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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 1 B 862/06
Rechtsgebiete: SächsBO


Vorschriften:

SächsBO § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 n. F.
1. Garagen sind Gebäude im Sinne von § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SächsBO n. F.

2. Garagen bleiben auch dann abstandsflächenrechtlich privilegiert, wenn sie über einen Nebenraum verfügen, der kein Abstellraum ist, wenn dieser Nebenraum nicht zum Aufenthalt von Menschen bestimmt und nicht mit einer Feuerstätte ausgestattet ist.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 862/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anfechtung einer Baugenehmigung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 22. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. Oktober 2006 - 4 K 3200/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder des Bestehens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vorliegen.

1. Zunächst bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458). Da sich ernstliche Zweifel auf das Entscheidungsergebnis und nicht auf die dafür gegebene Begründung beziehen, scheidet eine Zulassung der Berufung aus, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 22.7.2002 - 5 B 103/02 - m.w.N.; st. Rspr.).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die der Beigeladenen erteilte 1. Nachtragsgenehmigung sei rechtmäßig. Prüfungsmaßstab sei die Sächsische Bauordnung in der ab dem 1.10.2004 geltenden Fassung. Die Beigeladene werde durch die in § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SächsBO n. F. enthaltene Privilegierung begünstigt. Die Gebäudelänge sei danach nicht mehr auf acht Meter, sondern auf neun Meter begrenzt. Der zusätzliche Raum in der Garage mit einer Steuerungsanlage für eine Erdwärmepumpe stehe der Baugenehmigung nicht entgegen, da es sich nicht um einen Aufenthaltsraum handele. Eine Feuerstätte sei ebenfalls nicht vorhanden. Das Vorhaben verstoße auch im Übrigen nicht gegen § 6 Abs. 11 Satz 1 Nr. 1 SächsBO a. F.

Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers geben keine Veranlassung zu der Annahme, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung in einem Berufungsverfahren abzuändern sein könnte. Nach Auffassung des Klägers ist die Sächsische Bauordnung in der bis zum 30.9.2004 geltenden Fassung anzuwenden. Die erteilte Baugenehmigung sei danach rechtswidrig. Der bei Baubeginn erforderliche Standsicherheitsnachweis sei nicht vorgelegt worden. Durch das Ausheben der Baugrube seien an den Wänden seiner Garage und an seinem Wohnhaus Risse entstanden. Die mit der Baueinstellungsverfügung geforderte Unbedenklichkeitserklärung liege nicht vor. Der Privilegierungstatbestand des § 6 Abs. 11 Satz 1 Nr. 1 SächsBO a. F. sei bereits deshalb nicht erfüllt, weil das Bauvorhaben 8,5 m lang sei. Auf die Erdüberdeckung komme es nicht an. Diese sei nur vorgenommen worden, um die Einhaltung der Abstandsflächenregelung zu unterlaufen. Der Garagenkörper rage 1,5 m über die ursprüngliche Grundstückshöhe hinaus. Im Übrigen sei die Baugenehmigung aber auch im Hinblick auf § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SächsBO n. F. zu beanstanden. Eine Garage könne danach nur mit einem Abstellraum verbunden werden. Der Heizraum sei kein Abstellraum. Der Privilegierungstatbestand könne nicht auf andere Gebäude und Gebäudeteile ausgedehnt werden.

Diese Ausführungen begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zutreffend unter Berücksichtigung von § 90 Abs. 1 Satz 3 SächsBO n. F. auf § 6 SächsBO n. F. abgestellt, da die geänderte Norm für den Bauherrn günstigere Regelungen enthält (vgl. SächsOVG, Urt. v. 9.3.2006 - 1 B 526/04 - und Urt. v. 28.3.2006 - 1 B 335/04 -). Dabei ist nach § 90 Abs. 1 Satz 3 SächsBO n. F. ohne Bedeutung, dass das Widerspruchsverfahren vor der Gesetzesänderung bereits abgeschlossen war. Denn das vor der Gesetzesänderung eingeleitete Verfahren war damit nicht bestandskräftig abgeschlossen, sondern mittels Klageerhebung weiter verfolgt worden. Maßgeblich ist mithin allein, dass das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SächsBO n. F. enthält für die Beigeladene auch eine günstigere Regelung im Vergleich zu § 6 Abs. 11 Satz 1 SächsBO a. F. Nach der zuerst genannten Vorschrift sind Garagen einschließlich Abstellraum und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und nunmehr einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m - anstatt bisher 8 m - in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Mithin kann die Gebäudelänge nunmehr neun statt acht Meter betragen und ohne Anbau an ein anderes Gebäude oder abseits der Grundstücksgrenze errichtet werden.

