgenommen habe.

Der Kläger erhob hiergegen am 12.10.2001 Widerspruch, mit dem er darauf hinwies, dass ihm Prämien nicht gezahlt worden seien. Er habe ein- oder zweimal einen sogenannten Fahrtzuschuss erhalten. Präsente seien ihm nicht bekannt. Er habe versucht, keine Person negativ darzustellen. Der Widerspruch wurde vom Beklagten mit am 27.10.2001 zugestellten Bescheid zurückgewiesen.

Gegen die Anordnung des Sofortvollzugs wandte sich der Kläger mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung; dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgericht Dresden mit Beschluss vom 18.2.2001 abgelehnt (14 K 3095/01). Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers war erfolglos (Beschluss des SächsOVG vom 18.4.2002 - 1 BS 94/02-).

Bereits am 22.11.2001 hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden erhoben und diese im Wesentlichen wie folgt begründet: Er sei nicht ohne zu zögern zur Zusammenarbeit mit dem MfS bereit gewesen. Außer zwei Aufwandsentschädigungen habe er vom MfS auch keine Zuwendungen, Prämien oder Präsente erhalten. Er habe auch sonst keine besonderen Vorzüge aus seiner IM-Tätigkeit genossen, sondern durch diese Tätigkeit den beruflichen und sozialen Abstieg seiner Person und seiner Familie verhindert. Er habe weder besondere Reisen machen dürfen, noch andere Vergünstigungen erhalten. Aus einer Einschätzung der Interflug an den GST-Bezirksvorstand Cottbus vom 11.12.1973 gehe hervor, dass er den gesellschaftlichen und politischen Anforderungen der damaligen Machthaber nicht entsprochen habe. Außer den Berichten habe er keine weiteren Aktivitäten für das MfS entwickelt. Es sei daher ausgeschlossen, dass er wegen irgendwelcher Straftaten oder ähnlicher Handlungen erpresst werden könnte. An der Glaubwürdigkeit der in der Verwaltungsakte befindlichen Stasi-Berichte bestünden Zweifel. Ein Führungsoffizier namens sei ihm unbekannt. Prämien und Präsente habe er nie erhalten. Der Deckname sei ihm zugewiesen worden, die Verpflichtungserklärung sei ihm diktiert worden. Im Bericht der Staatssicherheit über ihn vom 20.4.1988 werde eine angebliche Übergabe vom 29.4.1988 erwähnt, die nie erfolgt sei. Die Berichte vom 5.5.1988, 21.9.1988, 24.11.1988 und 15.3.1989 habe er nicht verfasst, vermutlich handle es sich um Aufzeichnungen einer anderen Person aus Arbeitsbesprechungen. Die Tonbandmitschriften seien ihm zur Unterschrift zugewiesen worden, er habe nicht stets Gelegenheit gehabt, den Inhalt zu überprüfen. Die angebliche Denunziation der Kollegin sei keine gewesen, weil diese längst einen dem MfS bekannten Ausreiseantrag gestellt gehabt habe. Den Bericht vom 3.9.1979 habe er nicht verfasst, die Berichte vom 17.8.1977 und 23.8.1977 seien ihm zur Unterschrift zugewiesen worden. Die Angaben seien der Stasi längst bekannt gewesen, ihr Inhalt sei belanglos. Der als Blatt 30 der Verwaltungsakte vorgehaltene Bericht sei von ihm nicht verfasst, noch unterzeichnet worden. Der Bericht vom 8.3.1979 sei eine Zusammenfassung eines Dritten über eine Arbeitsbesprechung, die er habe unterzeichnen müssen. Er enthalte ebenfalls keine Geheimnisse. Die Berichte Blatt 38 der Verwaltungsakte und vom 31.5.1988 stammten nicht von ihm Seine damalige politische Einstellung sei nicht so loyal gewesen, wie der Beklagte meine. Er sei kein Mitglied der SED gewesen. Vielmehr habe er kritische Distanz zur SED gehabt, die er ohne Gefahr allerdings nicht habe zeigen können. Außerdem sei er aus damaliger Sicht zu Recht von der Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit ausgegangen. Auch heute versuchte der Bundesnachrichtendienst mit Hilfe verdeckter Ermittler die Sicherheit von relevanten Bereichen zu sichern. Es stehe der Unschuldsvermutung und den Beweislastregeln entgegen, wenn der Beklagte meine, er - der Kläger - könne nicht beweisen, dass er keine Straftaten begangen habe, mit denen er erpresst werden könne. Seine IM-Tätigkeit liefere kein Erpressungsmaterial, weil er hieraus nach 1989 kein Hehl gemacht habe. Auch Kollegen und Bekannte hätten Kenntnis. Er sei seit 1971 im sicherheitsempfindlichen Bereich des Flughafens tätig. Während dieser Zeit, insbesondere nach 1991 habe es keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme gegeben, er sei erpressbar. Sein gesamtes Verhalten während dieser Zeit sei unbeanstandet und ohne jegliche Vorkommnisse geblieben. Zudem sei davon auszugehen, dass er in seinem Alter seinen Arbeitsplatz nicht aufs Spiel setzen werde. Er lebe darüber hinaus in gesicherten Verhältnissen. Die Bestandskraft des angefochtenen Bescheides käme einem Berufsverbot gleich und würde Art. 3 GG verletzen, da Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes der Zutritt zu den relevanten Bereichen allein aufgrund ihrer geheimen Tätigkeit nicht untersagt werde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger u.a. erklärt, dass er begeisterter Flieger gewesen und sicher gewesen sei, dass er nicht hätte am Flughafen bleiben können, wenn er sich nicht zur Mitarbeit bereit erklärt hätte.