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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: 4 BS 40/03
Rechtsgebiete: VwGO, ZAppO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 5
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
ZAppO § 5 Abs. 2
1. Ein Prüfungsteilnehmer begeht einen Täuschungsversuch, wenn er gegen eine Regel des Prüfungsverfahrens bewusst mit dem Vorsatz verstoßt, sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen.

2. Der Nachweis des Täuschungsvorsatzes kann nach den Regeln des Anscheinsbeweises erbracht werden.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 BS 40/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausschlusses von der zahnärztlichen Vorprüfung (Antrag nach § 123 VwGO)

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgericht Voigt und den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober

am 30. April 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. Januar 2003 - 5 K 2157/02 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Mit ihrer Beschwerde greift die Antragstellerin den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28.1.2003 nur insoweit an, als ihr Rechtsschutzbegehren, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin wegen der Rechtswidrigkeit ihres Ausschlusses von der Erstprüfung im zahnärztlichen Vorprüfungsfach Zahnheilkunde nochmals an dieser Prüfung teilnehmen zu lassen, abgelehnt worden ist.

Diese zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Aus der Beschwerdebegründung der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass die beanstandete Ablehnung rechtsfehlerhaft erfolgt ist.

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der gerichtliche Prüfungsauftrag eingeschränkt: Das Oberverwaltungsgericht ist gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO sind in der Beschwerdebegründung die Gründe darzulegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist. Auch hat eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung zu erfolgen. Demnach verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Es ist für den Erfolg der Beschwerde erforderlich, dass die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpft und aufzeigt, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen. Geht die Beschwerdebegründung auf eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt (vgl. zum Ganzen auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.4.2002, VBlBW 2002, 398; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 146, RdNr. 41). Diese Beschränkung des obergerichtlichen Prüfungsauftrags kann nur entfallen, wenn es dem Beschwerdeführer gelingt, darzulegen, dass eine tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts unrichtig ist. In diesem Fall hat das Oberverwaltungsgericht zu prüfen, ob sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen im Ergebnis als richtig erweist.

Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 der Approbationsordnung für Zahnärzte - ZAppO - i.d.F. der Änderungsverordnung vom 10.11.1999 (BGBl. I S. 216, 217) kann der Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei festgestellten Ordnungswidrigkeiten, insbesondere Täuschungsversuchen während der Prüfung, den betreffenden Prüfling von der weiteren Prüfung ausschließen. An einen solchen Anschluss knüpft § 5 Abs. 2 Satz 2 ZAppO die zwingende Rechtsfolge, dass die Prüfung in allen Fächern oder Abschnitten als nicht bestanden gilt.

In dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Ausschluss der Antragstellerin von der mehrtägigen Prüfung im Fach Zahnheilkunde, der während dieser Prüfung am 27.2.2002 vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses mündlich verfugt und durch Bescheid vom 6.3./13.8.2002 schriftlich bestätigt worden ist, von § 5 Abs. 2 Satz 1 ZAppO gedeckt gewesen sei. Das mit dem Ausschluss geahndete Verhalten der Antragstellerin, die am 25.2.2002 einen Prüfungsgegenstand, nämlich den von ihr zu bearbeitenden sog. Phantom-Oberkiefer aus dem Phantom-Kopf entfernt und während der Mittagspause zwischen 12.00 und 13.00 Uhr aus dem Prüfungsraum herausgebracht habe, sei als schwerwiegender Täuschungsversuch zu bewerten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handele es sich bei diesem Fehlverhalten nicht um eine geringfügige Nachlässigkeit. Hiergegen spreche, dass die Antragstellerin nach ihrer Rückkehr aus der Mittagspause auf Frage des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach dem Verbleib des Phantom-Oberkiefers wahrheitswidrig erklärt habe, dieser befinde sich in ihrem Schließfach. Es komme nicht darauf an, ob die Antragstellerin durch ihr Vorgehen einen prüfungsrelevanten Vorteil habe erlangen können (vgl. S. 16 bis 18 des Beschlussabdrucks).

