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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.07.2003
Aktenzeichen: A 2 B 19/03
Rechtsgebiete: AsylVfG, AuslG


Vorschriften:

AsylVfG § 51
AsylVfG § 70 Abs. 1
AsylVfG § 50
AuslG § 12
Ein Umverteilungsanspruch nach § 51 AsylVfG kommt nicht mehr in Betracht, wenn dem Ausländer wegen der bestandskräftigen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG während des Verfahrens eine Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG erteilt wird, auch wenn diese eine räumliche Beschränkung enthält.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: A 2 B 19/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Umverteilung

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und den Richter am Oberverwaltungsgericht Künzler ohne mündliche Verhandlung

am 18. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 8. Juli 2002 - A 3 K 30799/00 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Umverteilung von Sachsen nach Hamburg.

Die Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Eigenen Angaben gemäß reiste sie am 12.12.1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 28.12.1999 beantragte sie die Anerkennung als Asylberechtigte. Sie wurde durch ihr am 29.1.2000 zugestellten Bescheid des Regierungspräsidiums Chemnitz gemäß § 50 Abs. 4 AsylVfG dem Landkreis zugewiesen. Mit Bescheid vom 8.3.2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht vorliegen. Aufgrund des seit dem 7.1.2003 rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9.12.2002 - A 3 K 30360/00 - stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 16.1.2003 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die insoweit entgegenstehende Abschiebungsandrohung wurde im Urteil aufgehoben.

Mit Schreiben vom 13.1.2000 beantragte die Klägerin ihre Umverteilung nach Hamburg, da dort ihre minderjährigen Kinder wohnten. Mit Bescheid vom 20.7.2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf länderübergreifende Verteilung ab, da es an einem Nachweis dafür fehle, dass die Klägerin die leibliche Mutter der in Hamburg wohnenden Kinder sei. Im Übrigen entspreche es der üblichen Verwaltungspraxis der Beklagten, die Kinder zur Mutter umzuverteilen.

Am 7.8.2000 hat die Klägerin Klage erhoben. Während des Klageverfahrens wurde ein Abstammungsgutachten erstellt, gemäß dem die Klägerin die leibliche Mutter der in Hamburg lebenden minderjährigen Kinder und ist. Die Klägerin machte geltend, ihre Kinder, die vor ihr nach Deutschland gelangt seien, hätten sich in Hamburg zwischenzeitlich integriert.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 8.7.2002 wurde der Bescheid der Beklagten vom 20.7.2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Anrechnung auf die Quote des Landes Hamburg nach Hamburg umzuverteilen. Aufgrund des Abstammungsgutachtens vom 4.10.2001 bestünden keine Zweifel daran, dass die Klägerin die Mutter der in Hamburg lebenden Kinder sei. Dies räume nunmehr auch die Beklagte ein. Dem Anspruch der Klägerin gemäß § 51 Abs. 1 AsylVfG darauf, der Haushaltsgemeinschaft von Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kinder durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen, könne nicht entgegengehalten werden, dass es sinnvoller oder kostengünstiger wäre, wenn die in Hamburg lebenden Kinder der Klägerin ihre Umverteilung nach Sachsen begehren würden. Eine solche Umverteilung könne schon deshalb nicht erfolgen, weil ein diesbezüglicher Antrag bislang nicht gestellt worden sei. Aus § 51 AsylVfG ergebe sich ein Wahlrecht der Asylbewerberfamilie, ob die Eltern zum Kind oder umgekehrt das Kind zu den Eltern verteilt werden möchte. Bei der Entscheidung sei auch die ärztliche Stellungnahme der vom 4.7.2002 berücksichtigt worden, wonach die Klägerin akut depressiv sei und Suizidgefahr bestehe.

Auf Antrag der Beklagten hat der erkennende Senat durch Beschluss vom 2.1.2003 - A 2 B 709/02 - die Berufung zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob der Asylbewerberfamilie in den Fällen, in denen die Eltern bzw. ein Elternteil einerseits und die minderjährigen Kinder andererseits jeweils einem anderen Bundesland zugewiesen sind, bei der länderübergreifenden Verteilung nach § 51 AsylVfG ein Wahlrecht dahingehend zustehe, ob die Eltern zum Kind oder das Kind zu den Eltern verteilt wird, grundsätzlich klärungsbedürftig sei.