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Zutrittsberechtigung nach § 29d LuftVG zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, eine längere Tätigkeit beim Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR in einem für die Herrschaftsausübung des SED-Regimes charakteristischen Bereich in nicht lediglich untergeordneter Bedeutung schließe die für den Zutritt zu nicht allgemein zugänglichen oder sicherheitsempfindlichen Bereichen erforderliche persönliche Zuverlässigkeit aus. Dass beim Kläger die Gefahr der Erpressbarkeit und damit ein erhöhtes Risiko für die Luftverkehrssicherheit bestehe, folge aus seiner intensiven Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter über einen Zeitraum von annähernd eineinhalb Jahrzehnten. In seinen Berichten habe er nicht nur Lapidares, sondern fachliche, politische und persönliche Einschätzungen von Mitarbeitern des Dienstbereiches, jedenfalls eine intensive Informationsverarbeitung zu einer OPK (Operativen Personenkontrolle) bearbeiteten ausreisewilligen Kollegin und weitergehende im Dienstbereich gewonnene personenbezogene Informationen aufgearbeitet und weitergegeben. Strafbare Handlungen oder solche, die zur Erpressbarkeit führen, könnten auch weiterhin nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Mit Urteil vom 13.3.2002, das dem Kläger am 18.4.2002 zugestellt wurde, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Klageabweisung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Zutrittsberechtigung, weil ihm die Zuverlässigkeit nach § 29d Abs. 2 LuftVG i. V.m. § 5 LuftVZÜV fehle. Es bestünden erhebliche und damit die Zuverlässigkeit ausschließende Anhaltspunkte für eine Manipulierbarkeit des Klägers durch Dritte. Durch seine vergangene Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (IMS) für das MfS habe er gezeigt, dass er bereit sei, zur Wahrung eigener Belange die Interessen anderer an deren eigener Integrität zu missachten. Der Kläger habe in belastender Weise über Dritte berichtet, um nach eigenen Angaben seine berufliche Perspektive im Bereich des Luftverkehrswesens zu erhalten und seinen Arbeitsplatz am Flughafen nicht zu gefährden. Die Möglichkeit eines erheblichen staatlichen oder geheimdienstlichen Einschreitens gegen die Betroffenen sei hierbei nicht so fernliegend gewesen, wie es vom Kläger dargestellt werde. Bereits den vorliegenden Berichten, deren Echtheit der Kläger einräume, seien Informationen zu entnehmen, die für das MfS jedenfalls für eine weitere Ausforschung der Personen oder auch noch schwerwiegendere Maßnahmen Anlass hätten sein können. Er habe über konkrete Sachverhalte, die Anlass von Repressionsmaßnahmen staatlicher Sicherheitsorgane der DDR hätten sein können, berichtet. In den Berichten fänden sich auch zahlreiche persönliche Informationen, zum Teil aus dem Intimbereich der Betroffenen. Diese Informationen seien für das MfS jedenfalls geeignet gewesen, konkrete Persönlichkeitsprofile der Betroffenen zu fertigen, die Grundlage späterer Anbahnungsversuche oder Überwachungsmaßnahmen hätten sein können. Material für Erpressungsmöglichkeiten durch das MfS hätte sich aus Informationen zu betrieblichen Missständen, soweit diese vom Kläger auf das Versagen bestimmter Personen zurückgeführt worden seien, ergeben. Es entlaste den Klage nicht, dass nach seinem Vortrag die weitergegebenen Informationen nicht zu Beeinträchtigungen der Betroffenen geführt hätten. Schon die Offenbarung intimer Informationen gegenüber dem MfS stelle für sich genommen eine Verletzung der Interessen der Betroffenen dar. Dies gelte auch dann, wenn nach Einschätzung des Klägers die Informationen "allgemein bekannt" gewesen sein sollten. Denn der Kläger könne nicht beurteilen, ob auch das MfS über die fraglichen Sachverhalte Bescheid wusste. Weiterhin habe es in den Händen des MfS gelegen, inwieweit die belastenden Informationen tatsächlich Grundlage von repressiven Maßnahmen wurden.