Mit ihrer Beschwerdebegründung macht die Antragstellerin geltend, die ihr zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit könne nach Art und Schwere einen Prüfungsausschluss nicht rechtfertigen. Sie sei lediglich zu Beginn der Prüfung über die Prüfungsbedingungen allgemein belehrt worden. Als sie am 25.2.2002 gegen 11.55 Uhr den Phantom-Oberkiefer von dem Phantom-Kopf abgeschraubt habe, sei sie mit dessen Bearbeitung bereits fertig gewesen. Das Abschrauben sei erfolgt, um den Phantom-Oberkiefer im Polierraum mit einer Wasserdampfmaschine von Wachs und Knetmasse zu säubern. Da die Prüfungsteilnehmer aufgefordert worden seien, den Prüfungsraum zur Mittagspause zu verlassen, habe sie den Phantom-Oberkiefer vor der Pause nicht wieder befestigen können. Daher habe sie ihn in eine Tasche ihres Arbeitskittels gesteckt. Den Kittel habe sie nicht - wie zunächst beabsichtigt - im Prüfungsraum zurückgelassen, sondern an der Garderobe abgegeben. Der Phantom-Oberkiefer habe sich während der gesamten Mittagspause in der Tasche des Arbeitskittels an der Garderobe befunden. Der Prüfungsraum sei während der Mittagspause verschlossen gewesen. Schon wegen des Fehlens der erforderlichen Instrumente, aber auch wegen der Fertigstellung ihrer Arbeiten lasse sich ausschließen, dass sie durch ihr Vorgehen einen Vorteil habe erlangen können.

Die Antragstellerin trägt weiter vor, der Prüfungsausschluss vom 27.2.2002 sei zudem rechtswidrig, weil er als "reine Prüfungsentscheidung" ungeachtet des Wortlauts von § 5 Abs. 2 Satz 1 ZAppO nicht vom Vorsitzenden allein habe angeordnet werden dürfen. Vielmehr habe es einer Entscheidung des Prüfungsausschusses bedurft. Auch sei die Verfahrensweise des Ausschussvorsitzenden nach der Aufdeckung des Vorfalls unfair gewesen. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sei von Anfang an entschlossen gewesen, die Antragstellerin auszuschließen. Die Stellungnahmefrist sei ihr nur der Form halber eingeräumt worden. Dies werde dadurch belegt, dass diese Frist trotz der laufenden Prüfung nur einen Tag betragen habe. Der Antragstellerin habe Gelegenheit gegeben werden müssen, die Prüfung im Fach Zahnheilkunde vollständig zu beenden. Auch fehle es an der erforderlichen Überdenkensentscheidung. Die Regelung gern § 5 Abs. 2 Satz 2 ZAppO dürfte rechtswidrig sein, weil sie den Ausschluss "entgegen einschlägiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung" auf die gesetzliche Prüfung erstrecke und nicht auf den betroffenen Prüfungsteil beschränke.

Soweit die Beschwerdeführerin Zweifel an der Gültigkeit von § 5 Abs. 2 Satz 2 ZAppO - und damit zwangsläufig auch von § 5 Abs. 2 Satz 1 ZAppO - anmeldet, genügt ihr Vorbringen den Darlegungsanforderungen gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO offensichtlich nicht. Denn der Vortrag erschöpft sich in der Behauptung, der Inhalt der Regelungen entspreche nicht "einschlägiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung". Die Antragstellerin hätte zumindest kurz skizzieren müssen, mit welchen höherrangigen Normen oder Rechtsgrundsätzen die Ausschluss- und Nichtbestehensregelungen gemäß § 5 Abs. 2 ZAppO nach ihrer Ansicht unvereinbar sein sollen. Zudem ist der Verweis auf die Rechtsprechung gänzlich unbestimmt. Daher würde es sich bei der Nachprüfung der Gültigkeit von § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZAppO um eine Prüfung von Amts wegen handeln, die dem Senat gem. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO gerade verwehrt ist. Aus diesem Grund ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren von der Gültigkeit von § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZAppO auszugehen.

Auch die Einwendung, es fehle an einer Überdenkungsentscheidung, ist unbeachtlich, weil vollkommen unsubstanziiert. Im Übrigen bedarf es eines Überdenkens nur von Entscheidungen, durch die Prüfungsleistungen bewertet werden. Durch das Erfordernis des nachträglichen Überdenkens soll den Besonderheiten von Leistungsbewertungen Rechnung getragen werden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, NJW 1991, 2005; BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, NVwZ 1993, 681).

Die Forderung der Antragstellerin, über den Prüfungsausschluss müsse der Prüfungsausschuss in seiner Gesamtheit entscheiden, steht im Widerspruch zu § 5 Abs. 2 Satz 1 ZAppO. Nach dem eindeutigen, einer Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut dieser Vorschrift ist der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für Entscheidungen über den Ausschluss von Prüfungsteilnehmern zuständig. Die Antragstellerin benennt in ihrer Beschwerdebegründung keine höherrangigen Normen oder Rechtsgrundsätze, gegen die die Begründung der Zuständigkeit des Vorsitzenden verstoßen könnte. Im Übrigen lässt sich ein Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass gewichtige prüfungsrechtliche Entscheidungen von mehreren Personen getroffen werden müssen, weder aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG, noch aus dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit gem. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG herleiten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.4.1983, Buchholz 421.0 Nr. 173 zur Bewertung von Leistungen in der zahnärztlichen Vorprüfung durch nur einen Prüfer).

Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin ist nicht geeignet, die tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, das Verhalten der Antragstellerin am 25.2.2002 stelle einen Täuschungsversuch dar, in Frage zu stellen. Zwar enthalten die Gründe der angefochtenen Entscheidung keine Würdigung der Einlassungen der Antragstellerin zu dem fraglichen Vorfall. Nach dem Sach- und Streitstand stellt sich das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis aber nach den Regeln des Anscheinsbeweises als richtig dar:

Ein Täuschungsversuch liegt vor, wenn ein Prüfungsteilnehmer bewusst gegen Prüfungsbedingungen verstößt, um sich auf diese Weise einen unberechtigten Vorteil für die Erbringung seiner Prüfungsleistung zu verschaffen. Ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit zuwider (Niehues, Prüfungsrecht, 3. Aufl., RdNr. 143, 144 m.w.N.). Somit setzt er in objektiver Hinsicht eine Verletzung einer Regel voraus, die von den Prüfungsteilnehmern zu beachten ist. In subjektiver Hinsicht bedarf es zum einen der Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Regelverletzung ergibt. Zum anderen muss die Regelverletzung mit dem Vorsatz begangen werden, sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Es ist unerheblich, ob das regelwidrige Vorgehen zu dem bezweckten Erfolg führt oder überhaupt geeignet ist, diesen Erfolg herbeizuführen. Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (Niehues, aaO, RdNr. 148 m.w.N.).

Die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Täuschungsversuchs liegt bei der Prüfungsbehörde bzw. dem für die Leitung der Prüfung zuständigen Prüfungsorgan. Allerdings können die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Täuschungsversuchs durch den Beweis des ersten Anscheins bewiesen werden, wenn sich aufgrund der feststehenden Tatsachen bei verständiger Würdigung der Schluss aufdrängt, dass der Prüfungsteilnehmer getäuscht hat. So kann je nach den Umständen des Einzelfalles mit den Mitteln des Anscheinsbeweises sowohl der Nachweis einer Regelverletzung als auch der Nachweis des Täuschungsvorsatzes geführt werden (BVerwG, Urt. v. 20.2.1984, Buchholz, 421.0, Nr. 196; Niehues, aaO, RdNr. 149). Spricht der erste Anschein für das Vorliegen einer Regelverletzung oder des Täuschungsvorsatzes, so ist es Sache des Prüfungsteilnehmers, die Schlussfolgerung, auf der dieser Anschein beruht, zu entkräften. Hierfür reicht es nicht aus, die Denkmöglichkeit eines dem Anschein nicht entsprechenden Ablaufs aufzuzeigen. Vielmehr muss der Prüfungsteilnehmer nachvollziehbar und in sich stimmig die Tatsachen schildern und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Ablaufs ergibt. Gelingt dies, so obliegt der Prüfungsbehörde der sog. Vollbeweis (Prütting, in: Münchner Kommentar, ZPO, § 286, RdNr. 47 ff., 64; Greger in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., vor § 284, RdNr. 29 jeweils mit Nachweisen zur st. Rspr. des Bundesgerichtshofs).

Vorliegend steht außer Frage, dass die Antragstellerin bewusst gegen die Prüfungsregel verstoßen hat, keine Prüfungsgegenstände, deren Bearbeitung als Prüfungsaufgabe gefordert ist, aus dem Prüfungsraum zu entfernen. Eine solche Vorgabe stellt eine selbstverständliche Regel für alle Prüfungen dar, in denen eine eigenständige und unbeeinflusste Leistung der Prüfungsteilnehmer gefordert wird. Jeder Prüfungsteilnehmer muss sich auch ohne ausdrücklichen Hinweis darüber im Klaren sein, dass er sich daran zu halten hat. Demnach ist es ausreichend gewesen, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses zu Beginn der Prüfung im Fach Zahnheilkunde über diese Regel belehrt hat. Der Vorsitzende hat damit die ihm gem. § 5 Abs. 1 ZAppO übertragene Befugnis zur Prüfungsleitung wahrgenommen.

