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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: 6 UF 55/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 301 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 7
Zur (Un-) Zulässigkeit von Teilurteil in Unterhaltssachen.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. Mai 2005 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Merzig - 20 F 655/03 UK - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - in Merzig zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

I. Die Kläger sind aus der seit dem 30. Juli 2003 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Beklagten und ihres gesetzlichen Vertreters, in dessen Haushalt sie leben, hervorgegangen.

Die am. August 1964 geborene Beklagte ist ausgebildete Einzelhandelskauffrau und Altenpflegerin. Während der Ehe war sie in einem Fitness-Studio als Aushilfskraft tätig. Im Februar 2003 erlitt sie bei einem Unfall einen Bruch des 12. Brustwirbels und musste stationär behandelt werden. Ab dem 1. August 2003 war sie auf Grund eines bis zum 31. Juli 2004 befristeten Arbeitsvertrages als Altenpflegerin in einem Kinderdorf vollschichtig beschäftigt; das monatliche Nettoeinkommen belief sich auf 986,96 EUR. Ab dem 16. Oktober 2003 war sie arbeitsunfähig erkrankt und ab dem 27. November 2003 bezog sie Krankengeld. Vom 4. März 2004 bis zum 8. April 2004 nahm sie an einer teilstationären Reha-Maßnahme und vom 11. bis 19. Oktober 2004 an einer Berufsförderungsmaßnahme teil. Ab Februar 2005 absolvierte die Beklagte, die ab dem 13. August 2004 Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld II bezieht, eine 6-wöchige Berufsfindungsmaßnahme. Außerdem hat die Beklagte Zahlungen auf Darlehen zu leisten.

Mit ihrer am 23. September 2003 eingereichten Klage haben die Kläger die Beklagte auf Zahlung von Kindesunterhalt ab August 2003 in Höhe von monatlich 284 EUR und 241 EUR in Anspruch genommen. Sie haben vorgetragen, dass die Beklagte keinen Erwerbseinschränkungen unterliege und daher bei gehöriger Anstrengung in der Lage sei, für die Kläger den Mindestunterhalt zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, nicht leistungsfähig zu sein. Sie wolle ab September 2005 eine Umschulung zur Kauffrau in der Bürokommunikation beginnen. Der gesetzliche Vertreter der Kläger habe der Beklagten zugesagt, im Hinblick auf ihre beabsichtigte Berufsausbildung vorerst keine Unterhaltsansprüche geltend machen zu wollen. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass für den Kläger zu 2) Leistungen nach den Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) gewährt worden seien.

Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Teilurteil, auf das Bezug genommen wird, die Beklagte verurteilt, ab Mai 2005 monatlich 80 EUR an den Kläger zu 1) und 68 EUR an den Kläger zu 2) zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage für die Zeit ab Mai 2005 abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Sie trägt vor, dass die beabsichtigten Umschulungsmaßnahmen sinnvoll und auf Grund ihres angegriffenen Gesundheitszustands notwendig seien. Im Übrigen sei sie wegen einer Medikamentenabhängigkeit vom 18. Juli bis zum 7. November 2005 in der Fachklinik stationär behandelt worden.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen; sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

II. Die zulässige Berufung hat einen vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Das Familiengericht hat verfahrensfehlerhaft durch ein unzulässiges Teilurteil entschieden. Nach § 301 ZPO ist eine Entscheidung durch Teilurteil u.a. dann vorgesehen, wenn nur ein Anspruch von mehreren oder ein Teil eines Anspruchs zur Entscheidung reif ist. Dies erfordert neben der Teilbarkeit des Streitgegenstandes, dass durch die abgetrennte Entscheidung nicht die Möglichkeit widerstreitender Entscheidungen eröffnet wird. Diese Voraussetzung ist im Streitfall indes nicht erfüllt. Denn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht schon dann, wenn bestimmte Tatsachen- oder Rechtsfragen sowohl für den vom Teilurteil erfassten Zeitabschnitt als auch für den noch zu behandelnden Zeitraum erheblich sind, da im Rahmen des § 301 Abs. 1 ZPO eine unterschiedliche Beurteilung von entscheidungsrelevanten Fragen innerhalb eines Verfahrens gerade vermieden werden soll(vgl. BGH, NJW 1997, 453, 455, m.w.N; OLG Nürnberg, MDR 2003, 219; Götsche, MDR 2005, 1086).

So liegt der Fall hier. Ob und in welcher Höhe die streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche bestehen, hängt wesentlich von der Leistungsfähigkeit der Beklagten ab, die sich wiederum danach beurteilt, welches Einkommen bei ihr in Ansatz zu bringen ist. Da die Beklagte im gesamten Klagezeitraum tatsächlich keine ausreichenden Einkünfte erzielte und insbesondere ab Januar 2005 nur noch Arbeitslosengeld II bezog, kommt es darauf an, ob ihr, wie es das Familiengericht getan hat, wegen der Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit ein fiktives Einkommen zugerechnet wird, oder ob es als unterhaltsrechtlich unbedenklich anzusehen ist, dass sie berufliche Rehabilitationsmaßnahmen absolvierte und eine Umschulung anstrebt, statt sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen. In gleicher Weise werden unter den gegebenen Umständen die Unterhaltsansprüche von der Frage mit bestimmt, ob und ggf. welche der finanziellen Belastungen der Beklagten einkommensmindernd zu berücksichtigen sind. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, der gesetzliche Vertreter der Kläger habe erklärt, bis zur Beendigung der Berufsausbildung der Beklagten auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu verzichten.

Alle diese Fragen sind nicht nur für den durch das Teilurteil erfassten Zeitraum von Bedeutung, sondern zumindest teilweise auch für die Unterhaltsansprüche, über die noch zu entscheiden ist. Damit besteht jedoch die Gefahr einer unterschiedlichen Beurteilung bestimmter Urteilselemente, so dass ein unzulässiges Teilurteil vorliegt.

Rechtsfolge dieses von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstands (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.) ist die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers an das Familiengericht gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO (vgl. BGH a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.), ohne dass es eines diesbezüglichen Antrags der Parteien bedarf.

Der Kostenausspruch beruht auf § 21 Abs. 1 GKG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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