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit am 13.5.2002 beim Verwaltungsgericht Dresden eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 18.6.2002 beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz im Wesentlichen wie folgt begründet: Eine erhöhte Manipulierbarkeit bestehe nicht. Er sei während der sogenannten Kontaktphase bis etwa Mitte 1992 von der staatlichen Luftfahrtinspektion mehrfach vorgeladen worden. Es sei stets ein bestimmter MfS-Offizier zugegen gewesen. Die Anwerbungsversuche für das MfS seien zunächst vergeblich gewesen. Ende 1972 sei er erstmals von dem MfS-Offizier angesprochen worden. Dieser habe erwähnt, dass seitens des MfS erhebliche Vorwürfe gegen ihn - den Kläger - erhoben würden, nämlich eine eventuelle Republikflucht mit einem Schulflugzeug sowie die Verbreitung von West-Medien. Beides habe in der DDR unter hoher Freiheitsstrafe gestanden. Woher der Offizier seine angeblichen Kenntnisse gehabt habe, wisse er - der Kläger - nicht. Als er trotzdem eine Zusammenarbeit abgelehnt habe, habe er an dem Schulflugzeug nur unter Aufsicht, an den Passagiermaschinen nur von außen arbeiten dürfen. Seine Sportfluglizenz sei ihm entzogen und ein Wohnungsantrag zwecks Familienzusammenführung abgelehnt worden. Aufgrund dieser Repressalien sowie persönlicher und sozialer Isolation habe er einen Versetzungsantrag zum Agrarflug nach gestellt, um auch mit seiner Frau und seinem Sohn zusammenleben zu können. Diese hätten wegen der Wohnungsablehnung nicht nach ziehen können, andererseits sei ihm wegen des abgelehnten Versetzungsantrages ein Umzug nach nicht möglich gewesen. Wenn er auch noch seinen Arbeitsplatz verloren hätte, wäre der soziale Absturz sicher gewesen. Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe habe es in der DDR nicht gegeben, beschäftigungslosen Arbeitnehmern habe die völlige Isolation oder teilweise sogar Bestrafung gedroht. Aufgrund dieser Repressalien sei nicht von seiner erhöhten Manipulierbarkeit auszugehen. Außerdem sei eine Wiederholung praktisch ausgeschlossen, weil das MfS oder eine andere Institution, die wie das MfS auf ihn und seine Familie einwirken könnte, nicht mehr existiere. Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten habe er zu keiner Zeit gehabt, der Bundesnachrichtendienst stelle keine Gefahr für die Flugsicherheit dar. Zu berücksichtigen sei auch, dass das MfS, mit dem er sich nicht identifiziere, durchaus auch legitime Motive gehegt habe, wenn es den Flugverkehr habe überwachen lassen. Auch seien nicht nur die Inoffiziellen Mitarbeiter sondern alle Angestellten des Flughafens verpflichtet gewesen, auf etwaige Gefahren für den Flugverkehr hinzuweisen. Er sei daher auch seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachgekommen. Mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bericht vom 17.8.1981 habe er dem MfS nur bereits Bekanntes mitgeteilt, ohne jemanden zu schädigen. Sein Bericht habe keine weiteren Überwachungen ausgelöst, die betroffene Person habe sogar eine Besuchsreise in den Westen unternehmen dürfen. Soweit der Bericht vom 30.7.1979 von verwandtschaftlichen Beziehungen einer Person berichte, seien diese dem MfS ebenfalls bereits bekannt gewesen. Im Übrigen habe er damals an eine Falle des MfS geglaubt, weil die ihm kaum bekannte Person für damalige Verhältnisse recht offenherzig gewesen sei. Der Bericht vom 28.10. sei vermutlich ebenfalls über zwanzig Jahre alt. Die Passage, wonach ein Kollege um Rat wegen einer IM-Tätigkeit gefragt habe, sei gänzlich unverfänglich gewesen. Der Bericht vom 13.4.1976 sei moralisch gewiss sehr verwerflich. Er habe aber auch hier gewusst, was dem MfS bereits bekannt gewesen sei. Es tue ihm jedoch aufrichtig Leid, diesen und andere Berichte gefertigt zu haben. Seine Unzuverlässigkeit folge aus dem auch nach damaligen Maßstäben moralisch verwerflichen Handeln nicht, weil dann jeder IM unzuverlässig wäre und dies auf eine unzulässige abstrakte Betrachtungsweise hinausliefe. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass alle vom Verwaltungsgericht angeführten Berichte vor mehr als zwanzig Jahren gefertigt worden seien. Er habe sie als junger Erwachsener ohne weitere Lebenserfahrung verfasst. Nunmehr als "gestandener Mann" würde er dies nie wieder tun. Auch das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach festgestellt, dass mehr als zwanzig Jahre alte Berichte nicht mehr als Indiz für charakterliche Mängel geeignet seien. Innerlich habe er sich vom MfS distanziert gehabt, was an den belanglosen Berichten und der Beurteilung des MfS als nicht mustergültig deutlich werde. Nach der Wende habe er sich auch nach außen vom MfS distanzieren können. Er habe sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und habe seiner Familie und seinen Kollegen, Verwandten, Freunden, Bekannten, Vereinskollegen und Nachbarn Rede und Antwort stehen und sich verantworten müssen. Er habe sich entsprechend entschuldigt, es tue ihm