Dass sich die Antragstellerin bewusst war, durch die Mitnahme des Phantom-Oberkiefers in die Mittagspause einen Regelverstoß zu begehen, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben. Danach will sie den Phantom-Oberkiefer mitgenommen haben, weil sie keine Möglichkeit mehr gesehen hat, ihn vor dem Verlassen des Prüfungsraums wieder am Phantom-Kopf zu befestigen. Aufgrund der feststehenden Tatsachen drängt sich der Schluss auf, dass die Antragstellerin diese bewusste Regelverletzung auch mit Täuschungsvorsatz begangen hat, d.h. sich durch ihr Vorgehen einen unberechtigten Vorteil hat verschaffen wollen. Hierfür spricht bereits der Umstand der Mitnahme des Phantom-Oberkiefers als solcher. Hinzu kommt, dass dieses Vorgehen auch nach den Angaben der Antragstellerin nicht unumgänglich gewesen ist. Die Antragstellerin hätte den Phantom-Oberkiefer durchaus - wenn auch ohne Befestigung am Phantom-Kopf - zurücklassen können. Darüber hinaus hat die Antragstellerin während der Mittagspause nichts getan, um den Anschein einer Täuschungshandlung nicht aufkommen zu lassen oder zu zerstreuen. So enthalten ihre Angaben keinen Hinweis darauf, dass sie sich bemüht hat, die Regelverletzung - gegenüber dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses oder einer anderen Aufsichtsperson - offen zu legen. Auch hat sie den Phantom-Oberkiefer weder in ihrem Schließfach deponiert noch versucht, ihn an der Garderobe gesondert in Verwahrung zu geben. Schließlich kann der Antragstellerin nicht darin zugestimmt werden, dass eine Mitnahme zu Täuschungszwecken sinnlos gewesen sei, weil der Phantom-Oberkiefer in der Mittagspause nicht habe bearbeitet werden können. Denn der Sinn der Mitnahme kann darin bestanden haben, die Qualität der Bearbeitung der Antragstellerin von einer anderen sachkundigen Person überprüfen zu lassen und Hinweise für Änderungen einzuholen.

Den sich aus den tatsächlichen Umständen ergebenden Anschein, mit Täuschungsvorsatz gehandelt zu haben, hat die Antragstellerin bislang nicht entkräftet. Ihre Einlassungen sind nicht nachvollziehbar, weil sie in entscheidenden Punkten lückenhaft sind. Die Antragstellerin hat weder in ihrer Stellungnahme vom 26.2.2002 noch im einstweiligen Anordnungsverfahren plausibel erklärt, warum sie ihre Absicht, ihren Arbeitskittel mit dem Phantom-Oberkiefer in der Kitteltasche im Prüfungsraum zurückzulassen, nicht in die Tat umgesetzt hat. Zudem hat sie nicht dargelegt, warum sie keine der beschriebenen Entlastungsmöglichkeiten ergriffen hat.

Unabhängig davon wäre es zur Erschütterung des Anscheins, dass die Antragstellerin den Phantom-Oberkiefer zu Täuschungszwecken mitgenommen hat, notwendig gewesen, substanziiert darzulegen und unter Beweis zu stellen, wo und wie die Antragstellerin am 25.2.2002 die Mittagspause verbracht hat. Hierzu hat sie jedoch keine Angaben gemacht; ihr Aufenthalt während der Mittagspause liegt völlig im Dunkeln. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch den Senat im vorliegenden Beschwerdeverfahren kommt bereits wegen des gem. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO eingeschränkten Prüfungsauftrags nicht in Betracht. Aus diesen Regelungen folgt, dass es allein Sache des Beschwerdeführers ist, den obergerichtlichen Prüfungsauftrag in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu bestimmen und abzugrenzen. Der sonst den Verwaltungsprozess prägende Amtsermittlungsgrundsatz tritt zurück (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.4.2002, aaO). Demnach muss eine weitere Sachverhaltsaufklärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Davon ausgehend ist auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, der - nach den Regeln des Anscheinsbeweises feststehende - Täuschungsversuch der Antragstellerin sei schwerwiegend genug, um den Prüfungsausschluss zu rechtfertigen. Diese Einschätzung ergibt sich bereits daraus, dass sich ein Prüfungsteilnehmer durch die Entfernung eines zu bearbeitenden Prüfungsgegenstandes für ungefähr eine Stunde aus dem Prüfungsraum die Möglichkeit verschaffen kann, erhebliche Hilfeleistungen Dritter in Gestalt von Bearbeitungshinweisen zu erlangen. Durch einen solchen Regelverstoß kann die Prüfungsleistung entscheidend verfälscht werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die der Antragstellerin nach der Aufdeckung der Regelverletzung gesetzte Stellungnahmefrist zu kurz bemessen gewesen ist. Ein darin liegender Verfahrensfehler könnte nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht zur Aufhebung des Prüfungsausschlusses führen, weil er sich nicht auf die Ausschlussentscheidung ausgewirkt hat (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7.Aufl., § 28, RdNr. 78). Denn die Antragstellerin hat nach Abgabe ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 26.2.2002, insbesondere im verwaltungsgerichtlichen Antragsverfahren keine vertieften Angaben zu dem fraglichen Vorfall gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die berufsbezogene Prüfungen betreffen, ein Streitwert von 4.000,- € festzusetzen, wenn eine - wenn auch nur vorläufige - Vorwegnahme der Hauptsache angestrebt wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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