Aufgrund der bestandskräftigen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Klägerin wurde dieser durch Bescheid des Landratsamtes vom 14.4.2003 gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt. Diese enthält u.a. den Zusatz, dass die Klägerin zur Wohnsitznahme im Freistaat Sachsen verpflichtet ist.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte geltend, es entspreche ihrer Verwaltungspraxis und derjenigen anderer Bundesländer, minderjährige Kinder grundsätzlich zu ihren Eltern umzuverteilen. Einem Anspruch der Klägerin auf Umverteilung gemäß § 51 Abs. 1 AsylVfG stehe zudem entgegen, dass das Asylverfahren unanfechtbar abgeschlossen sei. Über den nach wie vor begehrten Ortswechsel der Klägerin von Sachsen nach Hamburg könne deshalb nur im Rahmen eines noch zu stellenden sogenannten Zuzugsantrags entschieden werden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 8.7.2002 - A 3 K 30799/00 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, über ihr Umverteilungsbegehren sei trotz des zwischenzeitlich bestandskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens weiterhin im vorliegenden Verfahren zu entscheiden. § 51 AsylVfG regele die länderübergreifende Verteilung eines Ausländers, der nicht mehr verpflichtet sei, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Selbstverständlich sei die Klägerin Ausländerin. Sie sei gleichfalls nicht mehr verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Antrag auf länderübergreifende Umverteilung während des laufenden Asylverfahrens gestellt habe und über den Antrag noch nicht abschließend entschieden worden sei.

Dem Senat liegen die Originalbehördenakten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Leipzig im Verfahren A 3 K 30799/00 vor. Auf diese sowie die Gerichtsakten im Zulassungs- und Berufungsverfahren wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte jedenfalls im Ergebnis zu Unrecht verpflichtet, die Klägerin unter Anrechnung auf die Quote des Landes Hamburg nach Hamburg umzuverteilen. Denn ein Anspruch auf Umverteilung nach Hamburg gemäß § 51 AsylVfG ist aufgrund der nach § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. HS AsylVfG zu berücksichtigenden zwischenzeitlich erfolgten Beendigung des Asylverfahrens und der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG ausgeschlossen.

Der die länderübergreifende Verteilung eines Ausländers betreffende § 51 AsylVfG steht im Regelungszusammenhang mit den Vorschriften des dritten Abschnitts und des ersten Unterabschnitts des vierten Abschnitts des Asylverfahrensgesetzes. Dort wird die Unterbringung und Verteilung von Ausländern, denen der Aufenthalt im Bundesgebiet zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet ist (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und die keinen Anspruch darauf haben, sich in einem bestimmten Land oder in einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG), geregelt. Die Aufenthaltsgestattung ist Kraft Gesetzes räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt, solange der Ausländer verpflichtet ist, dort zu wohnen (§ 56 Abs. 1 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Nach der Entlassung aus der Aufnahmeeinrichtung werden die Asylbewerber gemäß § 50 AsylVfG landesintern durch Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde verteilt. Durch die Zuweisungsentscheidung gemäß § 50 Abs. 4 AsylVfG wird der räumliche Geltungsbereich der Aufenthaltsgestattung auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem der Wohnort liegt (§ 56 Abs. 2 AsylVfG).

Solange der Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet der Durchführung des Asylverfahrens dient, kann die durch die Zuweisungsentscheidung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme an dem durch sie bestimmten Ort und die damit verbundene räumliche Beschränkung des Aufenthaltes durch anderweitige landesinterne oder länderübergreifende Verteilung nach Maßgabe der §§ 50 und 51 AsylVfG geändert werden. Ist das nicht mehr der Fall, verliert die Zuweisung ihre Wirkung (vgl. zu § 22 AsylVfG in der bis zum 30.6.1992 geltenden Fassung BVerwG, Urt. v. 31.3.1992 - 9 C 155.90 -, NVwZ 1993, 276 [278]). Damit entfällt auch die durch sie begründete räumliche Beschränkung des Aufenthaltes. Für räumliche Beschränkungen des weiteren Aufenthaltes und deren Änderungen gelten nicht mehr die Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes, sondern diejenigen des Ausländergesetzes (vgl. OVG Münster, Urt. v. 1.12.1999 - 17 A 3994/98 -, NVwZ-Beilage 17/2000, 82).

Vorliegend ist die Zuweisungsentscheid und nach § 50 Abs. 4 AsylVfG unwirksam geworden. Für die räumliche Beschränkung des Aufenthaltes der Klägerin gelten ausschließlich die Vorschriften des Ausländergesetzes. Eine Umverteilung nach § 51 Abs. 1 AsylVfG kommt somit nicht mehr in Betracht; das Verfahren hat sich erledigt.

Der Klägerin ist der Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens nicht mehr nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestattet. Ihr wurde vielmehr zwischenzeitlich gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt. Die dort enthaltene Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Freistaat Sachsen stellt keine Zuweisung oder Verteilung im Sinne des dritten Abschnitts des Asylverfahrensgesetzes oder eine räumliche Beschränkung gemäß §§ 56 ff. AsylVfG dar, sondern eine - der Anfechtung zugängliche (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.3.1996 - 1 C 34.93 -, DVBl. 1997, 165) - ausländerrechtliche Teilregelung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AuslG. Denn die Aufenthaltsbefugnis nach § 70 AsylVfG kann nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften (§§ 12 und 14 AuslG) räumlich beschränkt und an Bedingungen und Auflagen geknüpft werden (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 70 AsylVfG RdNr. 15).

Der Berufung war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG stattzugeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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