aufrichtig leid. Schließlich habe das Verwaltungsgericht sein Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt. Bei Klageabweisung stünde fest, dass er seinen Beruf als Flugzeugmechaniker nicht mehr ausüben könne. Eine berufliche Uniorientierung komme angesichts seines Alters nicht mehr in Betracht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. März 2002 - 14 K 2851/01 - zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine seine Zuverlässigkeit bestätigende Bescheinigung nach § 29d LuftVG zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt im Wesentlichen aus: Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich nicht, dass ihm ein sozialer Absturz oder eine soziale Vernichtung gedroht habe. Vielmehr sei dem Vorbringen zu entnehmen, dass allein die Möglichkeit beruflicher Einschränkungen genügt habe, um den Kläger für eine IM-Tätigkeit zu gewinnen. Anders als der Kläger meine, sei nicht nur entscheidend, ob er durch einen Geheimdienst manipuliert werden könnte. Bereits die Weitergabe von Informationen über die Sicherheitsstandards in den Maschinen und auf dem Fluplatz an andere sowie die Gewährung von Einlass an unbefugte Personen könne zur Gefährdung des Luftverkehrs führen, ohne dass es darauf ankomme, ob diese Personen einem Geheimdienst angehören. Zu Unrecht stelle der Kläger darauf ab, dass er die Berichte als junger Erwachsener gefertigt habe. Der Kläger habe auch noch mit vierzig Jahren Berichte an das MfS geliefert. Allein die Auflösung des MfS habe zur Beendigung des IM-Tätigkeit geführt.

Der Senat hat. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik um Übersendung der vollständigen Arbeitsakte und weiterer Unterlagen aus der Personalakte des Klägers gebeten, die dieser Bitte durch Übersendung von Ablichtungen aus der Akte I (1 Band) und aus der Akte II (2 Bände) nachgekommen ist. Diese Unterlagen sowie der Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Heftung) und die Akten des Verwaltungsgerichts zum Eilverfahren und zum Hauptsacheverfahren sowie die Gerichtsakten des Oberverwaltungsgerichts in diesem und im Eilverfahren (1 BS 94/02) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört; zum Inhalt der Äußerungen wird auf die Niederschrift vom 17.7.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bescheides besitzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach § 29d Abs. 1 Satz 1 LuftVG in der hier maßgeblichen Fassung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 9.1.2002 (BGBl. I S. 361) hat die Luftfahrtbehörde zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs die Zuverlässigkeit von Personen zu überprüfen, denen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur gelegentlich Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen gewährt werden soll (Nr. 1), des Personals der Flugplatz- und Luftfahrtunternehmen sowie des Flugsicherungsunternehmens, das aufgrund seiner Tätigkeit Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs hat, sowie des von diesen Unternehmen beauftragten Personals anderer Unternehmen (Nr. 2) und von Personen, die im Rahmen der Schutzmaßnahmen vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs als Hilfsorgane oder bei der Flugsicherung eingesetzt sind (Nr. 3), zu überprüfen. Von dem Ergebnis der Überprüfung ist u.a. der Betroffene zu unterrichten (§ 29d Abs. 5 Satz 2 LuftVG). Nach § 5 der Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf dem Gebiet des Luftverkehrs (Luftverkehr-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung - LuftVZÜV) vom 8.10.2001 (BGBl. I S. 2629) bewertet die Luftfahrtbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen auf Grund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles (Abs. 1). Wenn der Betroffene innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Überprüfung wegen versuchter oder vollendeter Straftaten rechtskräftig verurteilt wurde oder tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verfolgt oder unterstützt oder innerhalb der letzten zehn Jahre verfolgt oder unterstützt hat, fehlt es in der Regel an der erforderlichen Zuverlässigkeit (Abs. 2), bei Verurteilungen und Bestrebungen in diesem Sinne, die länger als zehn Jahre zurückliegen, oder bei Vorliegen sonstiger Erkenntnisse, u.a. von Sachverhalten, aus denen sich eine Erpressbarkeit durch Dritte ergibt, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich daraus im Hinblick auf die Sicherheit des Luftverkehrs Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen ergeben (Abs.3). Können bestehende Zweifel an der Zuverlässigkeit nicht ausgeräumt werden, ist die Zuverlässigkeit zu verneinen (§ 6 Abs. 1 Satz 5 LuftVZÜV).

Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines seine Zuverlässigkeit bestätigenden Bescheides des Beklagten. Wie sich aus dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften ergibt, den Luftverkehr vor Angriffen auf seine Sicherheit zu schützen, ist zuverlässig i.S.v. § 29d Abs. 1 LuftVG nur, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs vor Angriffen in Zukunft ordnungsgemäß zu erfüllen. Wegen des hohen Gefährdungspotentials des Luftverkehrs sowie der Hochrangigkeit der in Rede stehenden zu schützenden Rechtsgüter ist die Zuverlässigkeit bereits zu verneinen, wenn auch nur geringe Zweifel an der erforderlichen Gewähr der ordnungsgemäßen Pflichterfüllung bestehen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 14.9.1993, NVwZ 1995, 182, 184, Beschl. v. 15.9.1993 -20 CS 93.2547 - zit. nach juris, zu § 29d LuftVG in der durch das Aufgabenübertragungsgesetz vom 23.1.1992 [BGBl. I S. 178] geänderten Fassung vom 14.1.1981 [BGBl. I S. 61] und Beschl. v. 12.4.1999, NVwZ-RR 1999, 501 zu § 29d LuftVG nach der Änderung durch das 11. ÄndG zum LuftVG vom 25.8.1998 [BGBl. I S. 2432]). Mit diesem Inhalt sind die genannten Regelungen auch verfassungsrechtlich, insbesondere unter dem Aspekt der Berufsfreiheit (Art. 12 GG, Art. 28 SächsVerf) nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1990, NVwZ 1991, 889, zur erforderlichen Zuverlässigkeit von Luftfahrern nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 LuftVG).

Die Entscheidung, ob die überprüfte Person zuverlässig ist oder nicht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, ein Beurteilungsspielraum steht der Luftfahrtbehörde nicht zu (aA Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, Losebl. Stand Dez. 2002, § 29d RdNr. 7; undeutlich BayVGH, Beschl. v. 14.9.1993, NVwZ 1993, 182, und Beschl. v. 15.9.1993 - 20 CS 93.2547 - zit. nach juris; offen gelassen von BayVGH, Beschl. v. 12.4.1999, NVwZ-RR 1999, 501). Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum ist nur anzunehmen, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich oder nach dem Zusammenhang und dem Sinn und Zweck einer Regelung die Zuordnung des Einzelfalles zu dem unbestimmten Rechtsbegriff der Entscheidung der Behörde überträgt, d.h. der Behörde die Beurteilung zuweist oder überlässt (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 114 RdNr. 24 mwN). Fehlt es - wie hier - an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, können insbesondere die besondere Qualifikation der mit der Entscheidung betrauten Amtsträger, die besondere Zusammensetzung und/oder Sachkunde des entscheidenden Gremiums, die Maßgeblichkeit von Erwägungen, die außerhalb des rechtlich exakt fassbaren Bereichs liegen, das Fehlen hinreichend bestimmter Entscheidungsvorgaben, die Maßgeblichkeit von persönlichen Erfahrungen und Eindrücken, und die Unvertretbarkeit und -wiederholbarkeit der entscheidungserheblichen Situation Anhaltspunkte für die Einräumung eines Beurteilungsspielraumes sein (Kopp/Schenke, 13. Aufl., § 114 VwGO RdNr. 24a). An alledem fehlt es hier. Die Überprüfung nach § 29d LuftVG ist auch mit der Sicherheitsüberprüfung der Angehörigen der Bundeswehr, für die das Bundesverwaltungsgericht einen Beurteilungsspielraum annimmt (vgl. nur Beschl. v. 12.12.1985, BVerwGE 83, 90, 94 f.), nicht vergleichbar, weil die Erteilung einer Sicherheitsbescheinigung für einen Soldaten Element einer durch seinen Vorgesetzten vorzunehmenden Eignungsprüfung ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.12.1985, aaO).