Soweit der Kläger einwendet, dass § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SächsBO n. F. nicht eingreife, weil der in der Garage vorhandene Raum der Unterbringung der Steuerungsanlage einer Erdwärmepumpe diene und damit kein Abstellraum sei, begründet dieser Vortrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Vielmehr stellt die genannte Vorschrift allgemein auf Gebäude ohne Aufenthaltsraum und Feuerstätte ab, auch wenn sie daneben Garagen mit Abstellräumen ausdrücklich erwähnt. Sie enthält keine spezielle Regelung für Garagen, sondern hebt sie nur als tatsächlich besonders häufig vorkommende Gebäudeart (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 2 SächsBO n. F.) ausdrücklich hervor. Die nach früherem Recht notwendige trennscharfe Abgrenzung - der abstandsrechtlich privilegierten - Garage von sonstigen Nutzungen ist damit grundsätzlich überflüssig geworden (Dirnberger in: Jäde/Dirnberger/Böhme, Bauordnungsrecht Sachsen, Stand März 2007, § 6 SächsBO n. F., RdNr. 168; vgl. auch die Begründung zu § 6 des Regierungsentwurfs zur SächsBO 2004, abgedruckt in Jäde/Dirnberger/Böhme, Bauordnungsrecht Sachsen, Stand März 2007, S. 34/35). Bei dem Nebenraum handelt es sich auch nicht um einen Aufenthaltsraum, denn er ist nicht zum - nicht nur vorübergehenden - Aufenthalt von Menschen bestimmt (§ 6 Abs. 5 SächsBO n. F.). Er dient der Unterbringung der Steuerungsanlage einer Erdwärmepumpe.

Soweit der Kläger einwendet, dass die Standsicherheit seiner Gebäude durch die Bauausführung gefährdet gewesen sei und ein Standsicherheitsnachweis nach der Baueinstellung und vor Erteilung der 1. Nachtragsgenehmigung nicht vorgelegen habe, begründet dieser Vortrag keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Zum einen ist im einfachen Baugenehmigungsverfahren kein Standsicherheitsnachweis für das Bauvorhaben vorzulegen (§ 63 SächsBO n. F.). Zum anderen bezieht sich der Anspruch, dass die Standsicherheit von benachbarten Gebäuden (§ 12 SächsBO n. F.) gewährleistet sein muss, auf die Bauausführung mit der Folge, dass keine Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zur Prüfung dieser Frage im Genehmigungsverfahren besteht (vgl. Radeisen in: Jäde/Dirnberger/Böhme, Bauordnungsrecht Sachsen, Stand März 2007, § 12 SächsBO n. F., RdNr. 7). Im Übrigen ist weder ersichtlich noch näher vorgetragen, dass die Standsicherheit der Gebäude des Klägers nach Sicherung der Baugrube und der in der Zwischenzeit erfolgten Errichtung des Vorhabens noch gefährdet ist.

2. Die Berufung ist ferner nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe versäumt, ein Gutachten zur Frage der Standsicherheit der Gebäude auf dem klägerischen Grundstück einzuholen, liegt kein Verfahrensmangel vor. Diese Frage war - wie zuvor ausgeführt - für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht von Bedeutung.

Die Entscheidung, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO), beinhaltet ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Eine Hinweispflicht in Bezug auf die Stellung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags seitens des Gerichts bestand nicht. Die Frage, welche Gesetzesfassung Anwendung findet, ist unstreitig mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Die mündliche Verhandlung dient der Erörterung der Sach- und Rechtslage und dem Austausch der verschiedenen Standpunkte. In dieser sind auch die Anträge zu stellen und zu begründen (§ 103 Abs. 2 und 3 VwGO und § 104 Abs. 1 VwGO). Es wäre deshalb Aufgabe des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten gewesen, in der mündlichen Verhandlung auf die vorläufige Auffassung des Gerichts hin zu reagieren und entsprechende Anträge - Schriftsatznachlass Fortsetzungsfeststellungsantrag (hilfsweise) - zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, ist es angemessen, dem unterlegenen Kläger auch deren außergerichtliche Kosten aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 und 9.7.1 Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525 = VBlBW 2004, 467). Hiernach ist für das Zulassungsverfahren mangels substanziierter Darlegung einer konkreten Grundstückswertminderung durch die angegriffene Baugenehmigung auf den eine Art von Auffangwert (SächsOVG, Beschl. v. 20.10.2005 - 1 BS 251/05 - m.w.N.) darstellenden Betrag von 7.500 € abzustellen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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