Nach diesen Maßstäben besitzt der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit nicht. Dies gilt unabhängig davon, ob seine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS zu einer Erpressbarkeit des Klägers durch Dritte führen kann oder ob sonst einer der in § 5 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 LuftVZÜV genannten Fälle gegeben ist. Denn beide Vorschriften enthalten keine abschließende Aufzählung der Sachverhalte, aus denen sich die fehlende Zuverlässigkeit ergeben kann. Eine Zusammenarbeit mit dem MfS kann Anhaltspunkt für die Annahme sein, der - ehemalige - Inoffizielle Mitarbeiter werde seinen Pflichten zum Schütze des Luftverkehrs nicht nachkommen, denn sie kann - je nach den Umständen des Einzelfalles - auf in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen und -motive und damit auf nach wie vor vorhandene persönliche Eigenschaften schließen lassen und deshalb Zweifel daran begründen, ob der Überprüfte das für die Sicherheit des Luftverkehrs erforderliche hohe Maß an Verantwortungsbewusstsein, Selbstbeherrschung und Bereitschaft zur Einhaltung der Regeln künftig in jeder Situation und gegenüber jedermann - nicht etwa nur anderen Geheimdiensten - aufbringen wird (vgl. auch BAG, Urt. v. 25.10.2001 - 2 AZR 559/00 - zit. nach juris). Entscheidend kommt es insoweit bei der Würdigung des Einzelfalles etwa auf die Dauer und Intensität der Zusammenarbeit, den Grund der Bereitschaft zur Zusammenarbeit und für ihre Beendigung sowie den Inhalt und Umfang der erstatteten Berichte an. Dagegen ist es regelmäßig unerheblich, ob die Zusammenarbeit zu konkret nachweisbaren Nachteilen für Dritte geführt hat, denn die Verwertung der vom Inoffiziellen Mitarbeiter gelieferten Informationen lag - worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat - nicht in seiner Hand.

Nach den den Kläger betreffenden Erkenntnissen über seine - unbestrittene - Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter für das MfS muss davon ausgegangen werden, dass er jedenfalls in der Vergangenheit bereit war, zum eigenen Vorteil oder um die Gefahr geringer Nachteile abzuwenden, mit dem Staatssicherheitsdienst eines diktatorischen Staates intensiv zusammenzuarbeiten und diesem - auch über seine eigenen moralischen Maßstäbe hinweg - Informationen über Dritte nicht nur beruflicher, sondern auch privater und sogar intimer Art zu verschaffen. Der Kläger war - unbestritten - vom 4.7.1975, dem Tag seiner Verpflichtung, bis jedenfalls zum 31.5.1989, dem Datum des letzten Treffberichts, und damit über einen langen Zeitraum als Inoffizieller Mitarbeiter für das MfS tätig. Zu dieser Zusammenarbeit hat er sich nach seinen eigenen Angaben bereit erklärt, um Einschränkungen bei seiner Arbeit zu vermeiden und seine Fluglizenz und seine Mechanikerlizenz zu behalten bzw. wieder zu erhalten. Dies sind keineswegs essentielle Bedrohungen, wie der Kläger jetzt in seiner Berufungsbegründung behauptet, sondern relativ geringfügige Nachteile, um deretwillen er bereit war, mit dem Staatssicherheitsdienst eines totalitären Regimes zusammen zu arbeiten. Eine andere Bewertung ist auch nicht geboten, wenn unterstellt wird, dass der Kläger auch durch den Vorwurf einer beabsichtigten Republikflucht unter Druck gesetzt worden war. Denn über die geschilderten Nachteile hinaus waren deswegen weitere Maßnahmen gegen ihn nicht ergriffen oder konkret angedroht worden. Der Kläger hat sich während der Existenz dieses Sicherheitsdienstes auch nicht von dessen Tätigkeit distanziert oder von sich aus die Zusammenarbeit beendet. Zwar ist aus der Zahl der Treffenberichte aus den Jahren 1982 bis 1987 ersichtlich, dass die Zusammenarbeit in dieser Zeit gegenüber den vorangegangenen Jahren relativ gering war (1982 3 Treffberichte, 1983: 5, 1984: 6, 1985: 5, 1986: 4, 1987: 5), 1988 (10 Treffberichte) und 1989 (7 Treffberichte bis zum 31.5.1989) nahm die Intensität jedoch wieder deutlich zu.

Die aus der - vom Kläger nicht bestrittenen - Gesamtzahl der Treffberichte (rund 130) zu folgernde Intensität der Zusammenarbeit wird auch belegt durch die Prämien, die dem Kläger ausgezahlt wurden und die zugleich darauf hindeuten, dass der Kläger zumindest bereit war, wenn nicht beabsichtigte, finanzielle Vorteile aus der Zusammenarbeit mit dem MfS zu ziehen. In der Akte befinden sich mit dem Decknamen "unterzeichnete Quittungen ausschließlich über gezahlte "Prämien" in Höhe von 950,- M, daneben mit Decknamen unterzeichnete Quittungen über "Prämien und Auslagen", "Auslagen" oder ohne Angaben in Höhe von 1.100,- M. Die Behauptung des Klägers, er habe keine Prämien, sondern nur Aufwandsentschädigungen erhalten, ist nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft. Der bisherige Vortrag des Klägers hierzu ist widersprüchlich, denn er hat zunächst behauptet, nur zwei Fahrkostenzuschüsse erhalten zu haben, während er jetzt angibt, "nicht bei jeder" Zusammenkunft Geld erhalten zu haben und sich nicht mehr erklären zu können, weshalb er ursprünglich nur zwei Zuwendungen erhalten haben wollte. Darüber hinaus hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, die ihm vorgehaltenen Quittungen unterzeichnet und mitunter auch die Zahlungsgründe ebenfalls selbst handschriftlich eingetragen zu haben. Diese differenzieren jedoch teilweise ausdrücklich zwischen "Prämien" (z.B. Bl. 247, 252, 258 Band I/I der BStU-Akte) und Auslagenerstattungen (vgl. Bl. 274, 275, 280 Band I/I der BStU-Akte). Darüber hinaus hätte eine Auslagenerstattung für Fahrkosten in den Fällen, in denen dem Kläger kaum Kosten entstanden sein können, keinen Sinn gemacht. Es spricht deshalb alles dafür, dass der Kläger durch finanzielle Zuwendungen vom MfS für seine Zusammenarbeit belohnt wurde und ihm dies auch bewusst war.

Der Kläger hat überdies zahlreiche handschriftliche oder mündliche Berichte geliefert, die sich zwar auch mit der Sicherheit des Flughafens und des Luftverkehrs und betrieblichen Abläufen befassen, häufig aber auch Privates über andere Personen enthalten bis hin zu negativen Charaktereinschätzungen und intimen Details. Insofern ist insbesondere hinzuweisen auf die mit Decknamen unterzeichneten, in Band II der BStU- Akte enthaltenen Berichte vom 10.12.1975, 13.4.1976, 4.3.1977, 17.8.1977, 22.11.1977, 1.12.1977, 22.12.1977, 25.1.1978, 25.1.1978, 31.10.1978, 11.1.1979, 14.21979, 8.3.1979, 11.4.1979, 24.4.1979, 10.5.1979, wohl vom 26.6.1979 (vgl. Bl. 201, 203 Band II/I der BStU-Akte), 307.1979, 30.7 1979, 16.8.1979, 3.9.1979, 18.10.1979, 15.12 1979, 9.1 1980, 6.2.1980, 2.4.1981, 22.4. (wohl 1981 (Bl. 284 Band II/I der BStU-Akte), 17.8. (wohl 1981, vgl. Bl. 291 f. Band II/I der BStU-Akte), 17.8.1981, 27.1.1982, 25.5.(wohl 1982, vgl. Bl 311 Band II/I der BStU-Akte), 21.12.1982, 5.4.1983, 17.5.1985, 5.5.1988, 21.9.1988, 22.9.1988, 27.10.1988, 25.11.1988, 15.3.1989 und vom 27.4.1989. Schon aus ihnen und ohne dass es noch darauf ankommt, ob die in den BStU-Unterlagen weiter enthaltenen nicht unterzeichneten Berichte ebenfalls auf den Kläger zurückgehen, wird deutlich, dass der Kläger entgegen seiner Einlassung durchaus auch Negatives oder Nachteiliges über andere berichtet hat und dies bis in das Jahr 1989 hinein. Da der Kläger im Jahr 1989 40 Jahre alt wurde, kann nicht zu seinen Gunsten angenommen werden, dass die Zusammenarbeit und die Berichte allein einer jugendlichen Unreife geschuldet waren. Es ist auch davon auszugehen, dass alle erwähnten Berichte vom Kläger erstattet wurden. Hinsichtlich der Berichte vom 13.4.1976, 30.7.1979 und 17.8.1981 hat er in der Berufungsbegründungsschrift eingeräumt, die Berichte unterzeichnet zu haben, hinsichtlich der Berichte vom 16.8.1979 (Bl. 210 f Band II/I der BStU-Akte), 18.10.1979 (Bl. 225 Band II/I der BStU-Akte), 15.3.1989 (Bl. 72 Band II/II der BStU-Akte) und 27.4.1989 (Bl. 77 Band II/II der BStU-Akte) hat er dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zugestanden. Dass die Unterschrift unter den übrigen Berichten von ihm stammt, hat er nicht bestritten. Sie passen im Übrigen inhaltlich zu den eingeräumten Berichten; Anhaltspunkte dafür, dass sie von einer anderen Person als dem Kläger - mit dessen Decknamen - unterzeichnet worden sein könnten, liegen nicht vor. Die Behauptung des Klägers, die Berichte seien von ihm inhaltlich nicht "verfasst" worden und er habe mit den Berichten nur dem MfS bereits Bekanntes bestätigt, entlastet ihn nicht. Dass er keinen Einfluss auf den Inhalt der von ihm unterzeichneten Berichte gehabt haben soll, nimmt der Senat dem Kläger nicht ab. Aus dem gesamten bisherigen Vorbringen des Klägers ist ersichtlich, dass dieser stets nur das einräumt, was ihm ohnehin nachzuweisen ist oder nachzuweisen wäre. Dabei war er, wie seine Einlassungen zu den erhaltenen Zuwendungen zeigt, auch bereit, Unwahrheiten zu behaupten. Schließlich wäre nicht einzusehen, weshalb seine damalige Zusammenarbeit mit dem MfS dem Kläger jetzt so unerklärlich und peinlich sein soll, wie er nunmehr behauptet, wenn er nur zur Unterzeichnung von Berichten gezwungen wurde, deren Inhalt von ihm nicht mitgetragen wurde. Nach allem handelt es sich um bloße Schutzbehauptungen des Klägers, mit denen er sein damaliges Verhalten - möglicherweise auch vor sich selbst - zu rechtfertigen und entschuldigen versucht. Ob die Berichte zu konkreten Maßnahmen gegenüber Dritten genutzt wurden oder hierzu - neben anderen dem MfS bereits vorliegenden Informationen - nach Auffassung des MfS erforderlich waren, ist unerheblich. Soweit der Kläger schließlich meint, mehr als zwanzig Jahre alte Berichte könnten ihm nicht mehr angelastet werden, geht dies fehl. Zwar können längere beanstandungsfreie Zeiträume auf Bewährung, innere Distanz, Abkehr von früheren Einstellungen und Taten hinweisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 8.7.1997, BVerfGE 96, 171, 187 f.; BVerwG, beschl. v. 24.5.2000, BVerwGE 111, 219, 222). Dies ist hier jedoch wegen der bis in das Jahr 1989 fortgesetzten Berichte und selbst unter weiterer Berücksichtigung, dass der Kläger sich angeblich bei seinen "Opfern" entschuldigt haben will, nicht anzunehmen. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht (aaO, 188) nur ausgeführt, dass Tätigkeiten für das MfS, die vor dem Jahr 1970 abgeschlossen sind, als Indiz für eine mangelnde Eignung regelmäßig nicht mehr taugen.

Aufgrund dieses in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens ist anzunehmen, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür bietet, in Zukunft allen Anfechtungen zu widerstehen und sich strikt und unter allen Umständen an die zum Schutz der Luftverkehrssicherheit erlassenen Vorschriften zu halten. Die Weigerung, die Zuverlässigkeit des Klägers zu bestätigen, verstößt entgegen seiner Auffassung schließlich nicht gegen Art. 3 GG, weil angeblich anderen verdeckt arbeitenden Mitarbeitern aufgrund ihrer geheimen Tätigkeit der Zutritt zu den Sicherheitsbereichen nicht versagt werde. Das Argument geht schon deshalb fehl, weil die Unzuverlässigkeit des Klägers nicht an dem Umstand der Geheimhaltung seiner Tätigkeit anknüpft. Dass andere ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter des MfS weiterhin am Flughafen oder in hohen politischen Ämtern der Bundesrepublik beschäftigt sind, ändert an der Unzuverlässigkeit des Klägers nichts.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gem. § 154 Abs. 2 VwGO dem Kläger aufzuerlegen.

Die Revision ist zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil bundesgerichtliche Rechtsprechung zu § 29d LuftVG noch nicht ergangen und damit insbesondere die in der Literatur abweichend von der hiesigen Entscheidung beantwortete Frage, ob die behördliche Entscheidung nach § 29d LuftVG nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist, noch klärungsbedürftig ist.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei sich der Senat wie das Verwaltungsgericht an die Empfehlung unter Ziff. II Nr. 26. 4 des sog Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück